Untote durch digitale Wiederauferstehung

 

Hamel mit dem stark verjüngten Roboterklon seiner verstorbenen Frau. Bild: Realbotix

Noch ist das Klonen von Menschen verboten. Bei Tieren wird die genetische Reproduktion aber aus wirtschaftlichen Gründen gemacht. Oder Menschen meinen, dass sie ein von ihnen geliebtes Haustier wieder um sich herum haben wollen, wie das etwa der argentinische Präsident Milei mit seinem Mastiff Conan gemacht hat, der sich gewissermaßen vervierfacht hat.

Allerdings ist das Problem, dass ein Klon genetisch identisch mit dem geklonten Lebewesen ist, aber er wird sich anders verhalten und eine andere Persönlichkeit entwickeln, weil sich die Geschichte nicht wiederholt, man nicht zweimal in denselben Fluss steigen kann, wie schon Heraklit sagte. Daher fehlen dem Klon auch die Erinnerungen. Was weiterlebt, ist dann selbst nur eine biologische Kopie und bestenfalls eine Erinnerung an einen Verstorbenen.

Tech-Enthusiasten sind meist nicht nur Anhänger von Vorstellungen, den Tod durch Anti-Aging-Methoden hinausschieben oder gar als behebbare Krankheit zur Unsterblichkeit verdrängen zu können. Manche lassen sich einfrieren in der Hoffnung, dass später Menschen willens sein werden, sie mit künftiger Technik wieder lebendig und gesund zu machen. Da hatte es das Christentum einfacher: Den Gläubigen wurde die Wiederauferstehung im Himmel versprochen, aber mit einem gesunden Körper eines 30-Jährigen, da in dem Alter Jesus wiedergeboren und in den Himmel aufgefahren ist. Vor 30 Jahren entstand mit dem Transhumanismus und den Anfängen der VR-Technik die Idee, man könne doch sein Gehirn auf einen Computer oder ins Netz laden bzw. kopieren, was allerdings schwer nachvollziehbar war, zumal wenn das Gehirn in einen biologischen Körper eingebettet ist.

Jetzt hat der 89-jährige Alan Hamel, in den USA ein bekannter Fernsehpromi, seine vor zwei Jahren an Krebs gestorbene Frau Suzanne Somers als KI-Klon bzw. Suzanne KI-Zwilling wiederauferstehen lassen. Zumindest verkauft er dies so. Er sagt, es sei ihr Wunsch gewesen, als Klon weiterzuleben. Wollte sie die Bühne nicht verlassen und die Aufmerksamkeit verlieren? Oder will er sie tatsächlich weiter irgendwie neben sich haben? Oder geht es nur um ein kommerzielles Projekt? Angestoßen worden sei die Idee durch die Bekanntschaft mit dem KI-Propheten Ray Kurzweil, der schon seit Jahrzehnten vom Durchbruch zur Singularität der KI träumt.

Sie war bei ihrem Tod 76 Jahre, beide haben 55 Jahre zusammengelebt. Er hat also viel Erfahrung von und mit ihr. Suzanne war Schauspielerin, auch im Fernsehen tätig, hat Hunderte von Interviews geführt und 25 Bücher, einige Bestseller, geschrieben, meist über Gesundheitsthemen, mit dem Verkauf von Medikamenten und Kosmetika machte sie auch Geschäfte. Es gab also viel Material von ihr, um die KI mit Äußerungen von ihr zu füttern, die als Quelle dienen, damit der digitale Klon  nun einigermaßen persönlich und in ihrer Sprechweise auf Fragen antworten kann. Beim ersten Gespräch mit ihr sei er für zwei oder drei Minuten befremdet gewesen, sagte Hamel People, aber dann habe er vergessen, dass er mit einem Roboter spricht.

