Tag X

Lusail-Stadion. Bild: Isac Nóbrega/PR/CC BY-2.0

WM-Countdown in Katar

Am 20. November 2022 beginnt in Katar die Fußball-WM. Nachdem der „Kaiser“ 2013 „keinen einzigen Sklaven“ in Katar gesehen hatte, konzentrierte man sich auf das Geschäft und hielt den Ball „Menschenrechte“ ganz flach.

Zehn Jahre später ist der Drops gelutscht.

Also stimmen auch wir Sie auf dieses Großereignis ein.

Klar, Katar ist problematisch und umstritten. Gebongt. Haken dahinter und den Mund abgewischt.

Mal ehrlich: Wo ist es wirklich besser?

Na also: Die Welt wird doch nicht besser, wenn wir „abschalten“, wenn wir die WM boykottieren, wie es viele Fans fordern. Das hat uns auch der sympathische Thomas Hitzlsperger (ehemaliger deutscher Fußballspieler und heutiger Fußballfunktionär) erklärt:

Wenn wir es ernst meinen würden, dann gäbe es kein Land mehr auf dieser Erde, das eine WM ausrichten könnte.

Das stimmt … und wirft doch ein ungetrübtes Bild auf diese Welt.

Wenn genau also stimmt, dann gäbe es doch einen Grund mehr, diese Welt nicht zu „retten“ (mit Spaß und Selbstbetrug), sondern radikal zu verändern.

 

Es gibt Menschen- und Freiheitsrechte

für die man in den Krieg zieht –

sagt man uns.

Und es gibt Menschen- und Freiheitsrechte

die verflüssigt man

günstig

zu LNG-Gas.

Das sagt man uns nicht.

Nachdem die Familien-Diktatur in Katar

nicht mitspielte,

spielt man die

Menschenrechtskarte aus

Als wäre man längst

Weltmeister.

 

Quellen und Hinweise:

Die Besten bei der Weltmeisterschaft, Roberto de Lapuente vom 11. November 2022: https://overton-magazin.de/kommentar/kultur-kommentar/die-besten-bei-der-weltmeisterschaft/

Willkommen im Glutofen! Die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar; Jens Berger/NDS vom 10. November 2022: https://www.nachdenkseiten.de/?p=90208

Tausende tote Gastarbeiter in Katar, tagesschau.de vom 23.02.2021: https://www.tagesschau.de/sport/katar-wm-tote-101.html

„Keine Sklaven in Katar gesehen“, DGB-Boss greift Beckenbauer wegen Katar-Verharmlosung an, focus.de vom 29. November 2013: https://www.focus.de/sport/fussball/wm-2014/wm-dgb-chef-sommer-kritisiert-beckenbauer_id_3443323.html

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9 Kommentare

  1. Interessant ist nicht zuletzt, was an Katar kritisiert wird und was nicht.

    Selbstverständlich sind die fehlenden Rechte der Arbeiter dort ein sehr wichtiges Thema, ebenso die fehlenden Rechte von Frauen. Ist schon in Ordnung, wenn man das anprangert.

    Aber warum werden die kriegerischen Aktivitäten Katars in der veröffentlichten Diskussion nicht angeprangert, die maßgebliche Beteiligung am Jemen-Krieg und die Unterstützung islamistischer Terrorgruppen?
    Doch nicht etwa, weil „uns“ diese Kriege und Terroraktionen zupass kommen? Weil „wir“ sowohl an die Kataris als auch an ihre Gegner Waffen liefern vielleicht (Rheinmetall in D und CH, Thyssen-Krupp, Kraus-Maffei-Wegmann)?

    Kritisieren wir das nicht, weil „wir“ Kriege lieben, wenn sie andere töten?

    1. Man liebt nicht Kriege, sondern das Geschäft, das mit solchen Kriegen zu machen ist.
      Und da vom Rohstoffreichtum subventionierte Kataris eine lukrative Kaufkraft ausweisen, was sie von lumpigen Afghanen im Hungermodus unterscheidet, dürfte klar sein, wem sich westliche Werte zuwenden.
      Wäre Putin ebenso geschäftsförderlich wie Jelzin, hätte es kein „Yukos“ gegeben, aber Putin wäre dennoch nicht mehr an den Schalthebeln, weil Chodorkovski & Co. eine andere Marionette installiert hätten.
      Aber er hätte eine andere Aura und würde nicht mit dem Teufel verglichen trotz inhaltlich völlig anderer Bemühungen.

