
Zwischen alten und neuen Regeln gefangen: Warum die Rentenbesteuerung seit 2005 für Verwirrung, Ungerechtigkeit und stille Verlierer sorgt.
Es gibt politische Entscheidungen, die laut und sichtbar sind. Und dann gibt es jene, die im Hintergrund beschlossen werden, technisch klingen, kaum diskutiert werden und trotzdem das Leben von Millionen Menschen verändern. Die Rentenbesteuerung gehört zu dieser stillen Kategorie.
Seit der Reform von 2005 hat sich das System so grundlegend verändert, dass viele Menschen erst im Ruhestand merken, was damals wirklich beschlossen wurde: dass sie in einem bürokratischen Hybrid aus alten und neuen Regeln gelandet sind, der am Ende häufig zu einer doppelten Belastung führt.
Deutschland ist ein Land, das von seinen Ältesten erwartet, die Folgen einer komplizierten Steuerlogik zu tragen, die sie weder wollten noch verstanden. Und während die Politik das Problem seit Jahren kleinredet, wächst die Frustration der Betroffenen weiter, völlig zu Recht.
Der Systembruch von 2005 und warum er bis heute für Verwirrung sorgt
Bis 2004 wurden Rentenbeiträge überwiegend aus bereits versteuertem Einkommen gezahlt. Das heißt: Der Staat hatte seinen Anteil schon bekommen, bevor der Beitrag überhaupt bei der Rentenkasse landete.
Deshalb wurden die späteren Renten nur mit einem kleinen „Ertragsanteil“ besteuert, ein vereinfachtes, aber nachvollziehbares System.
Mit dem Alterseinkünftegesetz von 2005 wurde alles umgedreht:
Die Beiträge sollten schrittweise steuerfrei gestellt werden, dafür sollte die spätere Rente höher besteuert werden. Eine sogenannte „nachgelagerte Besteuerung“.
Auf dem Papier sah das logisch aus.
In der Realität traf es eine gesamte Generation, die zwischen beiden Systemen hängt.
Wer jahrzehntelang Rentenbeiträge aus versteuertem Einkommen gezahlt hat und jetzt eine Rente erhält, die zu einem großen Teil besteuert wird, steht vor einem klaren Widerspruch, den die Politik nie wirklich aufgelöst hat:
Warum soll ein Einkommen nachträglich besteuert werden, das damals bereits der Lohnsteuer unterlag?
Die Politik hat bis heute keine befriedigende Antwort darauf gegeben.
Die gefährliche Mischphase
Der eigentliche Skandal liegt nicht im neuen System.
Sondern darin, dass niemand sauber getrennt hat, welche Rentenansprüche aus welchem Teil des Lebens stammen.
Ein typisches Erwerbsleben sieht heute so aus:
- 20, 30 oder mehr Jahre Beiträge aus versteuertem Einkommen (altes System)
- 10, 15 oder mehr Jahre Beiträge aus unversteuertem Einkommen (neues System)
Eigentlich müsste jeder Rentenanspruch anteilig berechnet werden.
Das wiederholt auch die wissenschaftliche Literatur ständig.
Doch in der Praxis passiert genau das nicht. Die Rentenversicherung rechnet nicht nach alten und neuen Jahren getrennt. Die Finanzämter ebenfalls nicht.
Es heißt oft: „Doppelbesteuerung ist verboten.“ Das stimmt, aber nur theoretisch.
In der praktischen Umsetzung sind viele Rentner genau dort gelandet: im Niemandsland zwischen zwei Systemen, in dem sie kaum Chancen haben, ihren Anspruch sauber nachzuweisen.
In mehreren Fällen mussten Bürger vor Gericht ziehen, nur um festzustellen, dass die Berechnungsgrundlagen so kompliziert sind, dass ein normaler Mensch sie kaum nachvollziehen kann und ein sehr alter Mensch schon gar nicht.
Die bürokratische Last – und warum gerade ältere Menschen darunter zerbrechen
Deutschland ist stolz auf seine Effizienz. Aber effizient ist dieses System nur für die Behörden, nicht für die Betroffenen.
Viele Rentner, die heute 70, 80 oder 90 sind, haben ihr ganzes Leben ohne Steuererklärung verbracht. Sie hatten Arbeitgeber, die sich um alles kümmerten. Und sie hatten Rentenkassen, die die Dinge regelten, die geregelt werden mussten.
Heute sieht der Alltag so aus:
- Formulare, Fristen, digitale Steuerportale
- jährliche Erklärungspflichten
- komplizierte Bescheide
- oft unverständliche Berechnungen
Wer nicht mitkommt, riskiert Mahnungen, Säumniszuschläge oder schlicht Ärger mit dem Finanzamt.
Diese Bürokratisierung ist kein Zufall.
Sie ist das Ergebnis einer Reform, die nie darauf ausgelegt war, den betroffenen Menschen das Leben zu erleichtern.
