
Der Plagiatsjäger Stefan Weber über das nach Copy-and-Paste aussehende Geschäftsmodell hinter „Deutschlands großem Debatten-Magazin“ von Wolfram Weimer.
Wolfram Weimer (CDU) wurde von Friedrich Merz zum Kulturstaatsminister ernannt. Er hat gerade erst auf der Buchmesse die KI-Unternehmen angegriffen: „Amerikanische und chinesische Tech-Giganten trainieren ihre KI-Systeme mit Milliarden von Werken, ohne die Einwilligung der Urheber einzuholen, geschweige denn, ihnen auch nur einen Cent zu zahlen. Völlig ungeniert bedienen sie sich aus dem Fundus geistigen Eigentums rund um den Globus.“
Kurios ist, dass der Medienunternehmer der Weimer Media Group selbst unter dem Zeichen von „Qualitätsjournalismus“ ein entsprechendes Geschäftsmodell bis 2021 betrieben zu haben scheint, was auch am Wochenende bekannt geworden ist. Es sollen massenhaft Texte ohne Quellenvermerk und Einverständniserklärung der Autoren in The European veröffentlicht worden sein. Das geht weit über Presseerklärungen hinaus, die auch nicht als solche gekennzeichnet wurden. Das müsste man geistigen Diebstahl nennen, auch wenn Weimer sich auf einen Freifahrtschein für Politiker beruft. Angeblich wurden über 100 Texte von Alice Weidel ohne Nachfrage bei ihr auf The European veröffentlicht.
Das könnte dem geschuldet sein, dass Weimer sich noch 2024 als Avantgardist des Journalismus wähnte: „The European ist eine Antwort auf die Frage nach der Zukunft des Journalismus. Kommunikations- und Medienverhalten haben sich nachhaltig verändert. Wir sind Teil des weltweiten Netzwerkes neuer Formate und Darreichungsformen.“ Wenn man sich allerdings per Freibrief bei Autoren bedient, war man streng, was das Urheberrecht bei der eigenen Publikation betrifft: „The European und dessen Datenlieferanten behalten sich an allen Seiten des Online-Angebotes inklusive Layout, Software und deren Inhalten sämtliche Urheber- und sonstigen Schutzrechte vor.“
Geworben wurde mit „über 2000 renommierten Autoren aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft“, darunter Annalena Baerbock, Alexander Dobrindt, Papst Franziskus, Gregor Gysi, Robert Habeck, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder Sahra Wagenknecht. Die „Autoren-basierten, exklusiven Beiträge“, so wurde angepriesen, „schaffen ein hochwertiges Werbeumfeld, in dem Sie als Werbepartner gezielt Entscheider und Multiplikatoren ansprechen.“ Die Nennung der Autoren und der exklusiven Beiträge wurden inzwischen von der Webseite der Weimer Media Group und The European entfernt. Stefan Weber hat auf seinem Blog einen Beitrag geschrieben: „IT-Forensik enthüllt gigantisches betrügerisches Geschäftsmodell des amtierenden Kultur- und Medienstaatsministers Deutschlands, Wolfram Weimer“.

Wie kam denn der Fall Weimer überhaupt auf?
Stefan Weber: Nicht über mich, sondern über den Alexander Wallasch. Das ist ein Blogger, ein ehemaliger Journalist, der in den Mainstreammedien tätig war und sich als Blogger selbstständig gemacht hat. Mir hat der Name gar nichts gesagt. Ich habe letzten Donnerstag über X dieses Posting über Weimer bekommen und hielt das jetzt gar nicht für so dramatisch.
Seit Samstag bin ich mit dem Alexander Walasch in Kontakt. Wir haben dann gesehen, da ist mehr dran. Nämlich spätestens ab Samstagvormittag, als ich gesehen habe, dass ich selbst ein Autorenprofil auf The European habe und nichts davon wusste. Elf Artikel von mir über die Frau Baerbock und die Plagiate. Jetzt könnte man wieder sagen, Plagiat ist nach Fontane das schönste Kompliment. Aber mich freut so etwas nicht, das tut man nicht. Der Punkt ist nicht, dass ich jetzt pingelig sage, oh, Urheberrechtsverletzung, elf Artikel von mir wiederverwertet, ich wurde nicht gefragt. Das Fiese ist das Geschäftsmodell, also dass er all diese Artikel abgegrast hat, um den Anzeigenkunden zu sagen, wir haben mehr als 2000 Autoren, eine illustren Reigen aus der ganzen Welt. Da beginnt die Verlogenheit.