  2. Dass ein Boycott als Zuschauer vollkommen unwirksam ist, habe ich 1978 erlebt, als in Argentinien die Pinochet-Regierung, übrigens allerbeste Freunde von Strauss, Franz-Josef, eine WM abhielt und nicht hinschauen nix gebracht, hat, auch, weil die Spiele ziemlich langweilig waren. Man beruhigte nur sein (linkes) Gewissen, scheinbar, und Rummenigge wollte sowieso nix von Politik hören.

    1. Da bin ich ganz bei Ihnen! Das WM-Spektakel macht nur sichtbar, was man ohne WM hinnimmt, nicht wahrnehmen will oder als Elend braucht, damit es es hier auszuhalten ist.

    2. Pinochet war in Chile der Putschist, in Argentinien war es Videla. Klingt zugegebenermaßen ähnlich, wenn man auf Namenssuche im Gedächtnis ist.:-)

      1. Ja danke. Ist lange her.
        Fand „In Südamerika wurden in den 1970er und 1980er Jahren fast alle Länder längere Zeit von rechtsgerichteten, meist von USA unterstützten Militärdiktaturen, regiert.“
        Den Namen Videla kann ich nicht erinnern, jetzt habe ich etwas nachgelesen, denn ich wusste nur noch, dass Chile, Paraquay und Argentinien (und Griechenland) diese Militärdiktaturen hatten.

  3. Jetzt rollt der Ball und es wird sofort deutlich, wo die wirklichen Probleme liegen:
    Der Gastgeber spielt auf dem Niveau einer Kneipenmannschaft und der Schiri pfeift aus lauter Solidarität mit den unterdrückten Frauen Katars, nach dem Regelbuch des Frauenfußballs.
    Muss ich mir diesen Scheiß jetzt ansehen, nur um diese WM demonstrativ nicht zu boykottieren?

  4. hier German Foreign Policy, 21.11.22:

    „Bundesregierung wegen Doppelmoral kritisiert: Berlin hat jahrelang mit Qatar zum eigenen Nutzen kooperiert, sorgt sich nun aber zur Fußball-WM angeblich um Menschenrechte dort.“

    https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9089

    „Alle Berliner Regierungskoalitionen der vergangenen zwei Jahrzehnte haben zu ihrem eigenen Nutzen eng mit Doha kooperiert. So gelang es deutschen Stellen im Jahr 2000 nur mit Qatars Hilfe, die Fußball-WM 2006 in die Bundesrepublik zu holen. Deutsche Unternehmen profitierten von zahlreichen Aufträgen, die Doha zur Vorbereitung der Großveranstaltung vergab; deutsche Konzerne ließen sich von Investoren aus Qatar aus krasser Finanznot retten. Die westliche Außenpolitik machte sich eine Zeitlang die qatarische Unterstützung für die Muslimbruderschaft und für Jihadisten zunutze, um missliebige Herrscher in Nahost zu stürzen. Deutsche Fußballvereine und -verbände kooperieren, während Fans und Aktivisten schon seit Jahren wegen gravierender Menschenrechtsverletzungen in Qatar protestieren, eng mit dem Herrscherclan in Doha. Jetzt aber distanziert sich die Bundesregierung von ihrem langjährigen Kooperationspartner, während dieser einmal nicht Berlin zuarbeitet, sondern die WM durchführt. Qatars Außenminister protestiert: „Wir bedauern die Doppelmoral.“ „

  5. Auch bezeichnend:
    Gestern im ZDF-Studio meckerte der Human Rights Watch-Funktionär Michalski ausgerechnet dann herum, als FIFA-Boss Infantino ausnahmsweise mal etwas Vernünftiges von sich gab: die Forderung nach einer Waffenpause in der Ukraine. Das wäre Kapitulation vor „dem Russen“.
    Menschen-Rechtsextremismus…

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