
Erinnerung an eine unbeugsame Denkerin und Antimilitaristin.
[Vorbemerkung: Der deutsche Militarismus wächst und gedeiht wieder. Umso wichtiger wird die Erinnerung an Menschen wie Rosa Luxemburg (1871-1919). Bruno Kern hat für die Schalom-Bibliothek einen neuen Band mit Texten von ihr vorgelegt: „Nein, auf unsere Brüder schießen wir nicht!“. Ungekürzt dargeboten wird darin u.a. die bedeutende Antikriegsschrift „Krise der Sozialdemokratie“ (1916), deren „Aktualität“ die Lesenden heute in Erstaunen oder Erschrecken versetzen kann. Der nachfolgende Beitrag basiert weitgehend auf Kerns Einleitung der kleinen Sammlung. Peter Bürger]
Rosa Luxemburg wurde im Jahr 1871 in der kleinen Provinzstadt Zamość im damals unter russischer Herrschaft stehenden Teil Polens als Tochter eines jüdischen Kaufmanns (Holzhändlers) geboren. Bald schon sollte die Familie aber in die Hauptstadt Warschau übersiedeln. Von Kindheit an hat Luxemburg in dieser emanzipierten, weltläufigen Familie am weiten geistigen Horizont der bürgerlich-jüdischen Intelligenz partizipiert. Rosas Vater verfügte über internationale Kontakte und zählte sich zu den Maskilim, den Anhängern der Haskala, das heißt der Tradition der jüdischen Aufklärung, die sich auf Moses Mendelssohn zurückführen lässt. Im Gegensatz zu den orthodox-frommen Chassidim assimilierten sich die Haskilim der nichtjüdischen Gesellschaft und zeichneten sich durch eine liberale Gesinnung aus. Zum bildungsbürgerlich-weltläufigem Milieu, in dem Rosa Luxemburg aufwuchs, gehörte auch die Mehrsprachigkeit. Neben der polnischen Muttersprache wurde innerhalb der Familie nicht nur die offizielle Amtssprache Russisch, sondern auch Deutsch gesprochen. Das Jiddische hingegen wurde eher vermieden.
Das jüdische Erbe
Luxemburgs Verhältnis zu ihrer jüdischen Herkunft ist durchaus ambivalent. Zeitlebens wird sie es ablehnen, das spezifische Leid, dem die Juden im Lauf ihrer Geschichte in der Diaspora unterworfen waren, zum Ausgangspunkt ihres politischen Denkens und Handelns zu wählen, obwohl sie dieses Leid seit ihrer Kindheit aus eigener Anschauung kannte: Im Jahr 1881 flammten in Polen allenthalben antijüdische Pogrome auf, die im Dezember auch Warschau erreichten und die jüdische Bevölkerung tagelang in Angst und Schrecken versetzten. Tausende jüdische Wohnhäuser, Geschäfte und etliche Synagogen wurden zerstört. Die russische Armee ließ den katholischen Mob offensichtlich mit Absicht gewähren, bis sie schließlich doch intervenierte, um die „Ordnung“ wiederherzustellen. Für das zehnjährige Mädchen muss das ohne Zweifel ein traumatisches Ereignis gewesen sein – und dennoch nimmt sie später nie Bezug darauf.
Noch im Jahr 1917 schreibt sie aus dem Gefängnis an ihre enge Vertraute Mathilde Wurm: „Was willst du mit den spezifischen Judenschmerzen? Mir sind die armen Opfer der Gummiplantagen in Putumayo, die Neger in Afrika, mit deren Körper die Europäer Fangball spielen, ebenso nahe.“ Keine mangelnde Empathie gegenüber dem Leid ihres eigenen Volkes also, sondern eine entschieden universalistische Haltung, keine Ignoranz gegenüber der jüdischen Leidens- und Verfolgungsgeschichte, sondern die unterschiedslose Parteinahme für die Leidenden überhaupt. – Offenbart sich nicht gerade darin das beste Erbe der jüdischen Religion? „Ich möchte alle Leiden, alle verborgenen bitteren Tränen den Satten auf ihr Gewissen laden …“ Dieser Satz ist uns von der jungen Rosa Luxemburg überliefert.
Zeigt sich nicht gerade in dieser Grundhaltung unabhängig vom eigenen religiösen Bekenntnis das spezifische Gottesbild des Ersten Testaments, die biblische Kunde von einem Gott, der seinen universalen Heilswillen gerade an denen bewährt, die faktisch von diesem Heil ausgeschlossen sind: den Unterdrückten, den Schwachen, der Witwe und der Waise? „Mein Ideal ist eine solche Gesellschaftsordnung, in der es mir vergönnt sein wird, alle zu lieben.“ Auch in dieser Selbstaussage, in der das junge Mädchen Rosa Luxemburg das Motiv ihres politischen Engagements präzise zusammenfasst, mag man das in der Hebräischen Bibel beurkundete Ideal der Gesellschaftsordnung – die Verwirklichung von Recht und Gerechtigkeit als Voraussetzung wahren Menschseins – erkennen.
