
Zur psychischen Gesundheit der Jugend. Die Bundesschülerkonferenz und das Institut der Deutschen Wirtschaft schlagen Alarm. Über individuelle und strukturelle Lösungen. Ein Kommentar.
Am 30. Oktober veröffentlichte das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) einen Bericht über die ökonomische Bedeutung der psychischen Gesundheit von Schülerinnen und Schülern. Natürlich sollte man sich in erster Linie wegen des Leidens und der Lebensqualität mit dem mentalen Wohlsein beschäftigen. Aber für manche Entscheidungsträger ist das Argument durchschlaggebend, damit auch der Wirtschaft etwas Gutes zu tun.
Laut dem IW entsteht der deutschen Volkswirtschaft wegen psychischer Störungen jährlich ein Schaden von fast 150 Milliarden Euro. Auf diese Problematik würden rund zwei Drittel der Erwerbsminderungsrenten bei den Unter-30-Jährigen zurückgehen.
Ich erklärte schon vor vielen Jahren, dass solche Kostenrechnungen mit Vorsicht zu genießen sind. Die so hohen wie runden Milliardenbeträge machen sich natürlich gut in den Medien und politischen Diskussionen. Aber es sind abstrakte Größen.
Zum Teil werden sie auf dem Gesundheitsmarkt sogar zu einem Nullsummenspiel, weil viele Akteure mit Krankheit Geld verdienen und in diesem Sinne volkswirtschaftlichen Wert erzeugen. Und auch das Risiko der Stigmatisierung sollte man nicht unterschätzen, wenn man beispielsweise Depressive als Milliardenposten darstellt.
Dass die Krankheitslasten – sowohl für eher psychische als auch eher körperliche Probleme – steigen, obwohl wir immer mehr Geld ins Gesundheitssystem und die Gesundheitsforschung pumpen, sollte uns aber aufhorchen lassen. Und die Probleme der jungen Menschen sind ein Spiegel der Erwachsenenwelt.
Umgekehrt wird auch ein Schuh daraus: Weil (ohne passende Migration) immer weniger Menschen auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sind, aber immer mehr Bürger Behandlung und Pflege brauchen, werden die Probleme in Zukunft noch größer werden. Allein das kann einen schon deprimieren.
Individualisierung
Insofern ist es zu begrüßen, wenn sich auch das IW des Themas psychische Gesundheit annimmt. Doch leider wiederholt das Institut den häufigen Fehler, es primär als medizinisches und individuelles Problem zu sehen. So lautet dann die Empfehlung: “Um die psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern in Deutschland nachhaltig zu verbessern, sollte die medizinische Versorgung und Unterstützung der Kinder und Jugendlichen verbessert werden.” Außerdem sollten alle Beteiligten noch mehr für psychische Problematik sensibilisiert werden.
Viele haben immer noch nicht verstanden, was durch Industrialisierung, das Leben in großen Ballungsräumen und andere Aspekte des sogenannten technologischen Fortschritts mit der Medizin geschah: Seit dem 19. Jahrhundert wurden zunehmend menschliche und gesellschaftliche Probleme in ihren Bereich verschoben. So entstand überhaupt erst die Psychiatrie als Fachdisziplin innerhalb der Medizin, im 20. Jahrhundert auch die klinische Psychologie.
Auch die WHO versteht ihr Aufgabengebiet Gesundheit seit ihrer Gründung so offiziell wie breit als: Zustand des vollständigen körperlichen, seelischen und sogar sozialen(!) Wohlergehens. Dann sind die Aufgabengebiete für Ärztinnen und Ärzte natürlich endlos.
Doch die Tatsache, dass trotz immer mehr Behandlern und Behandlungen, trotz immer mehr Therapie und Medikamentenverschreibungen die Anzahl der Krankheitstage und Erwerbsminderungsrenten wegen psychischer Probleme steigt, zeigt die Beschränkungen des medizinische Modells in diesem Bereich. Volkswirtschaftlich reiche Länder wie Deutschland, die Schweiz oder die Niederlande haben heute schon die weltweit höchsten Pro-Kopf-Raten von Psychotherapeuten und Psychiatern.
