Studierende auf der richtigen Seite der Geschichte

Studenprotest 1968 an der Columbia University. Auch damals schritt die Polizei mit Gewalt ein. Bild: Columbia News

Wie seltsam, dass all dies auf demselben Campus passiert war, auf dem 1968 die Polizei ebenfalls auf Demonstranten losgegangen war.

 

Ich wohne ganz in der Nähe der Columbia University. Im Laufe der Jahre bin ich auf meinen täglichen Spaziergängen oft durch die Tore des beeindruckenden Campus an der 116th Street geschlendert, habe den Broadway in Richtung Amsterdam Avenue überquert, bin an Studenten vorbeigegangen und habe die riesige Low Library und die Szene im Allgemeinen bewundert. Um die Mittagszeit an einem der letzten Tage (bevor die Studenten die Hamilton Hall besetzten und von der Polizei gewaltsam geräumt wurden) beschloss ich, mit dem Artikel der Columbia-Professorin Helen Benedict im Hinterkopf, zu diesem nun umkämpften Campus zu gehen.

Alles sah normal aus, als ich den Broadway hinaufging, bis ich die 110th Street erreichte und bemerkte, dass an jeder Ecke Polizeibeamte standen. Als ich weiter stadteinwärts ging, wurde der Bürgersteig plötzlich schmaler, denn ein Teil jedes Blocks war nun mit Polizeiabsperrungen aus Metall und weißem Polizeiband versehen, die eindeutig dazu gedacht waren, mögliche Demonstranten später am Tag vor der Universität festzuhalten. Das kleinere (aber immer noch riesige) Tor an der 114. Straße, durch das ich oft gehe, war mit einem riesigen „Kryptonite Evolution“-Schloss verriegelt, hinter ihm stand ein Wachmann. Ich konnte wenigstens einen Blick hineinwerfen und einige der Zelte auf dem Campus sehen, in denen die Columbia-Studenten, die gegen den Alptraum in Gaza protestierten, jetzt wohnten. Einen Block weiter war nur Polizei, Polizei, Polizei, ein paar orthodoxe antizionistische Juden mit seltsamen Protestschildern und ein Mann, der eine israelische Flagge schwenkte und sie anschrie. Und dann waren da all die Fernsehkameras, die darauf warteten, dass etwas, irgendetwas, passiert.

Als ich so dastand, überall Polizei und kein einziger demonstrierender Student in Sicht, dachte ich: Wie seltsam, dass all dies auf demselben Campus passiert war, auf dem 1968, mitten im Vietnamkrieg und nach der Ermordung von Martin Luther King, die Polizei ebenfalls auf Demonstranten losgegangen war, und zwar auf eine Weise, die sich als historisch denkwürdig erweisen sollte. Leben und lernen? Fehlanzeige. Die derzeitige Präsidentin der Columbia-Universität, Minouche Shafik, tat es (wie Benedict mir erzählte) gegen den Rat ihrer Fakultät erneut und rief damit, wenig überraschend, eine landesweite Bewegung gegen den Albtraum in Gaza ins Leben, die sich bereits auf mehr als 40 Universitäten ausgebreitet hat und weiter wächst.

Manchmal scheint es, als ob niemand jemals etwas lernt. Ein auffälliger, aber einsamer Protest gegen den Gazastreifen und dann noch die moderne Version der McCarthy-Republikaner, ein eingeschüchterter Universitätspräsident und die Entscheidung, die Polizei gegen eine friedliche Gruppe von Demonstranten einzusetzen. Das nächste, was man weiß, ist, dass eine landesweite Bewegung einen Campus nach dem anderen in Mitleidenschaft zieht.

Dazu siehe von Helen Benedict: Die verzerrte Darstellung der Campus-Proteste gegen Gaza

Der Artikel erschien im englischen Original zuerst auf TomDispatch.com.

Tom Engelhardt hat die Website TomDispatch.com geschaffen und betreut sie. Hier ist auch sein Artikel im englischen Original erschienen. Er hat auch das American Empire Project mitgegründet und ist Autor der gespriesenen Geschichte des amerikanischen Triumphalismus im Kalten Krieg, The End of Victory Culture. Zuletzt ist von ihm das Buch erschienen: A Nation Unmade by War.

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7 Kommentare

  1. Dieses Phrase „auf der richtigen oder falschen Seite der Geschichte“ ist so ein typischer Mythos von Verlierern, den nicht mehr hören kann – und nicht exklusiv. Die Phrase können natürlich auch korrupte Zionisten klauen und auf ihren Buchtitel schreiben:

    https://en.wikipedia.org/wiki/The_Right_Side_of_History

    Der Hinweise auf Polizeieinsätze 1968 war allerdings gut. Ich hätte mir gewünscht, dass er das näher beschrieben hätte. Gut, er hat auf die Wikipedia verwiesen, wo eine ausführlichere Beschreibung ist. Interessant würde die Frage, was daran geschönt ist, denn Vieles was über Politik dort geschrieben wird, gerade über Kritik, wird geschönt.

    Genauso wie Martin Luther King Day in USA NIE sein Engagement gegen den Vietnam-Krieg erwähnt. Es wird nur die weißgewaschene Version von dem Mann gefeiert, die zu den dümmlichen flaggenschwingenden Nationalisten passt.