Ein Staat, der auf Digitalisierung setzt, darf nicht erwarten, dass 85-Jährige plötzlich Steuerexperten werden. Dennoch ist genau das der Fall.
Dazu gibt es auf politischer Seite bis heute keine belastbare Lösung, keine Vereinfachung, keine Entlastung.
Altersarmut als politischer Preis, den niemand aussprechen will
Während die Politik über Milliarden für Rüstung, Krisen oder internationale Fonds diskutiert, führt die Realität der Rentner in eine andere Richtung: Sie schauen auf ihre Kontoauszüge und merken, dass ihre Rente kaum noch reicht.
Nicht alle, das wäre unseriös. Aber viele.
Wer 800 Euro Rente hat, bezahlt keine Rentensteuer.
Aber wer 1.200, 1.400 oder 1.600 Euro Rente hat und vielleicht noch eine kleine Betriebsrente oder Mieteinnahmen, landet schnell in einem Geflecht aus Steuerpflichten.
Das Problem:
Diese Menschen gehören selten zu den „reichen Alten“, von denen gerne die Rede ist.
Sie gehören zur arbeitenden Mittelschicht, die jahrzehntelang eingezahlt hat und heute trotzdem aufpassen muss, dass sie nicht im Winter mit zwei Pullovern dasitzt.
Altersarmut wächst. Die Politik weiß es. Doch belastbare, konkrete Maßnahmen? Fehlanzeige.
Beamtenpensionen – ein blinder Fleck
Wenn man über Gerechtigkeit spricht, muss man über ein Thema reden, das politisch unangenehm ist: die Trennung zwischen gesetzlicher Rente und Beamtenpension.
Beamte:
- zahlen keine Beiträge in die Rentenversicherung,
- erhalten aber Pensionen, die weit über dem Rentenniveau liegen,
- werden vollständig aus Steuermitteln finanziert.
Es geht nicht darum, Beamte anzugreifen. Aber es geht darum, die Realität zu benennen:
Die gesetzliche Rente wird aus Beiträgen finanziert, die Pensionen aus Steuern.
Und wenn diese Steuern steigen müssen, um Pensionen zu sichern, während Rentner gleichzeitig besteuert werden, entsteht ein Ungleichgewicht, das sich schwer rechtfertigen lässt.
Darüber wird kaum öffentlich gesprochen. Auch hier gibt es auf politischer Seite keine klare Strategie, wie man die Systeme langfristig stabil und gerechter machen könnte.
Die Zeitenwende trifft die Falschen zuerst
Die „Zeitenwende“ hat viele Gesichter, höhere Energiepreise, steigende Lebenshaltungskosten, neue Abgaben, neue militärische Ausgaben.
Dass diese Kosten ausgerechnet ältere Menschen in besonderem Maße treffen, ist kein Geheimnis.
Sie können ihre Heizungen nicht runterdrehen wie Studenten. Sie können nicht mehr Vollzeit arbeiten. Sie können nicht einfach „flexibel reagieren“.
Viele Rentner werden zu stillen Opfern politischer Entscheidungen, die sie weder beeinflussen noch kompensieren können.
Was jetzt passieren müsste
- Klare und transparente Trennung alter und neuer Rentenansprüche.
- Sicherstellung, dass niemand aus versteuertem Einkommen doppelt belastet wird.
- Echte Entbürokratisierung der Steuerpflicht für ältere Menschen.
- Überarbeitung des gesamten Systems im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit.
- Offene Debatte über die Finanzierung der Pensionen, ohne Tabus.
Und vor allem:
Der Mut, anzuerkennen, dass die Reform von 2005 erhebliche Kollateralschäden verursacht hat.
Solange das niemand ausspricht, bleibt alles wie es ist: kompliziert, ungerecht und für viele ruinös.
Quellen
“Doppelbesteuerung bei Renten: Alles was Du wissen musst!” – Finanztip
https://www.finanztip.de/rentenbesteuerung/doppelbesteuerung-rente/
“Wie Alterseinkünfte besteuert werden” – Bundesfinanzministerium (Broschüre)
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/wie-alterseinkuenfte-besteuert-werden.pdf?__blob=publicationFile&v=12
“Doppelbesteuerung der Rente: Verfassungsrechtliche Stellungnahme” – Bundesfinanzministerium
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Steuerliche_Themengebiete/Rentenbesteuerung/2025-03-10-verfassungsrechtliche-stellungnahme.pdf?__blob=publicationFile&v=2
„Steuerpflicht für Rentner“ – offizielle Seite der Deutsche Rentenversicherung : https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Glossareintraege/DE/S/steuerpflicht_fuer_rentner.html
„Versicherte und Rentner: Informationen zum Steuerrecht“ (PDF) – ebenfalls Deutsche Rentenversicherung: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/national/versicherte_und_rentner_info_zum_steuerrecht.pdf




Menschen die einem dunklen System leben, sind dunkel aufgewachsen.
