UNMAS: “Im Gazastreifen liegen mehr Trümmer als in der Ukraine”

Die Städte sind Trümmerwüsten, die Müllberge wachsen. Bild: UNRWA

Neben wachsenden Müllbergen im Gazastreifen, die Krankheiten verbreiten können, sollen durch die Bombardierung alleine 800.000 Tonnen an krebserzeugendem Asbest im Schutt.

 

Der Gaza-Krieg hat zunächst wegen der Gräueltaten der Hamas, aber dann vor allem wegen brutalen israelischen Reaktion die Aufmerksamkeit vom Ukraine-Krieg abgezogen. Das ist zwar nicht mehr so, seitdem klar wurde, dass die Ukraine militärisch in eine mögliche Niederlage abgleitet, was für die USA und die Nato, die auf Sieg der Ukraine, die Schwächung von Russland und die westlichen Waffen gesetzt hatten, geopolitisch zum Fiasko würde.

Auffällig ist, wie sich die Bewertungen der beiden Kriege unterscheiden zwischen dem Globalen Süden und dem USA- und Nato-treuen Westen. Der Ukraine-Krieg wird als nicht provoziert, ungerechtfertigt und brutal dargestellt, es werden Kriegsverbrechen aufgelistet, dem Opfer der Aggression Geld und Waffen in bislang unvorstellbarem Maß geliefert, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine mit offenen Armen aufgenommen und Russland mit Wellen von Sanktionen versehen. Israel wird zwar auch gebeten, sich zurückzuhalten, das Kriegsrecht zu beachten und Hilfe für die Bevölkerung zu gewähren. Aber niemand im Westen spricht von Sanktionen, so lange Israel nicht aufhört, auch die Zivilbevölkerung und die zivile Infrastruktur, inklusive Wohngebäude, Schulen oder Krankenhäuser, zu bombardieren, fast zwei Millionen Menschen zu vertreiben, nicht genügend Hilfslieferungen zuzulassen.

Da ist die Rede von gerechtfertigter Verteidigung, die in der Vernichtung des militärisch völlig unterlegenen, im Gazastreifen eingesperrten Feindes mitsamt der Bevölkerung besteht, die als massenhafter Kollateralschaden mit vernichtet wird. Es werden weiter Waffen geliefert, während die bedrohte Bevölkerung nicht fliehen darf, sondern den israelischen Angriffen schutzlos ausgeliefert bleibt. Gleichzeitig unterstützt das Militär Vertreibungen im Westjordanland. Und vor allem wird vermieden, davon zu sprechen, dass Israel seit Jahrzehnten völkerrechtswidrig palästinensische Territorien besetzt und teilweise annektiert hat. Wo sind die westlichen Staaten, die Kriegsverbrechen dokumentieren und Schadensersatzforderungen verlangen? Hat das etwas mit Rassismus zu tun, also dass Araber und Muslime, aber auch Russen nicht als gleichwertig gesehen werden?

Wir haben schon immer lesen müssen, wie unverhältnismäßig viele Frauen und Kinder, die keine bewaffneten Gegner sein können, durch die israelische Kriegsführung getötet, verstümmelt oder verletzt wurden. Über 34.000 Palästinenser wurden getötet, darunter über 14.600 Kinder und fast 10.000 Frauen. Fast 80.000 wurden verletzt. Alle zehn Minuten wird ein Kind getötet oder verwundet. Israel erzielt Rekordwerte auch an zerstörten Wohngebäuden und anderen Gebäuden, weil es mit seiner haushohen waffentechnischen Überlegenheit langsam Schritt für Schritt, Bombe für Bombe den Gazastreifen verwüsten kann.

Der United Nations Mine Action Service (UNMAS) schätzt, dass durch den Krieg, d.h. durch die israelische Bombardierung bis Mitte April 37 Millionen Tonnen an Schutt entstanden sind, 30 kg pro Quadratmeter. “Im Gazastreifen liegen mehr Trümmer als in der Ukraine, und um das in die richtige Perspektive zu rücken, so ist die ukrainische Frontlinie fast 1000 Kilometer lang, während der Gazastreifen 40 km lang ist”, sagte Mungo Birch, Leiter des UNMAS-Programms in den palästinensischen Gebieten. Für Aufräumarbeiten bräuchte man 14 Jahre mit 100 Lastwagen. Hunderte von Millionen Dollar seien erforderlich, die Lebensbedingungen im Gazastreifen wieder sicher zu machen.