Eine Eigenschaft Luxemburgs, die zu ihrer Zeit keine besondere politische Rolle spielte, ihre Persönlichkeit aber ganz besonders charakterisierte und vor allem in ihren Briefen aus dem Gefängnis zum Ausdruck kommt, ist ihre besondere Empathie für die außermenschliche Kreatur. Zeitlebens hat sie in liebevoller Hingabe Herbarien angelegt. Sie verfügte über außerordentliche botanische Kenntnisse. Den bekannten „Büffelbrief“ aus der Festung Wronke, in der sie inhaftiert war, widmete sie dem Leid eines mit Stockhieben traktierten Tieres. All dies zeugt von einer Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben – ganz im Sinne eines Albert Schweitzer und der Kernbotschaft der Tora. Und nicht zuletzt ist zu sprechen vom kompromisslosen Kampf Rosa Luxemburgs gegen den Krieg, in welchem die Friedensverheißung des nachexilischen Judentums – bis hin zur Botschaft des Juden Jesus – ihren deutlichen Niederschlag findet.
Politischer Kampf im Dienst der Menschlichkeit
Die äußerst begabte Schülerin – aufgrund einer Läsion der Hüfte seit frühen Kindertagen leicht gehbehindert – politisierte sich noch in ihren Gymnasialjahren, sicherlich auch unter dem Eindruck der brutalen zaristischen Herrschaft. Sie schloss sich der sozialistisch-revolutionären Partei „Proletariat“ an, die damals von Marcin Kasprzak geführt wurde. Bald schon war sie zur Flucht aus Russisch-Polen gezwungen. Auf abenteuerliche Weise wurde die erst Siebzehnjährige in einem Heuwagen versteckt über die Grenze nach Deutschland geschmuggelt. Sie gelangte schließlich nach Zürich, wo im Gegensatz zu anderen europäischen Städten auch Frauen ein Universitätsstudium absolvieren durften. Sie entschied sich schließlich nach Kostproben in einigen anderen Fachgebieten (unter anderem Zoologie) für die noch junge Wissenschaft Nationalökonomie. Mit einer brillanten Arbeit über die Industrialisierung Polens wurde sie schließlich promoviert. Ihr Doktorvater, der österreichische bürgerliche Ökonom Julius Wolf, ein entschiedener Gegner von Karl Marx, bezeichnete die Marxistin Luxemburg dennoch als seine begabteste Schülerin.
Die Theoretikerin ist aber schon damals zugleich auch politische Aktivistin innerhalb des anregenden Milieus von europäischen Exilanten, die in Zürich eine Zuflucht gefunden hatten. Sie lernt dort bald den jungen, aus Wilna geflohenen Sozialisten Leo Jogiches kennen. Er sollte ihr langjähriger Lebenspartner und politischer Kampfgefährte werden. Zusammen stellen sie zunächst die in Paris erscheinende polnische Zeitschrift Sprawa Robotnicza („Sache der Arbeiter“) auf die Beine. Sie wird auch zum Kristallisationspunkt einer zunächst kleinen politischen Formation, der SDKP (Sozialdemokratie des Königreichs Polen). Rosa Luxemburg entschließt sich nach Abschluss ihrer Promotion bewusst für das Engagement in der deutschen Sozialdemokratie, der stärksten und wichtigsten Sektion der Zweiten Internationale. Eine Scheinehe ermöglicht ihr den Aufenthalt in Deutschland. Bald schon ist sie Parteitagsdelegierte und macht sich als brillante Rednerin und als theoretische Wortführerin der deutschen Marxisten einen Namen.
Zum ersten Mal profiliert sie sich im sogenannten „Revisionismusstreit“, in dem sie Stellung gegen Eduard Bernsteins reformistischen Politikansatz bezieht, und setzt ihm ihr Konzept von der „revolutionären Reformpolitik“ entgegen. Das heißt: Der Kampf um die unmittelbaren Verbesserungen der Lebensverhältnisse erfolgt stets aus der Perspektive, dass das kapitalistische System letztlich notgedrungen zum Scheitern verurteilt ist. Kurzzeitig wird sie Chefredakteurin der Sächsischen Arbeiter-Zeitung und dann – zusammen mit Franz Mehring – der Leipziger Volkszeitung.
Mit einer fulminanten Attacke gegen Lenin, die in ihrer ganzen prophetischen Überzeugungskraft erst nach der Oktoberrevolution von 1917 erkannt werden konnte, begründete Luxemburg ihre politische Bedeutung bis heute. Im Parteiorgan der russischen Sozialdemokratie, Iskra („Der Funke“), publizierte sie eine scharfe Kritik am zentralistischen Organisationsprinzip der Bolschewiki. Im selben Jahr (1904) erfolgt ihre erste Verurteilung zur Gefängnishaft: Eine angebliche Beleidigung Kaiser Wilhelms trägt ihr drei Monate Haft ein. Ihr journalistisches Wirken kann sie vorübergehend als Mitarbeiterin der Redaktion des Vorwärts, des Zentralorgans der deutschen Sozialdemokratie, entfalten. Nach dem Ausbruch der ersten russischen Revolution im Jahr 1905 wird sie bei einem illegalen Aufenthalt in Warschau zusammen mit Leo Jogiches verhaftet und kommt erst nach Stellung einer Kaution frei.
