Ukraine: Bürgerkrieg oder Destabilisierung der Gesellschaft bei Rückkehr der Veteranen von der Front

Soldaten des III. Armeekorps
III. Armeekorps von Asow, Korpskommandeur ist Andrij Bilezkyj. Was machen die harten Helden im friedlichen Alltag?

Nach einem Ende des Kriegs und verstärkt nach einem Friedensabkommen, das den Vorstellungen vieler ukrainischer Soldaten und Veteranen ebenso wie den Familien von Gefallenen und Schwerbehinderten zuwiderläuft, stellt sich die Frage, wie Regierung und Gesellschaft vor allem die Soldaten, die an der Front mitunter jahrelang  gekämpft haben oder dazu gezwungen wurden, wieder in den zivilen Alltag aufnehmen kann. Bei den ukrainischen Streitkräften wurden die 2014 mit und nach dem Maidan entstandenen Freiwilligenverbände integriert, deren Mitglieder seitdem im Krieg waren, den Umgang mit Waffen und das Töten gelernt und die Kriegsmentalität nicht abgelehnt haben.

Eben hat der frühere, von Selenskij geschasste Oberkommandierende Saluschnyi die Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt und auf dem Forum „Veteranen als neues politisches Subjekt: Interaktionsregeln für die Nachkriegsukraine“ vor einem möglichen Bürgerkrieg gewarnt. Die Veteranen seien zwar „das größte Kapital unseres Staates“, sie könnten mit entsprechenden staatlichen Maßnahmen „zum Motor des wirtschaftlichen Aufschwungs der Nachkriegszeit und zur Basis neuer Eliten werden“. Aber es könnte, vor allem in einer Ukraine, die wenig Geld zur Verfügung hat oder vor der Pleite steht, auch anders kommen, wenn auf einen Schlag Zehn- oder Hunderttausende von der Front zurückkehren und dann nicht mehr den relativ hohen Sold erhalten, sondern finanziell abstürzen und mit Alltags- und Beziehungsproblemen konfrontiert sind, die sich militärisch nicht lösen lassen. Die Gewaltbereitschaft ist unter Kriegsteilnehmern höher, da im Kampfgeschehen erfordert, die Verführung, durch Kriminalität und Gewalt schnelles Geld zu machen, ist ebenfalls stärker ausgeprägt. Auch die Neigung zum Alkohol- und Drogenkonsum und zum Selbstmord.

Es geht nicht nur darum, dass körperlich und psychisch (u.a. PTDS) schwer geschädigte, an Gewalt und Befehlshierarchie gewöhnte Menschen ins Leere stürzen und mit der zivilen Lebenswelt schlecht zurechtkommen, sondern auch um diejenigen, deren Leben im Kampf gegen den „ewigen Feind“ bestand, die den Krieg als Abenteuer und Lebensinhalt verstehen und einen Friedensschluss auf Kosten der Ukraine als Verrat empfinden. Schon länger gibt es den Konflikt zwischen Soldaten, die den Krieg führen, und den Menschen im Hinterland, die ihrem gewohnten Alltag nachgehen. Die Gesellschaft ist zerrissen, auch innerhalb der Familie. Mitunter sind die Familienangehörigen nicht mehr da, sondern im Ausland, das Haus kann zerstört sein, es gibt keinen Arbeitsplatz mehr.

Saluschnyi geht von mehr als einer Million Veteranen aus. Im April sprach das Ministerium für Veteranenangelegenheiten von mehr als 1,2 Millionen Veteranen, von denen 800.000 an Kampfhandlungen teilgenommen haben. Yulia Laputina, Leiterin des Ministeriums für Veteranenangelegenheiten, erklärte allerdings im Juli, dass es sich einschließlich von Familienangehörigen von Gefallenen um bis zu 5 Millionen Menschen oder 10 Prozent der Bevölkerung handeln soll. Viel Geld über längere Zeit wäre zur Integration erforderlich, das die Ukraine schon jetzt nicht hat. Fraglich ist, wie lange westliche Staaten weiter Milliarden zahlen werden und ob es Konflikte bei einer schnellen Aufnahme in die EU geben wird, da viel Geld in die Ukraine abfließen wird und wohl die meisten Netto-Empfänger der EU zu Nettozahlern werden.

