Stillstand in Uruguay

 

Yamandú Ossi in Siegespose. Bild: x.com/Frente_Amplio

 

Was in allen Ländern als Traumergebnis gefeiert würde, sorgte in Uruguay am Sonntag bei der (früher linken) Frente Amplio für Enttäuschung. Ihr Präsidentschaftskandidat Yamandú Orsi, Geschichtslehrer und politischer Ziehsohn des Ex-Präsidenten Pepe Mujica, erhielt nur 44 %.

Seine Frente Amplio (Breite Front) hatte mit einer knappen Hälfte der Stimmen gerechnet, um eine Stichwahl zu vermeiden. Doch an der führt nun kein Weg vorbei, am 24. November wird entschieden, ob Orsi oder Álvaro Delgado von der Nationalen Partei Präsident werden. Und das ist offen, denn das rechte Lager hatte schon in den vergangenen Jahren in der zweiten Wahlrunde eine Koalition gebildet. Und auch wenn im Senat die Frente Amplio eine knappe Mehrheit halten konnte, hat sie diese im Parlament verloren. Regieren wird also schwierig, selbst wenn Orsi die Stichwahl gewinnen sollte.

Offensichtlich ging die Strategie der Breiten Front nicht auf, sich von linken Inhalten zu verabschieden und Stimmen in der Mitte der Gesellschaft zu suchen. Zu viele Kompromisse wurden gemacht, seit sie ab 2005 drei Legislaturperioden lang in Montevideo regierte. Auch der im Ausland wegen seiner Bescheidenheit gefeierte Ex-Guerillero Pepe Mujica war Realpolitiker, freundete sich mit ultrarechten Politikern an und verspielte im Land viele Sympathien, als er das Trinkwasser privatisieren ließ und damit das Ergebnis einer Volksabstimmung ignorierte.

Er setzte innerhalb des Bündnisses durch, dass sein politischer Ziehsohn Orsi (Jahrgang 1967) gegen eine kommunistische Politikerin durchgesetzt wurde. Orsi kommt aus dem Landesinneren und war nach der Diktatur bei linken Gruppen aktiv, darunter bei der MPP, die den früheren Tupamaros nahesteht. Aber 20 Jahre Parlamentarismus fraßen die Inhalte auf. Übrig blieb, was die FAZ so feierte: „Mäßigung und Mitte ist der Schlüssel zum politischen Erfolg“. Für die Frente allerdings waren sie kein Erfolg.

Das eigene Wahlvolk hatte es der Breiten Front und insbesondere Pepe Mujica übel genommen, dass sie sich explizit gegen das zeitgleich stattfindende Plebiszit ausgesprochen hatten. Die Gewerkschaften hatten zu einer Volksabstimmung aufgerufen, um die Privatisierung der Renten rückgängig zu machen.

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Volksabstimmungen in Uruguay – Direkte Demokratie

 

Auch zu diesem Thema hatte bereits vor Jahren ein Referendum stattgefunden, bei dem sich die überwiegende Mehrheit der Uruguayer gegen die Privatisierung ausgesprochen hatten. Doch die rechten Parteien hatten trotzdem das private Rentensystem für alle Arbeitnehmer obligatorisch gemacht, und die Frente Amplio während ihrer Regierung kaum etwas daran geändert. Auch bei der Stimmabgabe am vergangenen Sonntag warnte sie davor, zum Solidarsystem zurückzukehren. Die Lösung wäre, die Frente zu wählen und einen Dialog zu führen, dann würde sich schon alles von alleine regeln. Mujica nannte das Plebiszit „Quatsch“, und seine Frau und langjährige Senatorin Lucia Topolansky schob sogar dem Gewerkschaftsbegehren die Schuld für das schlechte Wahlergebnis in die Schuhe; das Thema der Abschaffung der privaten Renten hätte die Wahlen für die Frente „kompliziert“.

Die Gewerkschaften wollten die Mindestrente an den Mindestlohn koppeln und die Erhöhung des Renten-Eintrittsalters rückgängig machen. Ihr Vorschlag scheiterte an den Urnen. Offensichtlich hatten die Uruguayer nicht mehr gehofft, dass sich die Politiker an das Ergebnis der Abstimmung halten würden. Der andere, vom Parlament eingebrachte Vorschlag, scheiterte ebenfalls. Die Parlamentarier fast aller Parteien hatten beantragt, die Verfassung zu ändern und nächtliche Hausdurchsuchungen zu erlauben, wenn ein richterlicher Durchsuchungsbefehl vorliege. Das ist bisher in Uruguay verboten – sogar wenn Gefahr im Verzug ist oder ein Beschluss vorliegt. Auch in diesem Punkt hatten die Uruguayer ihren Sicherheitsbehörden „Mäßigung“ verordnet.

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Ein Kommentar

  1. Eins müsste noch erwähnt werden: Uruguay bezieht seinen Strom zu 98 Prozent aus Erneuerbaren Quellen. Es ist hierfür von der Natur aus begünstigt, trotzdem musste viel getan werden. Durchgesetzt wurde die Energiewende vom ab 2005 mit Unterbrechungen regierenden Tabaré Vázquez, Chef der Partido Socialista, die offenbar inzwischen verschwunden ist. Es ist eben nicht so, dass wir in Deutschland die Pioniere sind. Das waren wir mal, müssen aber inzwischen drauf achten, dass wir nicht Schlusslicht werden.
    https://www.dw.com/de/uruguay-ist-pionier-in-sachen-gr%C3%BCner-strom/a-59493064
    Welche Vorteile das hat, habe ich die KI gefragt. Schaffung von Arbeitsplätzen,Stabiler Strompreis, Unabhängigkeit von Importen, Umweltvorteile, Bildung und Innovation.

    Das mal an die Bedenkenträger, die die Energiewende immer schlecht zu reden versuchen.

    Das ist schwer zu verstehen, dass sich die Linken, die solche Erfolge hatten, einfach so von rechts überrollen lassen. Privatisierung der Wasserversorgung und der Renten, das ist genau das, was Linke unter allen Umständen vermeiden müssen.

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