Wer soll das alles ändern?

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Mentalitäten, Auseinandersetzungen und soziale Bewegungen für eine grundlegende Gesellschaftstransformation.

Wer wenig um die sozialen Kräfte weiß, die zu einer grundlegenden gesellschaftlichen Transformation beitragen können, wird bereits aus diesem Grund kaum bereit sein, sich an entsprechendem Engagement zu beteiligen. Dieser Text vergegenwärtigt mit vielen empirischen Beispielen befürwortenswerte gesellschaftliche Tendenzen sowie unterstützenswerte soziale Kräfte.

Häufig verbreiten Medien, wie schrecklich es auf der Welt doch zugeht. „Warum wird uns pausenlos von Terror, Krisen, Katastrophen […] und den daraus resultierenden Sachzwängen und Alternativlosigkeiten erzählt? Ich sage euch warum: Furcht gebiert Gehorsam“ (Marc-Uwe Kling). Zu ergänzen wäre: Pessimismus in Bezug auf die gesellschaftliche Entwicklung geht einher mit Passivität und Anspruchsreduktion sowie mit der Bereitschaft dafür, das Glück allein im privaten Winkel zu suchen.

Wir fragen, wie die Wirklichkeit zur Idee drängt, und vertrauen nicht darauf, dass die Idee sich gegen eine Realität durchsetzt, die ihr die kalte Schulter zeigt. Wir gehen aus vom Gegensatz zwischen Wirklichkeiten in einer Gesellschaft und nicht vom Gegensatz zwischen Idee und Wirklichkeit. Die von uns beschriebenen sozialen Kräfte für eine grundlegende gesellschaftliche Transformation resultieren aus Widersprüchen innerhalb der Gesellschaft und nicht aus edelmütigen Sonntagsreden oder einem Schwärmen für das Wahre, Schöne und Gute, das sich an sich selbst erbaut.

Angesichts der gegenwärtigen Übermacht der Gegner steht die Suche nach sozialen Kräften für eine  anstrebenswerte grundlegende Gesellschaftstransformation in der Gefahr, das Gras wachsen zu hören, also vergleichsweise sympathische Entwicklungen sowie Kräfte zu überschätzen. Wunschdenken bzw. Hofferei sind ebenso zu vermeiden wie die pauschale Annahme, die moderne bürgerliche Gesellschaft mit kapitalistischer Ökonomie vermöge alles systemkonform zu absorbieren.

Dieser Text vergegenwärtigt Konvergenzen zwischen unterschiedlichen Auseinandersetzungen. „Sinnvolle Arbeit und Tätigkeit” sowie „Lebensqualität in der Arbeit” bilden – so unser Vorschlag – dabei die übergreifenden Themen. Skizziert wird, wie sie sich dazu eignen, verschiedene soziale Kräfte in eine einander bestärkende Resonanz zu bringen und zu so etwas wie einer Wahlverwandtschaft zu führen.

Dieser Text beansprucht keine Vollständigkeit bei den empirischen Beispielen. Er verdeutlicht  unterstützenswerte Auseinandersetzungen und Mentalitäten. Feststellungen über eine Gesamtheit (à la „Die Bevölkerung präferiert x”) sind nicht beabsichtigt. Die Aufmerksamkeit einer Einzelperson für die vielen Dimensionen des Themas bleibt notwendigerweise begrenzt. Umso mehr, wenn diese Person kein Bewegungsforscher ist. Insofern lässt sich kaum vermeiden, dass Beispiele, die das jeweils Gesagte besser vergegenwärtigen, nicht vorkommen. Dieser Text ist ein Diskussionsvorschlag. Der Autor ist unter info (at) meinhard-creydt.de erreichbar.

Die Ambivalenz des „Realismus”

Eine realistische Vergegenwärtigung wirkt zu Recht positiven zukunftsgläubigen Illusionen entgegen. Zugleich verbirgt sich in dem, was als „Realismus” bezeichnet wird, häufig eine problematische Erwartungsreduktion.

„Das Bedürfnis, sich gegen die Macht des Kapitals (vermittelt über die Vorgesetzten) aufzulehnen, löst gleichzeitig Existenzangst aus wegen des damit verbundenen Risikos. Die häufig anzutreffende Übertreibung der realen Machtverhältnisse entlastet von diesem Konflikt und den Anforderungen zur Gegenwehr, gibt der Unterordnung etwas Schicksalhaftes und nimmt ihr damit das Odium persönlicher Schwäche. So machen sich viele Beschäftigte kleiner als sie sind“ (Wiethold 1985, 28).

„Man könnte die Leute […] fragen, welche Seite sie denn gern als Sieger sehen würden. Wenn nämlich ein Zyniker alle Bemühungen um eine bessere Welt mit der Begründung abtut, dem stünde schon die menschliche Natur entgegen, dann habe ich immer das Gefühl, der will es gar nicht anders haben. […] Wenn man erlebt, wie diese Leute auftreten, wie sie argumentieren, wofür sie sich einsetzen, wie starrköpfig sie keiner Alternative auch nur die kleinste Chance geben, dann muss man daraus schließen, dass die am liebsten in ihren Befürchtungen bestätigt werden wollen“ (Albert 2006, 284). Der Eifer, mit der der „Realismus“ einer vermeintlich abgeklärten Verabschiedung aller positive Erwartungen in Bezug auf eine grundlegende gesellschaftliche Transformation vertreten wird, provoziert dazu, nach den latenten Motiven für diesen Drang zu fragen. Diese Einstellung möchte nicht wahrnehmen, dass „man sich aus Furcht vor dem Risiko nicht dagegen (gegen gesellschaftlich bearbeitbare Probleme – Verf.) engagieren möchte und sich daher sonst seiner Untätigkeit schämen müsste, oder weil man als Nutznießer derselben sein Gewissen beruhigen will“ (Ebd.). Man möchte nur bei etwas dabei sein, dessen Erfolg sicher ist. Das ist bei einem Handeln, das sich an grundlegender gesellschaftlicher Veränderung orientiert, ausgeschlossen.

In Bezug auf die gesellschaftlichen Perspektiven haben sich viele angewöhnt, sich  nichts Positives zu erwarten, um keine Enttäuschung erleiden zu müssen.

 

Inhalt

1) Sinnvolle Arbeit und Tätigkeit

– Ansprüche von Arbeitenden an die Inhalte der Arbeit und das Bedürfnis nach sinnvollem Tun

– Der den berufsinhaltlichen Motiven und Ansprüchen zugrundeliegende gesellschaftliche Widerspruch

– Kämpfe der Arbeitenden, in denen es unmittelbar oder mittelbar um die Inhalte der Arbeit geht

– Arbeitende in der Rüstungsindustrie

– Das Handwerk

– Whistleblowing

– Auseinandersetzung außerhalb der Arbeitswelt darüber, was menschlich und sozial sinnvolle Produkte und Dienstleistungen sind

– „Repräsentations”- und „Treuhänder”-Beziehungen

– „Erdung“ bzw. Verankerung des Engagements

– Technologie als Querschnittsthema im öffentlichen Streit über den menschlichen, sozialen und gesellschaftlichen Wert von Arbeiten

– Care-Tätigkeiten sowie die mit ihnen günstigenfalls verbundenen Mentalitäten und der Anspruch auf ihren angemessenen Stellenwert in der Gesellschaft

– Sozialberufliche sowie pädagogische Tätigkeiten und ihre Distanz zum Geschäftsleben und zur Technologie

– Die Ambivalenz der zwischenmenschlichen Sensibilität und ihr teilweiser Gegensatz zum Erwerbs- und Geschäftsleben

 

2) Die Auseinandersetzung um die Lebensqualität in der Arbeit                                                    23

– Ein Widerspruch in der kapitalistischen Produktionsorganisation und -technologie

– Gegenwärtige Ansprüche von Arbeitnehmern an die Länge der Arbeitszeit

– Der Kleinkrieg im kapitalistischen Betrieb

– Das Unbehagen an der Arbeit

– Das Bedürfnis nach Lebensqualität in der Arbeit

 

3) Die Auseinandersetzung um die Formen der sozialen Beziehungen und um die gesellschaftlichen Strukturen

– Subjektive Einstellungen

– Praktische Auseinandersetzungen

– Dissidenz innerhalb der Eliten

 

Schluss

Literatur

 

1. Sinnvolle Arbeit und Tätigkeit

Ansprüche von Arbeitenden an die Inhalte der Arbeit und das Bedürfnis nach sinnvollem Tun

Tätigkeiten (z. B. in Dienstleistungen) bewirken etwas, schaffen aber nicht wie Arbeiten ein gegenständliches Produkt. In unterschiedlichen Arbeits- und Tätigkeitsbereichen ist folgende Stellungnahme anzutreffen: „Das, was ich tue, nutzt und dient aus Ursachen des Zeitdrucks bzw. der Personalknappheit (z. B. in der Schule, im Gesundheitswesen, in der Altenpflege) den Adressaten meiner Arbeit nur suboptimal. Ich kann unter diesen Bedingungen trotz meiner Qualifikationen und Kompetenzen keine gute Arbeit für diejenigen leisten, denen sie zugute kommen soll.“

Andere sagen im günstigen Fall: „Als Bauer vermag ich unter gegebenen ökonomischen Bedingungen keine gute Landwirtschaft zu betreiben. Als Beschäftigter in der Lebensmittelindustrie ist mir bekannt, dass den Lebensmitteln gezielt Salz, Zucker und Fett zugesetzt werden, um künstlich die Verzehrneigung zu aktivieren. Solche Produkte begünstigen massiv gesundheitsschädliche Stoffwechselstörungen. Als Arbeitender in der Autoindustrie weiß ich: Die Verallgemeinerung des automotorisierten Individualverkehrs läuft auf ein Verkehrswesen hinaus, das gesellschaftlich massiv teurer ist und ökologisch ungleich schädlicher ausfällt als ein intelligentes System von öffentlichen Verkehrsmitteln, Sammeltaxis und car-sharing.“

Mitglieder der technischen Intelligenz kommen in Gegensatz zum „Kosten sparen“, das  letztendlich die Kosten erhöht. „Öffentlich sichtbar wurde das Problem durch das ICE-Unglück in Eschede (1998), bei dem sich herausstellte, dass Traditionen einer vorsorgenden Sicherheits-Philosophie in der Bahntechnik vernachlässigt und u.a. durch Ausdünnung von technischen Revisionen aus Kostengründen missachtet worden waren. Ähnliche Vorgänge führten Jahre später zum skandalösen Desaster bei der Berliner S-Bahn: Eine Truppe von ‚BWL-Schnöseln‛ im Vorstand hatte, den Börsengang der Bahn fest im Blick, Werkstätten stillgelegt und Revisions-Frequenzen halbiert. Resultat: Der S-Bahn-Betrieb brach im Jahr 2009 faktisch zusammen“ (Neef 2013).

Arbeiter, Ingenieure und Techniker erfahren Gegensätze bereits zwischen ihrem Bedürfnis, eine sachgerechte Leistung zu schaffen, und kapitalistischen Imperativen. „Anspruchsvolle technische Ziele sollen in immer engeren Zeit- und Kostenrahmen erbracht wer­den. Rückmeldungen von der ‚Basis’, die gesetzten Ziele seien angesichts der komplexen techni­schen Probleme so nicht mehr erreichbar, werden ignoriert “ (Ebd.). Mitglieder der technischen Intelligenz können angesichts solcher Erfahrungen zum Schluss kommen, dass es in der kapitalistischen Ökonomie auf das technisch gute Produkte nur sehr relativ, auf den Profit aber absolut ankommt.

Eine Studie des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen (SOFI) über berufsmoralische Konflikte von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern kam zu dem Ergebnis, „dass der öffentliche Diskurs auch bei den betrieblichen Experten ‚angekommen’ ist und dass die Folgen des eigenen Tuns kritisch in den Reflexionshorizont der Fortschrittsmacher getreten sind und zu einer gewissen Verunsicherung geführt haben. […] Klar ist, dass die von den betrieblichen Experten zu Protokoll gegebenen ethischen Bedenken mehr sind als modische Selbstbezichtigungen ohne praktische Folgen. Dies zeigen schon die inzwischen zahlreichen Fälle, in denen (auch und gerade) hochqualifizierte Angestellte aus Gewissensgründen die Ausführung bestimmter Arbeiten verweigerten oder die ‚Flucht in die Öffentlichkeit’ antraten“ (Baethge, Denkinger 1994, 5f.). Gewiss ist diese Studie schon recht alt. Nützlich wären neuere Untersuchungsergebnisse.

Personen mit arbeitsinhaltlichen Bedürfnissen fassen Arbeit nicht allein als „Mittel zur Einkommenserzielung“. „Sie wollen für die Abnehmer der Leistungen, für die Konsumenten, eben eine ‚gute’ Leistung erbringen, was nicht einfach heißt, sich opportunistisch an manifeste Kundenwünsche anzupassen und noch weniger, im Kunden bloß die Kaufkraft zu erblicken“ (Thielemann 2010, 348).

Der den berufsinhaltlichen Motiven und Ansprüchen zugrundeliegende gesellschaftliche Widerspruch

Die kapitalistische Form der Ökonomie verhält sich zur Gesellschaft nicht wie die Ölpest zum von ihr betroffenen Gewässer. (Dort stirbt alles Leben ab.) Es entstehen bestimmte auf die Arbeitsinhalte bezogene Bedürfnisse und ein professionelles Ethos. Beide können zu den herrschenden gesellschaftlichen Zwecken und Formen in Differenz und Gegensatz geraten.

Zugrunde liegt der Widerspruch, dass die Arbeitenden Qualifikationen und Reflexionsvermögen benötigen, um sich für eine Arbeit als nützlich zu erweisen, in der es primär um die Erzielung des Mehrwerts geht und die Produkte bzw. Dienstleistungen dafür nur den austauschbaren Anlass abgeben. Zugleich ermöglichen ihre Qualifikationen und Erfahrungen es den Arbeitenden zu sagen: Ausgehend von dem, was wir gelernt haben und was wir können, sind wir imstande, mit unseren Arbeiten und Tätigkeiten uns sinnvoller auf die Adressaten der Arbeit zu beziehen, als dies unter den Imperativen einer modernen kapitalistischen Gesellschaft möglich ist.

Ein immanenter Widerspruch in der bürgerlichen Gesellschaft mit kapitalistischer Ökonomie besteht darin, dass das „Gesellschaftssystem über den Beruf potentiell selbst kritisiert und in Frage gestellt (wird), indem es hier strukturell Zwecke für subjektives Handeln hervorbringen muss, die ihm zugleich widersprechen bzw. den Maßstab darstellen, an dem es selber kritisch zu messen ist“ (Beck, Brater, Daheim 1980, 265). Die instrumentelle Orientierung der Arbeitenden, Arbeit vorrangig als äußeres Mittel zur Erzielung des Arbeitseinkommens anzusehen, und die  dazugehörige Gleichgültigkeit gegenüber den Arbeitsinhalten gehen mit einer Delegation der Inhaltsbestimmung an Arbeit‚geber’ und einer entsprechenden Entmündigung der Arbeitenden einher. „In dem Maße dagegen, in dem die Arbeitenden ihre Arbeit aus subjektiven Motiven heraus inhaltlich ernst nehmen, entwickeln sie Vorstellungen und Ansprüche in Bezug auf diese Arbeit, werden sie in diesem Sinne zu deren bewusstem Subjekt, das nach eigenen Kriterien gestaltend und fordernd eingreift“ (Beck, Brater 1976, 209), und stellen das Verfügungsmonopol der „Arbeitgeber” über die Inhalte der Produkte bzw. Dienstleistungen infrage.

Kämpfe der Arbeitenden, in denen es unmittelbar oder mittelbar um die Inhalte der Arbeit geht

„In Australien stellte die Bauarbeitergewerkschaft Anfang der 1970er Jahre erstmals Art und Qualität von Bauprojekten in Frage.“ Es ging z. B. konkret „um die Erhaltung eines innerstädtischen Grün- und Erholungsbereichs. Jack Mundey, der ehemalige Vorsitzende der Baugewerkschaft Builders Labourers Federation (BLF) im australischen Bundesstaat New South Wales, berichtete:

‚Die Arbeiter nutzten die Möglichkeit der Verweigerung ihrer Arbeitskraft, um der Gemeinschaft insgesamt zu helfen, und nicht nur, um ihre eigene wirtschaftliche Situation zu verbessern.’“ Mundey arbeitet heraus, „‚dass sich in einem entwickelten Industriestaat Arbeiter bzw. Gewerkschaften mit gesellschaftlichem Bewusstsein zusammengeschlossen und im Interesse übergreifender Gemeinschaftsinteressen die Arbeit niedergelegt haben. Sie wollten damit erreichen, dass staatliche oder Kapitalinvestitionen umweltfreundlicher erfolgen. Ebenso wichtig war es, dass sie sogleich begannen, sich des Endprodukts ihrer Arbeit kritisch bewusst zu werden: Welche Gebäude sollten gebaut, welche Produkte hergestellt werden? Es gibt nicht nur das Problem der Arbeitslosigkeit, sondern auch das der Qualität der Arbeit. Beide hängen eng mit dem Problem der sozialen Folgen der Arbeit zusammen.’“ Der Baugewerkschaft BLF ging es darum, „dass die Bauarbeiter nicht nur Gebäude bauen und daraus das Recht auf auskömmlichen Lohn und gute Arbeitsbedingungen beanspruchen, sondern für sich auch das Recht behaupten können, ihre Auffassungen über gesellschaftliche Fragen, die mit der Bauindustrie verbunden sind, aktiv zu vertreten.

1971 wandte sich zum ersten Mal eine Bürgerinitiative an die Gewerkschaft. Den Leuten von Battlers for Kelly’s Bush ging es um folgendes: Kelly’s Bush war ein Regenwald im Stadtteil Hunters Hill, der zu den ‚nobleren’ Vororten von Sydney gehörte. Eine große Baugesellschaft hatte dieses Gelände mit der Absicht gekauft, darauf Luxuswohnhäuser zu bauen. Damit aber wäre nicht nur das letzte Erholungsgebiet im Stadtteil, sondern gleichzeitig das letzte Waldgebiet am Parramatta-Fluss zerstört worden. Nach langer, zum Teil heftiger Diskussion beschlossen die Bauarbeiter, dass halbfertige Wolkenkratzer halbfertig stehenbleiben würden, würde in Kelly’s Bush auch nur ein einziger Grashalm angerührt – quasi als Denkmal für Kelly’s Bush. Danach gab es heftigen Ärger mit der Baugesellschaft, der Polizei usw. Doch am Ende blieb Kelly’s Bush erhalten. So ging es auch mit einer Reihe anderer Bauprojekte“ (Dietenberger 2019).

Was es heißt, dass Arbeitende ihre Aufmerksamkeit über die Bewältigung der Arbeit hinaus auf den sozialen Inhalt der Arbeitsprodukte bzw. Dienstleistungen ausweiten, lässt sich politisch prägnant an den französischen ‚Sud’-Gewerkschaften zeigen. ‚Sud’ ist die Abkürzung für solidaire(s), unitaire(s), démocratique(s) – solidarisch, einheitlich, demokratisch. Es handelt sich bei diesen Gewerkschaften um „Interessenverbände von Lohnabhängigen, die sich nicht auf ihre Rolle als Lohnabhängige reduzieren (lassen) oder zurückziehen, sondern die sich als gesellschaftliche Produzenten begreifen, als Produzenten, die sich dem gesellschaftlichen Nutzen ihrer Arbeit, den Bedürfnissen ihrer Konsumenten oder Nutzer verpflichtet fühlen. Nicht im Sinne einer ‚Kundenorientierung’, die nur an zahlungsfähigen Käufern interessiert ist, sondern im Sinne des Nutzens für eine größtmögliche Zahl von Menschen, gerade auch der ärmsten und bedürftigsten, im Interesse ihrer individuellen Entwicklung und sozialen Gleichachtung“ (Imhof 2002).

Im Unterschied zu traditionellen Gewerkschaften konzentrieren sich die Sud-Gewerkschaften weder allein auf den Preis der Arbeitskraft und die Bedingungen ihrer Nutzung, noch überlassen sie das Verhältnis zwischen Arbeitenden und Kunden den Unternehmen. „Der traditionelle Syndikalismus betrachtet das Kapitalverhältnis als seine Existenzbedingung und die Gesellschaft als etwas ihm Äußerliches, als abstrakt-übergeordneten Zusammenhang, in dem man halt lebt. Er stellt Ansprüche an die Gesellschaft, repräsentiert durch den Staat, aber er denkt nicht daran, im Namen der Gesellschaft Ansprüche an die eigene Arbeit zu stellen. Der Typ Syndikalismus, den die Sud-Gewerkschaften repräsentieren, betrachtet umgekehrt die Gesellschaft als praktischen Zusammenhang der Menschen, in dem die Lohnabhängigen nicht nur Objekte, sondern zugleich tätige Subjekte, gesellschaftliche Produzenten sind und in dieser Eigenschaft das Kapitalverhältnis und die es schützende Politik als Hindernis, als ‚Ballast’ (Gramsci) erleben“ (Imhof 2002). (Werner Imhof war Betriebsrat bei Mannesmann.)

