Was Paul Krugman über den militärisch-industriellen Komplex falsch versteht

F-35 des Rüstungskonzerns Lockheed Martin ist das bislang teuerste Waffensystem: “Das Verteidigungsministerium schätzt die Kosten für die Anschaffung, den Betrieb und den Unterhalt des Systems auf fast 1,7 Billionen für den Kauf, den Betrieb und die Wartung der Flugzeuge und Systeme während ihrer Lebensdauer.” Bild: MOD/OGL

Der NYT-Kolumnist verwendet irrelevante Metriken, um für mehr Geld für das Pentagon zu plädieren.

Der Kolumnist der New York Times, Paul Krugman, will uns wissen lassen (The Military-Industrial-Complex Complex), dass der Begriff “militärisch-industrieller Komplex” (MIC) veraltet ist und dass wir heute weit weniger für das Pentagon ausgeben als zu der Zeit, als Präsident Eisenhower diesen Begriff in seiner Abschiedsrede 1961 einführte.

Krugman liegt in beiden Punkten falsch.

Erstens verwendet er einen irreführenden Maßstab für die Ausgaben des Pentagons, der eher verschleiert als offenbart, wie hoch unsere Investitionen in dieses Ministerium im historischen Vergleich sind. Er stellt fest, dass die Ausgaben des Pentagons einen geringeren Anteil an der Volkswirtschaft ausmachen als zu Eisenhowers Zeiten. Das ist zwar richtig, aber irrelevant. Es gibt keinen Grund, warum die Ausgaben für das Pentagon mit dem Wachstum der Gesamtwirtschaft Schritt halten sollten, die heute sechsmal so groß ist wie 1961. Aber niemand, der bei klarem Verstand ist, schlägt eine Versechsfachung des Haushalts des Verteidigungsministeriums vor. Die Höhe der Militärausgaben sollte sich danach richten, wie viel nötig ist, um den Sicherheitsrisiken zu begegnen, denen wir gegenüberstehen, und nicht nach willkürlichen Vergleichen mit der Größe der Wirtschaft.

Der beste Maßstab für die Ausgaben des Pentagon ist – warten Sie es ab -, wie viel wir tatsächlich für das Pentagon ausgeben. Unser derzeitiger Militärhaushalt ist inflationsbereinigt mehr als doppelt so hoch wie zu Eisenhowers Zeiten. Und wenn sich die derzeitigen Trends fortsetzen, wird er in den nächsten ein bis zwei Jahren 1 Billion Dollar oder mehr erreichen. Das mag Herrn Krugman wie eine überschaubare Summe erscheinen, aber die meisten Steuerzahler würden dem nicht zustimmen.

Was die Relevanz des Begriffs “militärisch-industrieller Komplex” angeht, so ist dies eher eine Frage der sprachlichen Vorliebe als eine Reflexion über den anhaltenden Einfluss der Waffenlobby. Krugman hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass die Beteiligung der USA an den Kriegen in Gaza und der Ukraine nicht auf Geheiß von Waffenherstellern erfolgt, die einen großen Zahltag anstreben. Aber die großen Auftragnehmer sind bereit, von den aktuellen Kriegen zu profitieren, und ihre Dienste sind nicht billig.

Noch wichtiger ist, dass die Rüstungslobby den Krieg in der Ukraine ausgenutzt hat, um auf besondere Vergünstigungen zu drängen, die nichts mit der Verteidigung des Landes zu tun haben: bequeme Mehrjahresverträge, eine geringere Kontrolle, die mehr Preistreiberei, Kostenüberschreitungen und Leistungsprobleme ermöglicht, überstürzte Waffenverkäufe mit einer geringeren Prüfung ihrer menschenrechtlichen und strategischen Auswirkungen und die Vergrößerung der Waffenproduktionsbasis auf Kosten der Steuerzahler.

Ob man es nun MIC, die Waffenlobby oder die Heilsarmee nennt, die großen Waffenhersteller und ihre Verbündeten im Kongress und im Pentagon haben heute genauso viel oder mehr Macht und Einfluss als zu Eisenhowers Zeiten.