Die Geschäftsidee ist allerdings banal. Wenn der KI-Klon vollendet ist, soll er auf der Website des Online-Shops von Domers, auf dem weiterhin Kosmetika verkauft werden, eingebaut werden: „Wir werden alle ihre Fans und alle unsere Kunden einladen, zu kommen und mit ihr zu sprechen. Sie können einfach vorbeikommen und mit ihr plaudern. Sie können ihr alle Fragen stellen, die sie möchten. Sie wird rund um die Uhr verfügbar sein, und ich denke, das wird wirklich wunderbar sein. Es wird Leute geben, die ihr Fragen zu ihren Gesundheitsproblemen stellen, und Suzanne wird ihnen antworten können. Nicht mit Suzannes Version der Antwort, sondern direkt mit der Antwort des Arztes, den sie zu genau diesem Thema interviewt hat, also von einem Mediziner.“

Hamel reichte es aber nicht, nur einen Chatbot-Klon von ihr zu erstellen, er wollte sie offenbar auch mit einem Roboterkörper wiederauferstehen lassen – nicht in hohem Alter, sondern als junge Frau. Das war bekanntlich auch den frühen Christen wichtig, dass die Wiederauferstehung im Himmel mit einem intakten, gesunden und relativ jungen Körper im Alter des gekreuzigten Jesus geschieht. Da steht sie nun, offenkundig eine Maschine, deren Gesicht kaum Ähnlichkeit mit ihr hat und keineswegs lebendig wirkt, auch nicht die Bewegungen des Roboters. Hamel scheut nicht davor zurück, den KI-Zwilling als täuschend echt zu bezeichnen. Hersteller ist die Firma Realbotix, die personalisierte Roboter im Aussehen, mit Stimme, Mimik, KI-Klon anbietet – eine billigere Kopf-Brust-Variante, die allerdings ziemlich spooky ist, und teure Vollkörperroboter, die aber nicht gehen, sondern nur rollen können. Nichts für arme Schlucker, es sei denn, man legt von sich selbst einen Billigklon an mit hollo.ai.

Wahrscheinlich wird es bald von virtuellen KI-Klonen von lebenden Personen wimmeln, und auch solche von Verstorbenen, die zu einem irdischen Nachleben wiedererweckt werden, werden sich auf die Bühnen drängeln. Eigentlich ist es ja unheimlich, wenn solche Zombies, die untot oder eher unlebendig sind, weiter existieren und sich vielleicht auch durch Lernen weiterentwickeln. Andererseits können sie sich (noch?) nicht wehren und sind problemlos entsorgbar, wenn man genug davon hat.

Offenbar können wir die Irreversibilität des Todes nicht wirklich akzeptieren. Vornehmlich in der Tech-Kultur gibt es den Wunsch nach einem langen Leben durch Optimierung, Anti-Aging, Gentechnik oder Kryonik, aber auch durch Digitalisierung. Gleichzeitig gibt es in vielen Kulturen, wenn nicht in allen, eine Angst der Lebenden vor den Toten, wenn sie nicht ganz tot sind und wiederkehren, eine Nekrophobie. Deswegen müssen in vielen Kulturen die Toten schnell beerdigt werden, die sonst als Schatten oder Untote umherirren und die Lebenden belästigen und ängstigen.

Florian Rötzer

Florian Rötzer, geboren 1953, hat nach dem Studium der Philosophie als freier Autor und Publizist mit dem Schwerpunkt Medientheorie und -ästhetik in München und als Organisator zahlreicher internationaler Symposien gearbeitet. Von 1996 bis 2020 war er Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis. Von ihm erschienen sind u.a. „Denken, das an der Zeit ist“ (Suhrkamp 1988), „Die Telepolis“ (1995), „Vom Wildwerden der Städte“ (Birkhäuser 2006), „Smart Cities im Cyberwar“ (Westend 2015), „Sein und Wohnen“ (Westend 2020) oder „Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“ (Bielefeld 2023)
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7 Kommentare

  1. Bild: Realbotix

    „Das gute Modell kostet ab 175k das mittlere ab 135k nur der Kopf ab 20k“
    Quelle: Netzfund

    Sie war bei ihrem Tod 76 Jahre,

    Das sieht man dem Klo(w)n aber nicht an.

    Die Frage ist doch: Hat Hamel Aktien der Firma Realbotix in seinem Portfolio?

    Nachtrag:

    Offenbar können wir einige die Irreversibilität des Todes nicht wirklich akzeptieren.

