Umfrage: Die Hälfte der jungen Briten würde lieber in einer Welt ohne Internet aufwachsen

Smartphones sind immer dabei. Bild: pikrepo.com

Man sollte annehmen, wenn man um sich schaut, dass junge Menschen noch stärker vom Internet abhängig sind als die älteren, die noch im vordigitalen Zeitalter aufwuchsen und oft genug einer gerätefreien Zeit mit größeren Strecken von Langeweile ausgesetzt waren. Das kennen junge Menschen so vermutlich nicht mehr, weil sie mit den Smartphones einen permanenten Begleiter zu haben scheinen, der sie (fast) nie alleine lässt und immer und unterbrechungslos News und Kontakte verspricht.

Aber wenn der Bildschirm immer vor der Welt steht, wenn sofort, wenn eine Minute Stillstand droht, der Blick von der Welt, der Nahumgebung und den Mitmenschen abgewandt wird, um in den Informationsstrom einzutauchen, dann erahnt man und weiß eigentlich, dass es sich um eine Flucht vor der Leere handelt – aber auch um die Unfähigkeit, sich mit der Nahumgebung und den Nächsten einzulassen und der untätigen Muse nachzugeben. Langeweile hat mit Warten zu tun, mit einem Gefühl, dass die Zeit still stehen zu scheint, und der Hoffnung, dass etwas geschehen möge. Es interessiert nichts, man ist angeödet und vor allem antriebslos. Alles auch Zeichen der Depression.

Aus der drückenden Leere der Langeweile, auch aus der Einsamkeit, kann Neues für den Einzelnen entstehen. Immerhin ist es auch ein Zur-Ruhe-Kommen, ein Austreten aus dem Hamsterrad der Überstimulation und der dahinterstehenden Angst, dem horror vacui, der viel damit zu tun hat, die unabgelenkte Begegnung mit sich selbst zu vermeiden. Aber in Zeiten der Optimierung ist neben der Langeweile die Einsamkeit verpönt und wird als Epidemie pathologisiert, gerade findet wieder die „bundesweite Aktionswoche gegen Einsamkeit“ statt. Dabei wird nicht Einsamkeit erkundet, sondern Angst vor ihr geschürt, es soll nur Wege aus ihr geben, nicht in ihr. Dabei soll der Begriff Einsamkeit erst um 1800 aufgekommen sein und haben in früheren Zeiten durchaus Menschen die Einsamkeit in der Einöde gesucht und kultiviert.

Im Hamsterrad auf der Flucht bleibt nur die Panik, aus der Spur zu fallen, das ständige Triggern der Aufmerksamkeit, die eigentlich ein Warnorgan ist und Alarm meldet. Langeweile und Einsamkeit sprengen die Konformität auf, lösen die Fesseln und geben den Blick auf die existentielle Geworfenheit ins Dasein frei, der wir nie zustimmen konnten. Nur über das Abtreten könnten wir entscheiden.

Es scheint so zu sein, dass junge Menschen durchaus bemerken, dass sie als Nerds auf dem falschen Dampfer sind. Always-on heißt auch immer, in Distanz zum Leben zu sein, das nur als simuliertes so aufregend zu sein scheint. Daher gibt es den Trend, aus der Simulation auszutreten. Gewalt und das Eingehen des Risikos, sein Leben aufs Spiel zu setzen, ist eine Weise, endlich die Wirklichkeit zu erfahren und ein Abenteuer zu erleben. Der Rechtstrend der Jungen dürfte eine Folge sein, schließlich ist links heute meist nur noch eine weitere Version des konservativen Bewahrens, während die Rechten die Subversion und den Umsturz gepachtet haben, auch wenn der letztlich nur in eine zementierte und aggressive Ordnung führt.

