Vor dem Attentat in Dallas hatten Kennedys Personenschützer bis 4 Uhr nachts gebechert

Abraham Bolden. Screenshot: Valuetainment / YouTube

Am 20. Mai wird der 90jährige Ex-Secret Service Agent Abraham Bolden im Kapitol vor dem US-Kongress über seine Erkenntnisse im Drama um die Ermordung von John F. Kennedy aussagen.

Bolden, war 1961 der erste vom Secret Service akzeptierte Agent mit schwarzer Hautfarbe gewesen. Als dies dem in der Rassenfrage engagierte Präsident Kennedy auffiel, protegierte er eine Verwendung Boldens in seinem Personenschutz, was Unmut insbesondere bei vielen seiner damals rassistischen Kollegen hervorrief. Die Kraftprobe endete mit der Entlassung von Führungskräften durch den Präsidenten, jedoch verzichtete Bolden freiwillig auf den Dienst im Weißen Haus und kehrte an seinen ursprünglichen Standort Chicago zurück.

Bolden war mit den Ermittlungen im sog. Chicago Plot befasst gewesen, der zur Absage eines dort geplanten Besuch in drei Wochen vor dem Attentat führte. Dabei waren einer Vermieterin mutmaßliche Exilkubaner aufgefallen, die vier Gewehre mit Zielfernrohren sowie eine Skizze der in der Zeitung veröffentlichen Route der vorgesehenen Parade in einem Zimmer aufbewahrten. Außerdem war ein Mann namens Thomas Arthur Vallee mit rechtsextremen Äußerungen aufgefallen, in dessen Wagen man ebenfalls ein Gewehr und beträchtliche Mengen an Munition fand. Vallee – wie Oswald ein Ex-Marine und Einzelgänger – hatte eine Arbeitsstelle in Schussweite der Parade angenommen – wie Oswald in Dallas.

Obwohl der Secret Service in Chicago Anschläge mit Scharfschützen befürchtete, war diese Information angeblich vor dem Team in Dallas zuständigen Team geheim gehalten worden. So jedenfalls erklärte man die Entscheidung, bei der Parade auf ein Hardtop des Cadillacs zu verzichten und ausgerechnet in der Hochburg der amerikanischen Rechten Dallas das Sicherheitsniveau denkbar abzusenken.

Bolden hatte 1964 der Warren-Kommission angeboten, über die Nachlässigkeiten des von ihm als undiszipliniert empfundenen Secret Service auszusagen, etwa über die allabendlichen Trinkgelage und den üblichen Hangover mit Restalkohol. Vor dem Attentat in Dallas hatten Kennedys Personenschützer bis 4 Uhr nachts in einem Nachtclub gebechert und dabei Waffen und Ausweise verloren. Zu einer Aussage kam es nicht, da Bolden kurz darauf wegen angeblicher Bestechlichkeit verhaftet wurde. Zwar widerrief der Belastungszeuge sein Geständnis, jedoch wurden Bolden verurteilt und erst 2022 von Präsident Joe Biden rehabilitiert.

Als Bolden 1978 den Chicago Plot vor einem Untersuchungsausschuss des Kongresses öffentlich machte, hatten sowohl der Secret Service als auch der für Ex-Marine Vallee zuständige Marinenachrichtendienst ihre Dokumente vernichtet. Jedoch konnte Vallee die Geschichte bestätigen.