Das MIC, oder wie auch immer Paul Krugman es nennen möchte, ist immer noch ein mächtiges Lobbying-Unternehmen. Lockheed Martin und Konsorten tun sich regelmäßig mit wichtigen Mitgliedern des Kongresses zusammen, um mehr Geld für den Pentagon-Haushalt zu erhalten, als das Ministerium selbst beantragt, meist für Waffen, die in den Bundesstaaten dieser Volksvertreter gebaut werden. Dies ist ein klassischer Fall von Sonderinteressen, die sich über das nationale Interesse hinwegsetzen.

Im Streben nach diesen überschüssigen Mitteln, die sich jedes Jahr auf mehrere Milliarden Dollar belaufen können, setzt die Industrie ihre beeindruckende Lobbymaschine ein. Die Rüstungsindustrie leistet in jedem Wahlzyklus Wahlkampfspenden in zweistelliger Millionenhöhe, wobei der Schwerpunkt auf den Mitgliedern der Ausschüsse für die Streitkräfte und für den Rüstungshaushalt liegt. Und die Summen, die dafür ausgegeben werden, sind nicht gering. Der Vorsitzende des Ausschusses für die Streitkräfte des Repräsentantenhauses, Mike Rogers (R-Ala.), erhielt im letzten Wahlzyklus eine halbe Million Dollar an Spenden der Waffenindustrie, und andere wichtige Mitglieder liegen nicht weit dahinter.

Die Rüstungsbranche gibt sogar noch mehr für Lobbyarbeit aus als für Wahlkampfspenden und beschäftigt insgesamt über 800 registrierte Lobbyisten – mehr als einen für jedes Kongressmitglied. Die meisten dieser Lobbyisten sind durch die Drehtür von hochrangigen Positionen im Kongress oder im Pentagon gekommen, und sie nutzen ihre Verbindungen zu ehemaligen Kollegen, um sich bei ihren Arbeitgebern beliebt zu machen.

Eine Studie, die mein Kollege Dillon Fisher und ich kürzlich für das Quincy Institute durchgeführt haben, ergab beispielsweise, dass 80 Prozent der Vier-Sterne-Generäle und Admiräle, die in den letzten fünf Jahren in den Ruhestand getreten sind, in der einen oder anderen Form für die Rüstungsindustrie tätig waren: als Vorstandsmitglieder, Lobbyisten, Führungskräfte, Berater oder Berater von Firmen, die stark in den Rüstungssektor investieren.

Können wir es uns leisten, mehr für das Pentagon auszugeben? Technisch gesehen ja, aber der Preis wäre hoch und würde unsere Fähigkeit einschränken, andere dringende nationale Bedürfnisse zu erfüllen. Die 12 bis 13 Milliarden Dollar, die das Pentagon jedes Jahr für das überteuerte, dysfunktionale Kampfflugzeug F-35 ausgibt, sind mehr als der gesamte Jahreshaushalt der Centers for Disease Control (CDC). Und in einem der letzten Jahre erhielt Lockheed Martin mehr Bundesmittel als das Außenministerium und die Agentur für internationale Entwicklung zusammen. Das Pentagon verbraucht weit mehr als die Hälfte des Bundeshaushalts, also des Teils, der für öffentliche Investitionen zur Verfügung steht. Umweltschutz, öffentliche Gesundheit, Berufsausbildung, Strafjustiz und andere grundlegende Aufgaben der Regierung müssen um das konkurrieren, was übrig bleibt, nachdem das Pentagon seinen übergroßen Anteil am Kuchen bekommen hat.

In einem Punkt stimme ich mit Krugman überein: “Lasst uns auf jeden Fall in gutem Glauben darüber streiten, wie viel Amerika für sein Militär ausgeben sollte.” Aber eine gründliche, ausgewogene Debatte, die tatsächlich zu vorteilhaften Änderungen bei den Ausgaben und der Strategie führt, wird äußerst schwierig zu führen sein, ohne den Einfluss des militärisch-industriellen Komplexes einzuschränken.

 

Der Artikel ist englischen Original auf Responsible Statecraft des Quincy Institute erschienen. Wir danken für die Möglichkeit, ihn übersetzen und veröffentlichen zu können.

