Rote Robenträger legalisieren Diebstahl

Roben der Richter des Bundesverfassungsgerichts. Bild: evilboy/CC BY-SA-3.0

Wie die Verfassungsrichter die Grundrechte missachten.

 

Gerade hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entschieden (Urteil ): Akten aus dem Kanzleramt zu entwenden und in privaten Verliesen zu bunkern, ist legal. Im konkreten Fall geht es um die Unterlagen, die die Witwe des früheren Kanzlers Helmut Kohl in ihrem Oggersheimer Keller unter Verschluss hält, sie damit der Öffentlichkeit entzieht und die Informations- und Pressefreiheit aushebelt. Genau das will die Politik, und die Karlsruher Richter nicken es ab.

Ich hatte das Kanzleramt, Eigentümerin dieser Akten, auf Wiederbeschaffung seiner Papiere (wohlgemerkt: der Originale) verklagt und in allen Instanzen, bis hoch zum Bundesverwaltungsgericht verloren.

Ich empfehle die Lektüre dieses Urteils, da es sich in zynischer Weise über geltendes Recht hinwegsetzt und die Grundrechte in die Tonne tritt. Das ist so offensichtlich, dass auch der Autor des Kommentars zum Bundesarchivgesetz (BArchG), Rechtsanwalt Christoph Partsch, erklärt: “Es missachtet alle Auslegungsregeln, um das BArchG noch restriktiver auszulegen und der Regierung noch mehr Freiräume zu schaffen, als sich diese durch die Gesetzesänderung 2017 erhoffen konnte!“

Jetzt wurde meine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, von einer Begründung “abgesehen”. Der Beschluss ist unterschrieben von Stephan Harbarth, Ines Härtel und Martin Eifert. Harbarth ist ein williger Parteisoldat der CDU. Er trat bereits 1987 in die Junge Union ein und machte in der Kohl-Ära Karriere, zuletzt war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion. In einem Rechtsstaat hätte dieser Herr in einem Verfahren, in dem es um den Diebstahl von Kanzlerakten geht, wegen Befangenheit zurücktreten müssen. Aber offensichtlich werden inzwischen Juristen gerade wegen ihrer Befangenheit auf diese hohen Posten geschickt, um dort die Interessen der Parteien durchzusetzen, denen sie das Amt verdanken. Die Richter Eifert (auf dem grünen Ticket nach Karlsruhe geklettert) und Härtel (vorgeschlagen von der SPD) haben brav mitgestimmt. Auch die Grünen und die Sozialdemokraten haben sich im Parlament für die Privatisierung amtlicher Akten eingesetzt. Laut Gesetz gehören diese Dokumente ins Bundesarchiv, wo sie Historiker, Journalisten und Bürger einsehen können. Gewaltenteilung? Das war gestern.

Der lange Kampf des Sisyphos

Die Rechtslage ist eindeutig. Laut § 5 des Bundesarchivgesetzes sind alle öffentlichen Stellen des Bundes verpflichtet, ihre Unterlagen dem Bundesarchiv anzubieten. Wer dagegen verstößt, macht sich strafbar, § 133 des Strafgesetzbuches spricht von “Verwahrungsbruch” und sieht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor. Doch Kanzler und Minister halten sich nicht an die Gesetze und nehmen meist nach Dienstende ihre Unterlagen mit nach Hause oder übergeben sie einer (privaten) Parteistiftung. So wird das Informationsfreiheitsgesetz ausgehebelt, illegal, aber in der Praxis scheißegal, denn wo kein Ankläger – da kein Richter, bzw. allenfalls Richter, die sich als willfährige Erfüllungsgehilfen der Exekutive verdingen – statt als Garanten der Grundrechte.

Seit über 15 Jahren versuche ich, mit Rechtsanwalt Raphael Thomas, gegen diesen Rechtsbruch vorzugehen. 2010 recherchierte ich zu Hans Globke, hoher Beamter in Hitlers Reichsinnenministerium, Kommentaror der Nürnberger Rassengesetze und später ergebener Staatssekretär von Konrad Adenauer (CDU). Die Akten liegen in der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), und diese verweigerte mir die komplette Einsicht in den Globke-Nachlass. Da das Bundesarchiv nichts unternahm, um dieses Material der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, verklagte es mein Anwalt wegen Untätigkeit.