Es fragt sich, ob der Social Movement Unionism’ (SMU) in den USA eine ähnliche Richtung verfolgt. „Mit der Neuorientierung des US-amerikanischen Gewerkschaftsdachverband AFL/CIO unter John Sweeney seit 1995 wurden verstärkt SMU-Kampagnen initiiert und die Abkehr vom traditionellen Business Unionism (BU) eingeläutet. Begrifflich wurde SMU von Kim Moody, Gründer der unabhängigen Gewerkschaftszeitung Labor Notes in Detroit, eingeführt. Für Moody ist der SMU durch fünf Kriterien charakterisiert: gewerkschaftliche Demokratie und extensives Mitwirken aktiver Ehrenamtlicher; die Selbstverpflichtung, die Unorganisierten zu organisieren; sich für Themen in einem Stadtteil einzusetzen, die Beschäftigte angehen, und Allianzen aufbauen mit dem Gemeinwesen vor Ort, gewerkschaftlicher Internationalismus und Selbstverpflichtung auf unabhängige politische Aktionen“ (Bremme 2007, 204).

Es fragt sich, inwiefern es bei deutschen Gewerkschaften Aktivitäten in dieser Richtung gibt. Ein Beispiel waren die Kampagnen von Attac und Verdi zu Lidl (www.attac.de/lidl-kampagne bzw. www.lidl.verdi.de).

Angesichts der katastrophalen Zustände in der Krankenpflege wurden 2021 an der Charité (dem größten Uniklinikum Europas) und bei Vivantes in Berlin sowie 2022 an den sechs Unikliniken Düsseldorf, Essen, Aachen, Münster, Köln und Bonn Mindestbesetzungsstandards erkämpft. Es ging darum, „bei Nichterfüllung der Mindestbesetzung entsprechende Entlastungstage abzusichern. Vorrangiges Ziel ist zuerst mal, neue Arbeitsplätze zu schaffen und darüber Entlastung zu erreichen. Das wollen wir tariflich noch besser abgebildet bekommen, damit wir am Ende nicht lauter Springer im Betrieb haben“ (Martin Koerbel-Landwehr, gelernter Krankenpfleger, Personalratsvorsitzender der Uniklinik Düsseldorf, zit. n. Bock 2022). Eine zentrale Frage war: „Wie viele Menschen müssten wir sein, damit wir vernünftig arbeiten können ohne mit dem Gefühl nach Hause zu gehen, das geht so nicht, oder ständig aus dem Frei einzuspringen“ (Ebd.).

Allerdings fragt sich, inwieweit die Arbeitenden defensiv auf extreme Zumutungen reagieren oder offensiv für eigene inhaltliche Ansprüche an ihre Arbeit eintreten. Inwiefern stellt die Parole des streikenden Krankenpflegepersonals „Mehr von uns ist gut für alle“ ein (gewiss legitimes) Mittel dafür dar, in der Bevölkerung um Unterstützung für die eigenen Tarifforderungen zu werben, inwieweit entsteht darüber hinausgehend ein dauerhaftes Bündnis für ein anderes Gesundheitswesen?

Günstigenfalls kommt es gegenwärtig zu einem massenhaften kurzfristigen Engagement der jeweiligen örtlichen Bevölkerung gegen die Schließung „ihres“ Krankenhauses. Davon unterscheidet sich ein kontinuierliches Engagement für die Änderung grundlegender Strukturen und Arbeitsweisen im Krankenhaus.


Demonstrationen bzw. Kampagnen gegen Klinikschließungen oder gegen den Verkauf von Krankenhäusern fanden z. B. in Geislingen an der Steige (Helfenstein Klinik), in Berlin (Wenckebach-Klinik), in Wolfratshausen (geplanter Verkauf der Kreisklinik), in Köln (Krankenhaus Holweide) und andernorts statt. „5000 Bürger der Raumschaft machten gestern Abend vor dem Rathaus (in Schramberg, Schwarzwald – Verf.) deutlich, dass sie sich von der Rottweiler Kreispolitik nicht mehr länger hinters Licht führen lassen wollen. Der Proteststurm gegen die Entscheidung des Kreistags zur drohenden Schließung des Schramberger Krankenhauses war deftig: Das Stadtzentrum erlebte die wohl mit Abstand größte Kundgebung der Neuzeit“ (Schwarzwälder Bote 15.3.2011).


In den Kampagnen für eine bessere Personal-Ausstattung der Krankenhäuser sowie für mehr Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter an Schulen („Bildungswende jetzt”) wird nicht nur mit der erforderlichen Entlastung der Beschäftigten, sondern auch mit der erforderlichen besseren Qualität der Pflege und des Unterrichts argumentiert. Allerdings kommt es nur selten zu einem Bewusstsein für die grundlegend kritikwürdige Ausrichtung der Medizin in der bürgerlichen Gesellschaft mit kapitalistischer Ökonomie (vgl. dazu Creydt 2006) oder für die problematischen Strukturen des Unterrichts in der bürgerlichen Schule (vgl. dazu Creydt 2023).

Es gibt Auseinandersetzungen, in denen Arbeitende für oder gegen einen bestimmten Inhalt ihrer Arbeit kämpfen. Davon unterscheiden sich Aktionen wie die von Hafenarbeitern, die nicht gegen den Inhalt ihrer Arbeit (das Verladen von Ladungen) protestieren, wohl aber sich in den letzten Jahren in Italien und Griechenland, zudem in Bilbao und Le Havre weigerten, Waffenlieferungen zu verladen an kriegführende Länder (wie Israel, Saudi-Arabien und die Ukraine).

Berichte darüber finden sich in:

https://www.lunapark21.net/streiks-gegen-waffenlieferungen-in-genua/

https://www.labournet.de/internationales/italien/gewerkschaften-italien/dass-wir-in-genua-die-waffenlieferung-an-saudi-arabien-bestreikt-haben-entspricht-der-tradition-das-haben-wir-auch-

https://www.internationalist.org/Griechische-arbeiter-blockieren-Waffenlieferungen-an-Israel-24110.html

Ähnlich handelten Flughafenbedienstete in Pisa. Vgl.

 

Arbeitende in der Rüstungsindustrie

An bestimmten besonders problematischen Produkten kann sich kritisches Bewusstsein der Lohnabhängigen entwickeln, das sie dagegen mobilisiert, solche Produkte herzustellen. Auf der Reichskonferenz der Rüstungsarbeiter Deutschlands vom 18.–22.März 1919 in Erfurt hielt Rudolf Rocker (1873–1958) vor 300 Teilnehmern seine Rede „Die Waffen nieder! Die Hämmer nieder!” Die Rede wurde auf einstimmigen Beschluss der Konferenz unter dem Titel Keine Kriegswaffen mehr! als 16seitige Broschüre in einer Auflage von über 100000 Exemplaren verbreitet. Ich entnehme diese Informationen und die nun folgenden Zitate einem schönen Artikel von Manfred Dietenberger (Dietenberger 2016).

In dieser Rede heißt es „Rüstungsarbeiter Deutschlands! Was haben wir bis jetzt getan, um den Moloch Militarismus zu bekämpfen, um den Dämon Krieg von unseren Pforten zu weisen. […] Fabrizieren wir keine Mordwerkzeuge mehr! Liefern wir dem Staat keine Kanonen, keine Gewehre mehr! Drücken wir dem kalten Mörder nicht selbst die Mordwaffe in die verruchte Hand! Sorgen wir dafür, dass die Betriebe der Zerstörung und der grausigen Menschenschlächterei sich in Betriebe segensreicher und friedlicher Arbeit verwandeln, […] Lasst uns endlich die Betriebe des Todes und der Zerstörung schließen und in Quellen lebenspendender und fruchtbarer Arbeit umwandeln.”

Rudolf Rocker führt weiter aus: „Die französischen Arbeiterassoziationen […] begnügten sich nicht mit einfachen Lohnkämpfen und politischer Wahlpropaganda. […] Sie forderten auch […] ein Mitbestimmungsrecht der Arbeiter in den kapitalistischen Betrieben über den Charakter der Produktion. […] Man wurde sich darüber klar, dass die Arbeiter eine Menge Dinge produzieren, die direkt verderblich sind für die breite Masse der Konsumenten […] aus diesem Grunde forderte man eine Art Vetorecht der Arbeiter in den Werkstätten, um über den Nutzen oder die Schädlichkeit der verschiedenen Produktionszweige mit zu entscheiden. […] Ferdinando Garrido, einer der Pioniere des Sozialismus in Spanien, gab diesen Ideengängen einen klaren Ausdruck. […] Er sah in dem Mitbestimmungsrecht des Arbeiters über den Charakter der Produktion nicht nur eine praktische sozialistische Forderung von tiefer prinzipieller Bedeutung, sondern auch ein Mittel, den Geist der wahren Solidarität und des moralischen Verantwortlichkeitsgefühls der Arbeiter zu stärken. […] Auch in den Reihen der englischen Arbeiterklasse keimte dieser Gedanke empor.”

Gewiss waren für die damalige Situation die unmittelbare Erfahrung mit dem gerade beendigten und für Deutschland verlorenen Ersten Weltkrieg sowie die revolutionären Umtriebe von Teilen der Arbeiterschaft prägend. Insofern ermöglichte ein allgemeines Meinungsklima es, die Produktion von Rüstungsgütern massiv infragezustellen. Davon sind wir heute weit entfernt. Gewerkschaftliche Arbeitskreise für Konversion gab es in Westdeutschland in den 1980er Jahren. Vgl. dazu Hansen 2016. Über die gegenwärtige Haltung der IG Metall zur Rüstungsproduktion informiert Lelek 2025. Die Friedenskonferenzen von Gewerkschaftlern in Hanau, Stuttgart und Salzgitter seit 2023 sind ein Schritt dazu, den Protest gegen Rüstungsproduktion voranzubringen. Ebenso der vom Betriebsrat Lars Hirsekorn und anderen Arbeitern angestoßene Aufruf „Wir wollen bei VW nicht den Tod produzieren”.

Die Betriebsräte der Textilhandelskette Hennes & Mauritz (H&M) haben auf der Betriebsräteversammlung am 26. 6. 2025 eine Friedensresolution verabschiedeten, die sich gegen Genozid und jeden Krieg richtet. Dem Video nach zu urteilen, das auf Facebook veröffentlicht wurde, haben die gut 300 Betriebsräte die Resolution geschlossen unterstützt. So die Information in der Jungen Welt 11.7., S. 3 (zit. n. https://bremerfriedensforum.de/2025/07/13/gewerkschaften-gegen-aufruestung-und-krieg-2/).

Das Handwerk

Aus dem Preiskampf folgt für Handwerker ein „permanenter Zeitdruck“. Er verunmöglicht „es ihnen, ihren Beruf entsprechend den Vorstellungen, die sie mit einer gelungenen Werktätigkeit verbinden, weiterhin sauber, korrekt und stimmig auszuüben. Sie sehen sich insofern in ihrem Berufsstolz gekränkt, als sie sich aufgrund des allgegenwärtigen Zeitdrucks gezwungen sehen, den Erfolg ihrer Arbeit bloß noch in Kategorien der effizienten Erledigung, nicht mehr aber in Kategorien der funktionalen und ästhetischen Stimmigkeit zu bewerten“ (Schallberger 2005, 148f.).

Es gibt unter Handwerkern diejenigen, für die „das Gute an der Arbeit an erster Stelle“ steht. Sie finden „im guten Tun Glück, Befriedigung und Sinn. Unternehmensberater kennen solche Handwerker. Wenn diese Handwerker ein Unternehmen führen müssen, sind sie tendenziell ‚beratungsresistent’. Sie verfolgen nicht wirklich wirtschaftliche oder unternehmerische Ziele. Sie lieben ihr Handwerk, das, was sie tun, mehr als das Geld. Dieses gute Tun gibt ihnen mehr als alles andere. Sie lieben nicht nur das gute Tun, sondern v. a. auch das gute Ergebnis“ (Ax 2009, 238).

Unter Handwerkern und Technikern gibt es Vorbehalte gegen die Ex- und Hopp-‚Kultur’ sowie dagegen, „zu bloßen Teileaustauschern der Industrie“ zu werden. So drückt es der Elektroinstallateurmeister Heinrich Jung aus Ingelheim aus. Jungs Praxis zeigt, dass Reparaturen zwar z. T. arbeitsintensiver, aber umweltfreundlicher und weniger Material verbrauchend möglich sind. Bspw. dadurch, dass tatsächlich nur die kaputten Kleinteile und nicht große und komplexe Bauteile ausgewechselt werden.


„Ist bspw. die Laugenpumpe der Waschmaschine undicht, dann kann man entweder die ganze Pumpe auswechseln (DM 150,-) oder nur das tatsächlich verschlissene Teil, den Wellendichtring aus Gummi (Verschleißteil) für 21,40 DM. […] Ein Lager an überprüften, gebrauchten Ersatzteilen ermöglicht sehr häufig kosteneffiziente Reparaturen auch bei solchen Defekten, die sonst zur ‚Entsorgung’ des Gerätes führen“ (Ax 1997).


Allein am Beispiel der Waschmaschine lassen sich hier frappante Differenzen im Vorgehen ausmachen.


„Häufig gehen Bauteile in Elektrogeräten nicht durch Verschleiß, sondern infolge anderer Defekte kaputt, z.B. in einer Waschmaschine ist der Antriebsmotor verbrannt. Er war nass geworden, weil der Einlaufschlauch ein Loch hatte. Das Wasser hat den Motor zerstört. Normalerweise hält so ein Motor eine kleine Ewigkeit, nicht jedoch, wenn er nass wird. Hier kann ein gebrauchter, überholter Motor für DM 80,- und ein neuer Einlaufschlauch für 22,95 DM helfen“ (Ax 1997).


Christine Ax sieht in Handwerksunternehmen Qualitäten angelegt, die für eine anstrebenswerte gesellschaftliche Zukunft charakteristisch sind. Sie bezieht sich dabei auf eine Arbeit von Stefan Rumpf (2003). Die Aufzählung positiver Attribute des Handwerks umfasst „ganzheitliche, humane Arbeitsprozesse, Kundennähe, kleinräumige Bezugs- und Absatztätigkeiten, hohe Beschäftigungswirksamkeit, gut ausgebildete Mitarbeiter, langlebige und wartungsfreundliche Produkte“ (Ax 2017, 124). Ax zufolge sei „handwerkliche Arbeit“ insofern „ein entscheidender Kristallisationspunkt und Entwicklungsmotor für die gesellschaftliche Durchsetzung einer nachhaltigen Entwicklung“ (Ebd.).

Allerdings müssten sich diejenigen, die diese Hoffnungen artikulieren, auseinandersetzen z. B. mit Erfahrungen, die ein Artikel ausgerechnet in der Deutschen Handwerkszeitung vom 30.7.2021 mitteilt. Seine Überschrift lautet: „Umfrage: Mehr als die Hälfte der Kunden hat Probleme mit Handwerkern“. Berichtet wird, 4% der Kunden hätten den Umgang bzw. die Kommunikation für nicht angemessen erachtet. 5% hätten über Mängel wie starke Verschmutzung oder Defekte geklagt. 6% fanden den Preis nicht angemessen bzw. anders als zuvor vereinbart. 7% beklagten eine zu lange Dauer der Arbeit bzw. eine Dauer, die von dem abwich, was vereinbart war. 18% der Kunden waren mit der Qualität der Arbeit bzw. mit ihrem Ergebnis nicht zufrieden. (https://www.deutsche-handwerks-zeitung.de/mehr-als-die-haelfte-der-kunden-hat-probleme-mit-handwerkern-193618/).

Diese Mängelrügen zeigen: Das Handwerk ist gegenwärtig kein heiles, von der kapitalistischen Ökonomie unkontaminiertes „Außen“. Die ihm zugeschriebenen positiven Tendenzen werden überlagert von entgegenwirkenden Tendenzen. Kritisiert wird auch autoritäres Verhalten in der handwerklichen Ausbildung (vgl. Wehrheim 2023).

Ax (2017, 125) zählt das Handwerk zu „den Milieus, in denen die Ökonomie und die Warenlogik die sozialen und kulturellen Bedürfnisse nicht dominiert.“ „Der Typus von Unternehmer und Unternehmerin, der nachhaltigkeitsaffin ist“, lässt sich „im Handwerk signifikant öfter antreffen als in der Industrie.“ Ax bezieht sich auf die „Beobachtung, dass Handwerksunternehmer und -unternehmerinnen in Zeiten der Krise ihre Beschäftigten so lange wie möglich halten und dass sie sich in Bezug auf das Ziel ‚Wachstum‛ signifikant anders verhalten, als es die Theorie unterstellt. Wachstum steht nur für einen ganz kleinen Teil […] an erster Stelle. (Vgl. IÖW-Studie Wachstumspioniere.)“ (Ebd.).

Allerdings sinkt in den letzten Jahren die Zahl der Reparaturbetriebe. „In den letzten drei Jahrzehnten ist es den Herstellern gelungen, Reparaturbetriebe fast komplett vom Markt zu drängen. Der Grund: zunehmender Plastikeinsatz, fest verschweißte Produkte und überteuerte Ersatzteile. Dazu kommt moderne Elektronik einschließlich der auf Mikrocontrollern laufenden Programme. Weder Schaltpläne noch Programmcodes werden veröffentlicht – eine fast unüberwindbare Hürde. Konnten früher Bastler ihre Autos noch selbst reparieren, ist dies heute kaum noch möglich. Nur lizenzierte Werkstätten haben zu einzelnen Bereichen noch den Zugangscode, aber auch sie können nur noch ganze Funktionsblöcke austauschen“ (Hasse 2013).

In einer sich an Nachhaltigkeit orientierenden Wirtschaft wird die Instandhaltungsqualität des Produkts zu einem relevanten Kriterium. Die Aufarbeitung bzw. Reparatur von Produkten erlangt einen größeren Stellenwert.

Whistleblowing

Whistleblower sind Arbeitende, die

  1. a) die offiziellen Aussagen von Unternehmen und Organisationen über ihren Dienst oder eigene Vorstellungen von diesen Aufgaben ernst nehmen,
  2. b) sich mit massiven und dauerhaften Verstößen gegen diese Aufgaben nicht abfinden,
  3. c) und sich deshalb an die Öffentlichkeit wenden.

Whistleblower sehen sich nicht an den im Arbeitsvertrag besiegelten Tausch zwischen Entlohnung und Unterordnung unter betriebsinterne Anordnungen bzw. an die Schweigepflicht gebunden. Whistleblowing findet seine Stärke und Grenze darin, auf Vorfälle hinzuweisen, die in der Öffentlichkeit als Skandal gelten können, also allgemein rechtsgültige, normativ anerkannte oder für wichtig erachtete Maßstäbe verletzen. Skandalisieren lässt sich erst ein ebenso eindeutiger wie eklatanter und geradezu frecher Verstoß.


Beispiele für Whistleblowing

sind Cora Jacoby, Onkologie-Ärztin im Berliner Krankenhaus Neukölln (vgl. Hajek 2007, 155f.) und die Berliner Altenpflegerin Brigitte Heinisch (vgl. Heinisch, Hopmann 2011). Der Berliner Vivantes-Betriebsrat Volker Gernhardt brachte Daten an die Öffentlichkeit, die das Ausmaß des Personalnotstands in der Krankenhauspflege verdeutlichen. Er verglich für einzelne Stationen Belegungslisten und Dienstpläne miteinander und ermittelte die Arbeitslast des Personals. Er konnte so belegen, dass die Pflegerinnen und Pfleger notwendigerweise den Bedürfnissen ihrer Patienten nicht gerechnet werden können.

(https://www.labournet.de/branchen/dienstleistungen/gesund/gesund-arbeit/daten-zum-pflegenotstand-veroeffentlicht-vivantes-setzt-whistleblower-unter-druck-und-droht-ex-betriebsrat-volker-gernhardt/)

Die Krankenschwester und Betriebsrätin Romana Knezevic kritisiert in einem Interview mit dem NDR am 17. Dezember 2020 den Personalmangel und die damit verbundenen Arbeitsbelastungen im Klinikum Sankt Georg in Hamburg.