Zehntausende von Soldaten wurden Arme oder Beine amputiert, seit Beginn des Krieges sollen um die 100.000 Amputationen notwendig gewesen sein – bei Menschen im erwerbsfähigen Alter. Die Zahl der Amputationen ist bei den ukrainischen und russischen Soldaten mit dem Drohnenkrieg und der Todeszone gewachsen. Verwundete können oft nicht schnell zur Versorgung hinter die Front gebracht werden, weil die Fahrten oft zu gefährlich sind. 2024 machte das Center for European Policy Analysis (CEPA) auf die „Epidemic of Limblessness” in der Ukraine und die “Limbless Generation” in Russland aufmerksam.

„Der Krieg ist leider noch nicht vorbei, und jemand hat uns bereits zu Feinden gemacht. Das ist die Realität von heute. Zweitens: Was mag morgen geschehen? Wir müssen verstehen, dass Menschen mit Kampferfahrung und Waffen in der Hand, angesichts von Einkommensverlusten, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und dem Verlust der Möglichkeit, sich selbst in der Gesellschaft und in ihren Familien zu verwirklichen, anfällig für Provokationen und die Verlockung des schnellen Geldes sind“, warnte Saluschnyi, der kürzlich schon mal den Vorschlag machte, schnell Frieden zu schließen, auch wenn dies erst einmal eine Niederlage bedeutet (Saluschnyj, Konkurrent von Selenskij, drängt mit Friedensvorstellungen auf die politische Bühne).

Die Destabilisierung durch eine Rückkehr der Veteranen würde durch „die Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg und dem Krieg in Afghanistan mit seinen ‚wilden Neunzigern‘“ bestätigt, meint er. Die Warnung wurde von der staatlichen Nachrichtenagentur Ukrinform nicht berichtet.  „All das könnte zu Risiken einer politischen Destabilisierung des Landes und einer Bedrohung der nationalen Sicherheit führen. Zum Beispiel zu einem Bürgerkrieg.“ Das führte er nach Medienberichten nicht weiter aus, aber denkbar wäre, dass unterschiedliche militärische Formationen gegeneinander kämpfen, beispielsweise reguläre Truppen gegen Freiwilligenverbände, die den Krieg fortsetzen und einen militärisch orientierten Staat durchsetzen wollen.

Selenskij hatte 2024 schon mal den Vorschlag gemacht, doch die ukrainischen Soldaten anstatt der amerikanischen nach Deutschland zu verlegen (Selenskijs irrealer, teils verrückter „Siegesplan“). Davon ist derzeit nichts zu hören. Allerdings könnte sein, dass manche aus der Ukraine nach Aufhebung des Kriegsrechts auf der Suche nach einem besseren Leben auswandern und vielleicht zu Tausenden nach Deutschland oder anderen europäischen Städten kommen könnten. Hingegen wird in Deutschland gewarnt, dass bei einer Niederlage der ukrainischen Truppen viele weitere Ukrainer fliehen könnten.

Kämpfer des Freiwilligenverbands Bratstvo Battalion, das zum Militärgeheimdienst GUR gehört und demonstrativ auf offiziellen Fotos das Abzeichen der SS-Division Totenkopf präsentiert.

Bei der Gelegenheit muss man auch daran erinnern, dass tatsächlich unter den Freiwilligenverbänden rechtsextreme Formationen zu finden sind, die nicht nur mit den Nazi-Kollaborateuren wie Bandera, sondern mit Nazi-Verbänden kokettieren und das ganz offen zeigen. Unter Poroschenko und Selenskij wurden diese Freiwilligenverbände dem Militär oder der Nationalgarde eingliedert. Zweck war einerseits eine größere Kontrolle, andererseits verschwimmen so wahrscheinlich beabsichtigt die Grenzen zwischen regulärem Militär mit Freiwilligenverbänden, was die Aufmerksamkeit auf die Neonazi-Gruppen aus dem Ausland getrübt hat, obgleich sie ihre Identität und Struktur wahrten.

