Wann ist das Niedermetzeln von Gefangenen ein Kriegsverbrechen?

Während sich zehn russische Soldaten ergeben und mit hinter dem Kopf verschränkten oder ausgebreiteten Händen niedergelegt haben, eröffnete der letzte aus dem Gebäude kommende Soldat das Feuer.

Nach der New York Times sind die Videos über die Kapitulation russischer Soldaten und ihre Leichen authentisch. Der ukrainische Menschenrechtskommissar Lubinets behauptet, durch die Inszenierung der Kapitulation seien die getöteten russischen Gefangenen die wahren Kriegsverbrecher.

Wir hatten über die Videos geschrieben, die nach russischer Sicht zeigen sollen, dass ukrainische Soldaten russische Kriegsgefangene niedergemetzelt haben. Das wird natürlich als Möglichkeit genutzt, den Spieß einmal umzudrehen, um den ukrainischen Streitkräften Kriegsverbrechen vorzuwerfen. Mit einer durchsichtigen Interpretation versucht nun die ukrainische Regierung, den russischen Kriegsgefangenen die Schuld an ihrer Ermordung zuzuweisen, weil diese Kriegsverbrechen begangen hätten (Kriegsverbrechen: Haben ukrainische Soldaten russische Kriegsgefangene hingerichtet?).

Noch ist nicht klar, wie die OHCHR den Vorfall beurteilen wird. Im Gegensatz zu westlichen Politikern und Medien wird dort versucht, über Kriegsverbrechen, zivile Opfer oder die Misshandlungen von Kriegsgefangenen auf beiden Seiten aufzuklären, wobei der Großteil der Vorfälle auf das Konto der russischen Streitkräfte.

Ganz eindeutig geht allerdings aus den Videos nicht hervor, was geschehen ist. Ein mit einer Drohne gefilmtes Video zeigt, wie ein Dutzend Leichen russischer Soldaten auf dem Bauch und aufgereiht in einem Hof liegen. Nach dem erkennbaren Blut ist zu schließen, dass sie durch Kopfschuss gezielt getötet wurden, ein Mörserbeschuss ist auszuschließen, wie das behauptet wurde. Offenbar sind die Soldaten nicht im Kampf getötet worden, sondern wehrlos auf dem Boden liegend.

Ein zweites Video zeigt, wie 10 russische Soldaten nacheinander aus einem Gebäude kommen, sich offensichtlich ergeben und in dem Hof auf den Bauch legen. Dann taucht ein 11. Soldat auf, der das Feuer eröffnet. Vermutlich wollte er sich nicht wehrlos ergeben, möglicherweise ging er davon aus, sowieso getötet zu werden. Im ersten Video ist seine Leiche dort zu sehen, von wo aus er geschossen hat und getötet wurde. Das wurde auch so in prorussischen Kanälen wie Rybar berichtet, wo es heißt, dass einer der ukrainischen Soldaten verletzt wurde. Die Folge könnte gewesen sein, was naheliegt, dass aus Rache alle russischen Soldaten, die sich ergeben hatten, erschossen wurden. Ob sie doch noch auch Widerstand geleistet haben, geht aus dem Video nicht hervor. Nach den Drohnenvideo liegen aber die Leichen auf dem Bauch und so aufgereiht, wie sie sich vor der Schießerei hingelegt hatten.

Die New York Times bestätigte die Authentizität der Videos, die in Makiivka in der Region Lugansk gemacht wurden, aber kommt auch zu dem Schluss, dass sie nicht zeigen, wie und warum die russischen Soldaten getötet wurden. Allerdings veröffentlichte die NYT zwei weitere Videos (wieder eines von einer Drohne aus gemacht, man fragt sich, warum die ukrainischen Soldaten ihre Aktionen so detailliert filmen, was natürlich auch vermuten lässt, dass es Aufnahmen über die Tötung geben müsste). Die im Zusammenhang mit dem Vorfall stehen. In einem sind ukrainische Soldaten auf einem Feld zu sehen, die auf irgendetwas schießen. Im zweiten Video sieht man dieselbe Gruppe ukrainischer Soldaten in dem Innenhof, den auch die beiden ersten Videos zeigten. Man sieht vier ukrainische Soldaten, zwei zielen auf die Scheune oder das Gebäude, aus dem in dem anderen Video die russischen Soldaten sich ergebend kommen. Auf dem Hof liegen bereits zwei Leichen russischer Soldaten.