Eine von der British Standards Institution durchgeführte Umfrage von 16-21-jährigen Briten scheint eine tiefe Unzufriedenheit mit der digitalen Nabelschnur zu bezeugen. Man könnte auch von Abwehr sprechen, denn unter aller Konnektivität geht nicht nur die Langeweile, sondern auch die Selbständigkeit verloren. Fast die Hälfte (47%) sagt, sie würden lieber als junge Menschen in einer Welt ohne Internet leben. Und 50% würden einer Zeitbeschränkung für die Nutzung sozialer Medien zustimmen, weil es ihnen dann besser gehen würde. Ein Viertel ist auch für ein Handy-Verbot in den Schulen.

Covid19 hat natürlich die Internetnutzung noch einmal befördert. Zweidrittel sind mehr als zwei Stunden täglich mit sozialen Medien beschäftigt, aber 68% geben zu, dass es ihnen schlechter gehe, wenn sie online gewesen waren. Eltern oder Erziehungsberechtigte werden gerne einmal belogen über ihre Online-Aktivitäten, man gibt sich auch öfter für eine andere Person aus oder legt einen Fake-Account an.

Man könnte sagen, wenn die jungen Menschen das Internet als belastend empfinden, sollen sie die Nutzung einfach einschränken auf das Notwendige. Es scheint sich wie bei einer Sucht zu verhalten: Man leidet unter dem Zwang, sich das Suchtmittel immer wieder besorgen zu müssen, kann aber nicht lassen, weil man sich ein Leben ohne es nicht mehr vorstellen und eine Beendigung mit Entzugssymptomen einhergehen kann. Dazu kommt der Konformitätsdruck, online sein zu müssen, weil es alle anderen sind und man sonst abgeschnitten würde, also in die Einsamkeit fallen würde. Nach Siegfried Kracauer ist „Langeweile die einzige Beschäftigung, die sich ziemt, da sie eine gewisse Gewähr dafür bietet, dass man sozusagen noch über sein Dasein verfügt.“

Florian Rötzer

Florian Rötzer, geboren 1953, hat nach dem Studium der Philosophie als freier Autor und Publizist mit dem Schwerpunkt Medientheorie und -ästhetik in München und als Organisator zahlreicher internationaler Symposien gearbeitet. Von 1996 bis 2020 war er Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis. Von ihm erschienen sind u.a. „Denken, das an der Zeit ist“ (Suhrkamp 1988), „Die Telepolis“ (1995), „Vom Wildwerden der Städte“ (Birkhäuser 2006), „Smart Cities im Cyberwar“ (Westend 2015), „Sein und Wohnen“ (Westend 2020) oder „Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“ (Bielefeld 2023)
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22 Kommentare

  1. Umfrage: Die Hälfte der jungen Briten würde lieber in einer Welt ohne Internet aufwachsen

    Glaube ich nicht.

    Beim Überfliegen des verlinkten Textes wird auch schnell klar, worum es geht:
    Altersbeschränkungen und Identitätskontrollen.

  2. mehr als die Hlfre der „Deutsche“nwürde auch Fireden bevorzugen, laut neuesten Umfragen, Ebenso wie Brriten und Zukunfhasen au Mörchen… jedoch wollen nie arbeitende Zauberhanselnde haben wollen Krieg haben, die müssen ja nur andere strebenlassen.. eine Elite hat da andere Interessen, Aber irgendwann heisst es Goofbeye Marie.

  3. Hatte Glück, bin noch mit Fussball draußen aufgewachsen.
    Internet ist für Kinder Mist.
    Aber unsere Superpädagogen wollen nochmehr Digitalisierung in den Schulen.

    1. Patient 0 sagt:

      „Hatte Glück, bin noch mit Fussball draußen aufgewachsen.“

      Ich hatte auch Glück, mein Ziehvater meinte: „los raus, Fußball spielen“, meine Mutter meinte: „lass ihn doch lesen…“ 😉

      „Aber unsere Superpädagogen wollen nochmehr Digitalisierung in den Schulen.“

      Das sind vorwiegend Politiker.