Ein Fall ist das 2022 gegründete Bratstvo Battalion, das Teil der Spezialeinheiten des Militärischen Geheimdienstes (GUR) unter dem Chef Budanov ist.  Hervorgegangen ist das Battalion aus der gleichnamigen rechtsextremen Partei “Bruderschaft” von Dmytro Korchynsky („Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass etwas Schönes entweder rassistisch, faschistisch oder bestenfalls intolerant ist? Umgekehrt ist alles politisch Korrekte meist hässlich“). Das ist die “Partei von Jesus Christus, Nationales christliches Netzwerk – eine revolutionäre christliche Gemeinschaft“.

Das Abzeichen ist unzweideutig dasselbe wie das der SS-Division Totenkopf.

Man gibt sich betont kämpferisch und martialisch. Dazu gehört offenbar auch das demonstrative Tragen eines unzweideutigen Nazi-Symbols, nämlich des Kennzeichens der SS-Division „Totenkopf“, die auch in der Ukraine zugange war.

Florian Rötzer

Florian Rötzer, geboren 1953, hat nach dem Studium der Philosophie als freier Autor und Publizist mit dem Schwerpunkt Medientheorie und -ästhetik in München und als Organisator zahlreicher internationaler Symposien gearbeitet. Von 1996 bis 2020 war er Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis. Von ihm erschienen sind u.a. „Denken, das an der Zeit ist“ (Suhrkamp 1988), „Die Telepolis“ (1995), „Vom Wildwerden der Städte“ (Birkhäuser 2006), „Smart Cities im Cyberwar“ (Westend 2015), „Sein und Wohnen“ (Westend 2020) oder „Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“ (Bielefeld 2023)
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12 Kommentare

  1. Mit heutigen Statements auf dem Gipfel (der I…, ich lass es ) scheinen die Probleme dahingehend noch nicht groß genug zu sein, um sie einschränken zu wollen. Es soll mit unserem den Kindern und Rentnern sowie Russlands geklautem Geld dafür gesorgt werden, dass es gar keine friedferigen Menschrn mehr zwischen Lissabon und Dnepr gibt, man ist, auch in Deutschland, mit den bekannten Protagonisten, auf dem bessten Weg dahin. Wie oft soll man eigentlich noch davor warnen, dass die Goebbelsmasche „wollt ihr den totalen Krieg“ ins Verderben führt. Scheinbar ist der neuerliche Untergang in Stein gemeißelt.

    1. Money rules…..
      Völlig egal, worauf man sich in Brüssel einigt- klar ist, dass noch möglichst lange -oder auch ganz schnell-, möglichst große Geldsummen verballert werden müssen.
      Ohne Finanzsystem-Kollaps, keine „Heilslösung“ in Form von digitalem Zwangsgeld samt Totalüberwachung.
      Alles zu unserer Sicherheit, versteht sich…
      Und hier ziehen alle Weltmächte an einem Strang – egal ob das „kommunistische“ China, oder der „freie Wertwesten“.
      Denn die supranationale Finanzmafia hat weder ideologische, noch geographische Scheuklappen.

      Ordo ab chao ☝

  2. Der Hass von den faschistischen Ukrainern wird sich verschieben. In dem Augenblick wenn sie den Verrat und die Nutzung der Ukrainer als das ansehen was von vorne herein geplant war vom Wertewesten (habe mich eben schwer getan dieses Wort zu schreiben) und zwar Russland zu schwächen oder gar zu besiegen, was von vorneherein unmöglich war, wird der Terror an der EU ausgelassen. Das wird schlimmer als LKW`s in Weihnachtsmärkte. Da die Waffen schon da sind und Kriegserfahrene Banderisten ihre Netzwerke in der ganzen EU haben.
    Gnade uns Gott wenn es soweit kommt.
    Es ist nur meine persönliche Meinung. Nicht mehr.