Wörtlich sagt sie: „Die Intensiv-Kollegen arbeiten jetzt mit einem Schlüssel von eins zu fünf. Normal wäre ein Schlüssel von eins zu zwei oder eins zu eins. Und dazu kommt auch noch, dass wir teilweise Aufgaben des Reinigungspersonals übernehmen müssen, und der Servicebereiche – die genauso wie wir kaputtgespart worden sind. Und diese Löcher müssen wir in unserer personellen Unterbesetzung jetzt auch noch irgendwie stopfen, und das belastet natürlich enorm. […]

Und wenn wir diese Aufgaben übernehmen, fallen natürlich viele andere wichtige pflegerische Tätigkeiten weg, wie die zeitnahe Gabe der Medikamente, die Klingelgänge. Die Patienten liegen teilweise Stunden in ihren Schutzhosen, müssen auf uns warten und es ist leider auch so, dass nicht immer eine menschenwürdige Sterbebegleitung möglich ist. Die Patienten sterben alleine auf ihren Zimmern, weil uns einfach das Personal und die Möglichkeiten fehlen.” (zit. n. https://jacobin.de/artikel/asklepios-kuendigung-pflegerin-romana-knezevic-krankenhausbewegung-pflegenotstand)

Der Chefarzt wies am folgenden Tag alle Vorwürfe zurück. Kolleginnen und Kollegen von Romana Knezevic bestätigten ihre Vorwürfe auf einer Kundgebung am 21. 12. vor dem Klinikum. Der NDR berichtete darüber. Die Klinikleitung leitete ein Kündigungsverfahren ein und suspendierte die Krankenschwester vom Dienst. Es gab eine tägliche Mahnwache vor der Klinik, einen offenen Brief vom Einwohnerverein St. Georg, eine Unterschriftensammlung gegen ihre Kündigung mit über10.000 Unterschriften und eine Kundgebung beim gerichtlichen Gütetermin. Im Februar 2021 zog die Konzernleitung die Kündigung zurück.

(https://arbeiterpolitik.de/2021/02/solidaritaet-mit-dem-personal-in-den-krankenhaeusernhoert-auf-die-beschaeftigten/; https://taz.de/Asklepios-zieht-Kuendigung-zurueck/!5747313/)


In Frankreich veröffentlichte Fabienne Brutus, eine Mitarbeiterin der dortigen Agentur für Arbeit, 2006 ein Buch über deren Praktiken gegen die Arbeitslosen, das große Aufmerksamkeit erzielte ( s. http://www.bj-89.de/isg/index.php?action=fabienne). In diesem Kontext entstand eine „Erklärung zur beruflichen und bürgerlichen Ethik von Sud ANPE“ (Gewerkschaft in der Agentur für Arbeit). In ihr heißt es: „Unsere Aufgabe ist es vor allem, den Arbeitsuchenden zu helfen, eine Beschäftigung zu finden und das erwarten die Arbeitsuchenden von uns. Aber es gibt einfach keine Arbeit für alle. Die Zunahme von Gesprächen, die ständigen Aufforderungen zum Besuch der Agentur werden keine Arbeit schaffen, sondern erhöhen nur das Risiko für die Arbeitsuchenden, gezwungen, schikaniert und abgestraft zu werden. Wir, die Beschäftigten der ANPE, erklären, dass wir auf keine Weise Menschen schaden wollen, die schon durch den Verlust der Beschäftigung und des Einkommens verletzt sind. Wir verweigern uns, sie auszugrenzen und wir werden keine Streichungen mehr durchführen, ohne vorher die moralischen und menschlichen Folgen mit zu beachten. Wir schlagen Angebote vor, wir zwingen aber Angebote nicht auf. […] Wir erpressen sie auch nicht mit Streichung.”

Ein deutsches Pendant ist Inge Hannemann, Mitarbeiterin im Jobcenter Hamburg-Altona. Sie  betrieb im Internet einen Blog zum Thema „Sanktionen und Schikanen des Jobcenters gegenüber Erwerbslosen“ und wurde daraufhin entlassen. In einem Interview (Telepolis, 6.5.2013) berichtete sie über das Klima der Angst auch unter den Sachbearbeitern bei der Arbeitsagentur und über die Solidarität, die sie trotzdem von ihnen erhielt.

Auch in anderen Bereichen der arbeitenden Bevölkerung entsteht Ablehnung dagegen, zum Erfüllungsgehilfen zu werden für Maßnahmen, die zur sozialen Verarmung beitragen. Die Elektriker der französischen Strom- und Gasversorger EDF und GDF in der Region Midi-Pyrenées kämpfen nicht nur gegen Privatisierung. Aus ihren Reihen bildete sich auch das Kollektiv „Robin Hoods der Energie“, das verarmte Stromkunden, deren Strombelieferung abgeschaltet wurde, wieder ans Netz anschließt (vgl. http://de.labournet.tv/video/6177/die-robin-hoods-der-energie).

Neue Allianzen können auch dann entstehen, wenn Gewerkschaften bei Streikaktionen im Bereich von öffentlichen Dienstleistungen „selbst die öffentlichen Dienste verteidigen, sie aber blockieren, wenn die Verhandlungen scheitern“ (Gindin 2013, 40): „Postangestellte können streiken (wie 1990 in Kanada) und dabei dennoch die Schecks für die Rentner und Sozialleistungsbeziehenden austragen. […] Und noch ein anderes Beispiel aus Kanada aus den 90er Jahren sei erwähnt: Als Beschäftigte der Arbeitslosenversicherung dort verpflichtet wurden, den Anteil der Leistungsbeziehenden zu senken, verteilte die Gewerkschaft außerhalb der Büros Anleitungen an die Bezugsberechtigten, wie sie auf Formularfragen antworten sollten, damit keine gesetzliche Grundlage entstehe, ihnen die Leistung zu verweigern. Nicht die Beschäftigten in den Büros, sondern Gewerkschaftsmitarbeiter verteilten die Flugblätter und schützen die Kollegen damit vor Disziplinarstrafen“ (Ebd.).

Auseinandersetzung außerhalb der Arbeitswelt darüber, was menschlich und sozial sinnvolle Produkte und Dienstleistungen sind.

In Bewegungen und Öffentlichkeiten, die die Themen Ökologie, Energie, Gesundheit, Arbeitsbedingungen u.a. betreffen, bilden sich Ansätze einer kritischen Marktöffentlichkeit aus. Eine zentrale Rolle spielen themenspezifische Organisationen zur Beobachtung von Unternehmen. Es handelt sich hier u.a. um

  • die „Coordination gegen Bayer-Gefahren“, eine Organisation zur Beobachtung und Kritik des weltweit agierenden Konzerns Bayer,
  • eine Initiative zur Beobachtung und Kritik des Bertelsmannskonzerns (bertelsmannkritik.de),
  • die Kampagnen von Attac und Verdi zu Lidl (attac.de/lidl-kampagne bzw. www.lidl.verdi.de),
  • die Siemens-Kampagne der Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW), vgl. siemens-boykott.de,
  • die internationale Anti-Korruptions-NGO Transparency International (www. Transparency.org),
  • den Dachverband kritischer Aktionäre (kritischeaktionare.de),
  • LobbyControl, eine Gruppe, die über Lobbying, PR-Kampagnen und Denkfabriken aufklärt,
  • die Organisation food-watch.

Laut Schätzung von Verbraucherzentralen gehören 10-20% der Bevölkerung zu wertorientierten Konsumenten (Müller 2005, 101). Sie interessieren sich nicht nur für das unmittelbare Konsumgut, sondern auch für die sozialen und ökologischen Kontexte des Arbeitens und Konsumierens.

Die Produkte der Lebensmittelindustrie und der Landwirtschaft werden zum Thema einer breiten kritischen Öffentlichkeit.

Viele Zeitgenossen interessiert nicht nur, wie die Produkte und Dienstleistungen Bedürfnisse befriedigen, sondern wie sie Menschen bilden oder verbilden. Dickmacher machen dick. Produkte, bei denen vor lauter Geschmacksverstärkern der Nährwert gegen Null geht, gewöhnen an Bluff. Billigarchitektur macht depressiv. Moden erziehen zur Verwechslung von Aktualität mit Gegenwart. Viele Erzeugnisse der Unterhaltungsindustrie gewöhnen daran, dass alles „lecker-locker-leicht“ konsumierbar sein soll für „eine Kundschaft, die nur noch zwischendurch und nebenbei etwas zu sich nimmt. Wenn der leichte Schaumstoff jeden Hohlraum füllt, der sich auftut, dann wird die Luft für anderes knapp“ (Kraft 1987). SUVs und Angeberautos stärken Egoismus und Egozentrismus. Die autogerechte Stadt trägt dazu bei, dass „unser Lebensraum von Verarmung bedroht ist, und diese Verkümmerung wirkt zurück auf unabsehbare Menschenmassen, lässt ihr Interesse an dieser verödenden Umgebung erkalten“ (Adolf Portmann, zit. n. Warwas 1977, 12).

Bei bestimmten zentralen Produkten der modernen kapitalistischen Ökonomie mehren sich die Zweifel, ob man sie braucht. Viele Bewohner großer Städte klagen darüber, dass sie in der Stadt mit ihrem Pkw häufig im Stau stehen und oft keinen Parkplatz finden bzw. die Parkplatzsuche zeitaufwändig ist. Deutlich wird insofern, dass die Verallgemeinerung des Autos im Individualverkehr – wenigstens innerhalb von Großstädten – seinem Gebrauchswert den Boden entzieht.

Vorbehalte gibt es auch gegenüber Produkten der Tourismus- und Kulturindustrie. In Bezug auf mediale Angebote beherzigen viele Mitbürger eine Art Verbraucherschutz bzw. Psychohygiene: „Ziehen Sie sich auch im erschöpften Zustand keine schwachsinnigen Talkshows oder verblödende Comedy-Sendungen rein. Die mangelnde Qualität wirkt sich auf die Seele aus wie Junkfood auf den Körper: Nach und nach sammeln sich dadurch Schlacken an, die dem gesamten Organismus schaden, und Sie verlieren allmählich den Sinn für das, was gut ist. […] Sehen Sie keine Filme oder Videos an, in denen grausame und brutale Szenen zu erwarten sind. Sich dagegen abzuhärten ist keine Leistung, sondern eine Gefahr; solche Bilder infizieren das Gehirn und die Psyche nämlich dauerhaft. Sie hinterlassen Rückstände, die abgelagert und zu einem anderen Zeitpunkt wieder hochgespült werden“ (Baur, Schmid-Bode 2003, 42). Aus der Kritik an den negativen Wirkungen vieler medialer Angebote lassen sich weitergehende Schlüsse ziehen. Viele belassen es aber dabei, es als Angelegenheit der eigenen individuellen Autonomie zu verstehen, ob sie sich solchen Angeboten aussetzen oder nicht.

Zwar verfährt Manfred Spitzer in seinen Büchern („Digitale Demenz“, „Cyberkrank“, „Die Smartphone-Epidemie“) bisweilen nach der Maxime „Im Zweifel gegen den Angeklagten“. Die hohe Auflage entsprechender Publikationen deutet aber daraufhin, dass in der Bevölkerung ein Interesse daran besteht, jenseits der Lobreden auf die Digitalisierung sich über ihre Nachteile kritisch zu informieren. Vorbehalte gegen die Maxime „Digital first. Bedenken second“ sind weit verbreitet. So lautete eine FDP-Parole im Bundestagswahlkampf 2017.

Zu einer Kultur der guten und sinnvollen Arbeit können auch diejenigen beitragen, die als Arbeitende bzw. als „Kunden“ Vorbehalte haben gegen die weit verbreiteten Praxen des Blendens, Tricksens und einer Erfolgstüchtigkeit (im Unterschied zur Leistungstüchtigkeit). Diese Spezialtalente dienen nur dem Fortkommen der eigenen Person und nicht einer für andere Personen sinnvollen Arbeit bzw. Dienstleistung. Die Mentalitäten der guten und sinnvollen Arbeit sowie Tätigkeit stehen im Gegensatz zu solchen Verkaufstalenten und Kleinkünstlern des „fake for real“ (vgl. dazu Creydt 2022). Zu einer Kultur der guten und sinnvollen Arbeit gehört es zu bemerken, was die vermeintlich gewitzten Schlaumeier durch die Schwächung des Sinns für Wertvolles jenseits ihres „Erfolgs“ und durch ihren Zynismus verloren haben. Mit diesen Mentalitäten kurbeln sie zwar den Verkauf von allem Möglichen an, aber schaden dem Psychosozialprodukt.

Werbeleute bzw. Propagandisten haben bei vielen Mitbürgern einen ebenso zweifelhaften Ruf wie Vertreter. Weit verbreitet ist auch das Bewusstsein dafür, dass Aktivitäten in Call-Centern häufig dem „Abwimmeln“ der Kunden dienen: Das Center funktioniert „als Grenzwächter, der den Zugang rationiert und die Genervten zurückstaut. Mit Blick auf die Airlines, die in diesen Tagen (Covid-Lockdown – Verf.) Millionen von abgesagten Flügen erstatten müssen, notiert der Rechtsexperte Ronald Schmid in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: ‚Die Taktik ist, die Leute abzuschrecken, zu zermürben’“ (Joffe 2020).

Vorbehalte sind weit verbreitet gegenüber denjenigen Dienstleistungen, deren Sinn darin besteht, möglichst viel Vermögen dem Zugriff des Finanzamtes zu entziehen. Das ist ein wesentlicher Inhalt der Tätigkeit von Steuerberatern und von denjenigen, die in den mit Steuermaterien befassten Finanzabteilungen großer Unternehmen tätig sind. Vielen ist bewusst, dass Rechtsanwälte nicht nur Diener am Recht, sondern auch Verdiener am Unrecht sind.

Steuerberater und Advokaten befördern häufig ein Verhalten, das „sich grundsätzlich an der untersten möglichen Grenze des Erlaubten orientiert, ein Verhalten, bei dem geradezu die Grenze als Grenze gesucht wird“ (Schöllgen 1946, 19). Als schlau gilt, wer „sich wohlüberlegt auf dem gesellschaftlich eben noch tragbaren untersten Niveau“ bewegt „im Rahmen einer ‚Minimum’-Moral“ (Ebd., 20f.). Sie wird um so wahrscheinlicher, desto größer die Vorteile ausfallen, die mit ihr zu erreichen sind. Sie legen eine Negativspirale nahe und die Angleichung auf unterem Level“ (Ebd.).

Angesichts der vielen problematischen angebotenen Produkte bzw. Dienstleistungen fragt sich, wovon abhängt, dass sich in der Bevölkerung der Ruf nach Konsequenzen ausbreitet. Sie würden darin bestehen, „dass wir Maßnahmen diskutieren und durchführen, die uns dazu bringen, gezielt und demokratisch darüber nachzudenken, was als wahrhaft wertvoller Beitrag zum Gemeinwohl gilt und wo die Urteile der Märkte das Ziel verfehlen“ (Sandel 2021, 11). Notwendig wird es, eine „Prämisse in Zweifel“ zu ziehen, die von Verteidigern der Marktwirtschaft „weithin geteilt wird – dass nämlich die Ergebnisse des Marktes den wahren gesellschaftlichen Wert dessen wiedergeben, was die Menschen zum Gemeinwohl beitragen“ (Ebd.).


„In einer Marktgesellschaft kann man sich nur schwer gegen die Tendenz wehren, das eingenommene Geld mit dem Wert unseres Beitrags zum Gemeinwohl zu verwechseln. […] Marktgetriebene Gesellschaften sind ständig in Versuchung, materiellen Erfolg als Zeichen moralischer Verdienste zu deuten. Dieser Versuchung müssen wir uns immer wieder neu widersetzen“ (Sandel 2021, 11).


Marcel Fratzscher, Präsident des Dt. Instituts für Wirtschaftsforschung, sieht ein gesellschaftliches Konfliktpotenzial darin, „wie wir als Gesellschaft Leistung definieren”. Fratzscher zufolge „definieren immer mehr Menschen Leistung nicht mehr über Geld, sondern über den gesellschaftlichen Beitrag und Solidarität” (Der Tagesspiegel, 2. 12. 2018, S. 24). Im Kontext der im vorliegenden Text skizzierten Perspektive ist diese Aussage interessant.

„Repräsentations”- und „Treuhänder”-Beziehungen

Auch Kinderlose in der Gesellschaft sind indirekt darauf angewiesen, dass Eltern, Erzieher und Lehrer Kinder und Jugendliche auf eine gute Weise erziehen und fördern. Diese Personengruppen werden damit zum Repräsentanten oder Treuhänder eines alle Individuen angehenden Anliegens. Ein anderes Beispiel sind Pflegekräfte, Ärzte und Physiotherapeuten. Alle Einwohner eines Landes sind Patienten oder als deren Angehörigen potentiell davon tangiert, wie gut oder schlechte das Wissen, die Kompetenzen und die Ressourcen dieser Personengruppe sind.

Unter „Repräsentations- bzw. Treuhänderbeziehungen“ verstehen wir, dass die eine Person offen ist für die wohlverstandene Entwicklung menschlicher Vermögen einer anderen Person (bzw. anderer Personen), und sich als fähig erweist, die entsprechenden Anliegen mit eigenen Aktivitäten zu fördern. „Wer in mir repräsentiert ist, hat Sitz und Stimme in mir“ (Suhr 1975, 292). Eine Repräsentationsbeziehung zeigt sich darin, wie die die Aufmerksamkeit für die Entwicklung einer anderen Person oder anderer Personen „meine Stimmungen und Entscheidungen mitbestimmt“ (Ebd., 293). Zu demjenigen, in dem ich repräsentiert bin, habe ich „Zutrauen zu einem Menschen“, der „meine Sache als seine Sache, nach bestem Wissen und Gewissen, behandeln wird“ (Hegel 7, 478).

„Repräsentation“ lässt sich verstehen „in dem Sinne, wie jede Funktion repräsentativ ist, wie z.B. der Schuster, insofern er ein soziales Bedürfnis verrichtet, mein Repräsentant ist“ (MEW 1, 325). Das wohlverstandene tätige Interesse daran, mit den eigenen Arbeitsprodukten bzw. Dienstleistungen die menschlichen Vermögen anderer zu sichern zu und zu fördern, kann allerdings unter Bedingungen von Privateigentum, Konkurrenz und Kapitalverwertung nicht oder nur sehr eingeschränkt und gebrochen zustande kommen sowie durchgehalten werden.

Repräsentations- und Treuhänderbeziehungen sind ein Ansatz dazu, die Gleichgültigkeit der Produzenten gegen die Konsumenten zu überwinden. Es gilt nicht länger die Maxime „Die Qualität und Inhalte der Produkte und Dienstleistungen sind für uns nachrangig. Hauptsache sie finden zahlungsfähige Abnehmer!“

„Erdung“ bzw. Verankerung des Engagements

Wir haben es bei den skizzierten Anliegen mit einer speziellen Gruppe von Personen zu tun. Sie sind in einem besonderen Bereich ihrer Erwerbsarbeit oder in besonderen Feldern ihrer Alltagstätigkeit tätig. Aus dieser besonderen Praxis heraus kritisieren sie die in der Gesellschaft gesellschaftlich herrschenden Formen und Imperativen sowie Prioritätshierarchien. Es handelt sich nicht einfach um einen Protest gegen Zumutungen, sondern um Personen, die für ihre Arbeit oder ihre Tätigkeit eigene Kompetenzen und Qualifikationen haben aufbauen müssen und über Wissen sowie Erfahrung verfügen. Der Protest stellt dann keine bloße Ansichtssache dar, sondern erweist sich in einer Praxis geerdet, die der jeweiligen Person nicht äußerlich bleibt.

Wir nehmen in diesem Text solche Personengruppen in den Blick, die bestimmte Kompetenzen ausbilden und diese gesellschaftlich als Zuständigkeit geltend machen. „Das Insistieren auf der Kompetenzbasis […] bedeutet einen Kontrapunkt“ gegenüber „den vielen Appellen an den guten Willen“ und die Hoffnungen auf die Mobilisation der bloß „Mühseligen und Beladenen“ (Fleischer 1987, 231). „Die Erlangung höheren Handlungsvermögens“ wird nicht „unter dem Druck der höchstdringlichen Weltnotstände“ entstehen (Ebd., 236). Viele hoffen, dass angesichts der Größtgefahr (Klimakatastrophe bzw. Krieg) das Rettende wächst. Allerdings müssen sich unabhängig von den Aufgaben des Schutzes vor Katastrophen in der Gesellschaft soziale Kräfte und höhere Handlungs- und soziale Assoziationsvermögen bilden, wenn sich Entscheidendes ändern soll.

Die Technologie als Querschnittsthema im öffentlichen Streit über den menschlichen, sozialen und gesellschaftlichen Wert von Arbeiten

Constanze Kurz, IG-Metall-Expertin für Digitalisierung, sieht einen negativen Entwicklungspfad von Industriearbeit darin, dass Arbeit „weiter standardisiert, digital quantifiziert, zu Parametern innerhalb von Algorithmen (um)strukturiert und am Ende zum geistlosen Niedriglohnjob“ werde. Dann würden die Menschen „Rädchen in einer unmenschlichen Cyberfabrik, ohne nennenswerte Handlungskompetenzen, entfremdet von der eigenen Tätigkeit durch eine fortschreitende Dematerialisierung und Virtualisierung von Geschäfts- und Arbeitsvorgängen“ (Kurz 2013).