Einen äußerst fruchtbaren Abschnitt ihres Wirkens stellt ihre Tätigkeit als Dozentin für Ökonomie an der Berliner Parteischule dar, einer Kaderschmiede sozialdemokratischer Agitatoren und Redakteure. Etliche ihrer Schüler und Schülerinnen berichten begeistert davon, wie es Luxemburg verstand, sie jenseits aller dogmatischen „Schulung“ zum eigenen Denken anzuregen.
Die Beschäftigung mit der Ökonomie im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit mündete schließlich in ihrem theoretischen, mehr als vierhundert Seiten umfassenden Hauptwerk: Die Akkumulation des Kapitals. Ausgangspunkt ist für sie ein Problem, an dem Marx selbst gescheitert war und das er am Ende des zweiten Bandes seines Werkes Das Kapital nicht befriedigend zu lösen vermochte, nämlich die Frage, woher die Nachfrage letztlich kommt, die den zweiten Zyklus der Kapitalverwertung finanzieren könne. Luxemburg zeigt scharfsinnig auf, dass diese Nachfrage nicht der Sphäre des Kapitalismus selbst entspringen kann, sondern dass die kapitalistische Ökonomie mit innerer Notwendigkeit auf Bereiche angewiesen ist, die von ihr noch nicht restlos durchdrungen sind. Das wird ihr zum Ausgangspunkt ihrer Imperialismustheorie, die eine heftige Debatte auslöste und unter ihren Parteifreunden hauptsächlich auf Ablehnung stieß.
Konsequenter Antimilitarismus
Eng mit ihrer ökonomischen Analyse des Imperialismus hing ihr entschiedener Antimilitarismus zusammen. Auf allen Ebenen, innerhalb der Zweiten Internationale und innerhalb der deutschen Sozialdemokratie, focht sie für eine klare Positionierung und eine entsprechende Orientierung der Arbeitermassen. Schon im Jahr 1900 hatte sie auf dem Pariser Kongress der Zweiten Internationale prophezeit, dass der Zusammenbruch der kapitalistischen Ökonomie „durch eine durch die Weltpolitik herbeigeführte Krisis“ erfolgen werde. Insbesondere auf den Kongressen 1907 in Stuttgart und 1911 in Basel versuchte sie eine kompromisslose antimilitaristische Linie durchzusetzen. Der Kriegsausbruch und vor allem die „patriotische“ Haltung der SPD – abgesehen von einer kleinen Schar Kriegsgegner, zu der auch der Reichstagsabgeordnete Karl Liebknecht gehörte, der als Einziger seiner Fraktion die Zustimmung zu den Kriegskrediten verweigerte – lösten bei der Humanistin und Kriegsgegnerin schiere Verzweiflung aus. Zeitweilig trug sie sich sogar mit Selbstmordgedanken bzw. mit dem Plan eines demonstrativen Suizids aus Protest gegen den Krieg.
Kaum etwas könnte von aktuellerer Bedeutung sein als Luxemburgs unermüdlicher, verzweifelter Kampf gegen den Krieg. Bis zuletzt hegte sie die Hoffnung, dass der entschlossene Widerstand des europäischen Proletariats die Katastrophe verhindern könne.
Luxemburg hatte ein geschärftes Bewusstsein dafür, dass der bevorstehende Krieg eine völlig andere Qualität haben würde als alles bisher Bekannte. Sie konnte deshalb dazu kein taktisches Verhältnis entwickeln, konnte ihn auch nicht, wie so manche ihrer Genossen, im Sinne „marxistischer“ Dogmatik relativieren oder ihn zynisch als revolutionäre Chance begreifen. Der Krieg, in dem die Grausamkeit der Imperialmächte letztlich auf diese selbst zurückschlug, war für sie schlicht der Untergang jeglicher Zivilisation, das Versinken in die Barbarei. Hier verbietet sich jedes taktische Verhältnis, verbietet sich jede Relativierung.
Interessanterweise hatte bereits Friedrich Engels, ein begeisterter Militärstratege, der oftmals äußerst zynisch über den notwendigen Untergang „geschichtsloser“ Völker im Namen des Fortschritts der Zivilisation sprach, diese völlig neue Dimension von Krieg ebenso erkannt wie Luxemburg. Etliche Jahre vor Ausbruch des Krieges schreibt er prophetisch: „Acht bis zehn Millionen Soldaten werden sich untereinander abwürgen und dabei ganz Europa so kahlfressen wie noch nie ein Heuschreckenschwarm. Die Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges zusammengedrängt in drei bis vier Jahre und über den ganzen Kontinent verbreitet; Hungersnot, Seuchen, allgemeine, durch akute Not hervorgerufene Verwilderung der Heere wie der Volksmassen …“ (MEW 21, 350–351)
Im innerparteilichen Streit um eine konsequente antimilitaristische Haltung profilierte sich Luxemburg bereits sehr früh in ihrer Auseinandersetzung mit dem Reichstagsabgeordneten Max Schippel, der für die Erweiterung und Entwicklung des bestehenden Militärsystems eintrat. In einer Serie von Artikeln in der Leipziger Volkszeitung unter dem Titel „Miliz und Militarismus“ im Jahr 1899 kritisierte sie Schippels Position scharf. Den Opportunismus in Fragen der Militarisierung sah Luxemburg durchaus im Zusammenhang der umfassenderen Revisionismusdebatte. Innerhalb der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion und der Parteiführung erntete Luxemburg zum damaligen Zeitpunkt noch vorwiegend Zustimmung für ihre Haltung.
