Während am 1.1.2026 mit Bulgarien eine der schwächsten Volkswirtschaften des EU-Ostens der Eurozone beitritt, halten die für Deutschland wichtigen Nachbarländer an ihren nationalen Währungen fest.
Mit dem EU-Beitritt 2004 hatten beide Länder die Verpflichtung übernommen, möglichst zügig die Konvergenzkriterien für die Übernahme der Gemeinschaftswährung zu erfüllen und die nationale Währung durch den Euro zu ersetzen. Doch auch für den Zeitraum nach 2030 ist eine Euro-Einführung in Polen und Tschechien nicht absehbar.
Tschechien erfüllt hinsichtlich Verschuldung und Inflation die Konvergenzkriterien der EZB für einen Euro-Beitritt. Die am Bruttoinlandsprodukt (BIP) gemessene Staatsverschuldung ist mit rund 45% deutlich niedriger als in fast allen Ländern der Eurozone. Die prognostizierte Neuverschuldung 2025 erreicht nur etwas mehr als 2%. Der aktuelle Zinssatz der tschechischen Nationalbank bewegt sich mit 3,5% zwar über der erwarteten Inflationsrate von 2,2% und dem EZB-Leitzins von 2%, kann aber als gemäßigt gelten. Auch in Bezug auf andere makroökonomische Daten steht Tschechien gut da. Der Industrieanteil am BIP ist mit rund 30% einer der höchsten in der EU. Der Leistungsbilanzsaldo bewegte sich in den letzten 10 Jahren um Null.
Das Problem für Brüssel und die EU-gefälligen tschechischen Politiker ist nicht ökonomischer, sondern politischer Natur: Die Bevölkerung Tschechiens lehnt den Euro mit deutlicher Mehrheit ab und auch viele Ökonomen und Politiker des Landes sehen in der Euro-Einführung weniger Vor- als Nachteile. Im Februar 2025 stimmten in einer Umfrage des NMS-Instituts 72% der Befragten gegen eine Euro-Einführung, nur 23% dafür. Die Ergebnisse der Erhebung stimmen fast exakt mit denen einer Umfrage des Marktforschungs-Unternehmens CVVM vom Mai 2023 überein. Wie das Eurobarometer im Mai 2024 einen ungefähren Gleichstand von Euro-Gegnern und Euro-Befürwortern – 49% dafür, 50% dagegen – ermitteln konnte, bleibt das Geheimnis der unter der Aufsicht der Kommission arbeitenden EU-Statistiker.
Staatspräsident Petr Pavel hat in seiner Neujahrsansprache 2025 versucht, für die Euro-Einführung zu werben. Mit dem Euro könnten die tschechischen Löhne das deutsche Niveau erreichen, so Pavel. Wahrscheinlich hätte sich Pavel gerade dieses Argument verkneifen sollen. Denn die Tschechen wissen genau, dass ihre slowakischen Halbbrüder, die schon 2009 den Euro zur Landeswährung machten, bis heute eher weniger verdienen als sie selbst.
Den immer noch deutlichen Lohnrückstand gegenüber Westeuropa lasten die gewöhnlichen Tschechen auch nicht ihrer Krone an, die in den letzten 10 Jahren gegenüber dem Euro sogar ca. 10% an Wert gewonnen hat, als vielmehr den asymmetrischen Machtverhältnissen in der EU. Auch die großspurig versprochenen Wachstumsimpulse durch die Euro-Einführung, das wissen viele Tschechen, sind in der Slowakei ausgeblieben. Zwischen 2016 und 2024 erreichte das Land mit durchschnittlich 2,0% ein reales BIP-Wachstum, das nur geringfügig über dem tschechischen von 1,8%, aber deutlicher unter dem Polens (3,6%) und Ungarns (2,7%) lag, also Ländern mit eigener Währung.
Neben Pavel und einigen Politikern kleinerer Regierungs- und Oppositionsparteien gehört auch der die Regierung beratende Landeswirtschaftsrat (NERV) zu den Befürwortern des Euro. Er hebt die Senkung der Transaktionskosten im innereuropäischen Handel hervor und hofft auf noch bessere Bedingungen für die Integration des Landes in die EU-Strukturen. Allerdings meinen nicht wenige Tschechen, dass gerade ausweislich der preistreibenden Wirkung von Immobilienkäufen durch Ausländer die Integration bereits heute zu weit getrieben wurde.