Industriesoziologen stellen ein „zunehmendes Absehen vom konkreten Produktions- und Arbeitsprozess“ fest, „dem man nur noch in symbolisch repräsentierter Form begegnet“, und sprechen vom „Verlust der Erfahrung unterschiedlicher Qualitäten, die mit dem stofflichen Bezug traditioneller Handwerks- und Industriearbeit verbunden waren. Dies kann das Merkmal von Arbeit bei sehr hochqualifizierten wie bei angelernten Tätigkeiten sein“ (Schmiede 1996, 9). Es fragt sich, ob unter den Arbeitenden eine Bewegung entsteht, die aus Motiven, die Lebensqualität des Arbeitens zu erhöhen, massiv Partei nimmt gegen bestimmte Weisen der Digitalisierung.

Eine zunehmende kritische Thematisierung grundlegender Momente der modernen gesellschaftlichen Zivilisation betrifft auch die Eingriffstiefe. Die zahlreichen „naturfremd (xenobiotisch) chlorierten Kohlenwasserstoffe […] sind, wegen ihrer Naturfremdheit, weil die Natur sie im Lauf ihrer Evolution nicht in ihre Stoffwechselkreisläufe einbauen konnte, weil sie keine Wege des adäquaten Umgangs, insbesondere keine Wege ihres natürlichen Abbaus entwickeln konnte, meist Anreicherungsgifte und oft erbgut- und fruchtschädigend und krebserregend. Sie reichern sich, weil sie nicht abgebaut werden können, in der Umwelt und in den Organismen an“ (Gleich 1988, 138). Plädiert wird dafür, „die Stoffe möglichst naturbelassen bzw. naturnah zu verwenden und zu verarbeiten, wie es als Maxime der Vollwerternährung und des biologischen Landbaus, der Naturkosmetik, der Naturheilkunde, des ökologischen Bauens, des Gebrauchs von Naturfasern und Naturfarben, von biologisch abbaubaren Wachmitteln, kurz, als Konzept einer ‚Sanften Chemie’ zum Teil schon jahrzehntelang propagiert und erfolgreich praktiziert wurde“ (Ebd., 139). Ullrich (1996) spitzt die Aussage thesenhaft zu: „Im Industrialismus gibt es einen falschen Umgang mit den Naturstoffen, es werden die falschen Stoffe verwendet, und die Eingriffstiefe ist viel zu groß.“

Im „Positionspapier Lebensmittelhandwerk“ (Stand: Dezember 2021) von Slow Food Deutschland e.V. (SFD) heißt es übereinstimmend mit der eben skizzierten Argumentation: „Ein verarbeitetes Lebensmittel besteht aus Inhaltsstoffen, dazu kommen je nach Hersteller Zusatzstoffe, Hilfsstoffe und gegebenenfalls Aromastoffe. […] Die meisten der oben genannten Stoffe dienen dazu, der industriellen Herstellung auf die Sprünge zu helfen. Sie verbessern die Maschinengängigkeit, erhöhen die Ausbeute und geben den verlorengegangenen Geschmack oder die Farbe wieder zurück. Dies täuscht eine große Vielfalt von Lebensmitteln vor, beim näheren Betrachten unterscheiden sich die Produkte jedoch nur durch die Farbigkeit der Etiketten. Die Vielfalt des Geschmacks geht verloren.

Slow Food strebt deshalb eine Herstellungsweise an, bei der nicht die Maschinengängigkeit an oberster Stelle steht, oder die Saftausbeute mittels entsprechender Enzyme optimiert wird. Dies gelingt am ehesten mit einer handwerklichen Produktion. Diese Produktionsweise ist nicht notwendigerweise von der Größe des Betriebes abhängig, sondern wird bestimmt von handwerklichem Können, Erfahrung und Engagement. Dies sind gute Voraussetzungen um auf die meisten Zusatz-, Hilfs-, Aroma- und Farbstoffe verzichten zu können.“ (https://www.slowfood.de/was-wir-tun/vielfalt/lebensmittelqualitaet/lebensmittelqualitaet_und_handwerk)

Die öffentlichen Auseinandersetzungen um Kernkraftwerktechnologie, um Gentechnologie und um Informations- und Kommunikationstechnologien haben dazu geführt, dass es erhebliche Zweifel an dem Nutzen und an den indirekten „Neben“wirkungen dieser Technologien gibt. Deutlich wurde, wie sehr kapitalkräftige Interessen und Wertvorstellungen für deren Durchsetzung ursächlich waren. Ein Bewusstsein davon entstand, dass diese Technologien keinem alternativlosen „one best way“ folgen, der technologisch oder naturwissenschaftlich sachzwänglich vorgegeben ist.

Vorbehalte gegenüber Technik-Euphorie sind mittlerweile weit verbreitet. Der Präsident der Ingenieurkammer Baden-Württemberg spricht von „einer leider weit verbreiteten Technikskepsis“ (Engelmann 2020, 1). 2007 hieß es: „Vom allgemeinen Aufwärtstrend in der Studiennachfrage konnten die Ingenieurwissenschaften in Deutschland jedoch nicht profitieren. Die Fächergruppe konnte sich bis heute nicht von ihrem langen Abwärtstrend bei den Studienanfängerzahlen in den 1990er Jahren erholen. Die Fächerpräferenzen haben sich deutlich zu Ungunsten der Ingenieurwissenschaften verändert. Die Fächergruppe hat im Bundesgebiet stark an Attraktivität verloren“ (Jahn 2007, 241).

Der Ingenieurberuf galt Mitte der sechziger Jahre bei 41 Prozent der Befragten als „einer der Berufe, vor denen sie viel Achtung empfänden. Im Jahr 2001 zollten dem Ingenieur nur noch 22 Prozent ihre Achtung. […] In den sechziger Jahren wurde Technik als ein Pfeiler des Wirtschaftswunders gesehen. Erst in den siebziger Jahren wurde die Umwelt kritischer. Bei der Einführung neuer Techniken ging es nicht mehr nur um die Chancen, es ging auch zunehmend um die Risiken, die Folgenabschätzung, die Umweltverträglichkeit, die Ausbeutung der Rohstoffreserven“ (Giersberg 2006).

Über diese Themen hinausgehend wurde im Alternativplan der Beschäftigten bei Lucas Aerospace in Großbritannien in den 1970er Jahren einer „angepassten Technologie” gefragt. Darüber nachzudenken verbindet sich mit einem „rigorosen Bruch mit dem funk­tio­nalistischen Verständnis von Technologie, d.h. mit der Meinung, für jeden Zweck gebe es nur eine einzige, ‚beste Technologie; statt dessen gibt es für’ jede beabsichtigte Ver­wendung (Kon­sumgut, Produktionsmittel, Maschine etc.) eine Fülle verschiedener Kon­struktionsprinzipien, die sich voneinander in den Rohstoffen, die sie benötigen, unter­schei­den, in Energieverbrauch, Patenten, Ersatzteilen, Lizenzen, Halbfertigprodukten, aber auch in der Art ihrer Bedienung bzw. Benutzung. […] Diese Betrachtungsweise ermöglicht es, die Frage nach den Interessen zu stellen, die eine bestimmte Technologie verkörpert; die Frage lautet dann: gemäß welchen In­teressen wurde jede einzelne dieser ‚Komponen­ten’ gewählt; also z.B. welche Qualifikations­struktur wird der fertige Gegenstand zu seiner Benutzung verlangen?” (Löw-Beer 1981, 136).

In der genannten Auseinandersetzungen um Technologien geht es um die Art und Weise des Technikeinsatzes und um die Auswahl unter verschiedenen Techniken. Hier können sich Aufmerksamkeiten entwickeln, die zu einer grundlegenden gesellschaftlichen Veränderung beitragen.

Care-Tätigkeiten sowie die mit ihnen günstigenfalls verbundenen Mentalitäten und der Anspruch auf ihren angemessenen Stellenwert in der Gesellschaft

Eine zentrale Folge der kapitalistischen Rechnungsweise ist die Dominanz von Arbeiten, die Mehrwert hervorbringen, gegenüber Tätigkeiten, die das nicht tun, z. B. Sorgetätigkeiten für Kinder, Kranke und Senioren.

Eines der zentralen Gebote für die Arbeitskraft in der kapitalistischen Ökonomie lautet: Du sollst voll und flexibel zur Verfügung stehen. Für das Unternehmen stellt die Beschäftigung von Arbeitskräften, die sich „auch noch“ um ihre Kinder kümmern, eine Einschränkung des Zugriffs auf die jeweilige Arbeitskraft dar. Das Interesse von Frauen, Erwerbsarbeit und Mutterschaft auf eine Weise zu verbinden, die sie gegenüber den Männern nicht benachteiligt, verträgt sich schlecht mit den Imperativen der Kapitalverwertung. Ebenso das Interesse von Männern an einer Erwerbsarbeit, die einen intensiven Umgang mit Kindern nicht behindert.

Zu den sozialen Tendenzen, die in Divergenz stehen zur kapitalistischen Ökonomie, gehört das Interesse, einer so wesentlichen menschlichen Tätigkeit wie dem Umgang mit Kindern in der Gesellschaft den Platz einzuräumen, der ihm gebührt. 

Zu Care-Tätigkeiten gehört günstigenfalls eine wertschätzende, die Stärken des anderen entfaltende Aufmerksamkeit, die Unterstützung sowie der empathisch-mäeutische Umgang mit jeweiligen individuellen Entwicklungsprozessen und Eigenzeiten. Es geht um Anteilnahme und Achtsamkeit sowie um Fürsorge ohne Paternalismus oder Maternalismus.

Vertreterinnen des Gleichstellungsfeminismus (zur Auseinandersetzung mit ihm vgl. Creydt 2023b) machen die Gleichheit zwischen Frauen und Männern zu ihrem normativen Ausgangspunkt und kritisieren die Ungleichbehandlung von Frauen. Anhängerinnen des Differenz-Feminismus setzen an den Tätigkeiten an, die Frauen bislang häufiger ausüben als Männer. Den Care-Tätigkeiten werden „Eigenschaften der Fürsorglichkeit, Mitmenschlichkeit und der zwischenmenschlichen Verantwortlichkeit“ zugeschrieben. Diese Tugenden stehen Differenzfeministinnen zufolge im Gegensatz zu „männlichen Prinzipien in Beruf und Ökonomie“ (Schmerl 1993, 20).

Problematisch am Differenzfeminismus erscheint erstens, dass manche Autorinnen den Unterschied zwischen Tätigkeiten, die eher von Frauen als von Männern ausgeübt werden, nicht aus der Formierung des Geschlechterverhältnis im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft mit kapitalistischer Ökonomie erklären, sondern aus einer angenommenen natürlichen Wesensdifferenz zwischen den Geschlechtern.

Auch dort, wo es im Differenzfeminismus nicht zu dieser Anthropologisierung kommt, besteht ein zweites Problem: Die berechtigte Wertschätzung von Care-Tätigkeiten unterscheidet sich von deren ideologischer Überhöhung. Dazu gehört auch die differenzfeministische Idealisierung der Mutter-Kind-Beziehung und der vermeintlich genuin weiblichen Sozialbeziehungen. (Vgl. zur Auseinandersetzung damit Althof, Garz 1988, Segal 1989, Bindseil 1991, 52ff., Rommelspacher 1992, Grimm 1993, Heyne 1996, Schenk 1996, Creydt 2002, Creydt 2017, 161f., 191.) Solche Idealisierungen sind auch bei Politikerinnen und Politikern beliebt. Ein Beispiel ist der Ausspruch der damaligen französischen Ministerin für Wirtschaft, Finanzen und Industrie, Christine Lagarde: „Wenn Lehman Brothers bloß Lehman Sisters gewesen wäre, würde die Finanzkrise von heute ganz anders aussehen“ (zit. n. FAZ 17.11.2011).

Die mit gelingenden Care-Tätigkeiten verbundenen Mentalitäten stehen zum Teil im Kontrast zur strikten Orientierung an Effizienz, zum „Technizismus” (vgl. dazu Creydt 2019), zur Selbstanonymisierung des Individuums in dem ihm jeweils abverlangen Rollenhandeln sowie zum Tunnelblick von Spezialisten.

Sozialberufliche und pädagogischen Tätigkeiten und ihre Distanz zum Geschäftsleben und zur Technologie

In der Erwerbsbevölkerung hat in den letzten Jahrzehnten der Anteil von denjenigen Arbeitskräften zugenommen, die in ihrer Tätigkeit direkt „am“ bzw. „mit“ dem Menschen arbeiten. Dies gilt für die Krankenpflege, die Altenpflege, die Schule, die Arbeitsfelder, in denen Erzieher arbeiten, und die Sozialarbeit. Insgesamt handelt es sich um 3.663.000 Beschäftigte.


2019 arbeiteten laut Statistischem Bundesamt hierzulande rund 1,7 Millionen Menschen im Pflegedienst – darunter fast 460.000 in Krankenhäusern und 1,2 Millionen in der stationären und ambulanten Altenpflege. In Deutschland gab es im Schuljahr 2021/2022 insgesamt 799.314 Lehrer und Lehrerinnen an allgemeinbildenden Schulen. Zum 1. März 2022 wurden bundesweit rund 731.000 Fachkräfte in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung gezählt (inklusive Leitung und Verwaltung).“ 433.000 Erwerbstätige, darunter 75 Prozent Frauen, übten 2021 einen Beruf in der Sozialarbeit, Sozialpädagogik, in der Sozialberatung aus oder nahmen in diesem Feld Leitungsaufgaben wahr.


Mit ihren Tätigkeiten ist eine direkte Aufmerksamkeit für die individuelle Subjektivität verbunden. Wenigstens ihrem Selbstverständnis nach stehen diese Professionen in ihrer Herangehensweise in Distanz zum Geschäftsleben und zu Arbeitsbereichen, die von Ingenieuren und Technikern eingerichtet werden.

In den letzten Jahrzehnten fand eine subjektive Aufwertung von Care-Tätigkeiten statt. Die eigene „Logik“ von Care-Tätigkeiten rückte stärker ins Bewusstsein. Coxon u. a. (1986) unterscheiden „data-oriented jobs“ von „people-oriented jobs“. Joseph Huber beschreibt plakativ, wie sich die „Bewusstseins-, Tätigkeits- und Interessens-Merkmale“ des „technikberuflichen Milieus“ von denjenigen des „sozialberuflichen Milieus“ unterscheiden (Huber 2011, 103). Arbeitende in technikberuflichen Milieus grenzen sich Huber zufolge „klar bis scharf trennend von der Umwelt ab, die ihnen latent oder offen als Gegenwelt vorkommt.“ Sozialberuflich Tätige „betrachten sich als verbundene Glieder ihrer Umwelt, die sie als Mitwelt verstehen, und sie trachten dementsprechend danach, sich darin einzufügen, im pathologischen Extrem bis zur Selbstverleugnung und zum Selbstverlust“ (Ebd., 86).

Allerdings kann es auch in sozialberuflichen und pädagogischen Berufen zu einem Rückzug auf eine restriktiv verstandene Rolle kommen. Ein Beispiel dafür lautet: „Ich bin Fachlehrer und nur für die Vermittlung der entsprechenden Wissensinhalte zuständig.“ Andere Lehrer nehmen aber ihre Lehrertätigkeit so wahr, dass in ihr auch die nachholende Überwindung von Entwicklungsdefiziten und das kooperative Klima in der Lerngruppe eine große Rolle spielen. Es gibt Lehrer, die die persönliche Entwicklung der Schüler fördern, indem sie deren Vertrauen auf persönliche Fähigkeiten sowie ihre Erfahrung von Selbstwirksamkeit verstärken.

Wir alle erinnern uns an Lehrer, die in der Lage waren, auch in „schwierigen“ Schülern etwas zu sehen und zu erkennen, „was andere nicht sahen oder aus Bequemlichkeit nicht sehen wollten. Das setzt Offenheit voraus, einen vorurteilsfreien Geist und einen wachsamen und wohlwollenden Blick für die Schüler“ (Gerster, Nürnberger 2010, 227). Die individuelle Aufmerksamkeit für Schüler und deren Förderung sind umso wahrscheinlicher, desto eher wir eine Schule vorfinden, in der die Klassen klein sind und die Arbeitsorganisation in der Schule den Lehrer genug Energie lässt, sich auf die Schüler individuell einzulassen. Erst dann kann es gelingen, „in einem schwierigen Kind einen Ton zu treffen, der es aufhorchen lässt. Einen in sich verkapselten Jugendlichen so anzusprechen, dass er sich langsam öffnet, und mit sehr viel Geduld und Glück eine Saite in ihm zum Klingen zu bringen, von deren Existenz bisher niemand wusste“ (Ebd., 199f.).

Lehrer werden das im Rahmen der Schule in der modernen bürgerlichen Gesellschaft nur beschränkt leisten können. (Vgl. dazu Creydt 2023.) Soll sich eine solche Praxis verallgemeinern, bedarf es eines anderen Schulwesens. Gewiss sind Lehrer, die ihre Aufgabe im skizzierten Sinne breiter verstehen und sich entsprechend qualifiziert engagieren, deshalb noch keine Systemkritiker. Wohl aber lässt sich auch an gegenwärtigen Schulen unterscheiden, welche Mentalitäten des dortigen Personals Affinitäten zur Tätigkeit im Sinne des guten Lebens haben und welche nicht.

Zwar lässt sich den im weiten Sinne sozialberuflichen Professionen die Möglichkeit zuschreiben, dass sie Divergenzen des Kinder-Unterrichtens oder der ärztlichen bzw. krankenpflegerischen Praxis zu grundlegenden gesellschaftlichen Strukturen wahrnehmen. Zugleich gibt es viele sozialberufliche Profis, die die gesellschaftlichen Maßgaben, die institutionellen Settings und die Mangelwirtschaft in der jeweiligen Organisation so interpretieren, dass sie nicht in Konflikt zu ihnen kommen. Viele Lehrer legen sich pädagogische Legitimationen zurecht für die in der Schule stattfindende Selektion und für die Einübung von Konkurrenz. Dann kann es zu einem Selbstverständnis der eigenen pädagogischen Praxis kommen, das die „Erziehung zur Kälte“ (Gruschka 1994) als selbstverständlich ansieht, als unproblematisch und die Schüler auf „die Härten des Lebens” vorbereitend. Für im Gesundheitswesen Tätige gilt Analoges. Karin Kersting (2022) untersucht das „Coolout” oder die „moralische Desensibilisierung” in der Pflege.

Nichtsdestotrotz wurde im Gesundheitsbereich einer Minderheit der dort tätigen Kräfte (vgl. bspw. kritische Listen in den Ärztekammern) deutlich, dass die Frage nach den Kontexten von Krankheiten ernstzunehmen heißt, nach gesellschaftlich vermeidbaren Ursachen bzw. begünstigenden Momenten von Krankheit zu fragen. Die Liste „Fraktion Gesundheit“ erhielt bei den Wahlen zur Ärztekammer in Berlin im Herbst 2010 2.639 Stimmen oder 25,2% der abgegebenen Stimmen. In ihrem Programm wird die Divergenz einer relevanten Minderheit der Ärzteschaft zu herrschenden ökonomischen Imperativen deutlich.


2014 fand sich im Netz folgende Stellungnahmen im damaligen Programm der Berliner „Fraktion Gesundheit”:

„Wir und unsere Patienten und Patientinnen leiden unter dem zunehmenden Druck wirtschaftlicher Rendite-Interessen im Gesundheitswesen. […] Wir fordern wieder Vorrang der ärztlichen Verantwortung vor ökonomischen Interessen. Ärztlicher Sachverstand muss Taktgeber in der Gesundheitspolitik sein. […] Wir fordern Unabhängigkeit von den Einflüssen der Medizinprodukte- und Pharmaindustrie. Dazu gehört auch die industrieunabhängige Fortbildung unter dem Dach der Ärztekammer. […] Wir wenden uns gegen die zunehmende Privatisierung besonders kommunaler Kliniken in Zeiten systembedingter Finanznot der Kommunen. […] Wir sehen es als Aufgabe ärztlicher Prävention an, Gesellschaft und Politik auf die psychosomatischen und psychosozialen Krankheitsfolgen einer zunehmend unsozialen Wirtschafts- und Gesellschaftsform eindringlich hinzuweisen und auf Abhilfe zu drängen. Ursachen sind zunehmende Verarmung, unsichere und unterbezahlte Arbeitsplätze, Arbeitslosigkeit, ungleiche Bildungschancen und soziale Ausgrenzung“ (http://www.fraktiongesundheit.de/)

Das Wahlprogramm der Fraktion Gesundheit von 2023 beschränkt seine, die Gesellschaft betreffenden Aussagen allerdings auf die Kritik an der privaten Krankenversicherung und an der Gefährdung der Gesundheit durch die Verschlechterung der ökologischen Lebensbedingungen.


Die Ambivalenz der zwischenmenschlichen Sensibilität und ihr teilweiser Gegensatz zum Erwerbs- und Geschäftsleben

Einerseits kann die stärkere Aufmerksamkeit für das Gedeihen der Subjektivität anderer Personen dazu beitragen, für andere Gesellschaftsstrukturen einzutreten. Zugleich erleben wir immer wieder, wie die Empathie, die Kenntnisse über psychische Prozesse und die entsprechende Sensibilität sich dazu eignen, die eigenen Ziele geschickter durchzusetzen, das Gegenüber zu vereinnahmen und zu manipulieren.