Trotzdem werden in solchen Diskussionen unermüdlich immer mehr Behandler gefordert. Wie viel mehr sollen es denn noch sein? Anno 2023 meinte die scheidende Familienministerin, die psychische Gesundheit der Jüngeren mit mehr “Mental Health Coaches” in Schulen zu verbessern. Die dafür bereitgestellten 10 Millionen Euro sind natürlich ein Klacks im Vergleich zu dem angeblichen Milliardenschaden. Aber auch Coaches werden die Probleme nicht lösen.
Fehler im System
Natürlich gibt es medizinische Erkrankungen, die – zum Beispiel wegen Schmerzen, Einschränkungen im Alltag oder biochemischer Störungen – mit starkem psychischem Leiden einhergehen können. Diese sollte man nach Möglichkeit primär medizinisch behandeln, und zwar an der Wurzel des Übels. Einen verfaulenden Zahn würde man auf Dauer auch nicht nur symptomatisch mit gutem Zureden und Schmerzmitteln behandeln, sondern reparieren oder ziehen.
Man darf nicht vergessen: Trotz all dem neurobiologischen und genetischen Geforsche der letzten 225(!) Jahre, können die biologischen Psychiater auch heute keine einzige der hunderten klassifizierten psychischen Störungen mit einem Gehirn-, Gen- oder Bluttest diagnostizieren. Ihre mit unzähligen Forschungsmilliarden belohnten Versprechen haben sie nicht einmal ansatzweise erfüllt. Dass ihr Paradigma trotzdem die Forschung und Ausbildung dominiert, hat ideologische Gründe, die ich in meinem neuen Buch Perspektiven aus der Depressions-Epidemie näher erkläre.
Leider ist das nicht nur eine wissenschaftliche Debatte. Die ewig ergebnislose Suche nach den vermuteten “neuronalen Mechanismen” psychischer Störungen steht der Umsetzung und Verbesserung der Hilfe im Weg: Wenn man wartet, bis psychische Probleme behandlungsbedürftig werden, sichert das zwar die Jobs der Behandler. Mit gesellschaftlichen Maßnahmen und individueller Präventionsarbeit könnte man das Gros der Störungen aber verhindern oder zumindest abmildern.
Zum Beispiel sind die größten Risikofaktoren für die immer häufiger diagnostizierten depressiven Störungen schwere Lebensereignisse: Traumata, Verluste, Krisen. Dazu kommt der Stress durch Überforderung, Vereinsamung und das Wegfallen sozialer Strukturen, die einen stützen könnten.
Wir leben zwar in einem Sozialstaat. Die überbordende Bürokratisierung dürfte aber gerade diejenigen, die Hilfe am nötigsten haben, als Kampf der Verwaltung gegen Bürgerinnen und Bürger erfahren. Wenn die Entscheidung über den Wohnzuschlag oder die Übernahme einer Behandlung lange dauert und nicht nachvollziehbar ist, erzeugt das Not. Dabei betonen sogar führende Politiker die Notwendigkeit des Bürokratieabbaus und der Vereinfachung der Systeme – und halten diesen Zustand trotzdem seit Jahrzehnten instand.
Unsichtbares
Im Bereich der psychischen Störungen ist das Problem besonders groß, weil “die Psyche” nicht direkt sichtbar ist. Das ist gerade das (zum Scheitern verurteilte) Versprechen der biologischen Psychiatrie und Neuropsychologie: das Seelenleben sichtbar zu machen und zu objektivieren. Im Ergebnis herrscht dann aber Seelenleere in der Seelenlehre, den etablierten Psy-Disziplinen.