  3. Ukrainische Nazis mit militärischer Ausbildung und Kriegstrauma, die uns die Schuld für ihre Niederlage geben … was kann da schon schiefgehen.

    1. Keine Sorge. Da neben den Ukro-Nazis große Teile der Söldnereinheiten in der Ukraine aus Mitgliedern des IS besteht, gibts neben Schusswaffen und Sprengstoffanschlägen auch gute Handarbeit (durchgeschnittene Hälse)
      Also für Unterhaltung und Abwechslung wird gesorgt sein……

      Und immer dran denken. Slava „feministisch-wertegeleitete Ukraine!“

  4. Wie es aussieht, wird aus der Ukraine wieder ein „Wildes Feld“. Der eine Teil der Restbevölkerung, der noch arbeitsfähig ist, wird abwandern. Für die Alten und die Verkrüppelten werden sich notdürftig irgendwelche NGO kümmern. Die Nazimilizen ( „Asow“ und co.) werden sich als Söldner bei westlichen Staaten verdingen. Gut möglich, das von denen dann einige auf die Idee kommen, die Reichskanzlei in Berlin zu besetzen und ihr „Hetmanat Germanistan“ ausrufen. Diejenigen von den „Allah Akbar“ – Rufern, die damit nicht einverstanden sind, wird man etwas Blei verpassen. Der Rest kuscht….
    Und von den helleren Köpfen, die begreifen, wie sie vom „Westen“ verarscht wurden, wird der eine oder andere an Rache denken…. Kein gutes Ende für NATO- Stan in Sicht.

  5. Vielleicht ist das der Grund, wieso „die Europäer“ der Ukraine zugesichert haben, daß deren Armee in Friedenszeiten (!!!) bei 800.000 Mann gehalten werden soll? Diese Zombies zu entlassen, ist vielleicht die größere Gefahr? Auch wenn kein Mensch weiß, wie man dieses riesige stehende Heer überhaupt finanzieren soll. Irgendwann ist schließlich auch mal „der Russenschatz“, den Brüssel „heben“ soll (O-Ton Spiegel!) alle.

    Wobei… laut Antispiegel sieht es aktuell gar nicht gut aus mit dem Diebstahl. Zuviele Länder sträuben sich – aus gutem Grund. Aktuell soll der Punkt sogar von der Tagesordnung gestrichen worden sein. Aber man wird weitere Versuche unternehmen, den Raub von Weihnachten noch durchzuziehen. Und sollten sie den Raubzug wirklich beschließen, dürfte es ungemütlich werden. Wenn China, die ja auch schon am eigenen Leib erfahren haben, was die Eigentumsrechte in der EU noch taugen (Fall Nexperia in den Niederlanden) beschließt, sich aus Euroclear zurückzuziehen, gehen hier wohl etliche Lichter aus. Die ziehen im Zweifelsfall mehr Milliarden aus der EU ab, als Russland überhaupt in der EU liegen hat.

    Aber der Koksclown aus Kiew tönt schon mal, daß es „Europa Geld oder Blut kosten würde“, den Ukrainekrieg (nicht) weiter zu finanzieren. Das nennt man üblicherweise Erpressung.

  6. Den Ärger und die desaströsen Umwälzungen, die der dämliche Versuch Russland über eine Bedrohung mit der Ukraine zu destabilisieren und zu zerschlagen bringen wird, kann man in den katastrophalen Auswirkungen noch gar nicht abschätzen.
    Die EU hat sich damit militärisch, finanziell und politisch ruiniert.
    Die kommenden Jahre werden ein Alptraum.
    Und eine Rechenschaft der Verantwortlichen werden wir niemals sehen.

  7. Das passt. Auf dem Anti-Spiegel findet man einen Artikel, der über den Waffenschmuggel aus der Ukraine berichtet. Unsere großherzig gespendeten Waffen für die Ukrainer dürften tatsächlich irgendwann einmal unsere Polizei vor Probleme stellen.

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