Die heute so viel gelobten sozialen Kompetenzen und ‚soft skills’ sagen nichts aus über den Inhalt, der mit ihnen praktisch kommuniziert wird. Kommunikative Kompetenz und Empathie ermöglichen es auch, verzinkte Botschaften an den Mann oder die Frau zu bringen. Aggressionen lassen sich platzieren, ohne auf den ersten Blick aggressiv zu wirken. Das Einfühlungs- und Kommunikationsvermögen erlaubt, passgenau Mitmenschen anzugreifen und zu verunsichern. „‚Ich würde diesen Auftrag nicht annehmen, sonst hast du plötzlich wieder deine Ängste’, rät eine Frau scheinbar liebevoll einer Kollegin und hat sie damit gezielt ausgeschaltet“ (Guggenbühl 2009, 39).

Soziale Kompetenz und prosoziale Einstellung sind nicht miteinander zu verwechseln. „Wie wir aus der Geschichte und Psychologie wissen, können sich hinter Menschen mit hoher Sozialkompetenz egoistische Soziopathen verstecken, Stalin war bekannt für seine einnehmende Art und seinen liebevollen Umgang mit Kindern, auch wenn er kurz davor ihre Eltern umgebracht hatte. Ein neueres Beispiel ist der Betrüger Madoff. Dank seinen sozialen Kompetenzen hat man ihm vertraut und ihn als ehrbaren Mann angesehen“ (Ebd.).

Die Fortschritte in der psychologischen Aufmerksamkeit für die andere und für die eigene Person haben ambivalente Wirkungen. Bspw. gibt ein Ratgeber für Ärzte zu bedenken, ob das Bestreben eines Arztes, „seine Patienten rundum gut zu versorgen“ und „ihnen beizustehen“ nicht ein Indiz für einen „abhängig-depressiven Arbeitsstil“ sei. Die Diagnose lautet dann: „Sein Problem ist, dass er nach außen gibt, was er selbst gern hätte: ‚Gefüttert werden‛“ (Bergner 2010, 121). Gewarnt wird auch davor, „auf Nummer Sicher zu gehen, was den ärztlichen Alltags erschwert und sein Arbeitstempo verlangsamt“. Eine solche Person „hilft zu viel, nur damit nichts Schlimmes geschieht. Er vermeidet dabei Konfrontationen. ‚Nein sagen‛ fällt ihm extrem schwer“ (Ebd., 122). Deutlich wird: Diese Gedanken eignen sich sowohl dazu, auf reale Probleme aufmerksam zu machen, als auch dazu, die eigene Reduktion von Leistungen als Beherzigung psychologischer Einsicht auszugeben. Das Motto lautet dann: „Weniger Leistung von mir ist besser für Dich und für mich“.

2) Die Auseinandersetzung um die Lebensqualität in der Arbeit

Ein Widerspruch innerhalb der kapitalistischen Produktionsorganisation und -technologie

In der gegenwärtigen Arbeitswelt können sich Gegensätze entwickeln zwischen zwei Momenten. Es handelt sich einerseits um die Fähigkeiten, die die Arbeitenden notwendigerweise entwickeln, um die Arbeit zu erledigen, und die damit verbundene Kooperation und Selbstorganisation. Das andere Moment besteht in der Sorge der Unternehmen, dass die Arbeitenden damit zu viel Macht gewinnen.

Der frühere Bochumer Opel-Betriebsrat Wolfgang Schaum­berg schildert ein prägnantes Beispiel: Gruppenarbeit macht Gruppengespräche notwendig. Diese finden zu­erst wöchentlich einstündig statt, später werden alle 14 Tage 30 Minuten angesetzt. „Den Leuten wird vorgegaukelt: Ihr habt jetzt etwas zu sagen, Ihr lernt Kommunikation und soziale Kompetenz, und wenn sie wirklich mal – sozusagen – diese Fähigkeiten anwenden wollen, dann wird ihnen sehr schnell gesagt, da und da sind aber die Grenzen. Auch mit dem, was die Leute sonst noch lernen: über den Arbeitsplatz hinauszugucken und Zusammenhänge in den Blick zu nehmen, das muss das Kapital beschneiden. Also irgendwie ist Wissen etwas Explosives, und die haben dann auch Mühe, den Leuten zu sagen: Wenn du jetzt am PC das und das machst, darfst Du bis dahin, und dann brauchst Du ein Passwort, und dann macht der Abteilungsleiter weiter. Unsere Diskussion dazu ist: Können wir denn nicht mehr, als man uns lässt? Hat nicht die Form der Automatisierung heute auch uns neue Möglichkeiten gegeben, einfach mehr vom Produktionsprozess und den Zusammenhängen und Hintergründen zu kapieren und zu lernen und uns vorzustellen: Mensch, könnten wir das nicht auch in eigener Regie?“ (Schaumberg 2002).

Die Loblieder über die Effizienz der kapitalistischen Produktion ignorieren die massiven Effizienzeinbußen, die aus einem zentralen Widerspruch der kapitalistischen Form der Arbeitsorganisation und Arbeitstechnologie resultieren. Hohe Qualifikationen stellen ein Mittel zur Verbilligung des Produktionsprozesses bzw. zur Steigerung der Produktivität dar und werden bei komplexen Produkten und Produktionsverfahren erforderlich. Diesem Interesse des Unternehmens an hoher Qualifikation stehen Vorbehalte entgegen. Hohe Qualifikationen und Kompetenzen stärken die Macht der Arbeitenden als (mit dem Unternehmerlager) rivalisierende Interessengruppe oder ermöglichen es, dass sie ihre Fähigkeiten gegen die kapitalistische Unternehmensführung wenden. Dem gilt es vorzubeugen. Die Imperative der Kontrolle von oben formen die Produktionstechnologie und -organisation.


Einflussreich für die Kritik der Technik im Kapitalismus war die Untersuchung Nobles (1978, 1984) zur Entwicklung der NC-Maschine. Es handelt sich um Ma¬schinen, bei denen die Abfolge der Arbeitsschritte durch ein Computer-Programm festgelegt ist und gesteuert wird (numerical control). „Mit seinem Begriff des ‚social choice‛ wies er erstmals auf die relative Offenheit der technischen Entwicklung und die Wahlmöglichkeiten beim techni¬schen Design, bei der Lösung ein und desselben technischen Problems hin. Noble untersuchte die Entwicklung numerisch kontrollierter Werkzeugmaschinen in den USA und stellte fest, dass neben den sich durchsetzenden NC-Maschinen am Anfang der Entwicklung durchaus eine tech¬nische Alternative, ein technisch-funktionales Äquivalent, im sog. ‚record-play-back‛-Verfahren zur Verfügung stand. Dass sich schließlich die NC-Linie in der Technikent¬wicklung durchsetzte, lässt sich laut Noble auf Herrschafts- und Kontrollinteressen des Manage¬ments gegenüber dem Produktionspersonal, dessen spezifisches handwerkliches Wissen durch die zentral-gesteuerten NC-Maschinen und die hierdurch mögliche weitere Teilung der Arbeit entwertet wurde, zurück-führen“ (Hennen 1992, 31f.). Dies ist ein Beispiel dafür, dass sich der Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen in den Produktivkräften selbst findet.


 

Den Zielkonflikt zwischen Kontrolle und Effizienz zu bemerken ist relevant, um der Legende von der neutralen bzw. sachlich erforderlichen Logik der Arbeitsorganisation zu widersprechen.

„Kontrolle und Ausbeutung sind offenbar nicht voneinander zu trennen, jedoch ist die Unterscheidung zwischen maximaler Ausbeutung und maximaler Produktion von grundlegender Bedeutung; sie impliziert, dass der Kapitalismus die effektivste Produktionstechnologie nur insoweit anwendet, wie sie mit maximaler Kontrolle und Ausbeutung vereinbar ist. Das treibende Moment des Kapitals ist ein Maximum an Profit, und weil dies erfordert, total über die Arbeitskraft verfügen zu können, kann dieses Maximum im allgemeinen durchaus auf Kosten der größtmöglichen technologischen Effizienz und Produktivität gehen“ (Gorz 1973, 101).

Die kapitalistische Organisation der Arbeit orientiert sich daran, deren Mehrwert zu steigern sowie zugleich die Kontrolle der Arbeitenden durch die Vorgesetzten zu gewährleisten und per Arbeitstechnologie und -organisation Widerstand zu erschweren. Experimente mit Teamarbeit und mit der Beteiligung der Arbeitenden an Entscheidungen zeigen Steigerungen der Effizienz, sind aber im Kapitalismus aufgrund der Risiken in Bezug auf die Machtverhältnisse im Produktionsprozess nur begrenzt möglich.

In der 1989 eröffneten Volvo-Fabrik in Uddevalla (Schweden) organisierten die Arbeiter einen gan­zen Fertigungsabschnitt – die Montage der Fahrzeuge – eigenverantwortlich in Teams. Das Werk war wirtschaftlich effizient und lieferte gute Qualität ab (Ulich 2005, 186). Dennoch wurde Ende 1992 seine Stillegung beschlossen. Maßgeblich war das Votum von Volvos größtem Aktionär, dem französischen Autohersteller Renault. Er lehnte die in Uddevalla praktizierte Arbeitsorganisation ab. Hancké und Rubinstein (1995, 193) von der London School of Economics erklärten den Be­schluss so: „Ein selbstbestimmtes Produktionssystem wie in Uddevalla, das auf den individuellen und kollektiven Fähigkeiten der Arbeiter basiert, reduziert die Rolle von Ingenieuren und Managern bei der Kontrolle des Produktionsprozesses.“ Vgl. a. Jürgens 1995.

Der Widerspruch im kapitalistischen Arbeitsprozess, einerseits Qualifikationen und Kompetenzen zu benötigen, andererseits sie zu beschränken, ist eine Quelle sozialer Kritik.

Gegenwärtige Ansprüche von Arbeitnehmern an die Länge der Arbeitszeit

Die eHDI-Berufe-Studie 2022 ist eine repräsentative Befragung von 3.891 Erwerbstätigen in Deutschland. Sie wurde durchgeführt vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov Deutschland. Dieser Studie zufolge will fast jeder zweite Vollzeit-Beschäftigte zur Teilzeit-Arbeit wechseln, wenn er dazu die Möglichkeit vom Arbeitgeber bekommt (48 Prozent). Am stärksten ist der Wunsch nach kürzerer Arbeitszeit bei den Beschäftigten unter 40 Jahren (51 Prozent). Drei Viertel aller Beschäftigten plädieren zudem für die Einführung der 4-Tage-Woche in ihren Unternehmen (76 Prozent). Besonders stark ist das in der Industrie der Fall (86 Prozent). Hier wäre sogar jeder Vierte (24 Prozent) auch bereit, dafür auf einen Teil des Lohns zu verzichten, insgesamt sind das aber nur 14 Prozent aller Beschäftigten (https://www.berufe-studie.de/2022_01-kernergebnisse.html).

„Männer würden durchschnittlich am liebsten nur noch 36 Stunden in der Woche arbeiten, selbst wenn das Folgen für ihr Gehalt hat. Das ist der niedrigste Wert mindestens seit dem Jahr 2000. So zeigt es eine Auswertung des Dt. Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) für die FAS. Die Angaben beziehen sich auf das jüngste verfügbare Jahr 2018.

Der Abwärtstrend ist dabei deutlich: Im Jahr 2007 hatten sich die Männer noch eine Arbeitszeit von 39 Stunden gewünscht. Auch die Wunscharbeitszeit von Frauen geht zurück. Sie steht aktuell bei 29,5 Stunden. Im Jahr 2011 waren es noch 31 Stunden. Die Angaben stammen aus dem sog. ‚sozio-ökonomischen Panel’, für das in Deutschland rund 30.000 Menschen jährlich befragt werden. …

In den frühen Nullerjahren waren die Arbeitszeitwünsche in Deutschland immer weiter gestiegen. Der Trend drehte sich allerdings ungefähr zu der Zeit, als sich abzeichnete, dass das Land seine große Arbeitslosigkeit überwunden hatte. Seitdem gewinnt für die Menschen offenbar Freizeit immer weiter an Bedeutung. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind über die Zeit geschrumpft: Wollten Frauen im Jahr 2000 noch neun Stunden weniger arbeiten als Männer, sind es jetzt nur noch sechseinhalb“ (Deutsche wollten weniger arbeiten. Aussicht auf weniger Gehalt schreckt sie nicht. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr. 12 2021, 28.3.2021, S. 1).

Faktisch hat sich in den letzten dreißig Jahren die Arbeitszeit von Beschäftigten in Vollzeit kaum verändert. „1991 verbrachten deutsche Erwerbstätige in Vollzeit im Schnitt 41,1 Stunden mit ihrem Job, zuletzt waren es laut Statistischem Bundesamt immer noch 40,2 Stunden pro Woche” (Wirtschaftswoche Nr. 34,  16.8. 2024, S. 92).

Der Kleinkrieg im kapitalistischen Unternehmen

Viel Aufmerksamkeit und Energie der Arbeitenden werden absorbiert in inner­betrieblichen Auseinandersetzung um die Verteilung von Macht und Kontrolle im Arbeitsprozess. Arbeiter versuchen, Vorgaben zu umgehen und befinden sich damit in einem ständigen Kleinkrieg gegenüber den Vorgesetzten und Kontrolleuren. Ständig sind neue Vorstöße abzuwehren. Unablässig müssen die Arbeitenden auf der Hut sein, dass bestimmte Strategien dafür, die Arbeit bequemer zu erledigen, nicht von Vorgesetzten bemerkt werden. Lohnabhängige sind bestrebt, bestimmte Tricks, mit denen die Arbeit leichter zu schaffen ist, gegenüber ihren Vorgesetzten geheim zu halten. Misslingt dies, so droht eine andere Organisation der Arbeit die bisherigen Freiräume der Arbeitenden zu beseitigen. Ständig müssen Arbeitende gewärtigen, dass Vorgesetzte versuchen, die Konkurrenz zwischen den Lohnabhängigen zu schüren. Gelingt dies, so misslingen bspw. die nicht „für fremde Ohren” gedachten kollektiven Absprachen unter den Arbeitenden, gemeinsam die Leistung zurückzuhalten, um die Heraufsetzung der Arbeitsnormen abzuwehren oder zu unterlaufen.

Arbeiter melden Verbesserungsvorschläge nicht, wenn sie erwarten, dass damit die Arbeit noch stressiger wird. Bereits 1892 sagte Bebel (1976, 244) im Reichstag: „Manche Verbesse­rung für den Produktionsprozess, die ein Arbeiter entdeckt, wird nicht eingeführt. Der Ar­bei­ter ver­schweigt sie, weil er fürchtet, nicht Vorteil, sondern Schaden davon zu haben.“

Meister, Vorarbeiter und Einrichter sind die Personen, die im Kleinkrieg zwischen Kapital und Arbeit die Maßnahmen der Kapitalseite gegen die Arbeitenden durchzusetzen versuchen. Sie füllen häufig Posten aus, auf die sie im jeweiligen Betrieb aufgestiegen sind. Bei einem Wechsel in einen anderen Betrieb würden sie diesen Posten verlieren. Das erhöht die Identifizierung mit dem jeweiligen Unternehmen.

Die Arbeitenden werden im kapitalistischen Arbeitsprozess absorbiert nicht nur von den Anforderungen der Arbeit, sondern auch von denjenigen Handlungen, die notwendig sind, um vom Kapital nicht völlig vereinnahmt und an den Rand gedrängt zu werden.

Es kostet viel Kraft, kleine Spielräume, Schlupflöcher und Geheimnisse zu erhalten und mit ihnen sich die Arbeit etwas erträglicher zu machen. Als schwierig erweist es sich, gegen die Konkurrenz und gegen die Spaltungsmanöver immer wieder Situationen einer solidarischen Verabredung zwischen den Arbeitenden für die gemeinsame Abwehr von Zumutungen zu schaffen. Mit diesen Anstrengungen kann einerseits ein Bewusstsein für den Gegensatz zwischen den Arbeitenden und den innerbetrieblichen Imperativen der Kapitalverwertung einhergehen. Andererseits absorbiert der Energie- und Aufmerksamkeitsaufwand für diese Gegenwehr häufig die Arbeitenden in einem solchen Ausmaß, dass für eine darüber hinausgehende Offensive gegen das Kapital die Kraft fehlt. Für eine lesenswerte Auseinandersetzung damit, wie Analysen der kapitalistischen Ökonomie z. B. bei Michael Heinrich diesen Kleinkrieg aussparen bzw. beschweigen, vgl. Wildcat 2005.

Das Unbehagen an der Arbeit

Das wachsende Bewusstsein für die Bedeutung der eigenen Gesundheit kann die Gegenwehr von Arbeitenden gegen die Überanstrengung ihrer Arbeitskraft stärken. Zugleich ist eine problematische Redeweise weit verbreitet: „Mein Akku ist leer und muss wieder aufgeladen werden.” Eine Person, die so spricht, übernimmt die Instandhaltungspflicht für sich und lädt die Unternehmerseite dazu ein zu sagen: „Fühlen Sie sich in der Arbeit unwohl, dann liegt das allein daran, dass Sie zwischendrin nicht häufig genug die Schnell-Ladefunktion in Anspruch genommen,  zu wenig entspannt und ungenügend Ihre Energie wieder aufgetankt haben!”

Das Problem scheint so weit verbreitet zu sein, dass es selbst in „Die Zeit” heißt: „Solange ihr jedes Unwohlsein mit mangelnder Erholung erklärt, werdet ihr die Schuld immer bei euch suchen. Es gibt jedoch Probleme, für die ihr nichts könnt. Schaut nicht ständig in den Spiegel. Schaut euch lieber mal um. In einer aktuellen Umfrage sagt jeder zweite deutsche Arbeitnehmer, dass er oft Stress erlebt. […] Das ist die gute Nachricht. Ihr seid nicht allein. Redet miteinander. Hört auf, euch selbst zu verbessern. Verbessert die Firma.  […] Kommt aus der Sauna, und stellt das Dampfbad ab. Verdammte Wellness. Sprecht selbstbewusst und frei von Angst.  […] Werdet laut, für euch selbst und andere. […] Ihr müsst eure Chefs nicht gleich über Zäune jagen. Aber das Maul aufmachen, wenn euch was stört, das solltet ihr schon” (Dachsel 2015).


Die Formulierung „über die Zäune jagen” spielt auf eine frühere Passage im Artikel an: „Neulich haben Mitarbeiter von Air France eine Sitzung ihrer Konzernleitung gestürmt: Sie jagten den Personalchef, Xavier Broseta, über einen Zaun. Broseta saß gerade mit dem Betriebsrat zusammen und verhandelte über fast 3.000 Entlassungen. Sein Hemd zerriss bei der Flucht, seine Krawatte baumelte am nackten Oberkörper. Das Bild des gerupften Entscheiders ging um die Welt” (Dachsel 2015).


Die latente verbleibende und vorpolitische Gestalt des Unbehagens an der Arbeit sollte nicht über den massiven Umfang dieses Unbehagens in der Bevölkerung hinwegtäuschen. Der große Verkaufserfolg von Büchern wie „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling oder die Beliebtheit des TV-Werbespots für die Outdoor-Bekleidungsfirma Schöffel, der mit dem Satz „Ich bin raus“ endet, resultiert aus der weit verbreiteten diffusen Sympathie für den allerdings recht vagen Wunsch auszusteigen.


„Ein einsamer Wanderer durchpflügt die Eiswüste. Aus dem Off eine kultivierte, angenehme, leicht spöttische Stimme: ‚An alle High Potentials und Key Performer, Global Player und Opinion Leader, an Deep Diver und Innovation Driver […]: Macht erst mal ohne mich weiter!’ Eingeblendet: ‚Ich bin raus.’“ (zit. n. Förster, Kreuz 2013, 139).


Die Abneigung gegenüber vielen gegenwärtigen Arbeitsplätzen nimmt international unterschiedliche Gestalt an. In China wird gegenwärtig viel gesprochen über die Mentalitäten „Tang ping“ (flach liegen) und „Bai lan“ (lass es kaputt gehen). In Japan gab es in den 1990er Jahren das Phänomen der „Freeter“. Dieses Wort verknüpft die Begriffe „free“ und „Arbeiter“. Es handelte sich um „junge Leute, die in den 1990er Jahren die japanische Bürokultur mit ihren rigiden Hierarchien und 15-Stunden-Tagen ablehnten und lieber Teilzeit- oder befristete Jobs machten, nur so viel wie nötig arbeiten wollten. […] Seit 2010 spricht man in Japan von einer Satori-Generation, die keine Ambitionen hegen, sich nicht für Karriere und Konsum interessieren; in Korea nennt man diese Leute Sampo generation, in Taiwan Strawberry generation. Vor dem Hintergrund einer stagnierenden Ökonomie haben sie Ehrgeiz und Hoffnung aufgegeben. Es wird sowieso nie reichen, um ein Haus zu kaufen, egal wie viel man arbeitet. Wenn die Schwelle immer höher wird, lohnt sich der ganze Stress nicht mehr. Viele sind Minimalisten und üben Konsumverzicht. Andere sehen sich gar nicht als ‚Aussteiger‛, sondern wollen nachhaltigere Jobs“ (Wildcat 2022, 44f.).