Bereits im Jahr 1899 forderte Bernhard Fürst von Bülow ganz offen im Reichstag die Vorbereitung auf den militärischen Kampf um die Aufteilung der Welt. Für Deutschland sei die Zeit der demütigen Zurückhaltung vorbei. Die berühmte „Hunnenrede“ Kaiser Wilhelms II., in der er 1900 zur Schonungslosigkeit bei der Unterwerfung der chinesischen Provinz Shantung aufforderte, war ein besonders brutaler Ausdruck dieser imperialistischen Kriegsbereitschaft. In diesem Klima trat Luxemburg als unerschrockene Versammlungsrednerin auf. Auf dem Mainzer Parteitag 1900 hat sie allerdings vergeblich versucht, die halbherzige Haltung der Sozialdemokratie zu diesen Entwicklungen zu verändern. Erfolgreicher war ihr Kampf auf der Ebene der Zweiten Internationale, die schließlich im Jahr 1907 eine wesentlich von Luxemburg ausgearbeitete Resolution zum Friedensengagement herausgab, der auch August Bebel für die deutsche Sozialdemokratie zustimmte. Darin heißt es wörtlich:
„Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind die arbeitenden Klassen und deren parlamentarische Vertretungen in den beteiligten Ländern verpflichtet, unterstützt durch die zusammenfassende Tätigkeit des Internationalen Büros, alles aufzubieten, um durch die Anwendung der ihnen am wirksamsten erscheinenden Mittel den Ausbruch des Krieges zu verhindern, die sich je nach der Verschärfung des Klassenkampfes und der Verschärfung der allgemeinen politischen Situation naturgemäß ändern. Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, ist es die Pflicht, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Mitteln dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur Aufrüttelung des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen.“
Das Finanzkapital, die Rüstungsindustrie und die Militärs ließen vermutlich die Sektkorken knallen, als die sozialdemokratische Reichstagsfraktion am 30. Juni 1913 ihre Zustimmung zu den beantragten Militärausgaben gab. Einzig Karl Liebknecht wies im Reichstag unbeirrt auf den Zusammenhang von Profitinteressen, Aufrüstung und Kriegspropaganda hin.
„Staatsfeindin Nummer Eins“
Rosa Luxemburg drängte die Sozialdemokratische Partei, die seit dem Jenaer Parteitag einem deutlichen Rechtsruck unterlegen war, zur Einhaltung der internationalen Antikriegsbeschlüsse und setzte ihr Vertrauen auf den Widerstand der Arbeiterklasse. Am 24., 25. und 26. September 1913 trat Luxemburg in Hanau, in Fechenheim (bei Frankfurt a.M.) und in Frankfurt-Bockenheim als Rednerin auf. Im Kriegsfall, so Luxemburg, gelte es, dass Arbeiter nicht gegenseitig auf ihre Brüder schießen dürfen. Luxemburg setzte auf einen Massenstreik im Falle eines Kriegsausbruchs. Ihre Auftritte als Rednerin veranlassten Redakteure der national gesinnten evangelischen Zeitung Frankfurter Warte dazu, den Staatsanwalt zu informieren und die Anklage Luxemburgs wegen Hochverrats zu fordern. Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin tatsächlich ein Ermittlungsverfahren ein, das schließlich am 27. November 1913 zur Anklage führte. Die Hauptverhandlung wurde für den 20. Februar 1914 anberaumt. Verteidigt wurde Luxemburg von den Rechtsanwälten Paul Levi und Kurt Rosenzweig.
Der „Staatsfeindin Nr. 1“ warf man vor, ein „Attentat auf den Lebensnerv unseres Staates“ im Schilde zu führen. Luxemburg wird wegen der antimilitaristischen Aufklärungsarbeit schließlich zu insgesamt 14 Monaten Haft verurteilt. Diese Haftstrafe wird sie allerdings erst im Februar 1915 antreten. In ihrer rhetorisch brillanten Verteidigungsrede gibt sie geschickt den Vorwurf der „Hetze“ an die richtige Adresse, nämlich an Kaiser Wilhelm höchstselbst, zurück. Vor allem aber macht sie deutlich, dass nicht der Kadavergehorsam des Soldaten, sondern der Wille der Volksmassen selbst die Grundlage des Staates ist und dass ohne diesen Willen der Bevölkerung bzw. der Arbeiter selbst kein Krieg geführt werden kann!
