Trägt der Inflation Reduction Act zur Deindustrialisierung der EU bei?

Bild: Jeroen van de Water/Unsplash.com

Angesichts der Abwanderung von europäischen Unternehmen ins Ausland ist die EU vor allem mit der Wirtschaftspolitik der US-Regierung konfrontiert, die die ausländischen Produzenten durch milliardenschwere Subventionen in die Vereinigten Staaten lockt. Verständlich, dass die EU das Vorgehen der US-Regierung als einen Akt der aggressiven Industriepolitik kritisiert und dagegen auch entsprechende Maßnahmen ergreift. Es ist jedoch zu betonen, dass die EU in puncto Subventionspolitik im Grunde genauso agiert wie die USA.

 

Die anhaltende Energie- und Inflationskrise in der Europäischen Union führt dazu, dass das Wohlergehen der EU-Volkswirtschaften sich weiter verringert. Immer deutlicher rückt dabei der Verlust von Produktionsstandorten und damit die Gefahr der Deindustrialisierung in den Vordergrund. Aufgrund ökonomischer Schwierigkeiten und fehlender Perspektiven wollen bereits zahlreiche Unternehmen in der EU ihre Produktion teilweise ins Ausland verlagern, wo sie billiger ist als in Europa.

Angesichts dieser Entwicklung sind die EU-Länder vor allem mit der Wirtschaftspolitik der US-Regierung konfrontiert, die bereits weitreichende Schritte unternommen hat, um die ausländischen Produzenten in die Vereinigten Staaten zu locken.

Inflation Reduction Act

Diesbezüglich ist der sogenannte „Inflation Reduction Act of 2022“ (IRA) zu nennen – ein US-Bundesgesetz zum Haushalt, das Joe Biden bereits am 16. August 2022 unterzeichnet hat und das nach und nach realisiert wird. Laut offiziellen Angaben soll es künftig die Inflation eindämmen und den Kampf gegen den Klimawandel fördern, mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 auf bis zu 42 Prozent unter das Niveau von 2005 zu reduzieren und das US-Defizit von 2022 bis 2031 um 300 Milliarden Dollar bzw. um 2,2 Prozent zu senken.

Mit einem Umfang von knapp 400 Milliarden US-Dollar handelt es sich beim IRA um das bislang größte Investitions- und Subventionsprogramm in den Klima- und Umweltschutz, das unter anderem durch Steuererhöhungen finanziert wird und eine nachhaltige und wirtschaftlich tragfähige Energiewende im Land stärkt.

Die im IRA enthaltenen Maßnahmen dienen aber auch dazu, das US-Außenhandelsdefizit zu reduzieren. Dies wird nach Ansicht von Experten unter anderem durch den Ersatz von Importen in die USA durch Produktion in den USA selbst angestrebt, wovon unter anderem die europäischen Hersteller betroffen sind. Unter dem Vorwand der Inflationsbekämpfung wollen die Amerikaner im Grunde die Reindustrialisierung ihrer Wirtschaft vorantreiben – vorwiegend auf Kosten der Europäischen Union.

Subventionspolitik der EU

Es ist daher auch verständlich, dass die EU das US-Gesetz als einen Akt der aggressiven Industriepolitik Washingtons kritisiert und diesbezüglich im Sinne der eigenen Interessen dagegen handelt. Zuletzt etwa hat die Gemeinschaft im Rahmen des Jahresabschluss-Gipfels der Staats- und Regierungschefs laut dem Handelsblatt beschlossen, zum Schutz der eigenen Wirtschaftsstandorte entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und dadurch die wirtschaftliche, industrielle und technologische Basis in Europa zu sichern. Dabei soll es unter anderem um die Stärkung der Wettbewerbs- und Produktionsfähigkeiten der EU sowie um die Entwicklung einer gemeinsamen EU-Strategie gehen.

Zugleich ist allerdings auch zu betonen, dass die EU in puncto Subventionspolitik den USA in nichts nachsteht. Wie Bernd Müller in seinem Artikel anführt, investiert die Staatengemeinschaft selbst massiv in den „grünen Wandel“. Er belegt dies mit einer in der Financial Times veröffentlichten Schätzung, wonach die von dem Inflation Reduction Act bereitgestellten jährlichen Mittel in Höhe von fast 40 Milliarden Dollar „weniger als die Hälfte des Betrags ausmachen, den die EU-Länder allein für erneuerbare Energien ausgeben“ – oder 84,5 Milliarden Dollar an Finanzmitteln der EU und ihrer Mitgliedstaaten für 2021.

