Stell Dir vor, es gibt ein Meeting und keiner geht hin

 

Screenshot der Microsoft-Werbung auf X

Meetings sind lästige Rituale in Unternehmen und Organisationen. Sie sollen den Kommunikationsfluss sicherstellen und die Führungskräfte mit den Mitarbeitern zusammenbringen. Meist kommt nicht viel dabei heraus. Besonders ermüdend sind Meetings, wenn sie virtuell als Videokonferenzen durchgeführt werden und die Menschen ihren Kollegen durch manchmal stundenlanges Starren auf den Bildschirm begegnen, vor dem sie sitzend ausharren müssen.

Man spricht auch von „Zoom Fatigue“, seit sich Videokonferenzen während der Corona-Zeit verbreitet haben. Natürlich kommen KI-Firmen auf die Idee, dass es doch super wäre, wenn man an Meetings nicht mehr selbst körperlich oder telepräsent teilnehmen müsste. Ebenso wie man sich Texte oder Filme von den generativen LLMs zusammenfassen lassen kann, könnte man doch auch einen KI-Stellvertreter auf die lästige Veranstaltung schicken, der das dort Gesprochene für einen zusammenfasst.

Microsoft hat kürzlich in einer Anzeige auf X entsprechend für den Einsatz der ChatGPT-Version Kopilot in Bing geworben. Nicht so wirklich explizit, aber doch suggestiv als Frage: „Kann ich in drei Meetings gleichzeitig sein?“ Als Beispiel dient eine Produkteinführung, die man sich zusammenfassen lassen kann. Bei Microsoft nahm die Zahl der Meetings immer mehr zu, oft überschneiden sie sich, so dass Mitarbeiter nicht gleichzeitig teilnehmen können oder eines nur noch halb mitkriegen. Man will also nicht das Problem lösen, dass zu viele Meetings stattfinden, die die Zeit wegfressen, sondern die Mitarbeiter durch KI befähigen an mehreren teilzunehmen, was auch heißt, dass sie als passive Teilnehmer gelten und dann nachlesen, -hören oder -sehen müssen, was dort mitgeteilt wurde – was wiederum Zeit wegfrisst.

Die Vorstellung, dass in einem Meeting jemand mit lauter die Mitarbeiter stellvertretenden KI-Agenten spricht, ist schon bizarr. Kann man die Menschen dann nicht auch gleich durch KI-Agenten ersetzen? Anstatt eines Meetings könnte man einen Text oder eine Audio- oder Videoaufzeichnungen mit den notwendigen Informationen verschicken. Auch hier wären keine Gespräche oder Fragen möglich, aber man hätte auch das, was eine Zusammenfassung bieten würde, die man auch lesen muss. Ist das ein Vorschlag, der letztlich darauf hinauslaufen würde, KI als unsinnige Zwischenstufe auszuschalten? Dazu kommt, dass man sich auf Zusammenfassungen der generativen KI-Sprachmodelle nicht wirklich verlassen kann, weil diese gerne mal halluzinieren und fabulieren.

Wenn man den Kopiloten fragt, scheint das auf Videokonferenzen Besprochene nur zusammenzufassen sein, wenn Transkription vorhanden ist: „Videohighlights stehen nur für Videos mit Transkription zur Verfügung und sind derzeit auf Websites wie YouTube und Vimeo beschränkt. Weitere Websites werden in Kürze unterstützt. Kann ich mit etwas anderem weiterhelfen?“ Aber das Copilot Lab  schreibt, es ginge mit Microsoft Teams auch ohne Transkription: „Copilot kann Notizen erstellen, Aufgaben auflisten und vieles mehr.“ Und kann helfen, wenn man zu spät gekommen ist. Gedacht ist hier mehr daran, dass der Kopilot als Assistent in einem Meeting dient, der dann hilft, Fragen zu beantworten wie: „Welche Fragen wurden gestellt, beantwortet und ungelöst gelassen? Wie war die Stimmung in der Sitzung? Fass zusammen, was die Teilnehmer gesagt haben, und zwar in einer weniger technischen Form. Warum hat [ein Besprechungsteilnehmer] gesagt, dass diese Idee gut ist? …“

Gut, aber was ist mit der gleichzeitigen Teilnahme an mehreren Meetings? Zoom-Chef Eric Yuan erklärt, man sei an der Entwicklung einer „Digitalen Zwillingstechnik“: „Ich kann einen digitalen Zwilling zur Teilnehme schicken und selbst an den Strand gehen.“ Dann müsse man auch  nicht mehr so viel Zeit mit Zoom-Meetings verbringen, in die man die KI-Agenten schicken kann.

Nun sind Meetings oft ermüdend und eine Zeitverschwendung, wie auch von Korbes moniert wird, aber sie bieten noch die Möglichkeit, vor allem wenn alle körperlich vor Ort sind, zu diskutieren, spontan Ideen zu entwickeln und einen sozialen Zusammenhang mit persönlichen Begegnungen – auch davor oder danach – zu stiften oder aufrechtzuhalten. Für den Mitarbeiter wäre es ganz nett, nicht vor dem Bildschirm kleben oder vor Ort anwesend sein zu müssen, sondern seinen digitalen Stellvertreter zu schicken, um mehr Zeit zum Chillen zu haben, Arbeitgeber werden wohl kaum dafür zu begeistern sein.