Die verbleibende Zeit in der Freiheit nutzt Luxemburg zu weiterer Agitation. Die Verurteilung in Frankfurt hatte ihre Popularität nur noch gesteigert, und so war der Zulauf zu ihren Veranstaltungen umso größer. Bald sollte ihr ein außerordentlicher Triumph gegen den Militarismus gegönnt sein. In einer Rede in Freiburg hatte sie die Soldatenmisshandlungen angeprangert, die damals gang und gäbe waren. Der Strafantrag des Kriegsministers folgte auf den Fuß. Luxemburg aber erkannte sofort, dass er sich damit nur selbst ein Bein gestellt hatte, dass ein Prozess die einmalige Gelegenheit darstellen würde, gestützt auf reichlich vorhandenes Beweismaterial eben jene Misshandlungen der Öffentlichkeit gegenüber aufzudecken. An ihren Anwalt Paul Levi, mit dem sie inzwischen auch privat liiert war, schreibt sie in diesem Sinne triumphierend:
„Liebling, denk dir, wie famos! Es ist ein Strafantrag des Kriegsministers von Falkenhayn wegen Beleidigung des Offiziers- und Unteroffizierscorps, weil ich in der Freiburger Versammlung am 7. März gesagt habe, die Soldatenmisshandlungen stehen auf der Tagesordnung und die „Vaterlandsverteidiger“ werden mit Füßen getreten. […] Ich habe natürlich zugegeben, die Äußerungen getan zu haben, und zwar, um den Leuten den Rückzug abzuschneiden. Die Kerle sind wohl von allen guten Geistern verlassen. Denk dir, was man alles bei einer solchen Verhandlung an Material ausbreiten und wiedergutmachen kann, was unsere Esel im Reichstag versäumt haben!“
Man hatte tatsächlich Mühe, ohne Gesichtsverlust aus dieser Sache wieder herauszukommen, zumal die Angelegenheit inzwischen erhebliche öffentliche Resonanz erfahren hatte, selbst in der bürgerlichen Presse. Durch allerlei Winkelzüge versuchte man der drohenden Blamage zu entgehen, bis der preußische Kriegsminister schließlich am 4. August 1914, am selben Tag also, als die Reichstagsfraktion der SPD die Kriegskredite bewilligte, den Strafantrag gegen Luxemburg zurückzog.
Luxemburg selbst verbrachte die Zeit des Krieges zum Großteil im Gefängnis. Zunächst hatte sie jene Haftstrafe anzutreten, zu der sie bereits im Februar 1914 in Frankfurt wegen „Aufhetzung von Soldaten zum Ungehorsam“ verurteilt worden war, dann wurde sie erneut in „Sicherheitshaft“ genommen. Aus der Haft heraus – aus dem Berliner Weibergefängnis, der Festung Wronke in der Provinz Posen und dem Breslauer Gefängnis ‒ führte Luxemburg ihren Kampf weiter. Noch im Februar 1916 konnte ihre Analyse der Kriegsursachen und der Politik der SPD unter dem Pseudonym „Junius“ erscheinen. Sie wurde ihre wahrscheinlich wirksamste Schrift und ist noch heute eine hervorragende Quelle für das Verständnis der Ereignisse und deren Ursachen. Helmut Hirsch fasst die Bedeutung dieser Broschüre folgendermaßen zusammen:
„… mit ihrer Anwendung der von Marx und Engels entwickelten historisch-materialistischen Methode verstand sie auf knapp 100 Seiten den Gang der Entwicklung mithilfe einer sozialökonomischen und politischen Analyse treffend zu schildern und vorherzubestimmen. Sie zerstörte – nur acht Monate nach Kriegsbeginn – die beiderseitigen Legenden vom Verteidigungskrieg und entlarvte deutscherseits die Beherrschung der Türkei als das uneingestandene Ziel eines imperialistischen Angriffskriegs.“
Abscheu vor der Gewalt
Aus dem Gefängnis heraus setzt sich Luxemburg in Artikeln für die Spartakusbriefe der kleinen Gruppe von Kriegsgegnern innerhalb der Sozialdemokratie in durchaus kritischer Solidarität mit der russischen Revolution der Bolschewiki auseinander. Ihre Positionen werden schließlich in ihre erst posthum veröffentlichte Schrift Zur russischen Revolution münden. Es ist jene Schrift, die den berühmt gewordenen Satz enthält, dass Freiheit immer die Freiheit des anders Denkenden sei – ein Satz, der noch siebzig Jahr später imstande war, die DDR-Führung in furchtbare Verlegenheit zu bringen. Die in dieser Schrift vorgenommene Verhältnisbestimmung zwischen Sozialismus und Demokratie ist gerade im Rückblick auf die spätere totalitäre Entwicklung in ihrer Klarsichtigkeit nicht genug zu bewundern. Und sie setzt einen unverrückbaren Maßstab: Niemals darf Demokratie zur Disposition stehen. Der Sozialismus erweist sich gerade darin als die überlegene Gesellschaftsordnung, dass sich erst auf seiner Grundlage die demokratische Selbstbestimmung der Menschen entfalten kann.
Luxemburg, von den Gegnern als „blutige Rosa“ diffamiert, hatte einen Abscheu vor jeglicher Art von Gewalt – auch der Gewalt als Mittel des revolutionären Kampfes. Das lässt sich in ihren Schriften und Äußerungen von Anfang an bis hin zu einem ihrer letzten Texte, der Programmschrift für den Spartakusbund, nachvollziehen. Sie meint sogar eine geschichtliche Tendenz zu erkennen, der zufolge auch die Kämpfe um eine gesellschaftliche Transformation im Lauf der Zeit immer zivilisiertere, gewaltärmere Formen annehmen. Die blutigen Barrikadenkämpfe früherer Revolutionen weichen nun dem vornehmlichen Kampfmittel des Massenstreiks. Bei aller revolutionären Begeisterung warnt sie vor sinnlosem Blutvergießen angesichts klarer Kräfteverhältnisse. Der „rote Terror“ Lenins, dem jedes Mittel recht war, wenn es dem Machterhalt diente, erfüllte Luxemburg mit Entsetzen.