  4. Menschen vereinsamen ohne Ende, weil sie verlernt haben ohne das Dummfone zu leben. Hier in Lateinamerika werde ich immer wieder nach Whatsapp gefragt und wenn ich erkläre, daß ich es nicht habe, kommt: „Aber warum denn nicht?“ Ich habe kein Handy und das ist dann unvorstellbar! „Wie kommunizieren Sie?“, kommt dann. Ja, ich bin dann ausgeschlossen, werde fallengelassen, aber ist das so schlimm?
    Ich nutze Internet etwa von 5:00 bis 22:00. Ich lese, studiere, treffe Entscheidungen. Ich suche Anlagen, mache mein Einkommen. Zwei Rechner stehen vor mir. Ich bin hochkonzentriert und ich will nicht vom Dummfone vergewaltigt werden.
    Es geht nicht um das Internet – sondern um die Dummheit sich einem Gruppenzwang zu unterwerfen.
    Das Internet ist eine Bibliothek des Wissens und viele gute Menschen erklären einem alles. Ich lebe seit fast 30 Jahren im Luxus dieser Auswahl.
    Dein Internet muß FREI sein – wer ein Handy benutzt, ist hinter der goggel Zensurschranke und so gebildet wie ein ZDF Zuschauer. Ich nutze Thinkpads auf Linux mit freier Suchmaschine – open source eben.
    Also: Internet ja, Dummfone & TV nein!

  5. Das mit der Langeweile und der Einsamkeit hätte das Zeug zu einem lebensphilosophischen Kapitel im Buch „Sein und Wohnen“ (Westend 2020). Nicht, weil es Voraussetzung dafür wäre, für die Möglichkeit dieser Empfindungen unbedingt wohnhaft zu sein. Aber wenn man, wie mutmaßlich die „Homo digitalis (o)bdachlos im Cyberspace“ (Ralf Hanselle, zu Kampen, 2023) unterwegs ist, muss man sich wohl erstmal zu „(d)e(m) Schirm – (mit) Einsamkeit als (eine) Auseinandersetzung“ (Stefan Ripplinger, zero sharp, 2022) irgendwo materiell einwohnen, was ganz ähnlich klingt wie bei Kracauer’s einzige Beschäftigung, die „eine gewisse Gewähr dafür bietet, dass man sozusagen noch über sein Dasein verfügt“.

  6. „Der Rechtstrend der Jungen dürfte eine Folge sein, schließlich ist links heute meist nur noch eine weitere Version des konservativen Bewahrens, während die Rechten die Subversion und den Umsturz gepachtet haben, auch wenn der letztlich nur in eine zementierte und aggressive Ordnung führt.“

    Ob die Net-Fatigue bei den Jungen wirklich so ausgeprägt ist, kann ich nicht beurteilen und will mich daher auch nicht dazu äussern. Bemerkenswert ist die oben zitierte Aussage Rötzers, an der sich abzuarbeiten wohl lohnte. Das „konservative Bewahren“ muss man als rasenden Stillstand sehen. Nicht das Bewahren, vielmehr das Rasen ist extrem anstrengend. Rasende technologische Entwicklung, quasi eine permanente Revolution der Lebenswelt bei totalem politischem Stillstand, die herrschende Klasse bleibt dieselbe. Bewahrt bzw. gewahrt wird die Macht, alles andere in einen Malstrohm geworfen.

    ‚Links‘ im eigentlichen Sinn ist politisch tot und begraben, was heute als links firmiert und Rötzer hier wohl meint, ist in Wahrheit linksliberal, von der herrschenden Klasse korrumpiert, affiziert, inkorporiert. Das politsch Andere ist als solches verdächtig, ja verpönt, denn es könne doch nur autoritär oder gar totalitär sein. Wir sehen nun einen Extremismus der Mitte, der bereits vorwegnimmt, was die Rechte anstebt. Absehbar der Moment, in dem alle Liberalität wie von Termiten ausgehöhlt mit leichter Bewegung von den Rechten weggefegt werden kann. Diesselbe Klasse regiert weiter, dann eben im Ausnahmezustand. Dumm nur, dass diesmal die ökologische Agonie die ungestörte Machtentfaltung verhindern wird.