Die so ausgebildeten Fachleute zucken mit den Schultern und diagnostizieren allenfalls sogenannte somatoforme oder Konversionsstörungen, wenn Menschen unverstandene körperliche Beschwerden haben und von Facharzt zu Facharzt geschickt wurden. In der “harten”, sich gerne naturwissenschaftlich und objektiv gebenden Medizin sind die Patienten nicht mehr willkommen, wenn alle Laboruntersuchungen und Scans erst einmal abgerechnet sind. Die Honorare einer radiologischen Praxis in Höhe von durchschnittlich 3,5 Millionen Euro pro Jahr müssen ja irgendwoher kommen.
Mit weniger Wohlwollen wirft man den Hilfesuchenden Simulantentum vor. Das war vor 100 Jahren nicht anders, wenn im Ergebnis auch viel preiswerter.
Wir Menschen heute sind von uns selbst, Leib und Seele entfremdet. Wie sich dauerhafte Spannung, Stress oder Angst körperlich äußern können – zum Beispiel in Herzklopfen, Taubheitsgefühlen, Schwindel, Schwitzen, Schlaflosigkeit, Zittern, Magen- oder anderen Schmerzen und Durchfall –, bringt einem keiner bei. Und der Hinweis, dass solche Erscheinungen psychische Ursachen haben können, erzeugt schnell Abwehr. Denn die Betroffenen haben verinnerlicht, dass Psychisches im Gesundheitssystem als weniger real gilt.
Unverstanden
Tipps wie: “Entspann dich doch mal”, “Mach doch mal Urlaub”, “Nimm’s dir nicht so zu Herzen” oder gar “Stell dich nicht so an” von Bekannten oder Vorgesetzten dürften den Leidensdruck eher vergrößern. Im Ergebnis erhalten Frauen etwa zweieinhalbmal so oft Diagnosen einer Depression oder Angststörung als Männer. Letztere, die insgesamt seltener Hilfe suchen, bekommen dafür zwei- bis dreimal so oft eine Substanzkonsumstörung attestiert. Probleme mit Drogen zu betäuben, geht meist nicht lange gut.
Damit sind die häufigsten psychologisch-psychiatrischen Störungsbilder fast schon abgedeckt. Sehr im Kommen sind zurzeit die Aufmerksamkeitsstörungen – die sich diagnostisch aber stark mit depressiven, Angst- und Substanzkonsumstörungen überschneiden. Ein Schelm, wer denkt, dass ADHS jetzt als weniger stigmatisierende Variante zur Depression fungiert. Über Burnout – mit dem Aufkommen der Industrialisierung sprach man noch von “Neurasthenie“, Nervenschwäche – haben wir ja lange genug geredet. Wer nicht privat versichert ist und auch kein Jahr auf die Diagnose warten will, legt dafür schon einmal 500 Euro auf den Tisch. Bei den Therapeuten klingeln die Kassen.

Bildzitat nach Originalvorlage: Bei einer auf ADHS-Diagnosen spezialisierten Praxis in einer deutschen Großstadt kann man ein vorbereitendes Gespräch für rund 143 Euro reservieren. Bis zur gewünschten Diagnose wird man tiefer in die Tasche greifen müssen. Da ist die Erwartungshalten der Kunden, das gewünschte Resultat zu erhalten, natürlich hoch. Aber dafür winken “rechtliche und finanzielle Vorteile”.
Jenseits der bekannten Raster bleibt ohne Befund aber mit den genannten körperlichen Problemen vielleicht die mysteriöse somatoforme Störung. Laut Epidemiologen trifft sie jährlich immerhin fünf Prozent der Bevölkerung. Die im Volks- aber auch manchem Arztmund eher abwertende Bezeichnung “Hypochondrie” war nicht immer negativ besetzt. Ein Blick auf die wortwörtliche Bedeutung entschlüsselt das: altgriechisch hypo = unter und khondros = Knorpel. Mit Letzterem ist der Brustkorb gemeint.
Das heißt, Hypochondrie war nicht unbedingt ein eingebildetes Kranksein. Sie konnte auch wahrgenommenes Unwohlsein unter den Rippen bedeuten: Und dort finden sich mit Herz, Lungen, Leber, Milz, Nieren, Bauchspeicheldrüse und Magen nicht ganz unwichtige Organe. Über das vegetative Nervensystem – kurz gesagt: Vagusnerv, Parasympathikus und Sympathikus – nimmt es an unserer lebenden Intelligenz (im Wortsinn von “Erkennen, Verstehen”) teil. Das heißt, die Organe bekommen mit, ob es uns gut geht oder wir gestresst sind.
Umdeutung
Doch Stress wird selten beseitigt, sondern meist umgedeutet und gemanagt. Mit Ideen wie: “Wie du Stress als deinen Freund siehst”, haben Gesundheitspsychologen viel Geld verdient. Die “Mental Health Coaches” wurden schon erwähnt. Und auch Yoga, Achtsamkeit oder Meditation werden langfristig nichts lösen, wenn sie immer nur kurzfristig die Schäden durch den Alltag reparieren. Allen Ansätzen ist gemein, dass sie die Umgebung als konstant – man könnte auch sagen: alternativlos – und das Individuum als formbar ansehen.
Was daraus folgt, können wir anhand eines anderen Gesundheitsbeispiels verdeutlichen, der Ernährung: Auch hier werden wir permanent mit Botschaften bombardiert, unser Verhalten zu optimieren. Wir sollen möglichst ausgewogen, abwechslungsreich, frisch und vollkorn essen.
In der Reklame und den Supermarktregalen werden uns aber permanent Produkte schmackhaft gemacht, die das Gegenteil davon sind: Mit viel Fett, Zucker, Salz, Aromen und anderen Geschmacksverstärkern lassen sich zwar günstig Massenwaren herstellen. Doch echte Lebensmittel, die diesen Namen verdienen, muss man aufwendig suchen – und auch wissen, wie man sie schmackhaft zubereitet.
Obendrein kann man nicht mal mehr Zeitschriften oder Batterien kaufen, ohne dass beim erforderlichen Abrechnen fett- und zuckerreiche Produkte wie Schokoriegel oder Energydrinks präsentiert werden. Sie sind so schnell bezahlt wie verzehrt und aktivieren garantiert das Belohnungssystem im Gehirn. Jedenfalls für ein paar Sekunden.
Das heißt, die Botschaften an das Individuum, sich möglichst gesund zu verhalten, kollidieren permanent mit den Angeboten unserer Lebenswelt. Dieser andauernde Spagat muss die Menschen stressen.
Doch als richtig gestresste Konsumenten füttern wir die kapitalistische Maschine noch besser: dann verdienen auch die Coaches und Yogalehrer an uns. Werden wir krank, die Ärzte und Therapeuten. Die krankmachenden Umstände gelten als normal. Der Einzelne, der darauf normal reagiert, nämlich mit Krankheit, gilt als das Problem. Hier setzen so gut wie alle therapeutischen Verdienmodelle an – nicht an der Lebenswelt, wo die Probleme entstehen.
Stress und keine Lösung
Ach ja: Und bitte trennen Sie Ihren Müll, damit Ihnen weiter einfach zu standardisierende, komfortabel verpackte Produkte verkauft werden können. Denken Sie nicht an Weichmacher oder Mikroplastik. Vergessen Sie aber nicht ihre 10.000 Schritte am Tag, bitte mindestens drei bis fünf Stunden Bewegung pro Woche. Alkohol und Tabak sind Gift – verwenden Sie diese bloß nicht zur Stresskompensation. Letzterer bringt Sie nicht nur als Passivrauch ins Grab, sondern sogar als Tertiärrauch aus Textilien. Stresst Sie das alles? Aber gut schlafen müssen Sie schon!
Auch die psychiatrische Forschung bestreitet heute nicht mehr, dass die Störungsbilder “stressreaktiv” sind. Es wird zwar immer noch von individuell unterschiedlichen Veranlagungen für die psychischen Störungen ausgegangen, was nicht ganz falsch ist, doch auch nicht ganz richtig. Doch dass viel Stress schlecht für die Psyche sein kann, wird jetzt allgemein anerkannt. Dennoch wird als Lösung nicht die Beseitigung von Stress in der Umgebung angeboten, sondern die Erhöhung von Resilienz im Individuum.

Deutsche Bücher als Trendbarometer: Man sieht, wie die Diskussion um Neurasthenie im späten 19. Jahrhundert aufkam. In bürgerlichen Kreisen galt eine gewisse Sensibilität damals durchaus als schick. Doch mit dem Ende der Weimarer Republik und der erneuten Militarisierung wurden die “Nervenschwachen” zunehmend stigmatisiert. Stress wurde dann nach dem Zweiten Weltkrieg zum Thema, sehr viel stärker gegen Ende der 1990er. Burnout kam um die Jahrtausendwende als Thema auf, Resilienz etwas später. Der psychischen Gesundheit der Masse hat all das Gerede bisher nicht geholfen. Datenquelle: Google Ngram
Historisch nachvollziehbar stützt sich seit dem 19. Jahrhundert die Psychiatrie und etwas später auch die klinische Psychologie mit dem Gen- und Gehirndenken auf diesen Individualismus. Gleichzeitig versprachen sie damit das Sichtbarmachen der unsichtbaren Seele. Zugegeben, es gab und gibt immer wieder auch einmal soziale Ansätze. Doch in der Forschung und der Darstellung der Probleme führen sie eher ein Schattendasein.
Zurück zur Jugend
Wie wir sahen, ist dieser Status quo für eine ganze Reihe einflussreicher Marktteilnehmer äußerst lukrativ. In diesen Markt wachsen die jungen Menschen hinein, ohne dass sie davon profitieren könnten oder eine Alternative angeboten bekämen.
Dazu kommen zahlreiche Probleme, die ihnen die Erwachsenen, die sie in Zukunft versorgen sollen, überlassen: Denken wir an Staatsschulden, klimaschädliche Gase in der Luft und Stickstoff in den Böden, steigende Temperaturen und Meeresspiegel, Müll in den Meeren, zerbröckelnde Infrastruktur, zunehmende Kosten im Zusammenhang mit den wachsenden Unterschieden zwischen Wohlhabenden und Ärmeren, die Destabilisierung demokratischer Rechtsstaaten und kriegerische Konflikte.
Die Antwort der zuständigen Fachleute lautet im Wesentlichen: Achtet mehr auf eure psychische Gesundheit und tut mehr für die Resilienz! Ersteres, auch bekannt als “mental health awareness”, dürfte die Probleme eher vergrößern. Die Symptome der hunderten Störungsbilder sind nämlich oft so vage formuliert und überschneiden sich mit der Normalität, dass man sich leicht darin wiedererkennt. Das kennt jeder, der ein Diagnosehandbuch aufschlägt und darin liest. Ehe man sich versieht, hat man sich schon selbst diagnostiziert.
Die ZEIT hatte am 25. Oktober einen längeren Artikel darüber, dass das unablässige Reden über psychische Probleme diese gerade noch verstärken kann. Und die Zunahme an Menschen mit leichten Problemen, die jetzt alle Psychotherapie wollen, macht die Versorgung für die Härtefälle gerade schwerer. Dabei haben diese die Hilfe am nötigsten.
Das Vermitteln von Resilienz wird die Probleme vielleicht etwas verzögern, aber nicht lösen – weil es nichts an den Ursachen ändert.
Therapie
Natürlich kann man individuell etwas bewirken. Gerade bei Ängsten gibt es wirksame Verfahren der Verhaltenstherapie, die oft auf eine Konfrontation und dann Überwindung der Angst hinauslaufen. Wer unter negativen Gedankenmustern leidet, kann diese ebenso wie wiederkehrende Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen in einer Gesprächstherapie bearbeiten.