Keine Ahnung, ob die Zahlen stimmen. In der Ukraine wurden durch die Kämpfe auch zahlreiche Dörfer und Städte in Schutt und Asche gelegt. Aber weder Russland noch die Ukraine haben wie Israel die totale Lufthoheit bei völliger Abwesenheit von Luftabwehr. Der Vergleich in Relation zur Größe könnte aber einigermaßen zutreffen. Allerdings macht UNMAS auch darauf aufmerksam, dass über die Gefahren von nicht explodierten Geschossen hinaus die durch die Bombardierung freigesetzten Giftstoffe in den verwüsteten Städten ein Riesenproblem darstellen. Nach Birch sollen alleine 800.000 Tonnen an krebserzeugendem Asbest im Schutt sein. Das gefährdet die Gaza-Bevölkerung, aber auch die Menschen, die am Wiederaufbau bzw. der Säuberung beteiligt sein werden.

Dazu kommt der Müll, der in Kriegszeiten nicht mehr entsorgt werden kann. 90.000 Tonnen sollen herumliegen, die mit zunehmenden Temperaturen nicht nur stinken, sondern auch durch toxische Gase und Erreger Krankheiten verbreiten können, während das Gesundheitssystem weitgehend zusammengebrochen ist.

Israels Umgang mit Gefangenen

UNRWA-Chef Philippe Lazzarini sprach am 30. April auf einer UN-Pressekonferenz in Genf auch darüber, was über die Behandlung der im Gazastreifen Festgenommenen bekannt ist. Wenn es stimmt, dann wiederholen die Israelis im großen Stil das Vorgehen der Amerikanerin Irak und Afghanistan. Im Gazastreifen herrsche permanent Angst vor den nächsten Schritten der israelischen Armee. Man könne nicht mehr von PTDS (Posttraumatischer Belastungsstörung) sprechen, sondern von einer CTSD, einer Konstanten Traumatischen Belastungsstörung), sagte er.

“Was die Häftlinge betrifft, so habe ich die Mitgliedstaaten auch über den Bericht informiert, den wir vor etwa einer Woche veröffentlicht haben. Es war das erste Mal, dass das UNRWA einen solchen Bericht veröffentlicht hat. In meiner Sitzung heute Morgen habe ich sie daran erinnert, dass sich die Geiseln natürlich immer noch in der Gewalt der Hamas befinden und dass sowohl der Generalsekretär als auch ich und andere UN-Vertreter immer wieder die bedingungslose und sofortige Freilassung der Geiseln fordern.
Aber ich habe heute Morgen auch unsere tiefe Besorgnis über die von den israelischen Sicherheitskräften festgehaltenen Menschen im Gazastreifen zum Ausdruck gebracht. Der Bericht, den Sie kürzlich gesehen haben, stützt sich auf eine Reihe von Zeugenaussagen, die von der Behörde gesammelt wurden. Warum von der Behörde? Weil wir an dem Grenzübergang sind. Wir sind in Kerem Shalom, weil wir den wichtigsten logistischen Knotenpunkt am Eingang des Gazastreifens besetzen. Und diese Menschen sind im Grunde an diesem Ort freigelassen worden. Nach den Zeugenaussagen, die wir gesammelt haben, haben die Menschen uns erzählt, dass sie routinemäßig zusammengetrieben werden.
Wenn sie verhaftet wurden, wurden sie routinemäßig zusammengetrieben, bis auf die Unterwäsche ausgezogen und in Lastwagen verladen, mit verbundenen Augen und gefesselt. Nach ihrer Verhaftung bleiben die Gefangenen in den meisten Fällen in Isolationshaft und werden schockierend unmenschlich behandelt.

Sie berichteten uns unter anderem von Waterboarding, schweren Schlägen, Angriffen von Hunden, stundenlanger Zwangshaltung, manchmal 12 oder 24 Stunden lang, und dass sie gezwungen wurden, Windeln zu tragen, anstatt auf die Toilette zu gehen. Unter den Gefangenen, die freigelassen wurden, befanden sich auch einige UNRWA-Mitarbeiter, die uns berichteten, dass ihnen während des Verhörs viele Fragen über ihre Arbeit bei der UNRWA gestellt wurden. Und sie wurden im Grunde genommen unter Druck gesetzt zu erklären, dass die Agentur im Gazastreifen politisch verbunden ist.”

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16 Kommentare

  1. In einem anderen Dialog würde ich schreiben:
    Die Trümmer liegen in der sog. Demokratie
    Warum?
    Das liegt an der Angstmache durch ihre ‘Institutionen’!
    Warum gebt ihr kritischen Menschen euer recht zur freien Meinungsäußerung auf?