Auch der Gouverneur der Nationalbank (CNB), Ales Michl, sieht wie der NERV gewisse Vorteile der Euro-Einführung. In einer Bloomberg-Diskussionsveranstaltung am 10. Juni betont er aber, dass für ihn die Nachteile überwiegen. Mit der Wechselkurs-Flexibilität könne man ausgleichend auf Leistungsbilanz-Schwankungen reagieren. Michl weiter: „Die Politik der EZB passt nicht zur tschechischen Wirtschaft. Wir brauchen einen positiven Realzins, um Preisstabilität zu gewährleisten.“
Die Entscheidung über die Euro-Einführung, und darauf weist auch Michl hin, fällt allerdings auf der politischen Ebene. Und auch da sieht es für die Euro-Enthusiasten schlecht aus. Denn Anfang Oktober finden in Tschechien Parlamentswahlen statt. Und laut Umfragen hat die „Aktion unzufriedener Bürger“ (ANO) des Milliardärs Andrej Babis gute Chancen, im neuen Parlament mit Abstand stärkste Partei zu werden. Babis & Co. aber gelten als EU-Skeptiker und entschiedene Gegner der Euro-Einführung. Nicht zuletzt dies erklärt, warum sich in der aktuell regierenden 4-Parteien-Koalition nur die Kleinst-Partei „TOP 09“ für die Währungsumstellung stark macht.
Auch die Polen wollen trotz oder wegen der EU-freundlichen Regierung Tusk nicht
Ähnlich eindeutig wie die Haltung der Tschechen zum Euro fällt die der polnischen Bevölkerung aus. In einer von mehreren Instituten im Auftrag des Warschauer Enterprise Instituts (WEI) durchgeführten und im Mai veröffentlichten Umfrage sprachen sich 48% entschieden gegen den Euro aus, während weitere 26% eher gegen als für dessen Einführung votierten. Nur 26% würden aktuell eine Ersetzung des Zloty durch den Euro unterstützen, während es 2024 noch 31% und 2023 noch 35% waren.
Die sinkende Zahl der Sympathisanten des Euros wie der EU korrespondiert mit einem, zumindest laut Umfragen, deutlichen Vertrauensverlust der EU-freundlichen Regierung Tusk. Neben der Ablehnung der Bevölkerung steht in Polen auch die Verfassung dem Euro im Wege. Deren Artikel 227 bestimmt: „Zentralbank des Staates ist die Nationalbank Polens (NBP). Sie allein ist zur Geldschöpfung sowie Festlegung und Realisierung der Geldpolitik berechtigt.“ Eine entsprechende Bestimmung gab es auch im Artikel 88 des deutschen Grundgesetzes. Nach einer 1992 erfolgten Verfassungsänderung kann die Bundesbank aber „ihre Aufgaben im Rahmen der Europäischen Union der Europäischen Zentralbank übertragen“. In Polen ist allerdings eine Zweidrittel-Mehrheit für eine entsprechende Verfassungsänderung überhaupt nicht in Sicht.
Polen ist aufgrund der von der Regierung Tusk eingeleiteten rasanten Neuverschuldung auch weit davon entfernt, die Konvergenzkriterien für die Euro-Einführung zu erfüllen. Diese Neuverschuldung beläuft sich laut den Berechnungen der EU-Kommission in den Jahren 2024 bis 2026 auf jeweils über 6% des BIP, während die Obergrenze des Maastricht-Vertrags bei 3% liegt. Auch die Gesamtverschuldung wird danach im nächsten Jahr mit 65% des BIP die Maastricht-Marke von 60% überschreiten. Diverse makroökonomische Daten lassen vermuten, dass nicht nur die nominalen, sondern auch die BIP-bezogenen, relativen Staatsschulden Polens in den Folgejahren weiter steigen werden, zumindest solange sie nicht durch eine wieder deutlich anziehende Inflation entwertet werden.
Die Schuldenpolitik der aktuellen Regierung ist auch aus anderen Gründen alles andere als nachhaltig. Die polnische Leistungsbilanz, die 2024 noch ein kleines Plus aufwies, rutschte im ersten Quartal 2025 ins Minus. Die große Abhängigkeit von Deutschland, speziell dessen kriselnden Autosektor, zeigt sich in der Handelsbilanz. In den ersten 4 Monaten 2025 überstiegen die Importe die Exporte um rund 11 Mrd. Zloty. Die private Verschuldung ist bereits 2024 auf 90,4% des BIP angestiegen (Deutschland: 74,3%). Dabei wird die Privatverschuldung immer noch durch die behutsame Geldpolitik der Nationalbank NBP und ihren mit 5,25% über der Inflationsrate liegenden Leitzins gebremst. Diesem Umstand können um die soziale Stabilität besorgte Politiker und Volkswirte durchaus Positives abgewinnen.