Gewiss ist bei der Schilderung dieser Phänomene zu fragen, inwieweit es sich um interessierte Schwarzmalerei handelt. Aus der Perspektive von Propagandisten des effizienten Betriebs kann die Arbeitsmoral prinzipiell nur zu niedrig sein.

Extreme Ereignisse wie Krankheit, der Tod eines sehr nahen Mitmenschen u. ä. fördern die Bereitschaft, sich Fragen zu stellen danach, wie die jeweilige Person leben will und welche Rolle die Arbeit dabei spielt.

Stefan Röpke, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité zufolge „können Erfahrungen von Rückschlägen, Ohnmacht und Überforderung letztlich auch Klarheit darüber verschaffen, was Menschen tatsächlich wollen oder brauchen, um ein gutes Leben zu führen”. Es gibt also nicht nur posttraumatische Belastungsstörungen, sondern auch posttraumatisches Wachstum” (zit. n. Lehmann 2022). Allerdings hat die Rede davon, persönlich durch eine schwere Krise gereift zu sein, häufig etwas von einer verzerrten Erinnerung. Sie hebt die positiven Effekte des durchlittenen Dramas hervor und redet die negativen Effekte bzw. die Narben und Traumata, die Erschöpfung und Verhärtung klein.

Weltweit stiegen 2021 „die Zahlen derer, die freiwillig kündigen wollen. Das Businessnetzwerk LinkedIn, das eine Studie in Auftrag gegeben hatte, berichtet davon, dass sich von 2020 auf 2021 die Zahl derer, die den Arbeitsplatz wechseln wollen, verdoppelt habe. Der Worktrend Index von Microsoft Index von Microsoft ermittelt 40% der weltweit Arbeitenden, die den Arbeitgeber verlassen wollen. 32.000 Menschen wurden dafür in 31 Ländern digital befragt.

Vor allem in Asien und den USA kommt es 2021 tatsächlich zu einer Rekordzahl an freiwilligen Kündigungen, in den USA sind es laut US-Arbeitsministerium 45 Millionen Menschen – eine enorme, nie da gewesene Zahl. Dem gegenüber standen mehr als 11 Millionen offene Stellen. Die Statistiker des Arbeitsministeriums geben in ihrem Bericht keine Gründe für die vielen Abschiede an, aber viele Experten sind sich einig: Corona war nur der Katalysator für Probleme, die schon vorher existierten.

Immer wieder sind es diese Gründe: fehlende Wertschätzung, fehlende Führung, fehlende Empathie der Führungskräfte, fehlendes Feedback und schlechte Bezahlung. […] In Deutschland ist der Megatrend aus den USA zwar noch nicht so massiv angekommen, dennoch gibt es erste Hinweise. So haben laut einer Studie eines der größten deutschen Personaldienstleister 21% der Unternehmen mehr freiwillige Kündigungen registriert als vor der Pandemie” (Lehmann 2022).

Angesichts der Kündigungswelle in den USA schrieb eine CNN-Autorin im Sommer 2021: „Es ist, als wären wir alle zu Bartleby geworden.” (Bartleby ist der Titelheld einer Geschichte von Melville, der als Schreiber angestellt ist und auf einmal ebenso hartnäckig wie kommentarlos seine Arbeit verweigert.) „Millionen von Menschen hatten in den USA in der Pandemie ihre Jobs gekündigt, so viele wie lange nicht zuvor. Viele Expertinnen zeigten sich begeistert: ‚Die Great Resignation könnte der Beginn einer bedeutsamen Veränderung der Arbeitsbedingungen in diesem Land sein’ schrieb etwa die Historiker Abigail Susik in der New York Times.”

In den USA scheint jedoch „der Glaube an das transformative Potenzial der Great Resignation bereits wieder verflogen.” Es „häufen sich die Berichte von ‚Boomerang-Angestellten’, die inzwischen wieder zurück beim alten Arbeitgeber gelandet sind, und von Menschen, die es ganz bereuten, ihren Job aufgegeben zu haben” (Hermsmeier 2022).

Das Bedürfnis nach Lebensqualität in der Arbeit

Arbeit ist nicht allein infolge ihres Produkts relevant, sondern auch aufgrund der mit ihr verbundenen Entwicklung und Bildung oder der Schädigung und Verkümmerung menschlicher Sinne, Fähigkeiten und Reflexionsvermögen.

Was die Ökologie der natürlichen Lebensbedingungen anbelangt, sind Teile der Bevölkerung inzwischen dafür aufmerksam geworden, welche Verwüstungen mit den Fortschritten der kapitalistischen Wirtschaft einhergehen. In puncto Arbeitsleben haben sich noch keine vergleichbaren öffentlichkeitswirksamen Diskurse und sozialen Bewegungen gebildet. Sie würden  an der Ökonomie nicht allein ihre Effizienz und Ausbringungsmenge wertschätzen, sondern fordern, dass die Wirtschaft nicht länger der Gesundheit und Psyche der Arbeitenden schadet.

Viele sorgen sich zu Recht über die abnehmende Artenvielfalt und die sinkende Bodenproduktivität infolge der industrialisierten Landwirtschaft. Vergleichsweise wenig wird zum Thema, welche Folgen fremdbestimmte und unattraktive Arbeit hat. Sich an sie zu gewöhnen fällt nicht leicht. „Diese Anpassungsleistung kostet Kraft; viele sind sich dessen bewusst und […] ein bisschen stolz darauf. Nicht so bewusst sind zumeist die emotionalen Kosten, die vielfach in einer Senkung des Anspruchsniveaus und der allgemeinen Aktivitätsbereitschaft bestehen. Man regt sich nicht mehr auf, aber der Schwung von früher fehlt“ (Girschner-Woldt u.a. 1986, 149). Arbeiten, die eines inneren, das Individuum entwickelnden Arbeitsertrags entbehren, fördern „eine allgemeine Interessenlosigkeit – und diese erleichtert es wiederum […], die uninteressante Arbeit auf Dauer zu ertragen“ (Döhlemann 2000, 19f.).

Was diese Wirtschaft durch Produkte und Dienstleistungen der zahlungsfähigen Nachfrage anbietet, nimmt sie durch die Weise, wie sie das Arbeiten und die Dienstleistungen formt. Der tote Stoff verlässt veredelt die Betriebe. In der Arbeit vereinseitigen häufig die menschliche Vermögen der Arbeitenden. Oft verflacht ihre Lebendigkeit und stumpft ab.

Wie kann eine Aufmerksamkeit dafür entstehen, dass die Lebensqualität in der Arbeit etwas ist, deren Mangel sich nicht durch Konsum „kompensieren” lässt? Welche Prozesse ermöglichen es, dass Arbeitende die Lebensqualität in der Arbeit als Anspruch gegen die ökonomische Logik der Unternehmen geltend machen?

„Unsere Lebensqualität ist keine Ware, auf die es Rabatt gibt“, lautete die Parole auf einem Transparent von Verdi (Fachbereich Handel) auf einer Demonstration am 21.2. 2008 anlässlich eines Tarifkonflikts in Berlin. Es ging u.a. um Zuschläge für die nach der Freigabe der Ladenöffnungszeiten notwendigen Arbeiten am Abend und an Wochenenden. Diese Zuschläge sollen den Beschäftigten einen Ausgleich geben sowie die Ausweitung der Arbeitszeiten in den Nachtstunden und an Wochenenden erschweren. Der Begriff Lebensqualität dient hier als Ausdruck für die Verteidigung gegen die Verschlechterung von Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten.

Die Klagen über negativen Stress und dauerndes Erschöpftsein durch die Arbeit sind weit verbreitet. Wie erwächst daraus eine Bewusstsein, das „sagt”: Der output an Gebrauchswerten, den die Produktion liefert, ist dieses Opfer nicht wert? Zu einem solchen Bewusstseinsprozess gehört die Einsicht, dass selbst ein hoher Arbeitslohn ein „Linsengericht“ (Marx 1974, 214) bleibt, gegen das der Arbeitende sein „Erstgeburtsrecht“ (ebd.) auf eine ihn entwickelnde und ihn sozial sinnvoll mit Kollegen und Kunden verbindende Arbeit weggibt. Mit einer solchen Veränderung des Bewusstseins konvergiert eine Einstellung von Angehörigen der Arbeitenden, die lautet: Wir wollen keine Partner, die durch die Arbeit so erschöpft und abgestumpft sind, dass mit ihnen in der Nichtarbeitszeit wenig anzufangen ist. Bislang verbleiben diese Einsicht und diese Einstellung zumeist privat.

Vielleicht klingt die Popularität des Themas „Lebensqualität“ in den frühen 1970er Jahren darin nach, dass der spätere Arbeitsminister, Norbert Blüm, feststellt: „Die technisch-wirtschaftliche Entwicklung befindet sich auf einem Niveau der wirtschaftlichen Effizienz, wo wir auch auf mögliche Prozentpunkte der Produktivitätssteigerung verzichten können zugunsten von menschenfreundlicheren Arbeitsplätzen. Bisher hatte immer die Humanisierung die Beweislast, wieweit sie ohne Einschränkung der wirtschaftlichen Effizienz möglich sei. Für eine Wirtschaftsordnung, welche der Freiheit den hervorragenden Platz einräumt, ist diese Beweislastzuteilung nicht selbstverständlich. In Zukunft soll, wer die Effizienz steigern will, beweisen, dass dies ohne Beschädigung der Menschlichkeit des Arbeiters möglich ist. Die Beweislastverteilung muss korrigiert werden“ (Blüm 1979, 144). Dadurch, dass ausgerechnet die Person, die unter der Kanzlerschaft von Helmut Kohl der Minister mit der längsten Amtszeit war, das Richtige sagt, wird das Richtige nicht falsch.

Selbst ein solches Statement wird heute im Kontext der DGB-Aktivitäten für ‚gute Arbeit‛ kaum anzutreffen sein. Immerhin spricht Blüm ja die Forderung aus, im Bereich der Wirtschaft nicht nur ökonomische Ziele zu verfolgen. Der Ökonomie Grenzen zu setzen, das ist in Bezug auf ökologische Maßgaben ein anerkanntes, wenn auch umstrittenes Thema in der Öffentlichkeit. In der gewerkschaftlichen Kampagne für „gute Arbeit” ist die Meinung populär, die Unternehmer davon überzeugen zu können, durch bessere Arbeitsbedingungen ließen sich auch Effizienzgewinne bewerkstelligen. Das unterscheidet sich davon, für eine gute Arbeit auch dann einzutreten, wenn sie mit Einschränkungen der wirtschaftlichen Effizienz verbunden ist. Wer die Bedeutung des für die Arbeitenden guten Arbeitens angemessen gewichtet, wird ihm einen hohen Stellenwert unter den Zielen einräumen, an denen sich der Erfolg der Wirtschaft bemisst.

Im Nichtarbeitsbereich haben sich in den letzten Jahrzehnten das Geschlechterverhältnis und das Eltern-Kind-Verhältnis so verändert, dass das Bewusstsein für die Bedürfnisse des Partners und für die kindliche Subjektivität eine andere Qualität gewann, als dies in Zeiten des autoritären Charakters der Fall war. Die Verschiebung der Tätigkeitsschwerpunkte innerhalb der Erwerbsbevölkerung sowie der Wandel innerhalb der zwischenmenschlichen Beziehungen im „Privatleben“ können dazu beitragen, das Bedürfnis nach Lebensqualität in der Arbeit zu erhöhen.

In einer „Trendstudie des Zukunftsinstituts im Auftrag von Peek&Cloppenburg“ heißt es: „Gerade auf psychische Belastungen haben junge Menschen heute einen ganz neuen Fokus. Sie sind die Generation, die die Burnoutwelle ihrer Eltern, v. a. der Väter, miterlebt hat. Sie wissen, dass eine Karriereleiter von innen oft aussieht wie ein Hamsterrad. Die heute 16-25-Jährigen sind außerdem die erste Generation, die ohne Scham und Stigma von psychischen Problemen spricht. Sie sind hochsensibel für die Auswirkungen von Stress und Überforderung“ (Zukunftsinstitut 2021, 9). An die zitierte Passage schließen dann auch die Sätze an: „Daher legen sie auch viel Wert auf eine gesunde Work-Life-Blance. Mehr als acht von zehn sagen, sie wollen wenig Stress und viel Urlaub.”

Gewiss lässt sich einwenden: Die Bekundungen junger Menschen über ihre Präferenzen passen eher dazu, dass sie noch nicht berufstätig sind. Und die geschilderte Orientierung bedeutet noch nicht, dass die betreffenden Personen ihre Ansprüche innerhalb der Arbeit geltend machen und nicht „nur“ für eine ‚work-life-balance‛ eintreten. Sie unterstellt, dass ‚life‛ erst außerhalb von ‚work‛ anfängt.

Das Bedürfnis nach Lebensqualität innerhalb der Arbeit kann über die Abwehr von Zumutungen und über den Widerstand gegen eine für die Arbeitenden schlechte Arbeit hinausgehen und sich positiv formulieren. Dann geht es um die Frage, wie sich die eigene Persönlichkeit in der Arbeit bildet. Gefragt werden kann: „Ist das, was ich tagtäglich tue, wirklich ein Beitrag dazu, die beste Version meiner selbst zu werden?“ (Förster, Kreuz 2013, 185). Es fragt sich, wie in der Gesellschaft ein – ja, nennen wir es ruhig so – Anspruchsdenken entsteht, das die Wirtschaft nicht allein an ihrer Effizienz und Ausbringungsmenge misst, sondern Berufe und Arbeit „nach ihrer baumeisterlichen Kraft, ihrem handwerklichen Können, ihrer Schaffensfreude und ihrem Gestaltungswillen und Verantwortungsgefühl“ bewertet (Hardensett 1932, 123).

Dafür, dass das Arbeiten für die Arbeitenden gut ist und nicht „nur” ein Produkt für die Kunden liefert, bedarf es einer Produktionstechnik, die die Fähigkeiten, Sinne und Intelligenz der Arbeitenden nicht der Mehrwert-Akkumulation oder der zweck-mittel-rationalen Effizienz unterordnet, sondern in der Entwicklung der menschlichen Vermögen einen Eigenwert sieht. Das Kriterium für die Einrichtung der Produktionstechnologie ist dann nicht allein, die Ausbringungsmenge an Produkten zu steigern. „Ist die Arbeit notwendig und unumgänglich, dann können die Menschen nur dann frei sein, wenn sie die Produktion so organisieren, dass die Arbeit anziehend wird.“ (Considerant 1845, 229).

Eine „anthropozentrische“ Technik- und Produktionsgestaltung will die Lebensqualität erhöhen, die der arbeitende Mensch im Arbeiten hat. Techniker und Ingenieure der Firma Lucas Aerospace in Großbritannien haben bereits Mitte der 1970er Jahre nach Produktionsmitteln gefragt, „die von den Arbeitern dazu verwendet werden könnten, bestimmte Bereiche ihrer Tätigkeit zu automatisieren, ohne jedoch gleichzeitig den lebendigen Arbeiter zum bloßen Anhängsel der ‚lebendigen Maschinerie’ zu degradieren“ (Löw-Beer 1981, 93). Angestrebt wird eine Technik, „die menschliche Arbeit nicht allein unter ihren funktionalen Aspekten für die Produktion“ betrachtet (Pekruhl 1995, 116).

„Qualifikationen dienen (dann – Verf.) nicht allein der Bewältigung je gegebener Arbeitsaufgaben, sondern auch der Gestaltung und Weiterentwicklung der Arbeitstätigkeit selbst“ (Ebd., 118). Ein Komitee von Vertrauensleuten im Vickers-Werk im englischen Elswick forderte damals ähnliches (Vickers Combine 1978, 296). Eine kurze instruktive Darstellung des Kampfes bei Lucas Aerospace findet sich bei Wuhrer 2007.

Die „‚Entsinnlichung’ bzw. ‚Entkörperlichung’ von Arbeit“ wird angegriffen. Einerseits kann „die wachsende Distanz zwischen Mensch und Arbeitsgegenstand“ (Löw-Beer 1981, 96f.) die Arbeit für die Arbeitenden leichter machen. Andererseits „wird selbst die Erleichterung der Arbeit zum Mittel der Tortur, indem die Maschine nicht den Arbeiter von der Arbeit befreit, sondern seine Arbeit vom Inhalt“ (Marx, MEW 23, 445f.).

 

In einer arbeiterfreundlichen Produktionstechnologie müssten die Arbeitenden in der Lage sein, selbst „zu entscheiden, welchen Bereich ihrer Arbeit sie […] automatisiert haben wollen und welchen nicht, wie sie auch die Distanz wählen, die sie zwischen sich und den Ort der tatsächlichen Produktion legen möchten“ (Löw-Beer 1981, 97). Gefragt wird nach einer „Rückkehr der menschlichen Hand in den Produktionsprozess, die sie nicht wieder an ihn kettet“ (Heinemann 1982, 184).

oward Rosenbrock diskutierte diese Problematik an der Arbeit des Ingenieurs. Er warnte „vor der Gefahr, dass der Computer in Konstruktionsbereich die Rolle eines ‚Baukastens’ übernimmt, der dem Konstrukteur nur noch geringe Korrekturen erlaubt. Der Ansatz, der von vorprogrammierten Elementen ausgeht, ‚scheint mir für einen Verlust an Gespür, einen Verlust an Glaube in die Fähigkeiten des Menschen zu stehen’ (Rosenbrock). […] Die Rolle des Konstrukteurs wird darauf reduziert, eine Reihe von Routineentscheidungen zwischen feststehenden Alternativen zu fällen, wobei ‚sein Fachwissen nicht gefordert wird und deshalb verkümmert’ (Rosenbrock)“ (Cooley 1982, 116).

„Ein Mikrofon ist kein Ohr, eine Kamera ist kein Auge, und ein Computer ist kein Gehirn. Wir dürfen uns von der Technologie auf keinen Fall so verwirren oder blenden lassen, dass wir den Wert des Menschen nicht mehr einzuordnen wissen. Wir haben zu entscheiden, ob wir um unser Recht kämpfen wollen, die Baumeister der Zukunft zu sein, oder ob wir es einer winzigen Minderheit erlauben wollen, uns zu Arbeitsbienen zu machen“ (Ebd., 118). Es gehe darum, das Verhältnis zwischen der Steigerung des Outputs durch Maschineneinsatz und der Bildung der Menschen im Arbeiten und durch das Arbeiten grundlegend anders zu gewichten als heute. Not-wendig werde es, die bisherige Tendenz umzukehren, „menschliches Wissen zu objektivieren und dem Arbeiter als fremde, ihm feindliche Kraft entgegenzustellen“ (Cooley 1978, 208). (Zu weiteren Hinweisen auf Überlegungen zur anthropozentrischen Produktionstechnologie vgl. Creydt 2021.)

Erst mit der Emanzipation der Gesellschaft von den alles dominierenden Profitimperativen wird es gesellschaftlich möglich, dass „die widerstreitenden Zwecke (technisches Arbeitsethos gegen materiellen Ertrag, subjektives Arbeitsausleben gegen objektive Forderungen der Produktivität, individuelle Entfaltung gegen gemeinschaftliche Bindung) gegen einander ausgeglichen und ausgewogen werden“ (Hardensett 1932, 84).

Not-wendig werden Bewegungen, die sich gegen den gegenwärtigen Zuschnitt von Arbeitsplätzen richten. Häufig sieht sich der Arbeitende angehalten, „in einer vom Ganzen abgespaltenen Teilverrichtung von beschämender Geringfügigkeit seinen Lebensinhalt zu finden“ (Litt 1958, 44).

Die Einengung der Lebensräume von Feldhasen und Bienen nimmt gegenwärtig in den Themen der Öffentlichkeit größere Aufmerksamkeit ein als die Forderung nach der qualitativen Erweiterung und Anreicherung von bislang sehr arbeitsteilig begrenzten und repetitiven Arbeiten und Tätigkeiten.

In dieser Arbeit werden die Arbeitenden hauptseitig als Mittel für einen Zweck eingespannt, der außerhalb des Arbeitens liegt. Das Arbeiten zählt praktisch und theoretisch nur zweck-mittel-instrumentell. Vom Standpunkt einer Gesellschaft des guten Lebens stellt der Beitrag des Arbeitens bzw. der Tätigkeiten selbst (und nicht erst des Produkts bzw. der Dienstleistung) zur Bildung menschlicher Vermögen ein maßgebliches Kriterium dar – für die Gestaltung der Arbeit und für das Verständnis des gesellschaftlichen Reichtums.