Der Prozess ging durch die Instanzen, und ich verlor auf ganzer Linie. Es gebe keine gesetzliche Handhabe, die das Bundesarchiv zu diesem Schritt ermächtigen würde.

Das was so absurd, dass 2017 das Bundesverfassungsgericht meine Beschwerde annahm und ein Urteil sprach. Zwar verwarf es mein Rechtsmittel, da ich den Falschen verklagt hatte, nämlich das Bundesarchiv und nicht das Kanzleramt:

“Die Beschwerdeführerin hat es versäumt, zur Durchsetzung des von ihr begehrten Informationszugangs zunächst einen Antrag an das Bundeskanzleramt zu stellen, in dessen Zuständigkeit die Akten geführt wurde”.

Die Verfassungsrichter stellten aber fest, dass diese Unterlagen weiterhin Eigentum des Bundes seien, auch wenn sie woanders lagern:

“Bei den von der Beschwerdeführerin begehrten Informationen soll es sich um Dokumente handeln, die im Rahmen staatlicher Aufgabenwahrnehmung angelegt worden sind und als Akten des Bundeskanzleramts geführt wurden. Durch die Übergabe an private Einrichtungen haben diese Dokumente den Charakter amtlicher Unterlagen nicht verloren. Damit wären sie dem Staat weiterhin rechtlich zugeordnet und unterlägen – auch wenn der unmittelbare Zugriff auf sie erschwert ist – grundsätzlich seiner öffentlich-rechtlichen oder zivilrechtlichen Verfügung und Verantwortung”.

Leider hatte sich das höchste deutsche Verfassungsorgan nicht zur Rechtmäßigkeit des Verwahrungsbruchs äußern wollen. Es wies aber auf die Wichtigkeit der Informationsfreiheit für die Demokratie hin:

“Der Bedeutung der allgemeinen Zugänglichkeit der Quellen (ist) das ihr für die Freiheitswahrnehmung des Einzelnen wie für die Kommunikation im demokratischen Verfassungsstaat zukommendes Gewicht beizumessen und mit entgegenstehenden Belangen in einen vertretbaren Ausgleich zu bringen.” gez. Kirchhof u.a.

Mit “entgegenstehenden Belangen” meinte das Gericht wohl die Interessen und Einflussnahmen der Parteistiftungen sowie der Verwaltung, die Herrschaftswissen (und allerlei Peinlichkeiten) vor dem Plebs schützen wollen. Aber immerhin wollten damals die Träger der roten Roben die “Freiheitswahrnehmung im demokratischen Verfassungsstaat” gewahrt sehen. Das war 2017, und seitdem ist viel passiert. Heute stehen nicht mehr Freiheit und Demokratie im Vordergrund, sondern eben, wie es so schön formuliert wurde, die “entgegenstehenden Belange”.

Wie mir damals die Karlsruher Richter nahegelegt hatten, verklagte ich nunmehr das Kanzleramt auf Wiederbeschaffung der Globke-Akten. Ich verlor wieder in allen Instanzen, zuletzt sogar am Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR: Rechtsprechung und NS-Nazi-Kontinuität). Der Fisch stinkt immer vom Kopf her, weiß der Volksmund, die Zeiten haben sich geändert. Die Verwaltungs- und Verfassungsrichter, die eigentlich den Bürger vor den Übergriffen der Exekutive schützen sollen, wahren nicht einmal mehr den Anschein der Rechtsstaatlichkeit, wie im Fall der Kohlakten.