William D. Hartung ist Senior Research Fellow am Quincy Institute for Responsible Statecraft. Seine Arbeit konzentriert sich auf die Rüstungsindustrie und den Militärhaushalt der USA. Zuvor war er Direktor des Arms and Security Program am Center for International Policy und Co-Direktor der Sustainable Defense Task Force des Centers. Er ist Autor von “Prophets of War: Lockheed Martin and the Making of the Military-Industrial Complex” (Nation Books, 2011) und zusammen mit Miriam Pemberton Herausgeber von “Lessons from Iraq: Avoiding the Next War” (Paradigm Press, 2008). Zu seinen früheren Büchern gehört „And Weapons for All“ (HarperCollins, 1995), eine Kritik der US-Waffenverkaufspolitik der Regierungen Nixon und Clinton. 

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15 Kommentare

  1. Wes Brot ich eß, des Lied ich sing. In dem Fall höre ich eine Melodie des bekannten NGO Komponisten George Soros. Das erklärt dann auch Begriffe aus der kommunistischen Propagandamottenkiste wie “militärisch-industrieller Komplex”. Ein besseres Arbeitsbeschaffungsprogramm als das US-Militär gibt es doch nicht, soll man doch froh sein, daß zwei Fliegen mit einer Klappe gechlagen werden. Sonst macht ja auch keiner was zur Verteidigung des Westens. Die Europäer allen voran Deutschland verteilen das Geld ihrer Steuerzahler ja lieber ans Ausland oder an Ausländer, zuweilen auch gerne an Hamas oder Hisbollah. Bei den Amerikanern kommt das Steuergeld wenigstens der eigenen Bevölkerung zu Gute, hat die eine Jobperspektive.

    Was ich übrigens auch immer interessant finde, der Gegner, der betreibt Lobbyismus. Was sind eigentlich diese ganzen Think Tanks, diese angeblich altruistischen NGOs wie Open Society Foundation oder in Deutschland auch gerne mal die Umwelthilfe anderes als Lobbyismus? Nur der Unterschied ist, wirtschaftliche Lobbys arbeiten im Interesse der eigenen Wirtschaft, die anderen die sich auch gerne mal Aktivisten nennen, die arbeiten gegen die eigene Wirtschaft und gegen die eigene Bevölkerung.

    1. Hast Du schon die Omma in den Keller geschafft, und die Muddi auch? Morgen schon kann der Russe vor der Tür stehen, dann ist es zu spät! Die Russen sind schneller hier, als die USA ihre Steuerknete für unsere Verteidigung ausgeben können, vor allem näher! Die brauchen nur über 3 Flüsse dann sind sie schon in Berlin, und bis zu Dir hält sie nur die Elbe auf!
      🤡

    2. Meine Güte!

      Ich denke bei einem so ernsten Fall, kann ich wohl doch noch etwas Hirn erübrigen…

      Hier bitte schön, gern geschehen!

    3. “Die Europäer allen voran Deutschland verteilen das Geld ihrer Steuerzahler ja lieber ans Ausland”

      Das ist die vornehme oder neokoloniale Art um Zustimmung zum westlichen Narrativ zu erkaufen. Wenn das nicht mehr wirkt, dann kommt das Militär zum Zuge:

      “Bei den Amerikanern kommt das Steuergeld wenigstens der eigenen Bevölkerung zu Gute, hat die eine Jobperspektive.”

      … mit Rüstungsausgaben. Immer mit dem Ziel die inneren Konflikte mit äußeren Feindbildern kitten zu können. Und natürlich benötigt man die Feindbilder zur Rechtfertigung der immensen Rüstungsausgaben. Seit dem Untergang des kommunistischen Ostblocks sind die USA zwanghaft damit beschäftigt neue Feinde aufzubauen.

    4. Majestyk, zur Herkunft des Begriffs (meine Herv.): „Die Verbindung einer starken Militärelite und einer großen Rüstungsindustrie ist eine neue Erfahrung in Amerika. Ihr umfassender Einfluss – ökonomisch, politisch und sogar geistig – ist in jeder Stadt, in jedem Provinzparlament, jeder Behörde der Bundesregierung zu spüren. In den Regierungsgremien müssen wir uns vor den illegitimen Einflussnahmen des militärisch-industriellen Komplexes hüten.“
      Aus der Abschiedsrede von Dwight D. (“Ike”) Eisenhower, 1961.
      Im 2 WK Oberkommandierender der alliierten Truppen in Europa, Republikaner.