Rätselhafter als das Versagen des Secret Service beim Attentat war nur die Tatsache, dass dies keinem der Beteiligten irgendwie schadete. Weder wurde die Planung der seltsamen Route über die Dealey Plaza getadelt noch der Abzug der Personenschützer auf den Trittsteigen oder der Verzicht auf die seitliche Motorradeskorte. Dass der Fahrer entgegen seinem Training beim ersten Schuss nicht beschleunigte, sondern das ohnehin erstaunlich langsame Fahrzeug bremste, führte nicht einmal zu einer Befragung. Während Johnsons Personenschützer den Vize-Präsident beim ersten Schuss zu Boden riss und sich schützend auf ihn warf, blieb der Beifahrer in Kennedys Limousine lange desinteressiert. Unklar ist, weshalb der Secret Service rechtswidrig eine Obduktion durch den (einzig) zuständigen Leichenbeschauer in Dallas gewaltsam verhinderte und die Leiche nach Maryland in ein Marinehospital ausflog, wo ohne Rechtsgrundlage eine unfachmännische Untersuchung durch unter Befehl stehende Militärärzte vorgenommen wurden.

Bolden hatte vor geraumer Zeit von einem heftigen Streit zwischen den Kennedys und dem trinkfreudigen Vizepräsident Lyndon B. Johnson im Mai oder Juni 1961 berichtet. Johnson soll dem Präsidenten gedroht und ihn als Hurensohn bezeichnet haben. In Rage soll er auch auf Bolden gezeigt und das N-Wort benutzt haben, was Johnson notorisch tat.

Der Autor berichtet über den Forschungsstand zum Attentat auf John F. Kennedy in einem Podcast #JFK60.

Ähnliche Beiträge:

5 Kommentare

  1. Die politische Korrektheit stinkt und verfälscht. Johnson benutzte nicht „das N-Wort“, das heute für Neger, englisch negro steht. Vielmehr sagte er Nigger, die rassistisch abwertende Bezeichnung für Schwarze.

    Man macht es der politisch korrekten Sprachverfälschung und Gehirnwäsche zu leicht, wenn man vor ihr auf die Knie fällt.

    1. In diesem konkreten Fall haben Sie recht. Allerdings benutzte Johnson auch das andere Wort ständig, und zwar durchaus auch im Weißen Haus.
      Er hatte als Oppositionsführer gegen jedes einzelne Bürgerrecht opponiert, die Südstaatenrassisten setzte große Hoffnungen auf ihn und fühlten sich betrogen, als er Kennedys Politik insowweit fortsetzte und etwa die Rassengesetzte kassierte.

  2. „Johnson soll dem Präsidenten gedroht und ihn als Hurensohn bezeichnet haben. In Rage soll er auch auf Bolden gezeigt und das N-Wort benutzt haben, was Johnson notorisch tat.“

    N…….Nußschokolade?

  3. Rätselhafter als das Versagen des Secret Service beim Attentat war nur die Tatsache, dass dies keinem der Beteiligten irgendwie schadete.

    Rätselhaft ist daran allenfalls, dass so viele das immer noch für „rätselhaft“ halten und – wie bei NSU, 9/11 etc. – an ein „Versagen“ glauben. Ist das Religionsersatz?

    Frage: Wurde Flintenuschi für ihre Skandale in Amt und Würden, insbesondere beim Thema Beschaffung, zur Rechenschaft gezogen? Hat es ihr geschadet? Nein, sie wurde weggelobt und darf heute in Brüssel die Deutsch-EU exekutieren.

    Frage: Wurde Frankensteinmeier eigentlich für seine Skandale in Amt und Würden, insbesondere bei Themen wie „Murat Kurnaz“, zur Rechenschaft gezogen? Hat es ihm geschadet? Nein, er wurde erst Außenaugust und durfte dann den Maidan mitabwickeln helfen. Danach wurde er weggelobt und darf nun in Bellevue den Grüßaugust präsidieren.

    Andere durften besoffen Leute totfahren und wurden hinterher Verkehrsminister. 🤷‍♂️

    Und warum ist das alles nicht sonderlich rätselhaft? Weil dieses Phänomen schlicht die logische Konsequenz aus der Funktionsweise der Machtmaschine ist. Kapitalistisch-imperialistische (aber auch eine Menge andere etatistische und sonst wie autoritäre) Systeme sind darauf ausgelegt, Stabilität zu bewahren. Die Machtverhältnisse zu konservieren. Nicht etwa Gerechtigkeit zu schaffen, Verantwortung übernehmen zu lassen oder Experimenten, unabhängigen Ermittlungen und Alternativen Raum zu geben.