Premier Tusk ist im Hinblick auf den Euro aktuell vor allem bemüht, Meldungen nationalkonservativer und nationalistischer Medien, er plane für die nächste Zeit die Einführung des Euro, sofort dementieren zu lassen. Der Euro ist sei kein Thema, zumal Polen die Konvergenzkriterien der EZB nicht erfülle. Grundsätzlicher äußern sich Vertreter der NBP zur Euro-Einführung. NBP-Präsident Glapinski gilt als Gegner des Euro. Ähnlich wie Tschechiens oberster Währungshüter glaubt er nicht, dass eine von Frankfurt aus gesteuerte Geldpolitik den speziellen Bedingungen und Bedürfnissen Polens gerecht werden könnte. NBP-Vorstandsmitglied Artur Sobon hob in einem im Juni veröffentlichten Vortrag während einer Konferenz des WEI hervor, dass „die Absorption externer Schocks“ nur im Rahmen einer nationalen Währungspolitik möglich ist. So sei es Polen 2009 in der internationalen Finanzmarktkrise durch eine 23prozentige Abwertung des Zloty gelungen, ein BIP-Wachstum von 2,5% zu generieren, während das BIP der Eurozone um 4,5% schrumpfte.
Ungarn und Rumänien
Nach dem 1.1.2026 werden noch 6 EU-Länder der Eurozone nicht angehören. In Schweden und Dänemark fanden Volksabstimmungen statt, in denen die Euro-Einführung abgelehnt wurde. Die dänische Regierung hat mit der Mitgliedschaft im Wechselkursmechanismus allerdings für einen absehbaren Zeitraum eine von der EU akzeptierte Lösung gefunden.
Das nächste Land, das sich dem Euroraum, evtl. bereits 2029, anschließen wird, ist wahrscheinlich Rumänien. Das Balkanland, ähnlich wie Bulgarien von einer demografischen und sozialen Dauerkrise geplagt, erfüllt aktuell aber mit der Inflationsrate von 5,1% noch nicht die EZB-Konvergenzkriterien.
Ein Sonderfall ist Ungarn. Anders als in Polen und Tschechien wünscht sich in Ungarn die Bevölkerungsmehrheit den Euro. Der Forint hat im Gegensatz zu dem stabilen Zloty und der aufgewerteten Krone in den letzten 10 Jahren gegenüber dem Euro ca. 25% an Wert verloren. Dies war der Grund dafür, dass die Ungarn in den Jahren 2022 und 2023 von Preissteigerungen noch stärker betroffen waren als Tschechen und Polen. Die ungarische Nationalbank geht von einer Euro-Einführung „2030 oder später“ aus. Regierungschef Orban weist, zuletzt bei einer Nationalbank-Konferenz im Juni, gern darauf hin, dass der Euro für Ungarn als einem Land mit Entwicklungsrückstand grundsätzlich nicht vorteilhaft wäre. Aber in Ungarn finden im April 2026 Parlamentswahlen statt. Nach einem möglichen Regierungswechsel könnte eine EU-gefällige Regierung schnell zu einer anderen Einschätzung kommen.
Vor allem also Tschechien und Polen lassen es fraglich erscheinen, ob im nächsten Jahrzehnt endlich die Vollendung der Währungsunion erfolgen kann. Inzwischen hemmen auch die weltwirtschaftlichen Verschiebungen die Eile der verantwortlichen Politiker. Kontinuierlich sinkt der Anteil der EU an der weltweiten Wirtschaftsleistung. Belief sich dieser Anteil der EU-27 am globalen BIP 2004 noch auf 20,3%, so sind es aktuell nur noch 14,1% und werden es laut Prognose 2030 nur 13,0% sein.
In den Außenhandelsstatistiken einzelner EU-Länder wird diese Entwicklung anschaulich. Polens Handel mit den EU-Ländern z. B. wies im 1. Quartal 2025 im Vergleich zum 1. Quartal 2024 bei den Exporten ein Minus von 2,5% und bei den Importen ein Minus von 1,3% auf. Im Handel mit den Emerging Markets und den Entwicklungsländern gab es bei den Exporten zwar auch ein Minus von 2,5%, bei den Importen aber ein Plus von 11,9%. Die Zahlen machen verständlich, warum polnische Politiker und Wirtschaftsvertreter fast ständig außerhalb der EU unterwegs sind, um polnische Produkte zu offerieren und damit den eigenen Export anzukurbeln. Die Diversifizierung der Außenhandelsbeziehungen in Richtung der außereuropäischen Länder wird für die einzelnen EU-Länder immer wichtiger. Und zumindest die Polen und Tschechen wollen die Gestaltung von deren Rahmenbedingungen nicht allein der Brüsseler Kommission und der Frankfurter Zentralbank überlassen.
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