Obwohl ich 2017 formal verloren hatte, ermunterte mich der Karlsruher Richterspruch, und ich forderte die Kohl-Witwe, Maike Kohl-Richter, auf, mir Einsicht in die in ihrem Keller lagernden Bestände zu gewähren. Ich recherchierte gerade für die ARD einen riesigen Korruptionsskandal in Chile, in den die Frankfurter Metallgesellschaft verwickelt war. In Santiago hatte ich die Anklageschrift gegen die lokalen Broker einsehen können. Der CEO der Metallgesellschaft, Heinz Schimmelbusch, hatte an der Londoner Terminbörse gezockt und auf steigende Kupferpreise gewettet. Doch die Kurse fielen, es drohte der Bankrott. Schimmelbusch, vermuten die Chilenen, soll den Bundeskanzler um Hilfe gebettelt haben. Fakt ist, dass Kohl gegen den Rat aller Experten entschied, in Deutschland nicht Glasfaser zu verlegen, sondern die veraltete Kupfer-Technologie. Außerdem war ich an Protokollen zwischen Mitterand und Kohl in Sachen Leuna-Raffinerie interessiert. Millionen Schmiergelder sollen geflossen sein. Die französische Justiz hatte hohe Haftstrafen in der Sache ausgesprochen – nur die deutschen (weisungsgebundenen) Staatsanwälte legten ihre Hände in den Schoß. Sie konnten oder wollten die Kohlakten nicht einsehen und zu illegalen Parteispenden ermitteln.

Der Fall der in Oggersheim gebunkerten Kohlakten waren damals in allen Schlagzeilen, denn der seinerzeit unter Vertrag genommene Biograph, Dr. Heribert Schwan, stritt sich zivilrechtlich mit der Witwe über die Rechte an seiner Arbeit. Er bekundete vor Gericht, dass er mit den Originalen aus dem Kanzleramt im Oggersheimer Keller gearbeitet habe; die Akten seien von der Stiftung übersandt worden, und die KAS bestätigte dies.

Der Bundesrechnungshof kritisierte den diffusen Umgang mit amtlichen Papieren, das Bundesarchiv bot nach dem Tod Kohls seine Witwe an, diese Akten endlich nach Koblenz zu überführen. Und das Münchner Institut für Zeitgeschichte bestätigte, dass es eine privilegierte Behandlung durch die Witwe erfahren habe. Während Historikern und Journalisten das Material im Oggersheimer Keller verweigert wird, durfte es das IfZ, im Auftrag des Auswärtigen Amtes, kopieren und einige Protokolle der Gespräche Kohls mit Mitterand veröffentlichen. Es besteht also kein Zweifel an der (illegalen) Sachlage, die Dokumente sind in meinem Film “Die geklauten Kohlakten – wie Geschichte manipuliert wird” zu sehen.

Da die Witwe auf meinen Antrag nicht reagierte, erstattete ich Strafanzeige gegen sie und verklagte das Kanzleramt auf Wiederbeschaffung der Kohl-Akten. Die Staatsanwaltschaft lehnte Ermittlungen ab, da „kein Anfangsverdacht bestehe„, dass Frau Kohl-Richter amtliche Akten besitze. Auch das Klageerzwingungsverfahren hatte keinen Erfolg, ebensowenig meine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe und meine Eingabe in Straßburg. Auch der EGMR lehnte eine Entscheidung ohne Begründung ab. Wie gesagt, der Fisch … (EGMR-Rechtsprechung für diebische Kanzlerwitwen).

“Wir haben in diesem Fall alles versucht, was rechtlich möglich war, weder die Staatsanwaltschaft noch die Gerichte haben sich interessiert gezeigt. Es ist eine Schande für unseren Rechtsstaat, wenn für ehemalige Bundeskanzler und deren Familien andere Gesetze gelten sollen als für den Rest der Gesellschaft. Mit solchen Entscheidungen wird Vertrauen verspielt bei denen, die noch auf das Funktionieren der Gewaltenteilung setzen.”

… so mein Anwalt, Raphael Thomas, heute, verbittert. Er hatte sich einst für ein Jurastudium entschieden, um Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen. Das ist lange her. “Mit der Entscheidung segnet das Bundesverfassungsgericht das rechtswidrige Verstecken von offiziellen Akten aus dem Kanzleramt in einem privaten Keller in Oggersheim offiziell ab.”

Doch wer “vertraut” heute auf das “Funktionieren der Gewaltenteilung”? Wer im Internet sucht, findet dazu sehr unterschiedliche Meinungsumfragen. Der Presse zufolge schwindet das Vertrauen in die Justiz rapide, die Konrad-Adenauer-Stiftung hingegen vermeldet, es sei “ungebrochen groß. Ganz bestimmt, auf jeden Fall bei der Stiftung in St. Augustin.

Warum sollten sich nicht auch in der Bundesrepublik Richter und Staatsanwälte vom Volk wählen lassen?