  2. Die US-Senatorin Marsha Blackburn (R,Ten) erklärte, daß die Protestierenden auf die „terrorist watch list“ und die „No-Fly List “ gehörten. Sieht so aus, als würde ein Wettrennen beginnen, wer am härtesten gegen die „domestic terrorists“ an den Universitäten, die angeblich “on behalf of Hamas” agieren, durchgreifen wird.
    Senator Rick Scott (R, FL) hat sich schon angeschlossen und verlangt vom Justizministerium „to investigate the students for “conspiring to violate the civil rights of a religious minority.” “

    Wie lange wird sich wohl Jeffrey Sachs in Columbia noch halten können?

    Wie sieht es eigentlich außerhalb der USA an den Universitäten weltweit zu diesem Thema aus?

    PS Just for info: der Gesetzentwurf, über den das Repräsentantenhaus abgestimmt hat (320-91)
    „H.R.6090 – Antisemitism Awareness Act of 2023 “
    https://www.congress.gov/bill/118th-congress/house-bill/6090/text

  3. Um eine lang währende Simulation zu beenden, benötigt man eben immer die gleichen Mechanismen.
    Die Simulanten tun dies, damit die Simulation fortgeführt werden kann.

    Hätte die Menschheit tatsächlich ein demokratisches Verständnis, dann wäre diese Erde ohne Grenzen und Willkür für jeden vorhanden. Jedoch existiert der ‚Feudalismus‘, deshalb ist man heute dazu übergegangen, so zu tun als ob.
    Das so tun als ob, ist die multipolare Ordnung, sie wird für eine Mehrheit mehr Gerechtigkeit bringen, aber der Preis dazu ist, mehr an den Regierenden zu übertragen.
    Ein kapitalistisches Grundkonzept, das dann versucht sich weiter zu entwickeln..
    Herr Putin selbst, hatte das mehr oder minder vor einigen Jahren selbst so formuliert.
    Das Kapital, wer immer dahinter steht, hat sich dazu geieinigt, sonst wären solche Aussagen nicht möglich.
    Und die Bildungstätten sind in der Regel der beste Ort etwas zu implizieren.
    Da ja Bildung immer häufiger ‚privat‘ verabreicht wird.

  4. Bei Wkipedia entlehnt:
    Nach Oxford trat Shafik der Weltbank bei und bekleidete dort verschiedene Funktionen mit Schwerpunkt Infrastruktur.[4] Danach ging sie zum britischen Entwicklungshilfeministerium, dem Department for International Development (DFID).[5] Dort war sie Ständige Sekretärin des DFID für Länderprogramme, wobei sie für alle Überseebüros des DFID und deren Finanzierung in Afrika, dem Nahen Osten, Asien, Lateinamerika und Osteuropa verantwortlich war. Zu ihren Zuständigkeiten gehörte ein Hilfsprogramm in über 100 Ländern, die multilaterale Politik und Finanzierung für die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die internationalen Finanzinstitutionen sowie die allgemeine Entwicklungspolitik und die Forschung.[4]
    Shafik (ganz rechts) mit Barack Obama und Christine Lagarde, Weißes Haus 2011

    Vom April 2011 bis zum März 2014 war Shafik Stellvertretende Geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds. In dieser Funktion war sie für die Arbeit des IWF in Europa und im Nahen Osten, ein Verwaltungsbudget von 1 Milliarde US-Dollar, für 3.000 Mitarbeiter sowie die Ausbildung und technische Unterstützung des IWF für politische Entscheidungsträger auf der ganzen Welt verantwortlich.[4]

    Im August 2014 trat Shafik der Bank of England in der zu der Zeit neu geschaffenen Rolle einer vierten Deputy Governor mit dem Aufgabenbereich Markets and Banking bei. In ihren Verantwortungsbereich lag die 500 Milliarden Pfund starke Bilanz der Bank, sie war Mitglied des Central Bank Committees, das den Leitzins festlegt, des Monetary Policy Committees, des Financial Policy Committees und des Boards der Prudential Regulatory Authority.

    Ob man nach diesem Werdegang und den dabei nahe gekommenen Leuten, auch nur noch einen weisen Fleck am Kittel hat, mag ich bezweifeln.

    1. Die Ivy League Universitäten sind alle Multi-Milliarden-Investmentbanken und ganz oben mit großem Abstand ist Harvard. Entsprechend kümmern sich die Direktoren auch schwerpunktmäßig nur darum, dass die „Spenden“ gemehrt werden und wie das angelegt wird. Die Vorstellung, die der Normalo von einem Uni-Direktor hat, entspricht dem nicht.

      Bei Abgeordneten ist es übrigens ähnlich. Vor ein paar Jahren leakte mal ein Dokument, dass neuen Abgeordneten der Demokraten empfahl, jeden Morgen mit 3 h Telefon-Akquise von Großspendern anzufangen. Es gibt auch eine Liste, wer wie viel Geld reinbringt an Spendern und dafür welche Posten bekommt. Mama Bear ist ganz oben, was die Spenden betrifft.

      Bei den Republikanern ist es natürlich genauso.

      Und natürlich weiß hier in Deutschland Niemand von solchen Praktiken, wird auch nicht berichtet von den Jubelpersern, Hofberichterstattern und PR-Huren.

      AIPAC und all die anderen zionistischen Organisationen aus USA, die zahlen sehr viel Geld. Die Palästinenser haben nichts und zahlen nichts.

      AIPAC hat auch wie z.B. die NRA Ratings. Wer ein öffentliches Amt bekleidete, ein zu schlechtes Rating hat, der wird in Kampagnen angegriffen und dessen Gegner mit viel Geld finanziert. In USA gewinnt in 98 % aller Wahlkämpfe der Kandidat mit dem meisten Geld.

      Der Slogan von Greg Palast trifft es sehr gut:

      The best democracy money can buy.

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