    Die hiesigen Entscheidungsträger – Politiker, Militärs, Manager, hochrangige Beamte… – sind Teil eines extrem engmaschigen Beziehungsgeflechts. Eines Hintergrund-Netzwerks. Der herrschenden Klasse. Dort sind Loyalität und gegenseitige Unterstützung wichtiger als Inhalte oder individuelle Verantwortung. Wenn ein Skandal auffliegt, die Hütte brennt, etwas anderes Einschneidendes passiert und die Leute zu blöken anfangen könnten weil der Leichengeruch aus dem Keller wabert, beginnen sich die Beteiligten sofort gegenseitig zu schützen. Schlicht und ergreifend, um das System stabil zu halten. Damit keine Alternativen aufkommen.

    Ostentative Bestrafungen wirken dagegen destabilisierend. Die lösen Aufruhr aus, verstärken ihn, denn sie können Racheakte und sonstiges Tit-for-Tat nach sich ziehen – weil alle Dreck am Stecken haben und jeder erpressbar ist. Mitglieder der herrschenden Klasse, zumal solche Beteiligte, die in Verschwörungen drinhängen oder sonstige Skandale und Leichen am Hals haben, sind alle erpressbar. Doch ob Mitverschwörer oder Handlanger – „frisch“ sind sie oft nützlicher als „kaltgestellt“. Sie sind erpressbar, zeigen Loyalität und Dankbarkeit, wenn man sie „rettet“, sind formbar und bringen zudem „Insiderkenntnisse“ und anderes Wissen mit. Man kann sie steuern, gerade in neuer Funktion am neuen Ort. Deswegen werden sie oft durch Beförderungen oder Versetzungen „gerettet“ und können in ihrer neuen Position weiterhin den Interessen der anderen dienlich sein.

    Nur wo es sich wirklich überhaupt nicht verhindern lässt, einer frei dreht (vielleicht gar nicht „gerettet“ werden will, sondern reinen Tisch zu machen sucht) oder zu tief wühlt – oder eine rivalisierende Machtgruppe ihre Trümpfe und Medien ausspielt beziehungsweise dem andern Lager geschickt eine Falle gestellt hat – da wird dann mitunter jemand zu Fall gebracht oder in welcher Form auch immer kaltgestellt (Barschel, Edathy). Oder ein Bauer geopfert.

    Aber in der Regel gibt es „Message-Control“. Die Leidmedien lenken die Debatte rasch auf andere Aspekte oder Themen oder verwässern die Verantwortungsfrage – und die Entscheidungsträger können darauf setzen, dass die Öffentlichkeit eher kurz als lang das Interesse verliert und sich lieber etwas anderem zuwendet. Bielefeld ist aufgestiegen! Der HSV ist zurück! Österreich hat den ESC gewonnen! Gutti hat eine Neue! Taylor Swift hat Beef mit XYZ… Zumal in modernen Bürokratien von außen betrachtet ja auch niemand so recht allein verantwortlich ist – oder? Der NSU-Skandal – blickt da noch wer durch? Ja, irgendwelche Spinner in obskuren Foren, doch für Otto-Normal-Bürger scheint die Verantwortung auf diverse Ebenen verteilt, sodass Missstände kritisiert, aber selten konkret zugeordnet werden können. Und ohnehin hat man sich an Skandale und die politische Wurstelei doch so sehr über die Jahrzehnte gewöhnt, dass die Erwartungshaltung da sehr niedrig geworden ist. Skandale kommen und gehen, so wie auch die Entscheidungsträger kommen und gehen.

    Kurzum: Rätselhaft ist da gar nix. Das Aufsteigen-trotz-Dreck-am-Stecken ist kein Bug, sondern ein Feature des politischen Systems.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert