
Hausdurchsuchungen beim ehemaligen Piratenradio Radio Dreyeckland und bei Redakteuren in Freiburg verstießen gegen die Pressefreiheit. Damit kippt das höchste deutsche Gericht eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart, das mit der Staatsanwaltschaft wegen eines Links im Internet die Unterstützung einer verboten Vereinigung herbeifabuliert hatte.
Eine juristische Auseinandersetzung um Hausdurchsuchungen 2022 in Freiburg hat fast drei Jahre später nun vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe endlich ein positives Ende für den zentral von der Repression betroffenen Journalisten Fabian Kienert gefunden. Durchsucht wurden am 17.01.2023 auf Anordnung der Staatsanwaltschaft und des Amtsgerichts Karlsruhe die Räumlichkeiten des nicht-kommerziellen Radio Dreyeckland (RDL) und die Wohnungen von zwei Mitarbeitern.
Nach gegensätzlichen Urteilen von untergeordneten Gerichten hat das Verfassungsgericht nun aber der Verfassungsbeschwerde von Kienert gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart stattgegeben. „Einstimmig“ stellen die zwei Richter und die Richterin des 1. Senats der Ersten Kammer fest, dass sein „Grundrecht aus Artikel 5, Absatz 1, Satz 2“ des Grundgesetzes verletzt wurde. In dem Artikel wird das Recht auf Meinungsfreiheit unterstrichen. Der zweite Satz lautet: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.“ Weithin wird ausgeführt, dass eine Zensur nicht stattfinden darf.
Die Entscheidung des Verfassungsgerichts hat nun die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) im Internet veröffentlicht. Die GFF hatte gemeinsam mit dem Journalisten und der der Rechtsanwältin Angela Furmaniak die Beschwerde eingereicht. „Das Bundesverfassungsgericht stellt in erfreulicher Deutlichkeit klar, dass die Strafverfolgungsbehörden auch dann die Rundfunk- und Pressefreiheit beachten müssen, wenn sie gegen eine* Journalist*in ein Strafverfahren führen“, erklärt die Rechtsanwältin zum Ergebnis. Furmaniak ist froh, dass das Bundesverfassungsgericht „eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart korrigiert hat, „die gleich in mehreren Punkten ein verfassungsrechtlich unzureichendes Verständnis der Strafprozessordnung offenbarte.“
Auch die GFF meint, dass Karlsruhe erfreulich klare Worte gefunden hat. „Durchsuchungen in Redaktionsräumen und Wohnräumen von Journalist*innen gefährden das Redaktionsgeheimnis und den Quellenschutz“, kommentiert der Jurist David Werdermann, der das Verfahren für die GFF koordiniert hat. „Ein so schwerer Eingriff in die Pressefreiheit kann nicht auf vage Vermutungen gestützt werden.“ Er stellt fest, dass das Bundesverfassungsgericht „der Staatsanwaltschaft, dem Amtsgericht Karlsruhe und dem Oberlandesgericht Stuttgart hier dringend nötige Nachhilfe in Grundrechten“ gegeben worden sei.
Vor allem hat das Verfassungsgericht das Oberlandesgericht Stuttgart abgewatscht. Das habe keine „verfassungsrechtlich tragfähige Darlegung des Tatverdachts“ vorgelegt. So hätte dieses Gericht „konkrete Tatsachen vorlegen“ müssen, dass die 2017 vom Bundesinnenministerium verbotene Vereinigung linksunten.indymedia noch existiert, die Kienert angeblich unterstützt haben soll. Unterstrichen wird der „hohe Rang“, den das Grundgesetz der Rundfunk- und Pressefreiheit einräumt.
Das Oberlandesgericht hatte Kienert aber dazu verurteilt, weil er als Redakteur 2017 als Hintergrund für einen Beitrag über das Verbot von linksunten.indymedia auf einen Beitrag im Archiv des verbotenen Portals verlinkt hatte. Der Beitrag ist hier weiter online abrufbar „und wurde von der zuständigen Landesmedienbehörde nie beanstandet“, schreibt das Radio. Eine Verlinkung stelle aber keine Unterstützung für die Weiterbetätigung einer Vereinigung dar, hatte schon das Landgericht Karlsruhe den Freispruch auch gegen Kienert im vergangenen Jahr begründet. Die Durchsuchung der Redaktionsräume und einer zweiten Privatwohnung wurden schon damals für unzulässig erklärt. Da dagegen niemand Einspruch einlegte, mussten sich die Verfassungsrichter damit auch nicht mehr befassen. „Ein kritischer Journalist muss Verbote kritisieren dürfen“, hatte der Vorsitzende Richter am Landgericht Karlsruhe dabei schon erklärt.
Kurt-Michael Menzel, Geschäftsführer des ehemaligen Piratenradios und ersten freien Radios in Deutschland begrüßt, dass der Schutz der Presse- und Rundfreiheit und die erlassenen Bestimmungen zu Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmefreiheit auch in den Privaträumen von Journalist*innen bestätigt wurden. Das Radio fordert politische und personelle Konsequenzen angesichts des verfassungswidrigen Vorgehens von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten. Er hofft darauf, dass die endlich daran denken, dass die Pressefreiheit auch für möglicherweise unliebsame Freie Radios gilt.