Für den Umgang mit schmerzhaften Erinnerungen gibt es spezialisierte Verfahren. Und zur Unterstützung können insbesondere bei schweren Störungen Psychopharmaka sinnvoll sein. In Perspektiven aus der Depressions-Epidemie gehe ich ausführlicher auf die Möglichkeiten ein.
Aber auch die Therapeutinnen und Therapeuten haben nicht nur hehre Ziele. Zugegeben, der Weg zur Approbation ist hart. Und dann hat man noch lange keinen Kassensitz, um die Masse der gesetzlich Versicherten abrechnen zu können.
Durch den inoffiziellen Handel mit den Lizenzen lassen sich Psychotherapeuten, die schon jahrzehntelang ihre Leistungen gut abrechnen konnten, heute den Übergang in die Rente vergolden: Dass man in Großstädten sechsstellige Beträge für die Übernahme einer Praxis verlangt, gilt inzwischen als normal. Offiziell zahlt man das für die Praxiseinrichtung. Aber wie teuer kann die bei Psychotherapeuten schon sein?
Hat man es geschafft – und sich für Ausbildung und Praxis wahrscheinlich verschuldet –, dann hat man im Prinzip eine Lizenz zum Gelddrucken. Wer es gut anstellt, kommt mit 25 Klienten pro Woche auf ein sechsstelliges Einkommen. Mit Gruppentherapie und Privatpatienten kann man mehr verdienen. Das müssen Normalbürger mit im Median 45.000 Euro brutto pro Jahr erst einmal schaffen.
Also gilt auch hier, dass strukturelle Faktoren das Angebot bestimmen, wenn man sich individuell auf die Suche macht. Willkommen auf dem kapitalistischen Gesundheitsmarkt. Und viel Glück beim Finden eines Behandlungsplatzes, wo dann die therapeutische Beziehung auch noch passt!
Strukturelle Lösungen
Ein Hoffnungsschimmer für die Jugend ist allerdings eine Initiative, mit der die Bundesschülerkonferenz jetzt selbst aufwartet. Mit ihrer Kampagne “Uns geht’s gut?” hat sie einen Zehn-Punkte-Plan für eine bessere Zukunft aufgestellt.
Anders als die gut bezahlten Fachleute haben die Schülerinnen und Schüler immerhin ein Bewusstsein für strukturelle Lösungen: mehr Personal für Sozialarbeit, bessere Schulstrukturen, Fortbildungen für das Personal, Gesundheitsförderung durch zum Beispiel mehr Angebote für Bewegung und gesunde Ernährung, Schutz vor Mobbing und Diskriminierung, Verbesserung der Schulbauten sowie zielgerichtete Hilfe für benachteiligte Gruppen.
Unterstützen wir sie dabei!
Der Artikel wurde zuerst auf dem Blog „Menschen-Bilder“ des Autors veröffentlicht.
Erfahren Sie mehr über die Depressions-Epidemie im neuen Buch von Stephan Schleim: Perspektiven aus der Depressions-Epidemie: Was Depressionen sind und wie man sie behandelt. Das eBook gibt es für nur 9,99 Euro bei Apple Books oder Google Play Books.




HOCHENTWICKELTENATIONENHABENNURNOCHWENIGBEDARFANARBEITERNDAHERSINDDIENICHTSOSCHNELLANDIEKIAUSGELAGERTETÄTIGKEITENWIEPSYCHOTHERAPIEZUHAUFÜBRIG.
Geld ist kein volkswirtschaftlicher Wert und bildet in seiner derzeitigen Konstruktion auch die Leistungen der materiell produktiven Leute nicht annähernd angemessen ab.