Diese Umfragen sind wenig aussagekräftig. Zur Justiz gehören auch die Richter der Arbeits-, Familien- und Strafgerichte, und dort sind noch Juristen tätig, die sich engagieren und die Gesetze unabhängig von der wirtschaftlichen oder politischen Macht anwenden. Es geht mir also nicht um ein allgemeines Richter-Bashing. Die Betonung liegt auf “noch”, denn in anderen Ländern nehmen die Regierungen nicht nur Einfluss auf politische Verfahren; auch normale, zivile Prozesse werden danach entschieden, wie dick der Briefumschlag ist, der unter dem Richtertisch gereicht wird. Soweit sind wir in Deutschland noch nicht, aber die Meinungsforscher hätten ihre Fragen nach dem Vertrauen in die Justiz anders formulieren müssen: Trauen Sie noch den Verwaltungs- und Verfassungsrichtern, sich für unsere Grundrechte und gegen die politische Macht durchzusetzen? Da wäre ein anderes Ergebnis herausgekommen.

Viele Staaten haben ihre Justizapparate der direkten Demokratie unterworfen. Warum sollten sich nicht auch in der Bundesrepublik Richter und Staatsanwälte vom Volk wählen lassen oder zumindest von den Bürgern abgewählt werden können, wenn sie besonders unterwürfig sind oder das Recht missachten. In den USA werden die meisten Richter direkt gewählt, auch in Bolivien und seit kurzem in Mexiko. Dort müssen sich Juristen ihre Autorität verdienen; es reicht nicht das Geschacher im Hinterzimmer einer Partei. Leider meckert die deutsche Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Wahl der Verfassungsrichter nur über mangelnde Bauernschläue bei diesen Deals und fordert keine Transparenz und Bürgerbeteiligung. Es ist höchste Zeit, dies zu ändern. Warum können die Robenträger nicht vom Souverän vorgeschlagen und gewählt werden? War da nicht einmal so ein Familienrichter in Weimar….? (Was ist an der geplatzten Richter-Wahl für das Bundesverfassungsgericht skandalös?)

Gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts werde ich in Straßburg Beschwerde einlegen. Ich werde oft gefragt, ob das nicht Geld- und Zeitverschwendung sei, angesichts des moralischen und professionellen Niedergangs der Justiz. Ich finde nicht. Wir müssen die Dinge zu Ende bringen, und wenn sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wieder blamieren will, dann sollen wir ihn nicht daran hindern. Da ich diese Prozesse nicht privat finanzieren kann, bitte ich Euch um Hilfe bei der Finanzierung.

 

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Gaby Weber

Gaby Weber
Weber studierte Romanistik und Publizistik an der Freien Universität Berlin und promovierte 1982 am Lateinamerika-Institut. Seit 1978 ist die Mitgründerin der taz als Journalistin und seit 1986 als freie Korrespondentin tätig, zuerst aus Montevideo und ab 2002 aus Buenos Aires. Außerdem hat sie mehrere Reportagen und umfangreiche Recherchen zur Geschichte nachrichtendienstlicher Aktivitäten veröffentlicht. 2012 erschien ihr Buch „Eichmann wurde noch gebraucht“.
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16 Kommentare

  1. Liebe Gaby Weber, Dank und Hochachtung für Ihren Standpunkt und Ihre Standfestigkeit!
    Vieles bliebe unbeachtet und unbenannt, wenn es Menschen wie Sie nicht mehr gäbe…

  2. Ich wäre insbesondere an den Akten des Bundeskanzleramts aus den Jahren 2004 bis 2012 interessiert, die meine Person sowie die Entstehung von Bitcoin betreffen.

    1. Und ich hätte gern Einsicht in die Akten zu dem Gesetzesantrag, der sich mit dem Verbot „des Schwimmens in Abwasserkanälen ohne Erlaubnis“ beschäftigt!
      Speziell auch in Bezug auf meine Person. Das Gesetz verhindert, dass ich dort nach Bitcoin tauchen kann!

      1. Werde doch Kläranlagentaucher, wenn du das als selbständige Tätigkeit anmeldest, darfst in jedem Medium schwimmen, sogar im Abwasserbereich der Geldwäschereien.