Es wurde so getan, als seien es exklusive Texte. Das habe ich auch irgendwo gelesen. Das ist natürlich ein Betrug der Leser und der Anzeigenkunden.
Stefan Weber: Wobei ich sage, viele Leser wird er nicht gehabt haben, mir scheint das eher so ein Simulakrum zu sein. Ich habe noch nie etwas gehört von diesem jährlichen Ludwig-Erhard-Gipfel, auf dem sich alle so wichtigen Schlipsträger und Heelsträgerinnen sich treffen und die Teilnahme für zwei Tage 2.695 Euro kostet. Es sind Geschäftsmodelle, die auf einer unredlichen, unseriösen Basis basieren.
Weimer hat als Kulturstaatsminister gerade die KI-Unternehmen angegriffen, weil die alles klauen würden, das sei digitaler Kolonialismus. Im Grunde genommen macht er ja dasselbe. In seiner Rechtfertigung behauptet er, es seien überall Quellenangaben gemacht worden, nur zufällig wäre das mal nicht passiert. Ich habe ein paar Artikel von 2018 auf Web-Archive mir angeschaut, vom Papst über Nida-Rümelin und Sahra Wagenknecht bis Alice Weidel, es war nirgendwo ein Quellennachweis vorhanden.
Mein Anwalt Georg Zechbauer sagte am Samstag mir, nicht einmal die Quellenangabe hätte ihn gerettet. Das ist nämlich der Punkt. Auch wenn er etwa als Quelle Plagiatsgutachten, meinen Blog, angeben würde, müsste er mich ja erst einmal fragen, weil ich das nicht unter eine freie Lizenz gestellt und freigegeben habe. Mein Blog hat eine ISSN-Nummer, ich bin der namentliche Autor dieser Dinge, und noch einmal, ich bin hier null kleingeistig, ich glaube, wir haben alle schon oft das Auge zugedrückt, wenn unsere Texte irgendwo plötzlich wieder auftauchen, aber beim Herrn Weimer hat das System, er macht damit Geld und er verdient es auf verlogene Art und Weise, darum geht’s mir jetzt.

Er schreibt: „Aus gutem Grund muss die freie Presse, hier (bei den Politikern, d.Red) weder um Erlaubnis fragen, noch Honorar zahlen.“ Das seien öffentliche Stellungnahmen, und dann kann man die offenbar einfach nehmen.
Stefan Weber: Das sind Nebelkerzen. Er meint Politikerreden und Pressemitteilungen. Das mag schon sein. Ich kann den Fall Weidel jetzt nicht beurteilen. Wenn es eine Rede war, an deren Ende im Text steht: Darf verwendet werden, wäre alles in Ordnung. Das ist allerdings bei meinem Blog schon nicht der Fall. Ein anderes Beispiel. Es gibt eine Webseite von einem evangelischen Pfarrer, der die gesammelten Predigten seines Lebens online gestellt hat. Er schreibt bei jeder Predigt an die anderen Pfarrer, Dass sie das verwenden dürfen, sie müssten ihn nicht einmal zitieren. Also wenn der Pastor sagt, hier ist mein Lebenswerk an originären Predigten, bitte verwendet das für die Nachwelt, ist alles in Ordnung.
Aber in dem Fall ist es ja nicht so. Weimer oder wer auch immer, sein Sohn vielleicht, der als Webmaster und Redakteur gearbeitet hat, hat die Texte stümperhaft, einfach manuell rauskopiert, es wurden sogar Fehler eingefügt, die ich nicht gemacht habe. Das Wort plagiiert wurde mit einem i geschrieben statt mit zwei. Also da ist eigentlich Content mit den Füßen getreten worden.
Aber ich sage noch einmal, mir geht es weder um die Eitelkeit, noch um eine urheberrechtliche Kleinkariertheit, mir geht es darum, dass Herr Weimer damit mit diesem Aussaugen, wodurch er selbst Vampir und Kolonialist wird, sich ein verlogenes Geschäftsmodell aufgebaut hat. Es ist ihm offenbar gelungen, die Leute damit zu blenden, dass er das internationale Debattenforum in Deutschland herausgibt.
Er schreibt ja auch, er habe nicht Texte genommen, sondern Texturen. Was ist denn das für Begriff? Hast du denn schon mal gehört?
Stefan Weber: Nein, aber da könnte man etwas über die Etymologie von Text und Textil und Weben spinnen. Ich finde das auch toll. Die Textur, das ist so, wie vor 15 Jahren mal ein Wissenschaftler, der des Plagiats überführt wurde, gesagt hat, das sei kein Plagiat, sondern eine Bricolage.