      Es ist Trend seit langer Zeit, alle in der USA existierende Kritik an den USA dem bösen Außen zuzuschreiben. Früher waren es die Kommunisten, heute sind es die Russen.
      Ignorant und durchsichtig.

  2. “Aber niemand, der bei klarem Verstand ist, schlägt eine Versechsfachung des Haushalts des Verteidigungsministeriums vor. Die Höhe der Militärausgaben sollte sich danach richten, wie viel nötig ist, um den Sicherheitsrisiken zu begegnen, denen wir gegenüberstehen, und nicht nach willkürlichen Vergleichen mit der Größe der Wirtschaft.”
    Selbstverständlich richtig, aber es ist ja nicht nur Krugman, der die unsinnigen Vergleiche anstellt. Schliesslich ist es allgemein vertretene und akzeptierte nato-Politik, zu fordern, die Militärausgaben sollen sich auf mindestens 2 BIP-Prozente belaufen. Das liegt voll in der Krugman-‘Logik’

    In Wirklichkeit ist entscheidend, wie hoch der Anteil der Militärausgaben am Gesamtbudget eines Staates sind. Im Fall der usa, wie im Artikel erwähnt, über 50 Prozent. Das ist absolut pervers angesichts einer maroden Infrastruktur und vielen, vielen weiteren Problemen, die sehr viel Investitionen nötig machen würden.

    1. Dabei ist Krugman eigentlich Volkswirtschaftler mir einer gewissen Nähe zum Keynesianismus.
      Und hier stellt sich dann doch die Frage, für welche Aufgaben gesellschaftliche Ressourcen verwendet werden sollten und in welchem Maße.

      Aber intellektuell steht Krugman schon lange im Abseits. Die NYT hat es nur noch nicht bemerkt.

  3. “Wes Brot ich eß, des Lied ich sing. In dem Fall höre ich eine Melodie des bekannten NGO Komponisten George Soros. Das erklärt dann auch Begriffe aus der kommunistischen Propagandamottenkiste wie „militärisch-industrieller Komplex“. Ein besseres Arbeitsbeschaffungsprogramm als das US-Militär gibt es doch nicht, soll man doch froh sein, daß zwei Fliegen mit einer Klappe gechlagen werden. Sonst macht ja auch keiner was zur Verteidigung des Westens. Die Europäer allen voran Deutschland verteilen das Geld ihrer Steuerzahler ja lieber ans Ausland oder an Ausländer, zuweilen auch gerne an Hamas oder Hisbollah. Bei den Amerikanern kommt das Steuergeld wenigstens der eigenen Bevölkerung zu Gute, hat die eine Jobperspektive.”

    Du versuchst dich gerade in Satire, kann das sein?

  4. Das Schöne bei Rüstung und Krieg: beides wird auf die CO2-Emissionen nicht angerechnet. D.h. mehr Rüstung (z.B. an Stelle von Wohnungsbau) und hin und wieder ein paar kriegerische Fingerübungen lassen die CO2-Emissionen sinken, zumindest auf dem Papier.

  5. Auch der Ġazza-Krieg ist nicht umsonst zu haben. Optimisten schätzen die Kosten auf gut 50 Mrd $. Falls Olaf aus dem 100 Mrd Seitenwendedoppelbumswums noch ein paar Cent übrig hat, dann kann er sie auch dort sinnfrei versenken.

  6. Also bitte, “das überteuerte, dysfunktionale Kampfflugzeug F-35” ist unsere neue Wunderwaffe. Soll das etwa heißen, dass wir unser 100 Milliardenvermögen für Blödsinn ausgeben? Ich fasse es nicht.

    Eine Billion jährlich zu verplempern, können wir uns nicht leisten. Das lässt sich nur machen, wenn die gesamte Welt den Dollar kauft und man ordentlich mit der Schöpfung von Dollars verdient. Wenn die Welt allerdings keinen Bock mehr auf den Dollar hat, dann ………

  7. In der Ukraine hat der MIK seine Marketingwaffensysteme wunderbar verschrotten lassen, der ganze alte Müll ist weg und die lieben Steuerzahler zahlten Doppelt!
    Das ist Kapitalismus, bis zum letzten Ukrainer.
    Das fordern nach mehr ist ein ganz normaler Vorgang, aber wer wird der nächste Feind sein?
    Hatten die Amerikaner und ihre eusprößlinge etwas ausgelassen?

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