        Darauf ein Marsalek

  3. „Vielleicht können wir sie nicht dazu zwingen, das Richtige zu tun; wohl aber können wir sie dazu zwingen, immer dreister zu lügen und immer offensichtlicher das Recht zu beugen oder gar zu brechen.“
    (unbekannte Quelle, eher sinngemäß zitiert)

    1. Ulrike Meinhof hat gesagt: ‚Wir können sie nicht dazu zwingen, die Wahrheit zu sagen. Aber wir können sie zwingen, immer unverschämter zu lügen.‘

  4. In der Netflix Serie über Pablo Escobar gab es selbst in Kolumbien einen Staatsanwalt, vom Volk gewählt, der Theater mit dem Justizminister hatte, weil er mehr ermittelte, als die Korrupten mochten.

      1. Die Staatsanwälte die die Steuer CD´s bearbeiteten, wurden
        einfach für unzurechnungsfähig erklärt und aus dem Dienst
        entfernt. Würde sich das nicht bei den Verfassungsrichtern
        auch anbieten?

  5. Das Bundesverfassungsgericht ist die höchste Instanz im deutschen Rechtssystem – und doch wird es heute maßgeblich durch parteipolitische Absprachen besetzt. Richter werden von Bundestag und Bundesrat gewählt, vorgeschlagen von denselben Parteien, deren Handeln sie im Zweifel überprüfen sollen. Diese Nähe gefährdet die Unabhängigkeit des Gerichts und untergräbt das Vertrauen in die Gewaltenteilung.

    Ein Ausweg liegt in einem demarchischen Modell: Die Mitglieder des Gerichts werden nicht gewählt, sondern ausgelost. Teilnehmen am Losverfahren dürfen alle Volljuristen mit mindestens zwölf Jahren Berufserfahrung. Ausgeschlossen sind alle, die jemals Mitglied eines gewählten Parlaments waren – um parteipolitische Bindungen von vornherein zu verhindern.

    Die Amtszeit der Richter ist strikt auf zwei Jahre begrenzt. Danach kehren sie in ihre ursprünglichen Berufe zurück. Einzige Ausnahme: Läuft noch ein Verfahren, an dem sie beteiligt sind, bleiben sie bis zu dessen Abschluss zuständig, übernehmen aber keine neuen Fälle mehr. Parallel treten bereits die neu ausgelosten Richter ihr Amt an. So entsteht eine Übergangszeit, in der „alte“ und „neue“ Senate nebeneinander arbeiten, ohne dass Verfahren unterbrochen werden müssen.

    Dieses System garantiert keine absolute Einheitlichkeit der Rechtsprechung – und genau das ist sein Vorteil. Statt einer kleinen, politisch geprägten Elite, die jahrzehntelang den Kurs bestimmt, entsteht eine lebendige, wechselnde Auslegung der Verfassung. Vielfalt, Unabhängigkeit und Durchmischung werden zur Regel, nicht zur Ausnahme.

    Eine demarchische Justiz stärkt die Demokratie, indem sie politische Einflussnahme verhindert. Sie macht Schluss mit Hinterzimmerabsprachen und Parteienproporz. Wer Recht spricht, wird nicht mehr ernannt, sondern ausgelost – und bleibt damit allein der Verfassung verpflichtet.

  6. Umso mehr ist die Geschichtsschreibung auf private Hinterlassenschaften angewiesen. Seien es notarielle Dokumente, eigene Aufzeichnungen, politisch motivierte Briefe oder Briefwechsel, Flugblätter, Haushaltsbücher oder Unterlagen für größere Anschaffungen etc. Wer auch nur ein bisschen Platz zum „Stauen“ hat, sollte überlegt wegschmeißen. Manchmal finden sich Nachgeborene, denen das wichtig ist. Sonst gäbe es so gut wie keine Zeitzeugen. Nirgendwo. Die Realität der Macht und der Mächtigen dürfte überall die gleiche sein. Die Kontrapunkte werden gebraucht!
    Nicht einmal historische Romane lassen sich ohne solches Material schreiben.

  7. Hat sich seit 1933 eigentlich irgendwas Signifikantes am politischen und Justizsystem in Deutschland geändert?
    Scheint nicht so……
    Schönen Tag noch.

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