Du hast ja schon darauf hingewiesen, dass die Reichweite von The European nicht sehr groß sein dürfte. Auf der Webseite heißt es: „Über unsere Kooperationspartner erreichen wir mit unseren Inhalten bis zu 450.000 Leser täglich.“ Ein paar Zeilen darüber steht: „Seitenaufrufe: 465,097 (Januar 2021)“, also im ganzen Monat.
Stefan Weber: Das habe ich noch gar nicht gesehen. Ich glaube, dass diese ganzen Zahlen nicht stimmen, weil wirklich alle, die ich gefragt habe, The European nicht kennen.
Ich kenne es zwar vom Namen her, aber ich habe nie reingeschaut.
Stefan Weber: Ja eben, auch du nicht.
Er sagt ja, das sei eine Kampagne von rechten Kreisen. Alice Weidel hat ja einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Was sagst du dazu zu dem Vorwurf?
Stefan Weber: Das ist immer dasselbe Lied. Jetzt habe ich gestern schon gelesen, nicht nur, dass es vom rechten Rand kommt, sondern dass es ein Angriff auf die Pressefreiheit sei, das zu kritisieren. Also nicht der Content-Klau ist der Angriff auf die Pressefreiheit, sondern die Weimer Media Group zu kritisieren. Omid Nouripour, der grüne Politiker, vermutet gar, sagte er dem Stern, dass es sich um eine Retourkutsche aus den USA handelt, weil Weimer die Tech-Konzerne als „digitale Kolonisten“ bezeichnet hat. Nouripour: „Alice Weidel stellt sich an die Seite von Trumps Geldgebern und damit gegen die deutschen Interessen. Das ist beschämend.“ Das heißt, wir sind da so Strohmänner und dann kommt schnell eine Paypal-Überweisung aus Amerika, damit wir den Weimar schlecht machen. Am Freitagabend hat mich ein Redakteur von Nius informiert über diese Geschichte, das wäre doch was für mich. So kam das erst in Gang. Als ich das X-Posting von Herrn Wallasch gesehen habe, dachte ich zuerst, naja, Weidel beklaut. Ich habe es nicht einmal repostet. Aber dann habe ich die Story auf Nius gelesen und gesehen, dass das offenbar eine Methode gehabt hat. Das fand ich interessant, und jetzt habe ich ein Wochenende damit verbracht und keinen Cent verdient. Ich kann nur über die immer gleichen Verschwörungstheorien lachen,
Wenn die Autoren von The European jetzt gelöscht wurde, ist das ja zumindest ein Eingeständnis, dass da was faul ist.
Stefan Weber: Ja klar. Und er weiß es auch. Er hat Weidel gelöscht, Baerbock, Dobrindt, Papst Franziskus, Gregor Gysi, Habeck…
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Man kann diese Gelegenheit auch nutzen, die anderen Medien zu beobachten: Wer den Skandal alles zu einer „rechten Kampagne“ erklärt.
Ein Staat, welcher von Lumpen geleitet wird, ist ein Lumpenstaat!
Deutschland ist ein Lumpenstaat?!
Leute, keine Panik, das ist doch nur die „Neue Bürgerlichkeit“…
>Die Leute schätzen, wenn jemand authentisch ist, wenn er wahrhaftig ist, wenn jemand zu seinen Werten steht. Heutzutage will man von einem konservativen Mediziner behandelt werden, in der Bank höre ich: Diese Anlage ist ganz sicher, also konservativ. Auf einmal ist das Konservative, das vorher noch unappetitlich war, irgendwie angesagt. Der wahre Wertkonservative, der sagt, konservativ heißt nicht, an dem hängen, was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was immer gilt.< (Wolfram Weimer, bekennender Wertkonservativer im Geiste seines Werkes: "Das konservative Manifest: Zehn Gebote der neuen Bürgerlichkeit", nebenbei ein Schwergewicht im Reichskanzleramt des bekennenden Wertkonservativen Fr. Merz -besser bekannt als die "Tegernsee-Connection" https://www.sueddeutsche.de/kultur/merz-weimer-tegernsee-kulturstaatsminister-li.3243154?reduced=true)
Dieser Typ kann einfach nur weg.
Mehr gibt es zu dem nicht zu sagen.
Sie sahen eine Episode aus der beliebten Serie „Gesetze gelten doch nur für das niedere Volk“.