Rohini Haar, medizinischer Berater von den Physicians for Human Rights, erklärte gegenüber der NYT, dass die meisten Gefangenen in den Kopf geschossen wurden. Als die Soldaten sich ergaben und hinlegten, scheinen sie unbewaffnet gewesen zu sein, die Arme hatten sie hinter dem Kopf oder ausgestreckt. Es seien Nicht-Kämpfer oder Kriegsgefangene gewesen. Sie zu erschießen, sei ein Kriegsverbrechen. Wenn die russischen Soldaten aber nur vorgegeben hätten, sich zu ergeben, um dann zu schießen, so Iva Vukusic, eine Expertin für Kriegsverbrechen, dann sei dies ein Kriegsverbrechen. Und wenn die Soldaten während und gleich nach der Schießerei in der Hitze des Gefechts auch getötet worden seien, sei es hingegen kein Kriegsverbrechen, wenn etwas später als Rache schon.

Ukraine: Die getöteten russischen Soldaten sind die Kriegsverbrecher

Am Sonntag hatte die stellvertretende Ministerpräsidentin der Ukraine, Olga Stefanishyna, versichert, dass die ukrainischen Behörden den Vorfall untersuchen würden. Es sei aber „höchst unwahrscheinlich“, dass die Videos die russische Behauptung unterstützen. Man sei „absolut nicht interessiert, jemanden hinzurichten“, vielmehr wolle man möglichst viele Gefangene für den Austausch machen.

Der ukrainische Menschenrechtskommissar Dmytro Lubinets versucht, ohne weitere Beweise vorzulegen oder eine etwaige Untersuchung abzuwarten, den Spieß umzukehren. Er behauptet, man könne aus den Videos erschließen, „dass die Russen durch die Inszenierung der Kapitulation ein Kriegsverbrechen begangen haben – sie haben das Feuer auf das Militär der Streitkräfte der Ukraine eröffnet. In einem solchen Fall können Personen russischer Soldaten nicht als Kriegsgefangene angesehen werden, sondern als diejenigen, die kämpfen und Verrat begehen. Feuererwiderung ist kein Kriegsverbrechen. Im Gegenteil, diejenigen, die den Schutz des Völkerrechts für Mord nutzen wollen, sollten bestraft werden.“

Wie man die Getöteten noch bestrafen will, bleibt das Geheimnis von Lubinets. Die Argumentation ist, wie auch aus der NYT hervorgeht, nicht schlüssig. Er müsste unterstellen, dass alle russischen Soldaten an dem Komplott beteiligt gewesen seien, eine Kapitulation nur vorzutäuschen. Würde der russische Soldat, der als letztes herauskam, eigenmächtig gehandelt haben, gäbe es kein Recht, deswegen alle zu erschießen. Offensichtlich will man in Kiew den Vorfall möglichst ad acta legen und hofft darauf, dass die westlichen Medien und Politiker die Darstellung nicht hinterfragen, wie das in der Regel der Fall ist.