Ärzte, Psychologen und auch Wissenschaftler wie Herr Schleim sind reine Verbraucher. Sie essen, was andere Hände kultiviert haben und scheissen in eine Kanalisation, die andere Hände in Gang halten. Wer sich das klargemacht hat braucht keinen Psychiater und weiß die Jugend auch gegen geistlose Philosophen zu immunisieren.
Viele Schüler machen ja sowieso schon längst das einzig richtige. Sie erwarten nichts mehr von der Schule und wenden sich ab.
Die Politkarieristen in der Bundesschülerkonferenz müssen natürlich das Spiel der Sozialstaatsverdummung mitspielen.
Es gibt kein psychisch gesundes Leben in der neoliberal verfassten Gesellschaft – um mal den abgeluschten Adorno-Satz zu paraphrasieren. Aber nicht nur das, wir reiten uns in immer weitere Probleme hinein und die aktuellen Regierungen empfehlen und praktizieren mehr von dem, was uns seit Jahrzehnten fix und fertig macht. Und weils nicht reicht, noch eine Dosis Militär-Keynesianismus…
Nach zig Jahren an Erfahrung (teils persönlich, teils über nahe Personen) mit psychischen Erkrankungen und Therapien muss ich konstatieren: Viele Menschen sind gar nicht depressiv, sondern nur sehr unglücklich mit den heutigen Lebensbedingungen. Das wird dann aber, sobald man eine Depression bescheinigt bekommt (und das geht u.U. sehr schnell) sofort als pathologisch abgefasst, wodurch die Ursache UND der medizinische Lösungsansatz auf den Patienten reduziert werden. Die Therapie selbst besteht im Prinzip aus: „Jo, die Welt ist kacke, find dich damit ab.“ Und unzähligen Varianten davon.
Dies dürfte der Hauptgrund für die niedrigen Erfolgsquoten (30-40% der Langzeittherapien!) der Seelenklempner sein. Deren Therapien und Kochrezepte stoßen an Grenzen, und dann kommt irgendwann der nächste Schritt: Der Patient wird als „nicht therapierbar“ abgestempelt oder landet in Kliniken, wo er den ganzen Tag von anderen kaputten Leuten umgeben ist. Da wird man doch wieder gesund! Nein, manche werden dort erst richtig krank, denn:
Obendrein sind Psychopharmaka ein echtes Teufelszeug, das ähnliche Nebenwirkungen wie illegale Drogen entwickeln kann. Von schweren, körperlichen Folgeschäden bis hin zu Abhängigkeit. A propos Drogen:
Besonders übel ist die Situation bei Menschen, die schwer drogenabhängig sind. Psychische Probleme sind in dem Milieu besonders weit verbreitet, weil dort meistens die (Haupt-)Ursache für die eigentliche Abhängigkeit zu suchen ist. Die kriegen aber idR. erst dann eine Betreuung, wenn sie clean sind. Dabei bräuchten sie die JETZT und SOFORT. Im Grunde permanent. Aber nix da, manche schaffen den Entzug einfach nicht aufgrund ihrer vielen Probleme und Baustellen, und gelangen so nie in eine Therapie, werden herum gereicht, sind zwischendrin wieder wochenlang auf der Straße, werden noch dazu mit allerlei Pillen voll gestopft und so weiter… ein endloser Leidensweg für alle Beteiligten, auch für Ärzte und Co.
An die Ursachen kommt man SO jedenfalls nicht: Eine normopathische, giftige Gesellschaftsform, die neben Bergen an Krempel auch noch unzählige Unzufriedene und Ausgestoßene produziert. Das ist alles nur Druidentee, wie ein Genosse zu sagen pflegt.
Letztens hörte ich im Radio: Angeblich ist weltweit jeder achte Mensch psychisch krank. Glaube ich sofort, und ich vermute zusätzlich eine noch wesentlich höhere Dunkelziffer. Ansonsten mal den Begriff „Funktionale Depression“ nach schlagen.