Über das Programm „NextGenEU“ soll die EU rund 800 Milliarden Euro bereitstellen, um die Folgen der Corona-Pandemie zu überwinden. Rund die Hälfte davon sei für die ökologische Ausrichtung der Infrastruktur, der öffentlichen Dienste, des Wohnungsbaus und anderer Bereiche vorgesehen, so Müller.

Hinzu komme der „Green Deal“. Über einen Zeitraum von zehn Jahren sollen rund 500 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt für Klima- und Umweltprojekte bereitgestellt werden. Dabei sollen auch Projekte wie die Installation für Elektrofahrzeuge oder das Beheizen von Wohngebäuden gefördert werden. Das sind auch Themen, bei denen der IRA ansetzt.

Der Artikel ist zuerst auf EuroBRICS.de erschienen.

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4 Kommentare

  1. Der “ Green New Deal“ ist noch immer Kapitalismus in dem die Energiedominanz den Konzernen zugesprochen wird und das Kapital die materielle Kontrolle über die Ressourcen behält.
    Ausbeutung, Naturzerstörung und Kriege für seltene Erden statt für Öl.

    Es bleibt alles beim Alten.

    Ein Vogel mausert sich zu nichts. Ein Vogel in der Mauser bekommt neue Federn, bleibt aber ein Vogel.

  2. Ist das guter Journalismus: „Die anhaltende Energie- und Inflationskrise in der Europäischen Union führt dazu, dass das Wohlergehen der EU-Volkswirtschaften sich weiter verringert. Immer deutlicher rückt dabei der Verlust von Produktionsstandorten und damit die Gefahr der Deindustrialisierung in den Vordergrund.“ ?

    Meines Erachtens führt der Journalist den Leser aus Dummheit oder Unkenntnis durch sein Vokabular in die Irre und verhindert, ihn erkennen zu lassen, worin das Problem wirklich besteht. Denn wir haben keine „anhaltende Energie- und Inflationskrise“ in der EU. Wir haben eine Sanktion- und Solidaritätskrise, die durch das Mittun der Europäer beim geostrategischen Machterhalt der Amerikaner entstanden ist.

    Wobei die Europäer gegen ihre ureigensten Interessen handeln. Sie sägen seit März an dem Ast, auf dem sie sitzen. (Sit Back And Watch Europe Commit Suicide) Dass die Amerikaner jetzt mit Bidens neuen MAGA-Program dabei helfen, so what!
    Da erhellt auch der Verweis auf die eigenen EU-Subvention nichts, sondern verdunkelt nur die Gründe für die bevorstehende Abwanderung europäischer Industrien.

    Wenn man sich fragt, worin „die zum Schutz der eigenen Wirtschaftsstandorte entsprechende Maßnahmen“ bestehen oder wie „die wirtschaftliche, industrielle und technologische Basis in Europa“ gesichert sowie „die Stärkung der Wettbewerbs- und Produktionsfähigkeiten der EU“ erreicht werden kann, findet man keine Antwort im Text. Dies sind vor allem schöne Worthülsen.
    Aber wie soll man eine Antwort finden, wenn man das Geschehen für eine Gott gegebene Energie- und Inflationskrise hält? Wenn man allerdings weiß, dass die eignen Sanktionsmaßnahmen Ursache der Missstände sind, dann kommt man ganz schnell auf eine Lösung.

    Aber ich fürchte, sobald man das tut, wird man die „regelbasierte Ordnung“ so kennen lernen, wie es dieser ältere Herr hier beschreibt: https://www.youtube.com/watch?v=AaKB79tWhDU&t=2794s

  3. Ja, das ist leider so.
    Es gibt in der Wirtschaft für Führungskräfte ein Feedbacksystem, das 360 Grad Feedback. Der Sinn ist, alle betroffenen Partner in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Dabei geht es nicht darum, nur Informationen einzuholen und dann wie auch immer sinnige Entscheidungen zu treffen. Die Führungskraft wird danach beurteilt, wie sie im Sinne der Optimierung ihrer Tätigkeit mit den gewonnenen Informationen umgeht.
    Unsere politischen Führungskräfte müssten großteils ersetzt werden, wenn dieses System auf sie angewandt würde.

  4. Eine Hauptursache liegt am Gott Kapital. Die USA oder EU druckt Geld ohne überhaupt etwas real zu produzieren.
    Sie handeln seit Jahren entgegen ihrer eigenen Philosophie, das wird gerade berichtigt. Natürlich dürfen sie das offiziell nicht mitteilen, aber alle beteiligten Staaten arbeiten daran, mal mehr oder weniger.
    Die USA und EU stehen vor grossen Bürden, intern und extern, sie befürchten möglicherweise einen gravierenden Zusammenbruch und was bietet sich besser an als mit Nihilismus zu agieren?

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