  2. So ist es. Die westliche Verlogenheit kennt keine Grenzen. Und nicht vergessen, westliche Staaten haben das Problem geschaffen – Britannien, Stichwort Balfour, auf vielseitigen Wunsch u.s.-amerikanischer Kreise – und tun seitdem alles, um es stetig noch grösser zu machen. Israel ist seit vielen Jahrzehnten eine solide Tatsache, dahinter zurück zu wollen ist Schwachsinn, aber ebenso solid ist die Existenz der Autochthonen des Gebietes. Auch der Glaube gewisser Leute, dies sozusagen alttestamentarisch lösen zu können ist Schwachsinn. Kurz, es führt nichts an der Bildung zweier vollwertiger Staaten, die sich das Territorium teilen vorbei. Und wer das nicht einsieht, gar aktiv dagegen arbeitet, schadet beiden Seiten.

  3. und das perverseste,
    Der Haftbefehl gegen Wladimir Putin wurde am 17. März 2023 vom Internationalen Strafgerichtshof erlassen.
    Er beruht auf dem begründeten Verdacht, dass Putin für Deportationen 6000 ukrainischer Kinder nach Russland verantwortlich sei. ….. und zwar aus den Gebieten die von der Ukro Armee wahllos auf Zivilisten geschossen hat…

    und in Gaza wurden von Netanjahus Armee bisher über 13.000 Kinder !!!! getötet … und dagegen darf man im “Wertewesten” nicht mal demonstrieren… das ist ein verkommener, amoralischer, dekadenter…

    1. Russland hat keine Kinder “deportiert”. Russland hat Waisen und unbegleitet angetroffene Minderjährige aus dem Kriegsgebiet evakuiert. Sobald sich ein Matching ergab, konnten die Kinder nach Ukronistan zurückkehren.

      1. Da sind schon Mütter aus der Ukraine nach Russland gefahren und haben ihre Kinder mitgenommen. Kein Kunststück und man brauchte auch nicht den Beistand von Blinken oder Anna Lena, das ging ganz zivilisiert.

  4. Die unterschiedliche Behandlung von Putin und Netanjahu dürfte jeden, der sich als Mensch bezeichnet, ins Auge springen. Mir wird Angst und Bange, welche Rechte überhaupt noch gelten. Der Bundespräsident tritt das Grundgesetz mit Füßen, der IGH geht über tausende Leichen und eiert herum, wenn westliche Führer betroffen sind. Ist das die Demokratie, für die wir Ossis 1989 auf der Straße waren?

    1. Normalerweise müsste dieser lächerliche, komplett auf Propagandasand gebaute Haftbefehl gegen Putin in absehbarer Zeit aufgehoben werden, da sich diese “Zwangsdeportationen” von Kindern immer mehr als Räuberpistole herausstellen.

      Und käme es dann zu einem Haftbefehl gegen Netanjahu, wäre das eine gewisse Zeitenwende, an die ich aber noch nicht glauben kann, da die schlimmsten wertewestlichen Kriegsverbrecher, insbesondere die unzähligen US-Schweinehunde von Kissinger über G.W. Bush, Obama etc., immer ungeschoren blieben.

      Aber vielleicht geschehen ja noch Zeichen und Wunder, wer weiß?

  5. https://www.youtube.com/watch?v=n39cM_fiQoM&t=1622s
    Michael Lüders, unbedingt sehenswert und wirklich in jeder Hinsicht desillusionierend.

    Nunja, wie neulich jemand schrieb: Es wird Zeit, Israel als Schurkenstaat zu bezeichnen und endlich auch so zu behandeln, natürlich genauso wie die USA.

    Übrigens, was den Einschub “wenn es denn stimmt” betrifft: Ich fürchte die Palästinenser brauchen gar nicht zu übertreiben, die Realität ist wahrlich entsetzlich genug und jede erkannte Lüge würde zu Triumphgeheul Israels und des Westens führen, während offensichtliche Lügen Israels im Westen absolut keine Folgen haben, was die bedingungslose Unterstützung angeht. Und Israel muss maßlos übertreiben, damit seine Barbarei auch noch den Anschein der Berechtigung hat. Siehe die Lüge von den enthaupteten Babys etc.
    Eigentlich müsste jede Behauptung Israels mit dem Einschub “angeblich” und “wenn es denn zutrifft” verziert werden.
    Das Gleiche gilt übrigens auch für die Ukraine.

  6. Und um den Sack zuzumachen, wird jede Erwähnung dieser Gräueltaten als Antisemitismus bezeichnet.
    Das muss man erst einmal hinbekommen. Es gab einen kleinen Aufschrei bei den Siedleraktionen im Westjordanland, doch der verschwand schnell. War wohl nur so ein Feigenblättchen.

  7. Uns erzählt man, dass die wunderbare IDF nur militärische Ziele beschießt und das Resultat zigtausender ziviler Wohn- und Arbeitsgebäude, die gründlich zerstört oder unbewohnbar sind, muss man natürlich verschweigen.

    Merke: Eine Lüge zieht die nächste nach sich.

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