Am 9. November 2018, an dem Tag also, als Philipp Scheidemann die deutsche Republik ausruft ‒ nur um der Ausrufung der „freien sozialistischen Republik Deutschland“ durch Karl Liebknecht zuvorzukommen ‒, kommt Luxemburg endlich frei und verzehrt sich bald im revolutionären Kampf dieser Tage. Aus der Spartakusgruppe, also der kleinen Minderheit von Kriegsgegnern unter den Sozialdemokraten, wird nun der Spartakusbund. Luxemburg versucht unermüdlich, mithilfe des Zentralorgans Die rote Fahne die Aufstandsbewegung journalistisch zu begleiten und zu orientieren.
Allerdings werden in den Revolutionstagen vom Januar 1919 auch die ganze Tragik ihrer Persönlichkeit und die Widersprüchlichkeit so mancher ihrer politischen Positionen offenbar. Angesichts eines aufgrund des ungleichen Kräfteverhältnisses aussichtslosen Kampfes lehnt Luxemburg den Spartakusaufstand, der die alte Ordnung mitsamt ihrer ökonomischen Basis stürzen will, eigentlich ab, meint aber dennoch, hinter die Position der Massen nicht zurückfallen zu dürfen und sich ihnen gegenüber loyal verhalten zu müssen. Von Anfang ihres politischen Wirkens an hatte sie ja den Massen der Arbeiter selbst, ihrem spontanen Agieren und ihrem Instinkt ein unverbrüchliches Vertrauen entgegengebracht. Ihr Eintreten für Gewaltlosigkeit in ihrer Schrift Was will der Spartakusbund? lässt sich im Lauf der Ereignisse kaum durchhalten, und gerade angesichts ihres Glaubens an die „Zivilisierung“ revolutionärer Kämpfe offenbart ihr gewaltsamer Tod die ganze Tragödie der Geschichte. Die zentralen Persönlichkeiten des Spartakusbundes bzw. der Kommunistischen Partei Deutschlands (ab 31.12.1918), darunter Karl Liebknecht und Leo Jogiches, werden liquidiert. Rosa Luxemburg wird am 15. Januar 1919 von Mitgliedern eines Freicorps unter Billigung der Regierung brutal ermordet.
Erst Monate später wurde Luxemburgs Leichnam aus dem Landwehrkanal in Berlin Tiergarten geborgen. Die Totenrede bei ihrer Beisetzung hielt ihr einstiger Anwalt und Gefährte Paul Levi. Der Geist dieser „Märtyrerin der Menschlichkeit“ – so Levi – werde ungebrochen fortleben.
Im Geiste Luxemburgs über Luxemburg hinaus
Luxemburg hatte recht mit der Einschätzung, dass der einzige politische Faktor von Gewicht, der die Katastrophe des Ersten Weltkriegs hätte verhindern können, das europäische Proletariat und seine Organisationen, die sozialdemokratischen Parteien und die Gewerkschaften – in Deutschland, im Habsburgerreich und in Frankreich zumal – gewesen wäre. Und sie lag richtig mit ihrer Analyse, die den Krieg vor allem aus der aktuellen Phase der Kapitalverwertung begriff.
In ihrer Verteidigungsrede vor der Frankfurter Strafkammer macht sie deutlich, dass gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit kein Krieg zu führen ist. Hier setzt – mit etwas anderer Blickrichtung – auch das in den frühen 1980er-Jahren entwickele Konzept der „sozialen Verteidigung“ als Alternative zur militärischen Sicherheitsdoktrin an: Es geht davon aus, dass ein Aggressor nur dann wirklich erfolgreich ist, wenn er nicht einfach ein Territorium, sondern die betreffende Bevölkerung kontrolliert. Die effektive und angemessene Antwort auf einen Aggressor ist deshalb nicht bewaffnete Abwehr, sondern die Weigerung der Bevölkerung, sich ihm zu unterwerfen, die in vielfachen Formen des zivilen Ungehorsams zum Ausdruck kommt. Dies wäre eine konsequente Aktualisierung von Luxemburgs Antimilitarismus – was freilich erfordert, die Menschen stark zu machen statt auf allen Ebenen einen Klassenkampf von oben – gegen die Armen – zu führen.
