Roger Waters – wieder einmal

Pigs (Roger Waters at Gelredome, Arnhem, 2005. Bild: Mork_nl/CC BY-SA-3.0

Man hat in Deutschland den neuen Antisemitismus-Eklat. Der Performer Roger Waters ist diesmal dran. Mit Israels Realität hat das herzlich wenig zu tun.

 

In Deutschland wird zur Zeit wieder einmal “Antisemitismus” befeiert. Nach Achille Mbembe und dem Documenta-Zirkus ist nun Roger Waters (wieder) dran. Schlimmstes hat er verbrochen: Sein Outfit auf der Bühne lässt eine SS-Uniform assoziieren; ein Luftballon-Schwein mit einem Davidstern darauf stieg gen Himmel; Anne Frank und Shireen Abu Akleh wurden in einem Atemzug zusammen genannt.

Die Attacken gegen Waters nebst Bemühung, seinen Auftritt zu unterbinden, ließen nicht auf sich warten. Engagiert haben sich sogleich die üblichen Verdächtigen, allen voran der ruhmreiche Antisemitismus-Bekämpfer Uwe Becker, flankiert von der Frankfurter jüdischen Gemeinde und Stimmen im Feuilleton. Man hat dann gerichtlich beschlossen, dass Waters dennoch auftreten darf – das Recht auf Meinungsfreiheit wurde ihm zugestanden. Nun kann natürlich auch Uwe Becker auf Meinungsfreiheit pochen. Dieses Recht wurde ihm auch nicht abgesprochen, nur das Recht, praktische Konsequenzen aus ihm abzuleiten und Raum- bzw. Aufführungsverbot zu praktizieren.

Man könnte das gesamte “Ereignis” damit abtun, dass sich auf der symbolischen Ebene wieder eine typisch deutscher Gladiatorenfarce um Deutungshoheit und Hegemonie zwischen “Antisemiten” und “Antisemitismus”-Bekämpfern zuträgt. Nur muss man sich fragen, was es genau ist, was die Anti-Watersianer im gegenwärtigen Aufarbeitungs-Karneval so aufwühlt? Welchen Abbruch hat man dem Judesein (und erst recht dem nichtreligiösen Judesein) getan, indem man “Schwein” und “Davidstern” (bzw. “Schwein” und “Helm mit Mossad-Inschrift”) in Verbindung gebracht hat? Will man daraus allen Ernstes Antisemitismus ableiten? Glaubt man wirklich, dass ein Künstler im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts es wagen würde, in Deutschland Antisemitisches vor Publikum zu äußern, geschweige denn darzustellen? Will man ernstlich behaupten, dass Waters idiotisch genug wäre, einem heutigen deutschen Publikum gegenüber eine Nazi-Affinität zu bezeugen? Welchen Schaden hat Anne Franks historischer Status genommen, indem man ihren Namen mit dem Shireen Abu Aklehs verschwistert hat? Ist nicht klar, dass Roger Waters das Opfer eines historischen Kontexts mit dem Opfer eines anderen Kontexts in Zusammenhang, namentlich den des Opfer-Seins, bringen möchte? Will jemand ernstlich behaupten, dass Waters nicht den Unterschied zwischen dem Grauen der Shoah und der Barbarei des israelisch-palästinensischen Konflikts kennt?

Aber da wären wir schon beim Eingemachten, das alle bisherigen Fragen als das Luftgeschäft erscheinen lässt, welches sie in der Tat sind. Es geht Becker und Konsorten nämlich nicht um Antisemitismus, sondern um den sogenannten “israelbezogenen Antisemitismus”, im Klartext: um Roger Waters Kritik an Israels Politik im Kontext des Konflikts mit den Palästinensern. Waters hasst und bekämpft (u.a.) die schieren Tatsache eines Jahrzehnte währenden Regimes brutaler Okkupation, die dem palästinensischen Kollektiv nicht nur sein Selbstbestimmungsrecht streitig macht, sondern auch die Möglichkeiten zur gesellschaftlich-wirtschaftlichen Entfaltung realiter einengt bzw. verhindert. Ein emanzipativ ausgerichteter Mensch muss diesen Zustand, der gar nicht infrage gestellt werden darf (wie es die israelische Politik unentwegt ideologiegeleitet tut), kritisch bekämpfen.

Dies hier noch einmal auszubreiten, hat etwas von Vergeblichkeit an sich. Wer will das noch hören? Wer will noch hören, was Israel alltäglich und allnächtlich im Westjordanland verbricht, welche Taktiken der Schikane und des staatlich sanktionierten Terrors es sich angeeignet hat?

Sehr wohl darf aber gefragt werden, ob die “Antisemitismus”-Bekämpfer, die gegen Roger Waters mit großer Verve und selbstgefälliger Emphase vorgehen, von alledem nichts wissen. Wann hat man jemals die Frankfurter jüdische Gemeinde auch nur ein Wort der Kritik an Israels Politik äußern gehört? Wann hat man sie und andere Gemeinden der Juden in Deutschland eine Stellungnahme zur zunehmenden Faschisierung der israelischen Gesellschaft, zur gegenwärtig sich vollziehenden Zerstörung der letzten Reste dessen, was mal die liberale Demokratie Israels ausgemacht hat, geben hören?