Die Perspektive besteht darin, „die scharfe Grenze zwischen notwendiger Arbeit […] und freier Tätigkeit zwar nicht einzuebnen (das hieße sicherlich zuviel erhoffen), doch immerhin durchlässig zu machen“ (Bahro 1977, 495). Not-wendig wird nicht allein die Verkürzung der Arbeitszeit, sondern die Verkürzung der menschlich unproduktiven Arbeitszeit. Um eine „Verlagerung der Prioritäten“ geht es: „von der Steigerung der Arbeitsproduktivität auf die Pflege der Arbeitsbedingungen und der Arbeitskultur“ (Bahro 1978, 45). „Die Arbeitsorganisation muss sich den Bedürfnissen der Bildungspolitik anpassen und nicht primär umgekehrt“ (Ebd.).

Das Verfertigen, Erledigen bzw. Organisieren bestimmt sich von den zu erbringenden Leistungen her. Im emphatisch verstandenen Produzieren geht es um diejenigen menschlichen Vermögen, die sich erst im Arbeiten und Tätigsein entwickeln. Es geht  darum, in der Arbeit den Anteil des Produzierens gegenüber dem des Verfertigens zu erhöhen.

Die Wirtschaft in der Gesellschaft des guten Lebens steht unter der Maßgabe, die Arbeit so einzurichten und zu organisieren, dass eine „Anreicherung der Arbeit“ möglich wird. Mit ihr  „nimmt das Reich der Notwendigkeit sozusagen das Reich der Freiheit in sich hinein. So bleibt der instrumentelle Kern der Arbeit (‚Rationalprinzip‘) erhalten, verliert aber zunehmend an Dominanz gegenüber anderen Bestimmungen derselben konkreten Tätigkeit“ (Johler, Sichtermann 1978, 54f.).

3) Die Auseinandersetzung um die Formen der sozialen Beziehungen und um die gesellschaftlichen Strukturen

In der bürgerlichen Gesellschaft mit kapitalistischer Ökonomie herrschen bestimmte gesellschaftliche Formen vor. Es handelt sich um das Privateigentum, die Konkurrenz und die Kapitalakkumulation.

Unterschiede in den Einstellungen

Die einen finden im Konkurrieren und Intrigieren sowie im Werben um die Gunst von Vorgesetzten ihre Leidenschaft sowie ihr Lebensmilieu und entwickeln einen geradezu sportlichen Ehrgeiz. Im Unterschied zu Personen, die hier geradezu aufblühen, ist anderen solch ein Verhalten zuwider. Sie betrachten es als ihrer Arbeit und ihrer Person abträglich.


Die Überschrift einer Titelgeschichte in der Illustrierten Stern (H. 40/2010) lautete: „Karriere? Das tue ich mir doch nicht an! Warum gut ausgebildete Frauen das Spiel der Männer um Macht und Status nicht mitmachen.“ Die Antworten auf diese Frage beschränken sich bei den im Artikel vorgestellten Frauen nicht auf einen Ausstieg aus der Erwerbsarbeit zu„gunsten“ einer durch den Partner bezuschussten Existenz. Vielmehr geht es um Frauen, die weiter erwerbstätig sind. Ihren Karrierevorbehalten lassen sich Motive entnehmen, die zu einer Dissidenz passen, an die sich politisch anknüpfen lässt. „Wirklich genießen konnte Beate Ramsauer ihre Führungsposition trotzdem nicht. Sie fand die ständigen Machtspiele der Kollegen zermürbend. Zu diesen Spielen gehörte es, Termine beim Vorgesetzten zu überziehen, damit der des Kollegen platzte. Oder zu spät ins Meeting zu kommen, um dann die Diskussion an sich zu reißen. ‚50% meiner Zeit gingen für Politik drauf, dabei wollte ich doch inhaltlich arbeiten’, sagt Beate Ramsauer“ (Ebd., 58).


Tendenzen zur Minderung der Gleichgültig und Isolation zwischen den Arbeitenden ergeben sich zunächst aus dem Interesse an einem möglichst hohen Lohn und an zuträglichen Arbeitsbedingungen. Informelle Leistungszurückhaltung erfordert solidarische Absprachen. Zudem ist häufig ein Minimum an Kooperation notwendig, um die Arbeitsaufgaben zu erbringen sowie Leben und Gesundheit im Produktionsprozess zu erhalten.

Allerdings bleibt der Lohnabhängige in seinen Interessen ambivalent zwischen einer individuellen Orientierung innerhalb der Konkurrenz unter seinesgleichen, die durch Prämiensysteme, Karriereversprechen usw. verstärkt wird einerseits, einer kollektiven Orientierung andererseits. Letztere gewinnt unter manchen Arbeitenden, die sich gegenseitig als „gute Kollegen“ anerkennen, einen Eigenwert.

Zu den mühseligen Aktivitäten der Arbeitenden, sich trotz restriktiver Arbeitsbedingungen nicht unterkriegen zu lassen, gehören auch die Bemühungen, mit Arbeitskollegen so etwas wie eine Atmosphäre der Vertrautheit und Verbundenheit zu schaffen. Solche sozialen Beziehungen können  im Konfliktfall auch für die Gegenwehr relevant werden. In einem Artikel über den Streik bei Amazon in Winsen (Luhe, Niedersachsen) im Jahr 2022 heißt es über eine Arbeiterin: „Der Arbeitsdruck, die immer weiter steigenden Anforderungen im Alltag und der mangelnde Respekt hätten sie bereits früh gestört. Aber von Anfang an hatte sie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen ins Herz geschlossen. ‚Trotz der harten Arbeitsbedingungen sind viele füreinander da, helfen sich, wo es geht.’ So sind über Jahre hinweg Netzwerke und Freundschaften entstanden, die sich nun auszahlen” (Friedrich 2022). Dass solche Netzwerke entstehen, ist nicht nur infolge der Politik von Amazon schwierig, Kontakte zwischen Beschäftigten möglichst gering zu halten. Hinzu kommt die multinationale Zusammensetzung der Beschäftigten: „Für fast alle, die bei Amazon in Winsen arbeiten, ist Deutsch eine Fremdsprache. Dem Unternehmen zufolge kommen die 1.000 Beschäftigten hier aus 70 Nationen” (Ebd.).

Im Rahmen der Kooperation in einem Betrieb oder in einer Organisation kann es dazu kommen, dass die Vorstellung eines formalen Gleichheitsbegriffs und einer sozusagen objektiv bemessbaren Relation zwischen Leistung und Einkommen wenigstens subjektiv infragegestellt wird. Zwar werden diejenigen Erwerbslosen abgelehnt, die „als leistungs- und arbeitsunwillig“ gelten. „Die damit verbundene Abwertung scheint auf einer Interpretation zu beruhen, der zufolge Erwerbslose sich einer gemeinsam zu schulternden Last entziehen, sich gewissermaßen weigern, den Beitrag zu einer ‚leidenden Leistungsgemeinschaft‛ zu erbringen. […] Eigene Erfahrungen mit oder Berichte aus dem eigenen Nahbereich (Familie, Freunde, Bekannte) über Arbeitslosigkeit oder über die Behandlung durch Sozialstaatsinstanzen relativieren die Abwertung“ (Goes 2013, 20). In Bezug auf die Arbeitsleistungen von Kollegen im Betrieb werde nicht der „Output, sondern die Bemühung nach den jeweils gegebenen Fähigkeiten“ zum „entscheidenden Urteilskriterium“. „Die kühle Orientierung an und die Beurteilung von ArbeiterInnen nach ihrer Outputleistung wird hingegen als ‚unmenschlich‛ bezeichnet. Ein guter Kollege ist in den Augen der Beschäftigten, wer sich nach besten Kräften bemüht“ (Ebd., 16). Bei Arbeitenden koexistieren die Anerkennung von kapitalistischen Leistungsmaßstäben und eigene „menschlichere“ Standards. (Dies ist ein Beispiel von vielen, das zeigt: Auch Männer können Einstellungen entwickeln, die Differenzfeministinnen ausschließlich Frauen zuschreiben.)

Menschen haben nicht allein Ziele erster, sondern auch Ziele zweiter Ordnung. Sie können zu ihren unmittelbaren Bedürfnissen bewertend Stellung nehmen. Sie fragen sich dann, ob sie eine Person sein wollen, bei der das Konkurrieren und die Vorteilsnahme auf Kosten anderer dominieren. In der Frage nach dem guten Leben werden Ziele erster Ordnung danach beurteilt, ob und wie sie zu einer inhaltlich höherstufig verstandenen Lebensweise oder Lebensqualität passen bzw. beitragen.

Die skizzierten subjektiven Vorbehalte gegen herrschende Formen der sozialen Beziehungen unterscheidet sich von sozialen Bewegungen, die das Privateigentum, die Konkurrenz, Hierarchien an Status und Einkommen sowie die Kapitalakkumulation praktisch infrage stellen oder dies zumindest als Ziel formulieren.

In Bezug auf die Landwirtschaft wird festgestellt, „vor allem” habe sich eines „geändert: Die Akzeptanz für die ländlichen Standorte der Massentierhaltung ist dahin. Mäster und Fleischkonzerne finden kaum noch Plätze für ihre monströsen Anlagen. Überall werden sie sofort von Bürgerinitiativen attackiert. Allein in den letzten 3 Jahren wurden 40 Tierfabriken gestoppt. Das macht Mut und steckt an. Selbst konservative Landräte wettern dagegen und fordern Bestandsobergrenzen für Schweine- und Hühnerställe” (Kriener 2013). Allerdings macht es einen Unterschied, ob die Protestierenden diese Massentierhaltung lediglich in der Nähe der eigenen Wohnung oder insgesamt ablehnen. Für die Mäster und Fleischkonzerne ist es allerdings ein Problem, wenn sie an vielen einzelnen Orten, an denen sie eine große Anlage errichten wollen, Widerstand erfahren. Dann hilft nur noch, es in möglichst einsamen Gegenden mit wenig Bevölkerung (vor allem in den östlichen Bundesländern) zu versuchen.

Vorzufinden sind Auseinandersetzungen, in denen Teile der Bevölkerung der Meinung sind, dass private Unternehmen bestimmte wirtschaftliche Leistungen nicht gut erbringen können. Beispiele dafür sind Bürgerbegehren und -entscheide gegen die Privatisierung bzw. für die Rekommunalisierung von Betrieben der öffentlichen Daseinsvorsorge. (Zum Teil entstammt die Abneigung gegenüber der Privatisierung der Hoffnung auf sinkende Gebühren bei Kommunalbetrieben.) Ein anders Beispiel ist der Volksentscheid in Berlin zur Enteignung großer Wohnungskonzerne im Jahre 2021. Mit dem Votum für entsprechende Entscheidungen ist aber meist nicht die Vorstellung verbunden, die kapitalistische Marktwirtschaft insgesamt überwinden zu wollen.

Personen, die fair trade und ein robustes Lieferkettengesetz wertschätzen, geben damit ihren Vorbehalten gegen billige Produkte Ausdruck, die unter schlechten Arbeitsbedingungen hergestellt werden. Die Bewertung „schlecht“ resultiert allerdings oft aus einem Vergleich mit den deutschen Sozialstandards und stellt deren skandalöses Unterbieten fest.

Vorgaben, die unmittelbaren Kapitalverwertungs-Interessen entgegenstehen, verdanken sich gegenwärtig am ehesten Gesichtspunkten des Naturschutzes bzw. der Verhinderung der Klimakatastrophe. Soziale Bewegungen waren und sind hier vergleichsweise (!) stark. Ökosozialisten sehen in der Klimakatastrophe eine innerhalb des Kapitalismus unausweichliche Folge. Das erinnert an die Voraussagen früherer Linken, die Analoges von der Verelendung der Arbeiterklasse annahmen. Deshalb muss die ökosozialistische Annahme jedoch noch nicht falsch sein. Die Frage, ob eine kapitalistische Ökonomie unter entsprechendem Druck von außen auf einen klimafreundlichen Pfad einbiegen oder wenigstens die schlimmsten Folgen des Klimawandels verhindern kann, ist allerdings bereits unter Linken umstritten. Vgl. dazu Buck 2008, Creydt 2023a.

In Bezug auf die Lebensmittelindustrie ist die agile Verbraucherschutzorganisation „foodwatch“ tätig. Die Landwirtschaft betreffend existiert das Bündnis der Gruppen, die jedes Jahr die Demonstration zur „Grünen Woche“ in Berlin durchführen. (Deren Teilnehmerzahlen haben sich in den letzten Jahren jedoch halbiert.) Es gibt eine Organisation kritischer Landwirte: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Sie hatte 2021 2432 Mitglieder (https://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitsgemeinschaft_b%C3%A4uerliche_Landwirtschaft).

In Bezug auf die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie gibt es in Teilen der Bevölkerung starke Zweifel, ob sich die Profitwirtschaft mit einem pfleglichen Umgang mit den natürlichen Lebensbedingungen der Bevölkerung sowie mit gesunden Lebensmitteln verträgt. Auch hier handelt es sich um keine Infragestellung der kapitalistischen Wirtschaft insgesamt, sondern günstigenfalls um das Plädoyer dafür, die Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie anders als bisher zu organisieren.

Große Vorbehalte in der Bevölkerung gibt es gegenüber den Banken. Einer weltweiten Umfrage von 2021 zur Einstellung der Bevölkerung gegenüber den Banken zufolge haben in Deutschland 24% eine „ziemlich negative” Einstellung und 8% eine „sehr negative”. 53% der Befragten zeigen sich weder positiv noch negativ eingestellt, lediglich 8% haben eine sehr positive Meinung von den Banken. (https://yougov.de/economy/articles/38894-drei-von-zehn-verbrauchern-weltweit-sehen-bankense)

Im Unklaren verbleiben bei dieser Meldung die Inhalte der Vorbehalte. Welcher Anteil der Befragten meint, die Banken würden gemessen an den Renditeerwartungen der Anleger suboptimal deren Geld verwalten, also den Kunden zu hohe Gebühren abverlangen und bei ihren Anlageempfehlungen zu häufig auf das falsche Pferd setzen? Welcher Anteil der eher negativen Urteile über die Banken resultiert aus der Meinung, das „produktive Kapital” sei ehrenwert, „die Spekulanten” seien es aber nicht? Diese Auffassung entspricht einer Kritik, die das Problematische am Kapitalismus allein dem Finanzkapital zuschreibt.

Seit langem gibt es Auseinandersetzung über die problematischen Folgen bestimmter Güter- und Dienstleistungsangebote. Zum Thema wird der Zusammensetzungsfehlschluss. Die klassische Begründung für Marktwirtschaft lautet: Nur wenn jeder an sich denkt und seinen Privatinteressen folgt, ist der Allgemeinheit am meisten gedient (Adam Smith 2009, 524). Dieses Argument sieht ab vom Gegensatz zwischen individuellen rationalen Einzelentscheidungen und einem gesamtgesellschaftlichen ‚sozialen Optimum‛. In einer Wirtschaftsrezession kann es für den einzelnen Betrieb rational sein, die Produktion und die Investitionen zurückzufahren. Tun das viele Betriebe, so sinkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und das verschärft die Rezession massiv. Wenn viele das Einfamilienhaus im Grünen der Stadtwohnung vorziehen, so trägt das zur Zersiedelung bei.

Märkte registrieren die Nachfrage von jedem Einzelnen nach (s)einem Auto. In der Marktwirtschaft ist kein Raum dafür, über die Einführung eines neuen zentralen Produkts unter öffentlicher Beratung über seine indirekten und nichtbeabsichtigten zukünftigen „Neben“folgen zu entscheiden. Die Frage „Will jeder einzelne ein Auto“ unterscheidet sich von der Frage „wollen alle, dass alle Autos wollen bzw. individuell Auto fahren? Wollen alle die daraus resultierende ‚autogerechte Stadt’?“ Die Entscheidungen von Käufern bewegen sich zwischen einzelnen Angeboten. Alternative Gesamtzustände können sie auf Märkten nicht nachfragen. „Wahlmöglichkeit im kleinen garantiert keine Wahlmöglichkeit im großen” (Elson 1990, 75).

„Wahlmöglichkeit im großen“ heißt: Die Bevölkerung kann beraten und entscheiden bspw. über das Verhältnis zwischen privatem Autoverkehr und einem öffentlichen Verkehrssystem. Solche Verhältnisse nehmen diejenigen in den Blick, die für eine grundlegend andere Verkehrs- und Umweltpolitik eintreten.

Selbst ein Politiker der grünen Partei stellt das Eigenheim infrage. Der damalige Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagt im Februar 2021 in einem „Spiegel”-Interview: „Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie sorgen für Zersiedelung und damit auch für noch mehr Verkehr.” Er sprach über Dörfer, in denen die Ortskerne aussterben, während an den Rändern immer neue Baugebiete ausgewiesen werden. Und darüber, dass sich manch ein Bürgermeister mehr rechtliche Handhabe wünsche, um etwas gegen verfallende, unbewohnte Häuser zu tun, bei denen die Besitzverhältnisse unklar sind oder die Erben sich streiten.

Zwar wird so die Fiktion einer nichtkollektiven Lösung des Wohnungsproblems zum Thema. Dieser Einspruch stellt das Privateigentum allerdings allein in Gestalt des Einfamilienhauses infrage und betrifft nicht das Privateigentum an einer Wohnung in einem größeren Gebäudekomplex.

Wie kann sich in der Bevölkerung ein Bewusstsein entwickeln, das die kapitalistische Produktions- und Rechnungsweise nicht nur als als ungeeignet für bestimmte besondere Bereiche erachtet, sondern kapitalistische Strukturen in Bezug auf die gesamte Wirtschaft infragestellt. Das „Ganze” der Ökonomie unterscheidet sich grundlegend von der Summe ihrer Branchen.

Die kritische öffentliche Aufmerksamkeit gegenüber der Externalisierung von Kosten hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Vielen wird deutlich, dass dort keine Kostenehrlichkeit existiert, wo Firmen für die von ihnen hervorgerufenen Kosten nicht aufkommen.

Informationsinfrastrukturen sind entstanden, die die qualitativen Wirkungen und Voraussetzungen von wirtschaftlichen Aktivitäten und Angeboten vergegenwärtigen und Grundlagen zur öffentlichen Beurteilung („Evaluation“) schaffen. Im Unterschied zu herkömmlichen eindimensionalen betriebs- und volkswirtschaftlichen Rechnungsweisen stellt sich die Frage nach mehrdimensionalen Erfolgskonzepten. Zweifel mehren sich gegenüber der Aussagefähigkeit der Bepreisung bzw. des Preismediums. An Bedeutung gewinnen demgegenüber qualitative Kriterien und Indikatoren. Beispiele dafür sind das MIPS (Materialintensität pro Service-Einheit) und der DGB-Index „gute Arbeit“. Das Bewusstsein dafür wächst, dass Preisen unterkomplexen Informationskonzentrate sind und eine andere Bilanzierung erforderlich wird. Sie hätte die verschiedenen Auswirkungen des betrieblichen Handelns (Output, Lebensqualität im Arbeiten, ökologische Effekte u. a.) zu vergegenwärtigen und ins Verhältnis zueinander zu setzen.

Infragestellung der kapitalistischen Wirtschaft aus dessen Elite heraus

 Karl Ludwig Schweisfurth war 20 Jahre lang Chef des Herta-Fleischimperiums mit 5.000 „Mitarbeitern“. Er verkaufte das Unternehmen 1984 und betrieb ab dann eine Tierhaltung, die sich von der Massen-Tierhaltung ums Ganze unterschied. „Mit dem Bio-Hof Hermannsdorf bei Glonn (südöstlich von München) realisiert er unter großem materiellen Einsatz seine Vision einer anderen Landwirtschaft: Nur Tiere und Pflanzen, die artgerecht und würdevoll wachsen, verdienen die Klassifizierung ‚Lebensmittel’, nur sie können als ‚lebendige Nahrung’ bezeichnet werden“ (wikipedia-Artikel zu Schweisfurth). Schweisfurth konnte sich diesen Gesinnungswandel infolge seines mit der Massen-Tierhaltung erworbenen Vermögens leisten. Für die kapitalistische Ökonomie stellt die massive Verteuerung der Lebensmittel infolge höherer Qualität ein Problem dar. Steigen die Lebenshaltungskosten, so auch der Wert der Ware Arbeitskraft. Für sich genommen enthält Schweisfurths Produktion von hochpreisigem Fleisch keinen Gegensatz zur kapitalistischen Ökonomie. Er beliefert damit Kunden mit höherer Zahlungskraft.