  7. Es gibt durchaus sinnvolle Nutzungsoptionen für Smartphones, etwa die ki-gesteuerte Überwachung gentechnischer Forschungslabore oder das Blenden wütender Zombiehorden mit der der eingebauten Taschenlampe. Man kann Selfie-Videos ausnehmen mit Personen, die man hasst wie die Pest, sie als Wurfgeschosse gegen Drohnenschwärme einsetzen, die Türmechanismen gewaltiger Luftschutzbunker entriegeln und vieles mehr. Gegenüber KI ist das Internet der reinste Spaziergang. Dass die Jugend keinen Bock auf diesen Murks hat, kann ihr niemand verübeln aber wer will, darf auch mit 18 an die Front. Ich bin zu alt für den Quatsch aber die Jugend?

  8. Bitte um Hilfe:
    Beim Aufrufen der Overon-Seite flackert kurz das Titelbild auf und verschwindet sofort, kein Artikel abrufbar.
    Getestet von Linux-PC mit Firefox und Vivaldi, dito mit Windows-PC (dort auch mit Edge).
    Mit Phone-Browser auf Android-Basis dagegen kein Problem.
    Hat jemand Tipps zur Fehlersuche?
    Danke im Voraus für jeden Hilfeversuch.

    1. Es bietet sich an, den Firefox ein Update machen zu lassen. Möglicherweise hat er das schon halb getan und funktionrt nicht mehr richtig, sowas in der Art hatte ich (allerdings ohne Zusammenhang mit overton) schon mal.

        1. Vermute da ebenfalls ein zerschossenes Firefox-Update. Falls gar nichts mehr geht, komlett deinstallieren und neu installieren. Fehlt ein bischen die Info, welches Linux du da nutzt, weil sich die Anweisungen für eine komplette Deinstallation und Neuinstallation erheblich unterscheiden. Sollte aber kein Problem sein und auch kein riesiger Aufwand. Ansonsten könnte es noch sein, dass am PC die Hardware flackert und den Geist aufgibt aber das wollen wir ja nicht hoffen.

    2. @spartacus, arth, Grubenhund und Again:
      Vielen Dank für eure Hilfe!
      Für heute beende ich die Fehlersuche.
      Sobald ich etwas gefunden habe, poste ich es hier
      Sofern der Fehler auf meiner Seite liegt, könnte die IP-Adresse eine Rolle spielen. Denn von einer anderen IP-Adresse (und anderem Betriebssystem und Browser) habe ich kein Problem, außer dass ich das Tippen auf dem Phone als mühsam empfinde.

      1. Funzt wieder.
        Warum, weiß ich nicht, worin der Fehler bestand, auch noch nicht.
        Nach einer Erklärung werde ich weiter suchen.
        Danke nochmals.

  9. das, was die als belastend empfinden, ist ihre eigene idee davon, nicht so viel auf dem internet sein zu sollen. darauf giesst man jetzt öl, kommt sicher gut.. die menschen sind ziemlich verzweifelt, sie laufen amok, bringen sich um, oder lieber noch ihre ehefrauen. möchten ausländer abschieben und ihren jungen die ablenkung wegnehmen, müssen auf jeden fall mehr arbeiten, werden nie ein haus haben, die meisten nicht mal ein auto, kinder, vielleicht auch einfach eine begegnung mit einer drohne? dabei versuchen diese doch nur sich dem terror, den der kapitalismus einem antut, irgendwie zu entziehen, irgendwie aus der verwertung auszutreten, SICH zu sein. wissende tiere, die sich gegenseitig auffressen müssen, obwohl sie gar nicht wollen, sind halt panisch. wie soll man sich anders davor retten als aus der welt raus, ins internet? die jungen gehen nicht mehr in den ausgang. weil sie auch da nur abgezockt werden.

    1. der „könig der schweiz“, der sich landschaften verschafft hat, indem er sich grundstücke und wege, deren eigentümerschaft erloschen war, angeeignet hat, versucht jetzt die anwohner mit wegtaxen zu belagern. ist ja gutes schweizer recht. und dabei bietet er seinen untertanen an, sie für 1 million jahre in einem glas-chip oder sowas zu speichern. der hat auch als erstes mal sein eigenes geld gemacht, er weiss ja was sich gehört als autorität.

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