„es gibt kein richtiges leben im falschen“
Die Frage ist allerdings erlaubt und durchaus unbeantwortet, ob die Ursache in zunehmenden und schwereren psychischen Leiden liegt, (die zweifellos durch ein neoliberal-kapitalistisches Leistungssystem verursacht werden!). Oder ob es nicht auch an der neuen Sensibilität liegt, die z.B. Selbstzweifel (nicht zuletzt an der sexuellen Identität), persönliches Versagen, Trauer nach Verlust oder pubertären Weltschmerz (also jedem Menschen widerfahrende und bewältigbare Krisen) zu psychischen Krankheiten erklärt. Und ob es nicht eine Emanation eben dieses kapitalistischen Systems ist, daraus durch eine neue boomende Sparte von Psycho-irgendwas-Berufen wieder Kapital zu generieren.
Schwieriges Thema, weil recht subjektiv und weil man als Depressiver oft nicht die wahren Gründe seines Leidens erkennt. Ich habe jahrelang unter „depressiven Verstimmungen“ gelitten, eigentlich seit der Pubertät, obwohl ich objektiv m.E. keinen Grund dazu hatte, konnte ich je nach Situation immer einen benennen, der sich aber immer änderte (was bedeutet, dass er es eigentlich nicht sein kann). Bei mir ist das vermutlich teilweise biologisch, denn seit ich täglich Vitamin D nehme, geht es mir im Durchschnitt sehr viel besser, zumindest vermute ich, dass es u.a. daran gelegen hat.
@ J. Keller : sie essen, was andere Leute
Hände kultiviert haben und sie scheißen
in eine Kanalisation, die anderer Leute Hände gebaut haben und in Gang halten.
Das trifft auf weite Teile der Akademike:
rinnen zu. Dieser Sektor hat sich über alle
Maßen aufgebläht und sich selber ver -mehrt, so sehr, dass diese Kräfte allüber all fehlen. Ja, diese Schicht produziert gar
den Fachkräftemangel. Obwohl eine Ge sellschaft ohne zB. Ingenieure, Ärzte u.ä. natürlich nicht funktioniert.
„Zurück zur Jugend
….zahlreiche Probleme, die ihnen die Erwachsenen, die sie in Zukunft versorgen sollen, überlassen: Denken wir an Staatsschulden, klimaschädliche Gase in der Luft und Stickstoff in den Böden, steigende Temperaturen und Meeresspiegel, Müll in den Meeren, zerbröckelnde Infrastruktur, zunehmende Kosten im Zusammenhang mit den wachsenden Unterschieden zwischen Wohlhabenden und Ärmeren, die Destabilisierung demokratischer Rechtsstaaten und kriegerische Konflikte.“
Ach, was soll dieses übliche Gejammere. Wie wir es heute auf allen Channels erfahren durften, die beste Therapie für die Reichsjugend -insbesondere für die Gruppe derjenigen mit Pony-Haircut in Neon-Farben- ist und bleibt die bekannte Anästhesiologin Angela mit ihrer 16-jährigen Praxiserfahrung im Verabreichen von Voll- und Lokalanästhesie -schwerpunktmässig- im Hirnbereich…
>Merkel: Am beliebtesten ist die Altkanzlerin bei den jungen Wählerinnen und Wählern
Auf die Frage „Vermissen Sie Angela Merkel als Bundeskanzlerin?“ antworteten insgesamt 25 Prozent mit „Ja“ und „eher Ja“, 68 Prozent dagegen mit „nein“ und „eher nein“. Mit Blick auf die Parteipräferenzen zeigt sich: Merkel wird mehrheitlich bei den Linken (61 Prozent) und den Grünen (52 Prozent) vermisst. Bei der Union sind es immerhin 22 Prozent und damit jeder Fünfte. Bei der SPD vermissen 34 Prozent die Altkanzlerin. Am beliebtesten ist Merkel bei den 18- bis 29-Jährigen, wo jeder dritte die Altkanzlerin vermisst.<