Lubinets will auch die Möglichkeit, dass ukrainische Soldaten ein Kriegsverbrechen begangen haben könnten, vom Tisch wischen, indem das ganze als russische Propaganda zur Verschleierung dargestellt werde: „Dass vor dem Hintergrund der Befreiung Chersons und der Aufdeckung tausender neuer Fakten über die Kriegsverbrechen des Kremls solche ‚Einwürfe‘ mit Anschuldigungen stattfinden, ist nicht verwunderlich.  Es wird nicht möglich sein, die Aufmerksamkeit abzulenken. Mörder bleiben Mörder, und Kriegsverbrecher warten auf ihren Prozess.“ Lubinets behauptet auch, dass die Russen das von ihnen besetzte AKW Sapporischschja beschießen würden (Russland oder Ukraine? Gezielter Beschuss des AKW Sapporischschja).

Nach ihm wurden auch in Cherson „Folterkammern“ entdeckt, in denen Gefangene „noch brutaler“ als in Charkiw, Kiew oder Tschernihiw behandelt worden seien. Die Videos und Bilder belegen dies nicht. Er beklagte sich am Freitag auch darüber, dass Reuters in einem Bericht die Folterkammern in Anführungszeichen setzte und anfügte, dass die Agentur seine Beschuldigungen und die anderer in dem von ihm gezeigten Video nicht verifizieren konnte. Lubinets schreibt empört: „Ich frage mich, welche Beweise ausreichen würden? Wie viele Mariupols, Izyums, Butschas oder Irpens, Snihurivkas und Chersons sind notwendig, um internationale Journalisten davon zu überzeugen, dass die Russen einen Völkermord begehen und friedliche Ukrainer töten, dass ihre Propagandisten auf Schritt und Tritt, in jedem Kommentar für die Medien lügen? Ich bin allen nationalen und internationalen Journalisten dankbar, die zusammen mit den Militärs die Front halten. Die Informationsfront, an der die Wahrheit eine der stärksten Waffen ist. Die Wahrheit wird siegen!“

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10 Kommentare

  1. Die ukrainische Propaganda hat erreicht, dass zumindest ich ihr gar nichts mehr abnehme, unabhängig davon, dass es quasi naturgegeben ist, dass in Kriegen Kriegsverbrechen begangen werden, auf allen Seiten.
    Auch deshalb muss sofort ein Waffenstillstand her und sofortige Verhandlungen.

  2. Ich glaube, diesem Menschenrechtskommissar gehen die Menschenrechte voll am Arsch vorbei, da sie aus seiner Perspektive wohl nur für eine Seite gelten. Schön auch, wie er auf die journalistischen Wahrheitskrieger hofft. Diese Hoffnung wird leider viel zu selten enttäuscht.

  3. Darf ich daran erinnern, dass ausschließlich in der russischen Armee es bei harter Srafe verboten ist, Gefangene so zu behandeln, aber reichlich viele Wortmeldungen ukrainischer Regierungsmitglieder und hochgestellter „Berater“ gibt, kein Erbarmen gegen Russen zu zeigen? Das hat auf ukrainischer Seite System.

  4. Wie würde wohl Israel auf so etwas reagieren?

    Es ist egal auf welche Weise dieser Lubinets dieses Kriegsverbrechen zu rechtfertigen versucht. Die Täter werden gefunden und liquidiert werden. Selbst wenn sie gerade im Scheißhaus sitzen (Zitat von Putin)

  5. Ohne Sachbegründung und kritische Prüfung derselben sollten wir keine dieser Behauptungen irgendeiner Seite – inklusive solcher der „eigenen“ Regierung – als „wahr“ oder „begründet“ ansehen. Wenn man die „strategische Kommunikation“ weglässt, sind 98% der Nachrichten hinfällig. In diesem Sinne taugen diese Videos allenfalls, um Arbeitshypothesen zu entwickeln, Also Hinweise für weitere Recherchen.

  6. Wie meinte doch „Selensky-Berater“ Arystowitsch schon 2019 in einem Interview: „Die nationale Idee der Ukraine ist es, sich selbst und andere so weit wie möglich zu belügen“

    Was m.E. hinreichend und abschliessend klärt, wie jegliche Absonderung der ukrainischen Regierung zu verstehen ist.