Als „Genugtuung“ nimmt der angegriffene Journalist im Overton-Gespräch auf, dass er nun real „keine strafrechtlichen Folgen“ mehr befürchten muss und die Staatsanwaltschaft und das Oberlandesgericht in die Schranken verwiesen wurden. Es zeige sich, dass Durchsuchungen ohne rechtliche Grundlage angeordnet werden könnten „und auch der Richtervorbehalt nicht wahnsinnig viel Wert ist“, da solche Beschlüsse leichtfertig durchgewunken würden.
Neben der Tatsache, dass Computer und Datenträger beschlagnahmt wurden, ist er auch über den schweren einschüchternden „Eingriff in seine Privatsphäre“ bestürzt. „Das heilt auch das Urteil des Verfassungsgerichts nicht komplett, wenn man am frühen Morgen acht Polizisten in der Wohnung hat.“ Das hinterlässt Spuren. Er glaubt, dass die Einschüchterung auch eine gewünschte Wirkung zeige. „Vordergründig sagt man als linker Journalist natürlich zunächst, jetzt erst recht, aber im Hintergrund kommt doch die Schere im Kopf und man fragt sich, ob der Bericht zu neuen polizeilichen Maßnahmen führen könnte, wodurch die Pressefreiheit massiv beschnitten wird.“ Das Vorgehen wirke natürlich besonders einschüchternd auf junge Kolleginnen und Kollegen, mit weniger Erfahrung. „Ich hoffe aber, dass wir uns nicht einschüchtern lassen und berichten, was wir wollen, aber eine gewisse Verunsicherung besteht.“
Es bleibe natürlich auch, dass man viel Zeit und Kraft in drei Jahren in dieses Verfahren gesteckt hat, die er lieber dafür verwendet hätte, um über andere beklagenswerte Vorgänge zu berichten. Zum Quellenschutz empfiehlt er, „die Computer und alle Sicherungen zu verschlüsseln“ und auf sichere Kommunikation mit seinen Quellen zu setzen. Doch die soll auch ausgehebelt werden, verweist er auf die Debatte in der EU um die Chatkontrolle und die Versuche, Hintertüren für die Überwachung einzubauen.
Im Rahmen des Verbots gegen linksunten.indymedia wurden in Freiburg etliche Projekte zum Ziel staatlicher Repression. Auch hierzu hatten Gerichte längst geurteilt, dass auch die Razzia im Selbstverwalteten Freiburger Kulturzentrum (KTS) illegal war. Hier wurden das beschlagnahmte Geld und die Computer verschiedener Initiativen sogar erst nach vier Jahren wieder zurückgegeben, wie Overton berichtet hatte. Auch hier hatten die Aktivisten auf eine konsequente Verschlüsselung gepocht.
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Und wen interessiert es? Auch bei Compact haben sie einen erhobenen Zeigefinger bekommen unsere ach so“unabhängige“ Justiz. Dem Staatsanwalt der das genehmigt passiert nichts denn einem deutschen Beamten oder gar einem Staatsanwalt zur Verantwortung zu ziehen ist so gut wie unmöglich.
Die Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaften ist tatsächlich ein Riesen-Problem!
Immer wieder nett anzusehen, wenn Stuttgart sich in Karlsruhe eine Ohrfeige abholt, die bis nach Berlin zu hören ist.
Zuletzt ist mir das in Erinnerung, als die Staatsanwaltschaft Stuttgart einen mutmaßlich Linken mit einem „Nazis raus“-Sticker verfolgte wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole: war halt ein Ha***kreuz drauf auf dem Weg in einen Mülleimer. So sind sie halt.
Hausdurchsuchung: X-Kommentar führt erneut zu polizeilichen Maßnahmen samt angedrohter DNA-Sicherung
Erneut sorgt eine durch einen X-Beitrag ausgelöste Hausdurchsuchung für kontroverse Diskussionen zum Thema Meinungsfreiheit in Deutschland. Dem Betroffenen zufolge sei er auch zur Abgabe einer Blutprobe zur DNA-Sicherung aufgefordert worden und die Polizei habe ihm nahegelegt: „Überlegen Sie sich, was Sie in Zukunft posten.“
„Fingerabdrücke, ‚Verbrecherfotos‘ und angedrohte Blutentnahme – wegen eines X-Beitrags.“
https://freedert.online/inland/262254-hausdurchsuchung-x-kommentar-fuehrt-erneut/
Am Ende des Tages, hat dann natürlich wieder niemand mitgemacht oder auch nur irgendwas gewusst.
Hatten wir das nicht schon mal ?????
Die „Demokraten“ werden die „Demokratie“ abschaffen. Und sie werden dies noch mit dem „Schutz der Demokratie“ begründen. Wer weiß, vielleicht kommt irgendwann der Besuch der StaPo auch zu den Verfassungsrichtern?