Das kapitalistische System benötigt, genügend Lügen, um ihr System aufrechtzuerhalten.
Wir die lebenden ‚vorstehenden‘ Menschen, sind aufgefordert ihr Dasein zu analysieren und entsprechende Konsequenzen daraus zu ziehen.
Beispiel Deutschland, das ihre Bildung zerstört hat, um wieviele Einwanderer zu gewinnen. Dieses Deutschland, hat ihre nationale Sicherheit, wahrscheinlich, selbst im Wasser aufgelöst, das besitzt Konsequenzen, weil die anhängde Industrie davon abhängig war…. D drdgmbh betreibt selbst Mord, damit das Kapital weiterhin ihr politischen Interessen verwirklichen kann.
Das ist die gelebte Simulation…
Rein statistisch gesehen fällt die Frau eines Ex- Landgerichtspräsidenten, der 5700,- € Pension erhält, unter die Armutsgrenze, wenn sie selbst eine Rente von 400,- € bezieht. Der Klarheit halber sollten schon die Haushaltseinkommen der Ruheständler als Maßstab genommen werden. Somit kommen wir in diesem Fall auf 6100,- € monatlich, was die meisten Gewerbetreibenden nicht mal annähernd erreichen. Von dem Erbe des “ Herrn Präsidenten“ profitieren selbstverständlich seine direkten Nachkommen, die wahrscheinlich auch als Juristen o. ä. tätig sind. Die Kohorte jener, welche überdurchschnittlich profitieren, bleibt also langfristig erhalten. Die BRD, sowie alle Staatsformen vor ihr, sorgen schon für das Wohl ihrer Klientel – bis in den Tod.
„Deutschland ist stolz auf seine Effizienz. Aber effizient ist dieses System nur für die Behörden, nicht für die Betroffenen.“
Genau das ist es ja NICHT! Es schafft ja zusätzlichen Arbeitsaufwand bei den Behörden. Das mag arbeitsplatzsichernd sein, aber nicht effizient.
Ich sehe es an meiner Mutter. Die ging 2006 in Rente, hat also, wenn es hochkommt, ein Jahr nach dem neuen „System“ gearbeitet. Und jetzt muß sie jedes Jahr eine Steuererklärung ausfüllen, von der sie Jahr für Jahr weniger versteht. Für nichts!
Wenn ich mal in Rente gehren werde, wirds ganz lustig:
Ausbildung und erste Arbeitsjahre in der DDR, dann die Wendezeit mit künstlich niedriggehaltenen Ost-Löhnen, für die es „Umrechnungsfaktoren“ geben soll, die sich jedes Jahr ändern, ab 2005 die „nachgelagerte“ Besteuerung, die sich seitdem auch jedes Jahr ändert…. Das wird keiner mehr verstehen! Weder ich, noch der staatlich alimentierte Finanzbeamte mit 70% Pension, der sich mit meinen Jahr für Jahr wirrer ausfallenden Steuererklärungen herumzuschlagen hat.
Sehr gut die Unerklärbarkeit des Unerklärlichen beschrieben. Das Problem ist dabei, dass mit dem Stichwort „Verbot der Doppelbesteuerung“ auch viele Illusionen/Hoffnungen auf Steuerrückzahlungen geweckt werden. Es gibt nach wie vor diese Doppelbesteuerungen, obwohl eine Streckung des Zeitraums bis zur 100%-Besteuerung von 2040 auf 2058 erfolgte, aber die Anzahl und die Beträge um die es geht werden sehr überschaubar sein (meine Vermutung).
Von fast allen verantwortlichen Akteuren wird, wie im Artikel festgestellt, die Auswirkung der Besteuerung verschwiegen. deshalb ist die Behauptung, das Rentenniveau betrage 48% auch eine halbe Lüge. Ich hatte hier vor fünf Jahren versucht etwas Licht ins Dunkle zu bringen (ist immer noch aktuell, wenn man das Jahr 2040 durch 2050 ersetzt):
https://www.seniorenaufstand.de/rentenschwindsucht-durch-die-nachgelagerte-besteuerung/
Die Realität …
Ich schau mit in diesen Kontext immer zerst das Datum genau an und erkenne dann immer , es geht primär um die Babyboomer..
In jedem Fall greift bei Ihnen immer der Rückbau des Sozialen Systems als erstes …
Das hätte dieser Generation schon viel eher klar sein müssen, aber Sie haben das Thema wohl gekonnt ignoriert ..
Die wenigen die es erkannt hatten sind in die Politik und damit haben Sie das Problem für sich gelöst o)))))
Eine Verkomplizierung des Systems ist erwuenscht und bedeutet Mehreinnahmen für den Staat. Ganze Berufssparten leben davon. Micromanagement wird zur Norm erhoben. Der Blick ueber den Tellerrand wird verbaut, niemand fragt mehr nach dem Sinn dahinter. Die Gerisseneren beginnen zu tricksen, das Vertrauen erodiert.