    Kann doch nicht so schwer sein…

  2. „Beim ersten Gespräch mit ihr sei er für zwei oder drei Minuten befremdet gewesen, sagte Hamel People, aber dann habe er vergessen, dass er mit einem Roboter spricht.“

    Das ist der springende Punkt. Bei offenbar immer mehr Menschen ist der innere Wesenskern bereits so stark erodiert, dass es für sie keine Rolle mehr spielt, ob sie mit mit einem Computer quatschen oder mit echten Menschen.
    Bei den Betagten in Japan, die immer mehr mit Robotern statt Pflegekräften (oder Angehörigen) reden, mag Demenz eine Rolle spielen, jüngeren hat vielleicht eher das Smartphone die Seele und den Verstand abgesaugt.
    Es zeigt sich auch eine zunehmende Verflachung echter Empathie, die von egozentrischer Bedürfnisbefriedigung abgelöst wird: Hauptsache, das Gegenüber redet so, wie es einem gefällt und ist auf Verlangen zur Stelle ‒ die fehlende echte Interaktion auf emotionaler Ebene und das unnötige Eingehen auf die Befindlichkeiten werden eher als entlastend denn als Defizit erlebt.
    Kurz: seelenlose Zombies quatschen mit Computern. Die meisten Menschen sind wohl noch nicht an diesem Punkt.. aber die Grenzen sind fliessend.. und viele sind erkennbar auf dem Weg dahin.

    1. Der Hirnfick durch soziale Medien, Apos auf dem Smartphone usw usf. verdirbt den Charakter. Die eigensüchtige Bedürfnisbefriedigung wird dort ja gezielt ausgenutzt um den Benutzer zu an das Gerät zu binden. Eigentlich sollte man Smartphones Skinnerphones nennen nach Skinners Kisten mit den Ratten drin. Immer schön die Gier kitzeln.

  3. So eine personalisierte KI scheint ja für einige das nächste große Ding zu sein. Ich hörte kürzlich ein Interview mit dem Geschäftsführer einer deutschen Firma (Name leider vergessen), die so etwas macht oder machen will. Erster prototyp ist der GF selbst. Die KI wurde mit mehreren 10.000 seiner E-Mail gefüttert, dazu Geschäftsberichte der Firma, Kundenverträge etc.pp. Die KI soll dann, als Avatar, an Verhandlungen mit Kunden teilnehmen, wenn der Chef selbst keine Zeit hat.

    1. Kunde kann natürlich auch eine andere Firma sein, die ihrerseits einen KI-Avatar als Chef benutzt, wenn der keine Zeit hat. Dann mal fröhliches dealen… 😁

  4. Na, ja, eines der berühmtesten Bilder der Menschheit, ist das Arnolfini Porträt von Jan van Eyck. Die dargestellte Frau war wahrscheinlich zum Datum der Fertigstellung schon verstorben, das Bild ein Versuch die Erinnerung festzuhalten.
    Gemälde, Fotos, Filme, wir wollen das und vor allem die Menschen festhalten, die uns etwas bedeuten. Wie gut das gelingt, liegt an der eigenen Person und auch an der geistigen Fähigkeit.

    Natürlich kann das auch dazu führen, dass jemand eine bewegliche Puppe haben möchte. Auch nichts Neues, Automaton gibt es seit den Zeiten der Antike. Eine Neuauflage, versehen mit Software, die Texte mit Bezug auf die gemeinsame Vergangenheit, oder einfach nur Banales wiedergibt, ist nur eine größere Ausgabe einer Puppe, die Druck „Mama“ sagt.

    Dass sie einen Avatar mit entsprechender Software koppeln können, und dies als persönliche Beratung/Dienstleistung bereitstellen können, ist auch nichts Neues. Alle Vorgänge, die einem strikten Regelwerk, oder einem Skript folgen, mit relativ eingeschränkter Antwortmöglichkeit, können und werden so automatisiert werden. Die Umsetzung der DIN ISO 9001 legt dafür die Grundlagen.

    Aber diese Entwicklung erzeugt natürlich nicht den gleichen emotionalen Effekt wie der Begriff Klon.

  5. Geschäft ist Geschäft. Wem das nicht gefällt, der soll nicht nach Gesetzen heulen, sondern das Profitprinzip zum Teufel jagen. Da gehört es hin.

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