  7. Eine Sache – in volle Sicherheit aus der Sofa etwas “vermuten” oder “vorstellen”. Für Herr Rötzer macht es nur weitere Möglichkeit die Späne in ukrainische Augen zu suchen (ohne russische Holzwerk daneben zu merken). Für Ihm ist die Frage “Sind die gegnerische Kämpfer wirklich in der Situation harmlos?” nur reine Theorie, und eine Fehlschätzung hier wird für ihm keine sofortige Tod bedeuten.

    Anders als bei ukrainischen Soldaten. Sie war in Kampfhandlung-Umgebung an Frontlinie gewesen, nicht in eine gesicherte Ort irgendwo in Hinterland. Als sie haben die feindliche Einheit entdeckt – sie wissen nicht wie viele davon sind, was für eine Waffe sie dabei haben und ob es noch weitere feindliche Einheiten in der Nahe sind.
    In eine Weg oder andere, hat die russische Einheit ANGEBLICH sich ergeben. Ukrainische Einheit hat laut Kriegsrecht dies auch akzeptiert und hat sehr riskante Prozedur angefangen – als anscheinend war die Ukrainer in Anzahl schon unterlegt (es war nur 4 auf Video zu sehen, gegen etwa 10 oder mehr Russen). Dabei sollten Russen sich langsam, ohne Waffen raus gehen, zum Boden legen und den Ukrainer eine Möglichkeit geben die Russen für versteckte Waffe durchzusuchen, sie fesseln und dann in Hinterland evakuieren. Wenn nicht der russischen Idiot mit dem Waffe – hatte es wahrscheinlich auch genau in solche Art und Weise geklappt.

    Aber mit erste Schussen, die haben anscheinend doch die ukrainische Soldaten getroffen – war schon brenngefährliche Situation außer jede Kontrolle. In dem Moment wissen die Ukrainer nicht, ob es eine Hinterhalt-Attacke ist, ob es von Russen so geplant wurde, ob die andere Russen doch eine versteckte Waffe dabei haben und ob es noch weitere Russen mit Waffe in Haus sich versteckt haben; sie wissen auch nicht, wie viel von ihre ukrainische Kameraden getroffen sind und wie schwer. In dem Situation denken sie erstmals auf eigene Sicherheit und Überleben – und zu Recht so. Damit dürfen sie schon in so eine Situation die Sicherheit für sich schaffen – auch wenn es eine Schuss in ANSCHEINEND unbewaffnete Gegner bedeutet. Nur so könnten sie sicher sein, dass keine von Russen SICHER keine Blödsinn anfängt, während die Ukrainer eigene Kameraden mit Erste Hilfe besorgen oder irgendwie anders danach abgelenkt sind.

    Auch deswegen verbietet die Genf Konvention solche „falsche ergeben in Gefangenschaft“ (währenddessen die angebliche Kriegsgefangenen doch Gegner angreifen) als Kriegsverbrechen, weil sie ganze Kriegsgefangene-Konzept gefährden. Wenn Kombattanten ergeben sich – es muss sicher für Gegner sein, sonst wird der Gegner (zurecht) eigene Leben als Priorität setzen, nicht Leben der Gefangenen.

    Artikel 37a: https://www.ohchr.org/en/instruments-mechanisms/instruments/protocol-additional-geneva-conventions-12-august-1949-and

    „It is prohibited to kill, injure or capture an adversary by resort to perfidy…
    The following acts are examples of perfidy:
    (a) The feigning of an intent to negotiate under a flag of truce or of a surrender;

    1. Guter Text,
      konkrete deutsch Sprach und korrekt Kriegsrechte in Dynamische immer volle schwere. Nix mache Gefangenen in dass Iwan-Aggressionen. Wo eine Attacken für Endfrieden auf der gut Erdscheibe?

      Echt volle Sicherheit !!!!!

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