Daniel Goeudevert, geb. 1942, war ehemaliger Top-Manager von Ford (Vorstandsvorsitzende der Deutschen Ford-Werke AG) und VW. Er beschreibt plastisch die Konkurrenz in der kapitalistischen Marktwirtschaft als Teufelskreislauf. „Sowohl die Automobil- wie auch die IT-Branche bspw. kommen mir heute vor wie um sich kreisende Systeme. Und die Mitarbeiter in die­sen Systemen kreisen kräftig mit, bilden dabei eine Betriebsblindheit aus und betreiben am Ende nur noch eine Art Inzucht. Ohne auf die Bedürfnisse der Verbraucher und Benutzer zu achten, wett­eifern sie untereinander mit immer ausgefeilteren Novitäten. Es geht letztlich überhaupt nicht mehr darum, Bedürfnisse zu befriedigen oder Probleme zu lösen, sondern darum, immer neue, immer an­spruchsvollere Erwartungen zu generieren, um sie dann durch immer schnellere Produktzyklen pro­fitabel stillen zu können“ (Goeudevert 2010, 43f.).

Klaus Schweinsberg war früher Chefredakteur der Wirtschaftszeitschriften „Impulse“ und „Capital“. Ihm zufolge sei die nach der Hochschule erfolgende Sozialisation des Nachwuchses der Managerelite für Vorstandsstäbe, Investmentbanken und Unternehmensberatungen „kaum von den zweifelhaften Selektionsprozessen einschlägiger Sekten“ zu unterscheiden. „Wer in der Organisation etwas werden will, darf außerhalb nichts mehr sein und muss deshalb mit allen bisherigen sozialen Kontakten brechen. Allein der zeitliche Einsatz, der […] in den ersten Berufsjahren eingefordert wird, lässt eine ernsthafte Beziehung zu Menschen außerhalb der Firma, seien es Familie oder Freunde, nicht mehr zu, geschweige denn ein Engagement in der Nachbarschaft oder im Verein“ (Schweinsberg 2010).

Die monothematische Einengung der Aufmerksamkeit der künftigen Wirtschaftselite lässt deren Angehörige „jede Bodenhaftung“ verlieren, „weil sie am wirklichen Leben der Menschen“ nicht mehr teilnehmen können. „Der Preis für den Aufstieg in die Chefetage ist die Isolationshaft unter seinesgleichen“ (Ebd.).

Diejenige Einwände gegen die kapitalistische Ökonomie, die von früheren Insidern aus den wirtschaftlichen Eliten formuliert wird, bilden einen zusätzlichen Impuls dafür, diese Wirtschaftsweise infragezustellen.

Schluss

Wir halten uns für eine anstrebenswerte Gesellschaftstransformation an Personen, für die gute und sinnvolle Arbeiten bzw. Tätigkeiten sowie Lebensqualität innerhalb der Arbeitszeit wichtig sind. Denn ihre Betätigungsvermögen und Qualifikationen unterscheiden sich zumindest teilweise bereits von dem für den Kapitalismus charakteristischen Maßstäben.

Die Transformation hin zu einer vom guten Leben geprägten Gesellschaft wird nur gelingen, wenn es zu einem sozialen „Block des guten Lebens“ kommt. Zu ihm tragen denjenigen maßgeblich bei, die den Anspruch auf gute und sinnvolle Arbeit bzw. Tätigkeit ernst nehmen. Mit ihnen können sich günstigenfalls diejenigen verbünden, die aus eigenen Erfahrungen (z. B. als Eltern, als Patienten, als Angehörige von Patienten usw.) ein vitales Interesse z. B. an guter Schule und einem guten Gesundheitswesen haben.

In den Themen „gute und sinnvolle Arbeiten bzw. Tätigkeiten“ sowie „Lebensqualität innerhalb der Arbeitszeit” konvergieren unterschiedliche kritische Aufmerksamkeiten, Betätigungsansprüche und Interessen. Diese Themen erlaubt es, Auseinandersetzungen auf Seiten der Arbeitenden, der Konsumenten und der mittelbar von Arbeit und Konsum Betroffenen aufeinander zu beziehen. Soziale Verbindungen entstehen, die ebenso Grenzen von Lebensstilmilieus überschreiten wie der Zersplitterung in Szenen bzw. Parallelwelten entgegenwirken.

Im Unterschied zur Bekämpfung des ablehnenswerten Umgangs mit Minderheiten sowie im Unterschied zu Abwehrkämpfen (z. B. gegen den Verlust von Arbeitsplätzen) lässt sich mit dem guten und sinnvollen Arbeiten und entsprechenden Tätigkeiten ein über die Gegenwehr hinausgehendes positives Leitbild formulieren.

Die Grenze von Abwehrkämpfen „Die dauernde Defensive ist auch eine Falle. Man steht leicht ohne nennenswerte sonstige Ziele da, wenn man nur mehr das Schlimmste verhindern will und nur mehr auf die Gefahr starrt, die es abzuwenden gilt. Mehr noch: Man wird mit dem Institutionengefüge identifiziert, mit dem Status quo, dem, was sie „das System“ nennen. Wer in diese Falle tappt, steht schon fast auf verlorenem Posten. Man scheitert dann selbst an der Verteidigung dieser Institutionen, gerade weil man nur mehr als deren Verteidiger wahrgenommen wird – eine Art trauriger Dialektik” (Misik 2024).

Eine grundlegende Gesellschaftsveränderung findet nur dann statt, wenn eine Opposition stark wird, die für eine Art und Weise des Arbeitens und Wirtschaftens steht, welche sich von der herrschenden ums Ganze unterscheidet. Das Leitbild dieser Opposition unterscheidet sich von der Position „Eine Kritik der politischen Ökonomie wäre überflüssig, wenn die kapitalistische Entwicklung krisenfrei verlaufen würde” (Altvater 2012, 43). Die kapitalistische Ökonomie ist nicht nur insofern problematisch, als sie zu Krisen führt, sondern auch durch die Art und Weise, wie sie das Arbeiten und die Tätigkeiten sowie die Inhalte der Produkte und Dienstleistungen formt. Das klammern auch diejenigen aus, die sich in ihrer Kritik auf den privaten Konsum der Reichen fixieren. Diese Weltsicht suggeriert, der Kapitalismus sei eine Veranstaltung zur Abschöpfung des Reichtums für den Saus und Braus der Reichen, die durch eine Umverteilung der Einkommen und Vermögen korrigierbar sei. (Zur Auseinandersetzung mit solchen Vorstellungen vgl. Creydt 2019a.)

Soziale Kräfte, die für gute und sinnvolle Arbeit bzw. entsprechende Produkte und Dienstleistungen sowie für Lebensqualität innerhalb der Arbeitszeit eintreten, können hegemoniebildend werden. Relevante Minderheiten beeinflussen günstigenfalls in Umbruchssituationen maßgeblich das Meinungsklima. Mehrheiten werden mitgerissen von der Initiative von sozialen Kräften, die eine historisch vitale Initiative praktizieren, indem sie praktisch eine gesellschaftliche Alternative eröffnen. „Wo Wahn und Bann der Erste brach, folgt an und an der Letzte nach“ (Goethe).

Zentral für eine Gesellschaft des guten Lebens ist eine alle Arbeiten und Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen, Vorgehensweisen und Methoden betreffende Aufmerksamkeit. Ihr geht es um die Problematik, wie sich Sinne, Fähigkeiten und Reflexionsvermögen, soziale Beziehungen und die Lebensqualität durch diese Momente bilden oder verbilden.

Die sich multifokal entwickelnden diesbezüglichen Sensibilitäten und Aufmerksamkeiten wachsen zusammen und verdichten sich (concrescere) günstigenfalls zu einem Bewusstsein, das eine nichtregressive Einheit der Bevölkerung ermöglicht.

Überlegungen zur Frage, wie die Wirtschaft und die Institutionen in der anstrebenswerten Gesellschaft des guten Lebens aussehen, sind nicht das Thema dieses Textes. Solche Überlegungen haben wir vorgestellt u. a. in folgenden kurzen Texten: Esssentials der Wirtschaft in einer Gesellschaft des guten Lebenshttp://www.meinhard-creydt.de/archives/1940 Zentrale Regelungen und Institutionen einer anstrebenswerten nachkapitalistischen Wirtschaft http://www.meinhard-creydt.de/archives/1949 Qualität und Quantität. Wie lassen sich eindimensionale Rechnungsweisen durch mehrdimensionale Bewertungsmaßstäbe ablösen? http://www.meinhard-creydt.de/archives/1802

Die am guten Leben orientierte Sozialität und die nachkapitalistische Vergesellschaftung http://www.meinhard-creydt.de/archives/1085

Es ging in diesem Text darum, einige für die anstrebenswerte Gesellschaftsveränderung zentrale Tendenzen in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Realität zu beschreiben und stark zu machen sowie ein zu diesen Tendenzen passendes Leitbild vorzustellen. (Ausführlicher zu ihm vgl. Creydt 2017, 146-175.) Das skizzierte Leitbild steht in Kontrast zur marktwirtschaftlichen Immunisierung gegen alle gründlicheren Fragen nach Lebensqualität und Glück. Für diese Immunisierung gilt: „An die Stelle von normativen Bewertungen des Verhältnisses von wirtschaftlichem Wachstum und Wohlbefinden rückte das Sozialprodukt. Es wurde, imprägniert mit der Aura der Objektivität, zum Surrogat für Fragen nach dem Glücks- bzw. Wohlstandsniveau“ (Lange 2004, 330).

Viele Gesellschaftskritiker haben die Kosten und Nachteile der bestehenden Gesellschaft beschrieben. Diese Kritik hat sich dann an den deren wirklichen oder nur behaupteten Vorteilen und Vorzügen relativieren müssen. Die hier entfaltete Perspektive knüpft an den gegenwärtigen Problemen an, stellt aber nicht allein von ihnen her die Vorteile und Vorzüge der gegenwärtigen Gesellschaft infrage. Vielmehr argumentieren wir von einem in der Gegenwart angelegten objektiven und subjektiven Reichtum aus, der sich von seinen kapitalistischen Formen ebenso zu unterscheiden beginnt wie von den herrschenden Gestalten der Subjektivität bzw. Lebensweise. In der nachkapitalistischen Gesellschaft geht es nicht primär um eine andere Verteilung des Kuchens, sondern um eine andere Art des Backens und um ein anderes Gebäck. Lothar Kühne (1985, 224) kritisiert zu Recht die Auffassung, „den neuen Reichtum als die bloße Abwesenheit der alten Armut zu begreifen.“

Von diesem, sich trotz der herrschenden Gesellschaftsformen und Lebensweisen in Ansätzen entwickelnden Reichtum aus erscheinen auch die Vorzüge der bestehenden Gesellschaft in einem anderen Licht. Mit dem neuen Paradigma des gesellschaftlichen Reichtums wird der Denkhorizont von Vor- und Nachteilen des Bestehenden überwunden. Ein anderes Koordinatensystem, eine andere Präferenzenordnung und die Vorstellung eines anderen gesellschaftlichen Gefüges eröffnen sich. Ein Gravitationsfeld entsteht, das der gegenwärtigen Öffentlichkeit den Boden entzieht. Sie kultiviert viel Lärm um nichts und absorbiert die Aufmerksamkeit durch Nachrichtenwert verheißende Pseudoereignisse sowie durch an den Besinnungsaufsatz erinnernde, falsch gestellte Erörterungsfragen. Demgegenüber lässt sich zusammen denken, was zusammen gehört.

 

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Die Angabe des Hefts (H.) bezieht sich bei Zeitschriften bzw. Zeitungen auf die Reihenfolge innerhalb eines Jahrgangs, die der Nummer (Nr.) auf die insgesamt erschienenen Ausgaben.

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17 Kommentare

  1. Bei Schriftgröße 12 und einem lesefreundlichen Zeilenabstand von 1,5 ergibt der Text bei Word trotzdem über 45 Seiten …
    Das ist einfach zu viel.

      1. Ärgerlich, betrifft doch genau das bereits den Kern dessen, von dem man sich hätte angesprochen fühlen sollen, die „Ansprüche (der Menschen) an die Inhalte der Arbeit und das Bedürfnis nach sinnvollem Tun“… tl;dr:

        Eine grundlegende Gesellschaftsveränderung findet nur dann statt, wenn eine Opposition stark wird, die für eine Art und Weise des Arbeitens und Wirtschaftens steht, welche sich von der herrschenden ums Ganze unterscheidet.

  2. Welch eine Arbeit für einen Artikel, Respekt. Leider werde ich ihn für morgen zum durchlesen vornehmen.
    Jedoch zum Thema Sozial in D und Europa, da unterscheidet sich der jeweilige familiäre Zusammenhalt gravierend. Noch gravierender wird soziale Zusammenhalt im globalen Süden.
    Der globale Süden besitzt und genießt kein „soziales westliche System“, deshalb ist dort die Familie das A&O für das überleben.
    Der Westen hatte ein angebliches soziale System erbaut, um zu rauben, die familiären Strukturen zu verändern und vor allem zur Spaltung. Spaltung innerhalb der Familie wurde omnipräsent in der Korona Zeit in den Foren beschrieben…
    Wie soll ein Land wie D im superliberalen Modus überhaupt noch über SOZIALES ZUSAMMENLEBEN eine Formel finden, wenn jegliche Struktur systematische zerstört wurde.

    Morgen nach dem Lesen vom dem gesamten Artikel, vielleicht ein zusätzlicher Kommentar.

  3. Erst muss die herrschende Klasse beseitigt werden.
    Der kapitalistische Verwertungsprozess, lässt immer weniger Spielraum, insbesondere für Lohnempfänger, als auch Selbstständige zu.
    Danach kann man sich mal ernsthafte Gedanken machen wie und mit welcher Arbeit weiter gewirtschaftet werden kann.

  4. Der einzige Text-Inhalt des nächsten alten weissen (West-) Mannes -andere gibt’s nicht Angebot: 10 Sec. an gesellschaftlich verbrauchter Zeit fürs „Runter-Scrollen“, um so schnell wie möglich ans Ende zu gelangen. Ein gutes Beispiel dafür, dass in der gesamten westlichen post-truth-civilisation „Links“ nur noch in Form von Amazon-Büchern als kommerzielles Verkaufsangebot an materiell bestens abgesicherte Mittelschichts-Kundschaft mit reichlich Zeitüberschuss existiert, als Markt-Substitution für objektiv nicht vorhandene gesellschaftspolitische emanzipatorisch-evolutionäre Links-Strömung (-en). Für eine derartige niederschriftliche Abkopplung von der Realität und dieses Ausmass an injiziertem „Wir“ -Idiotismus irgendwo im Niemandsland zwischen dem klassischen „Freigeist“ -Manova“ -Stil, „GegenStandpunkt“ und dem irrelevanten „Wir“-Geschwätz eines Mausfelds dürfte in der realen Welt nur eine Handvoll die Zeit verplempern (wollen). Wenigstens beim Letzteren ist man dann im „Realismus“ angekommen.

  5. Es ist doch nicht mal klar, was „das alles“ ist. Jeder definiert es für sich, da erübrigt sich doch jede Diskussion.
    Mein „das alles“ enthält, dass alle Arbeit den einen Zweck hat, Profit abzuwerfen. Das ändert: niemand.

  6. Ich kenne Meinhard Creydt kaum. Doch diese Arbeit hinterläßt mir nahezu zweifelsfrei den Eindruck, der Autor zelebriert hier, wie seit ca. 30 Jahren, die Lebenslüge, zu verleugnen, daß Klassenkampf weder ein intellektueller Karriere-Hub, noch ein Deckchensticken ist.

    Das zu schreiben, habe ich mich entschieden, weil ein „Marcus Schwarzbach“ für TP heute einen Artikel unter dem Titel „Herbst der Grausamkeiten“ soll nicht durch Streiks gestört werden veröffentlicht hat, der wenigstens halbwegs deutlich benennt, daß der Workforce im Zuge der allgemeinen Verelendung in den letzten 12 Generationen die Waffe des Streiks militärisch aus der Hand genommen worden ist.
    Denn, weil das so ist, gilt heute mehr, denn je in den vergangenen 120 Jahren, daß ein robustes Wissen um den Grund, die Anatomie und die Physiologie des Klassenkampfes in rezenten Staatswesen, das selbstredend einschließt, es sei weder einem Patriotismus untergeordnet, noch durch ihn verseucht, Grundvoraussetzung dafür ist, Organisationsformen wenigstens in den Blick zu nehmen, die – zunächst rein theoretisch – taugen könnten, den Klassenkampf zu führen, statt zu erleiden.

    Dafür steht die Anspielung auf Mao Zedongs „Deckchensticken“ – denn mehr dazu darf und sollte öffentlich nicht gesagt, geschweige geschrieben werden.
    Aber – das Gesagte schließt deshalb ein, daß dies heute kein Thema sein kann. Vielleicht kann es in einer kommenden Nachkriegszeit eines werden, wenn es denn dann noch einen Gegenstand haben sollte. Und die, welche darüber zu befinden haben werden, sind heute Teenager.

  7. Das staatliche geführte Arbeitskonzept ist Vergangenheit, heute sind weltweit Arbeitsnomaden unterwegs. Diese Nomaden reisen von einem Staat in den anderen unter sogenannten Besuchervisas oder offiziell Touristenvisen.
    Diese digitalen Nomaden stehen absolut zum Widerspruch, die vom Staate geführte Politik.
    Weil kein angeblicher souveräne Staat dies real unterbinden kann.
    Damit kann der digitale Anbieter unter zig Millionen bewerbenden den günstigsten Nomaden aussuchen. Gut für den Nomaden, aber jeder betroffene Staat wird seiner staatlichen ‚Fürsorge‘ beraubt, da keine von den Seiten ihre Abgaben zahlen.

    Wenn ich mir vorstelle was das für die Zukunft bedeutet, dann hat der Staat seine eigene eigentliche staatliche Fürsorge selbst aufgegeben. Ergo ist der Staat überflüssig. Summasummarung eine erhebliche fiskale Erleichterung, für wen auch immer im Zeitalter der Sklavenhaltung.
    In meinem obigen Beitrag war die schreibe von der Sozialverträglichkeit die schreibe, nun die hiesigen ersten Nomaden die ich getroffen hatte, im Ausland, waren „Russen“.
    nun ja die Geschichte der Nomaden ist nun mal bekannt, die Karawane zieht weiter der Sultan ist Tod.

  8. Im Kapitalismus geht die Tendenz dahin, dass kein Handschlag getan wird, ohne dass da Profit erzielt wird. Stets ist das anlagesuchende Kapital (bei Marx die Überakkumulation) auf der Suche nach neuen Möglichkeiten der Gewinnerzielung. Vereine, Bastler und Stricklieseln versucht er durch eigene Produkte zu ersetzen. Wobei er sehr erfolgreich war, das Anwachsen des Dienstleistungssektors ist dafür ein Beleg. Aber fühlt sich der Mensch in dieser Welt denn wohl? In einer Arbeitswelt, die nicht selten als entfremdet wahrgenommen wird und wo er in seiner Freizeit die dabei entstandenen Produkte konsumiert. Er fühlt sich als Rädchen in einem Getriebe, das für andere Profit produziert. In völliger Abhängigkeit, wohlwissend, dass das Getriebe auch ausfallen kann. Herr Creydt empfiehlt aus therapeutischen und ökonomischen Gründen eine Suche nach Alternativen.
    Was ja schon anno ’68 eins der Hautthemen war. Es gab da Aussteiger und sie versuchten, eine Alternativwirtschaft aufzuziehen. Aber sie hatten kein Internet und keine Erneuerbaren. Der Lebensstandard entsprach dem des Mittelalters und das war am Ende zu hart. Schon schlecht, wenn man sich den Zahnarzt nicht leisten kann.

    Ich muss allerdings sagen, das Aussteigen wäre heute deutlich einfacher. Man hat Internet, um sich zu vernetzen und man hat bei der Energieversorgung eine Technik, die jedermann zur Verfügung steht. Solarmodule zum Beispiel. Es muss jsa nicht unbedingt der Totalausstieg sein, ein Halbausstieg ist ja auch schon mal ein Schritt. So untechnisch wie Herr Creydt muss es nicht zugehen.

  9. Wer soll das alles ändern?

    Wer wenig um die sozialen Kräfte weiß, die zu einer grundlegenden gesellschaftlichen Transformation beitragen können, wird bereits aus diesem Grund kaum bereit sein, sich an entsprechendem Engagement zu beteiligen.

    So oder so ähnlich begann meine Mutter ihre – auch durchaus empirisch unterlegten – ausführlichen Ansprachen: letztlich ging es aber nur darum, dass ich mein Kinderzimmer aufräumen und den Ranzen „für morgen“ packen sollte 😉

  10. Bei Overton erwarte ich keine ganzen Studien, nur Artikel / Essays. Bitte also eine konzise Zusammenfassung mit Link zur Gesamtarbeit. Vita brevis.

    1. Nach der anstrengenden Fahrt mit der DB zur Demo nach Berlin und das mit ausgeliehenem Rollstuhl, Krücken und Gibsbein muß ich miich an diesem „heiligen“ Sonntag auch erstmal erholen.
      Ich bin schon seit Jahrzehnten nicht mit dem Zug gefahren und werde das vermutlich die nächsten Jahre auch nicht wiederholen sofern ich kein Gipsbein habe.

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