Das Prinzip der aktiven Gewaltfreiheit gilt in nicht geringerem Maße für revolutionäre Befreiungskämpfe. Der Zwiespalt, den Luxemburg hier in sich trägt, ist überdeutlich. Sie verabscheut jegliche Form von Gewalt zutiefst und scheint sie andererseits dennoch für unvermeidlich zu halten. Natürlich ist jede Gewaltdebatte von vornherein irregeleitet, wenn sie die strukturelle Gewalt des Systems ausblendet und damit jegliche Gegenwehr von unten delegitimiert. Doch aufgrund unserer geschichtlichen Erfahrung wissen wir heute genauer als Luxemburg Bescheid über die schrecklichen Sackgassen blutiger Befreiungskämpfe und darüber, dass sich das Ziel einer humanen, solidarischen Gesellschaft in den Kampfmitteln selbst widerspiegeln muss. Die Arbeit von Initiativen wie den International Peace Brigades, von Hildegard Goss-Mayr und des Friedensnobelpreisträgers Adolfo Pérez Esquivel liefern beeindruckende Beispiele dafür, dass der gewaltfreie Kampf für Demokratie – also auch für eine demokratische Wirtschaft zugunsten aller – und Menschenrechte letztlich erfolgreicher ist als jeder bewaffnete revolutionäre Kampf, der mit den angewandten Mitteln (tötende Gewalt) seine eigenen Ziele selbst verrät. Im Geist Luxemburgs wäre deshalb auch innergesellschaftlich der zivile Ungehorsam – die gezielte Regelübertretung unter Einsatz der eigenen Person – gegen alle pubertären Gewaltfantasien als das aussichtsreichste Mittel zu propagieren, Veränderungen herbeizuführen.
Scharfsinnig erkannte Rosa Luxemburg den inneren Zusammenhang zwischen der Sicherung der Verwertungsbedingungen des Kapitals und dem Krieg. Im Sinne ihrer Imperialismustheorie begreift sie, dass die Kriegsvorbereitung konsequent aus der Konkurrenz um die Unterwerfung der Kolonien hervorgeht, die lebensnotwendig für den Fortbestand des Kapitalismus sind. Sie begreift den Stellenwert der Rüstungsindustrie als Kapitalanlage und nicht zuletzt die Funktion von Kriegen zur Verfestigung der Klassenherrschaft im Inneren. Karl Marx hatte in seiner Erörterung der „ursprünglichen Akkumulation“ die Gewalt bereits als Geburtshelferin des Kapitalismus entlarvt. Im selben Sinne zeigt Luxemburg, dass der Krieg die notwendige Begleiterscheinung und Folge der Expansion des Kapitalismus ist. Hier zeigt die bürgerliche Gesellschaft ihr wahres Gesicht, und im Krieg sieht Luxemburg den von Friedrich Engels als Möglichkeit ins Auge gefassten „Rückfall in die Barbarei“.
Die Aktualität von Luxemburgs Analyse liegt auf der Hand. Heute stehen die internationalen Konflikte vor allem auch unter dem Vorzeichen des Kampfes um immer knapper werdende Rohstoffe. Sowohl die geltende Doktrin der NATO samt deren Aktualisierung in den „Strategischen Konzepten“ als auch die diversen Weißbücher der Bundeswehr stellen unmissverständlich fest, dass die Sicherung von ökonomischen Interessen, Handelswegen und des ungehinderten Zugangs zu essenziellen Rohstoffen die Territorialverteidigung im konventionellen Sinne in den Hintergrund treten lässt. Pläne für künftige Ressourcenkriege liegen seit langem in den Schubladen der Militärstrategen, wie etwa das „European Defense Paper“ der ‒ immer noch als friedenssicherndes Staatenbündnis propagierten ‒ Europäischen Union aus dem Jahr 2004 belegt.
Der sich zuspitzende Konflikt der USA und der Europäischen Union mit China, der Stellvertreterkrieg in der Ukraine und die zunehmende Aggression der USA gegenüber Venezuela sind nur einige aktuelle Beispiele für geopolitische Interessen, die notfalls mittels Krieg durchgesetzt werden sollen.
Kein Geringerer als Papst Franziskus hat 2015 in seiner Enzyklika Laudato siʼ gewarnt: „Es ist vorhersehbar, dass angesichts der Erschöpfung einiger Ressourcen eine Situation entsteht, die neue Kriege begünstigt, die als eine Geltendmachung edler Ansprüche getarnt werden.“ Der Widerstand gegen die Abgründe der Heilslehre von Militarismus und Rüstungswahn ist dringlicher denn je.
Rosa Luxemburg: „Nein, auf unsere Brüder schießen wir nicht!“ Der Militarismus als kapitalistische Krankheit. Herausgegeben von Bruno Kern. (= edition pace 39 ǀ Regal: Pazifisten & Antimilitaristen aus jüdischen Familien 13). Hamburg: BoD 2025.
[ISBN: 978-3-6951-6182-9; Paperback 192 Seiten; 9,99 €]
Bibliotheksportal: Alle Publikationen des Regals „Pazifisten und Antimilitaristinnen aus jüdischen Familien“ erscheinen zunächst als Digitale Erstausgaben und sind frei abrufbar auf dem Projektportal www.schalom-bibliothek.org – dort auch alle Informationen zu den bisherigen Buchangeboten.


Rosa Luxemburg wurde im Jahr 1871 in der kleinen Provinzstadt Zamość im damals unter russischer Herrschaft stehenden Teil Polens als Tochter eines jüdischen Kaufmanns (Holzhändlers) geboren.
??
Das ist sachlich falsch. Es gab keinen unter russischer Herrschaft stehenden Teil Polens, sondern ganz Polen, das nach den Napoleonischen Kriegen übrig geblieben war, war ein russisches Protektorat.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kongresspolen
Ich sehe nicht wo das Zitat „im damals unter russischer Herrschaft stehenden Teil Polens“ falsch sein sollte.
Denn egal wie es genannt wurde: Polen war damals faktisch unter russischer Herrschaft.