Man könnte sich letztlich vorstellen, dass lauter digitale Zwillinge in der Cloud zu einer Séance zusammenkommen, Konversation treiben, Entscheidungen treffen und dann Zusammenfassungen an ihre Auftraggeber am Strand irgendwo auf der Welt schicken. Eigentlich könnte man dann doch das gesamte Unternehmen mit Künstlicher Intelligenz betreiben – und Zoom wäre dann sowieso genauso überflüssig wie  die Mitarbeiter.

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12 Kommentare

  1. Video-Konferenzen haben schon Vorteile, denn man kann nebenbei weiterarbeiten, während das Gequatsche an einem vorbeirauscht. Bei einem Präsenzmeeting ist meistens jede Sekunde verlorene Lebenszeit. Wenn man in Zukunft auch noch eine KI in die Konferenzen schicken kann, kann sogar ich langsam etwas Positives am KI-Hype finden.

  2. Welche Mitarbeiter? Die gibt es selbstverständlich dann nicht mehr, werden nicht mehr gebraucht. Es entsteht dann allerdings ein Problem bei der Ausbeutung, der Pool für die Generierung von Mehrwert/Profit wird kleiner. Dazu sagte schon Marx, dass auf dem Weg die Entwicklung der Produktivkräfte die Vergesellschaftung bis zum Sprung in neue Produktionsweise vorantreibt.
    Den Zeitpunkt hätte ich noch gern erlebt, aber leider zu alt.

  3. Entweder Dritter Weltkrieg oder SKYNET übernimmt den “Kapitalismus” auf jeden Fall ist die Zukunft nicht mehr Menschlich. Egal welchen Weg die Menschheit einschlägt das Leben wird Grausam sein und der Tod eine Erlösung für die Menschheit an sich.

  4. Habe ich probiert. Ich habe den Bot angewiesen, meine Beiträge bei Telepolis und hier zu lesen und mit diesem Wissen auf neue Artikel zu antworten. Damit war ich nicht zufrieden, es war von abstoßender Bravheit. Ich bin also nicht KI-ersetzbar. Ist das eine Auszeichnung?
    Alan Turing hatte als Ziel ausgegeben, einen Computer zu bauen, bei dem ein Mensch die Kommunikation nicht mehr von der eines Menschen unterscheiden kann. Erfüllt nun diese KI den Turing-Test? Mitnichten, sie ist einfach zu höflich.
    Und da, wo sie eine gute Datenbasis hat, zieht sie nur logische und plausible Schlüsse. Eine Eigenschaft, die den Menschen zusehends abhanden gekommen ist. Hat der Hegel’sche Weltgeist die Menschheit vor dem Überschnappen bewahrt? Könnte sein.
    Den Weltgeist habe ich jetzt mal als Kompromiss genommen. Ich denke, der ist auch für Muslime akzeptabel.

  5. Nun sind Meetings oft ermüdend und eine Zeitverschwendung

    Kommt drauf an was man im Beruf macht würd ich sagen.
    Unter uns Softwareentwicklern ist das nicht wegzudenken. Softwareentwicklung ist reine Teamarbeit und man ist selten mit seinen Kollegen am selben Ort. Da ist man eigentlich ständig mit dem Team oder einzelnen Kollegen in einer Konferenz, man arbeitet auch oft in Pair und teilt dann den Bildschirm abwechselnd während man gemeinsam an konkreten Aufgaben arbeitet. Langeweile kommt da nie auf. Ich weiß nicht wie das bei euch heutzutage in Deutschland ist, ich lebe und arbeite in Moskau. Wir setzen KI Assistenten schon etwas länger eigentlich täglich ein. Die sind nicht dazu gedacht einen zu vertreten, viel mehr zu unterstützen. Und nicht nur bei Meetings. Sie nehmen einem viel lästige Routinearbeit ab. Normalerweise werden in größeren Runden so oder so Protokolle erstellt. Früher musste da jemand verdonnert werden, der dann die ganze Zeit mitschreiben und Notizten machen musste. Heute macht es die KI und die macht es mittlerweile recht gut.

    1. Mal Frage: gibt es auch einen russischen Copiloten? Der deutsch oder englisch kann?

      Der wäre sehr wünschenswert, aus bekannten Gründen.

  6. Dazu kommt, dass man sich auf Zusammenfassungen der generativen KI-Sprachmodelle nicht wirklich verlassen kann, weil diese gerne mal halluzinieren und fabulieren.

    Das soll auch bei M.I. bzw. B.I. (menschlich, biologisch) manchmal vorkommen. Insofern…

  7. Auf Twitter gibt es schon seit Jahren Bots, die sich miteinander unterhalten. Das ist dann jetzt der nächste Schritt in die Videokonferenzen. Schöne neue Welt in der sich künstliche Abbilder in Videokonferenzen sinnlos treffen und mit der Datenstrom das Internet verstopfen. Die Spitze der modernen Arbeitskultur, die sich in Meetings verzettelt und nichts erledigt bekommt. Toll!!

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