Das kommt auch sehr gut in dem von dir als Link gesetzten Wiki-Artikel hervor.
Je länger es das „Protektorat“ gab desto umfassender wurde die Herrschaft Russlands.
Zur Zeit von Rosas Geburt wurde nicht mal mehr der Name „Polen“ offiziell verwendet.
Das Territorium von Polen wurde damals – also nach der dritten Teilung Polens – von Preußen, Russland und Österreich kontrolliert. Kongresspolen war der Name des Teils der zu Russland gehörte.
„ Der ukrainische Nationalismus war in Rußland ganz anders als etwa der tschechische, polnische oder finnische, nichts als eine einfache Schrulle, eine Fatzkerei von ein paar Dutzend kleinbürgerlichen Intelligenzlern, ohne die geringsten Wurzeln in den wirtschaftlichen, politischen oder geistigen Verhältnissen des Landes, ohne jegliche historische Tradition, da die Ukraine niemals eine Nation oder einen Staat gebildet hatte, ohne irgendeine nationale Kultur, außer den reaktionärromantischen Gedichten Schewtschenkos. Es ist förmlich, als wenn eines schönen Morgens die von der Wasserkante auf den Fritz Reuter hin eine neue plattdeutsche Nation und Staat gründen wollten. Und diese lächerliche Posse von ein paar Universitätsprofessoren und Studenten bauschten Lenin und Genossen durch ihre doktrinäre Agitation mit dem „Selbstbestimmungsrecht bis einschließlich usw.“ künstlich zu einem politischen Faktor auf. Sie verliehen der anfänglichen Posse eine Wichtigkeit, bis die Posse zum blutigsten Ernst wurde: nämlich nicht zu einer ernsten nationalen Bewegung, für die es nach wie vor gar keine Wurzeln gibt, sondern zum Aushängeschild und zur Sammelfahne der Konterrevolution! Aus diesem Windei krochen in Brest die deutschen Bajonette.…“
aus Rosa Luxemburg, Die russische Revolution.
Daran muß aus aktuellen Anlaß. erinnert werden
Rosa Luxemburg lehnte den bürgerlichen Nationalismus, der letztendlich einer der vielen Gründe für den Zusammenbruch der UdSSR ab, siehe dazu „die russische Revolution“:
„ Wie kommt es, daß in allen diesen Ländern plötzlich die Konterrevolution triumphiert? Die nationalistische Bewegung hat eben das Proletariat dadurch, daß sie es von Rußland losgerissen hat, gelähmt und der nationalen Bourgeoisie in den Randländern ausgeliefert. Statt gerade im Geiste der reinen internationalen Klassenpolitik, die sie sonst vertraten, die kompakteste Zusammenfassung der revolutionären Kräfte auf dem ganzen Gebiet des Reiches anzustreben, die Integrität des russischen Reiches als Revolutionsgebiet mit Zähnen und Nägeln zu verteidigen, die Zusammengehörigkeit und Unzertrennlichkeit der Proletarier aller Nationen im Bereiche der russischen Revolution als oberstes Gebot der Politik allen nationalistischen Sonderbestrebungen entgegenzustellen, haben die Bolschewiki durch die dröhnende nationalistische Phraseologie von dem „Selbstbestimmungsrecht bis zur staatlichen Lostrennung“ gerade umgekehrt der Bourgeoisie in allen Randländern den erwünschtesten, glänzendsten Vorwand, geradezu das Banner für ihre konterrevolutionären Bestrebungen geliefert. Statt die Proletarier in den Randländern vor jeglichem Separatismus als vor rein bürgerlichem Fallstrick zu warnen und separatistische Bestrebungen mit eiserner Hand, derern Gebrauch in diesem Falle wahrhaft im Sinne und Geist der proletarischen Diktatur lag, im Keime zu ersticken, haben sie vielmehr die Massen in allen Randländern durch ihre Parole verwirrt und der Demagogie der bürgerlichen Klassen ausgeliefert. Sie haben durch diese Forderung des Nationalismus den Zerfall Rußlands selbst herbeigeführt, vorbereitet und so den eigenen Feinden das Messer in die Hand gedrückt, das sie der russischen Revolution ins Herz stoßen sollten.….“ Zitat Ende
In diesen Sinne ist nach Rosa Luxemburg Taiwan ein untrennbarer Bestandteil der chinesischen Nation. Separatismus lehnte sie ab und beschwor den Internationalismus der Werktätigen aller Länder. Rosa wäre entsetzt gewesen wenn sie von der Gründung eines zionistischen, rassistischen Staates auf den Boden eines anderen Volkes gewußt hätte. In ihren Sinn muß sich das jüdische Proletariat von Israel seiner bourgeois-faschistischen Regierung entledigen und mit den werktätigen Volk Palästinas eine gemeinsame Republik aller Werktätigen des Territoriums gründen. Das ist das Erbe von Rosa, das die deutsche Linke verraten hat. Da sie religionslos war, hat sie mit den Judentum nichts am Hut. Aber zu ihrer Zeit entstand der zionistische Nationalismus, der werktätige jüdischen Glaubens gegen ihre arabischen Klassenbrüder und Schwestern aufhetzt. Rosa war also Antizionistin, aber der Zionismus mit all seinen Übeln war ihr nicht bekannt