Über Uwe Becker braucht man nicht zu reden; man weiß, wer seine Freunde in Israel sind. Aber wer in Deutschland den Anspruch erhebt, als Juden Israel zu “vertreten”, sind die jüdischen Gemeinden (in Zusammenarbeit mit der israelischen Botschaft). Gott allein weiß, warum sie meinen, es (via “israelbezogenen Antisemitismus”) tun zu dürfen. Aber wenn sie es tun, müssen sie sich fragen lassen: Wissen sie überhaupt, was sich zur Zeit in Israel real abspielt? Haben sie etwas dazu zu sagen? Sind sie vielleicht gar (etwas) besorgt? Gibt es bei ihnen eine “Israelbezogenheit”, die nicht nur mit einem imaginierten “Antisemitismus” zu tun hat, sondern auch mit dem wirklichen Zugrundgehen des Landes, das von Rassismus, Faschismus und Demokratiefeindlichkeit – von innen her – gebeutelt ist? Roger Waters ist ihr Problem? Schämen mögen sie sich, dass er sich offenbar mehr um Menschenrechte in Israel kümmert, als sie, die unentwegt die Shoah-Erinnerung einklagen, um sich gerade dafür blind zu machen, was in dem von ihnen verteidigten Land (auch im Namen der Shoah) verbrochen wird.

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29 Kommentare

  1. Ich sehe in dieser AS-Hysterie den Vorläufer der sich immer mehr ausweitenden Cancel-Kultur, die nun auch Maßnahmengegner der Corona-Hysterie, Kritiker der LGTP#’*-Propaganda, Pazifisten und Gegner der ganzen antirussischen Propaganda, des Kriegsgetrommels und Aufrüstung trifft.

    Man sieht daran, dass die ‚erfolgreiche‘ Tabuisierung eines bestimmten Themas genutzt wird, um Rechte von Meinungsäußerungen und Kritik immer weiter weiter einzuschränken. Und gerne werden ja auch die verschiedenen Komplexe miteinander verknüpft um das Meinungs-Verbrechen zu vergrößern.

    1. „Hysterie“

      Ich denke, gerade bei den politischen Themen (Antisemitismus, Corona, Russland) hat das bei den Machern nichts mit Hysterie zu tun, sondern sie nutzen, dass die meisten Menschen sich nur oberflächlich orientieren, in welche Richtung der Wind bläst, um sich dann bei Bedarf auszurichten und keine unnützen Probleme zu haben.

      Wird dann diskutiert, gibt es schnell eine Argumente-Unterversorgung und die Emotionen können ins Spiel gebracht werden, vom Moderator angeleitet und dosiert, je nachdem wie gut das Publikum bereits gelernt hat, wo der Feind steht.

      Wenn in den Menschen dann noch echte Angst erzeugt wurde, wie bei Corona, geht’s bei den privaten Diskussionen auch bis zur Hysterie.

      Festzuhalten bleibt aber, dass es ein übergreifendes Interesse in der Politik und den MSM gibt, keine Argumente auszutauschen, sondern die Menschen in Richtung Emotion zu treiben. Antiaufklärung gepaart mit Menschenfeindlichkeit und Verachtung für klar benannte Gruppen wie den „Corona-Leugnern“ wie zu besten faschistischen Zeiten.

      Bei LGBT gibt es Ähnlichkeiten aber es ist doch eher ein kulturelles Thema, das von politischer Seite nicht behindert wird, weil es keine Rolle spielt, ob Heteros oder Homos ihre Überstunden nicht bezahlt bekommen. Die schlecht bezahlten Frauenberufe will auch niemand aufwerten, sondern es sollen billige Pflegekräfte aus Entwicklungsländern die Löhne niedrig halten. Es gibt auch rassistische/faschistische Tendenzen, wie das Feindbild des „alten weißen Mannes“.

      Bei dem Großbild der Documenta waren es wieder knallharte politische Interessen. Das Wimmelbild behandelt auch die Unterstützung der Suharto-Regierung durch zahlreiche westliche Regierungen und deren Geheimdienste bei der Bekämpfung aller Linken im Lande.
      https://www.google.com/search?q=Documenta+Suharto

      Da haben die bürgerlichen Kulturbetreiber natürlich wenig Lust drauf. Das hätte das Künstlerkollektiv wissen sollen.

      Die meisten „Linken“ in Deutschland sind schon länger mit der Antisemitismus-Jagd geprimt und es bedurfte nur noch weniger Anstrengung, um das Bild in einer vorbereitenden Aktion zu verhüllen (wir sind ja keine Bilderstürmer, sondern gehen ruhig und bedacht vor) und dann abzuhängen.

      Mit Hysterie sind solche umsichtig vorbereiteten Handlungen nicht zu erklären. Das ist eine neoliberale Hegemonie, die den heutigen Linken Lichtjahre voraus ist. Und vor allem hat das alles nichts mit Juden oder sonst einer Religion zu tun. Da geht’s nur darum, die Lämmer am Schweigen zu halten.
      https://de.wikipedia.org/wiki/Warum_schweigen_die_L%C3%A4mmer%3F

    2. Dank auch meinerseits! Die richtige „Antwort“ auf den gestrigen (wiederholt) unsäglichen Kommentar von einem Herrn Sebastian Engelbrecht im DLF https://www.deutschlandfunk.de/kommentar-roger-waters-tournee-antisemitismus-vorwurf-100.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
      Wobei: ich habe dem Herrn dafür gedankt, dass er Roger Waters mit Brecht vergleicht (von ihm natürlich negativ gemeint: beides Demagogen, meint er), und ihn damit in gewissem Sinne adelt.
      Überigens habe ich dank Ihres Beitrages „Overton Magazin“ entdekct und werde es wohl von nun an tegelmäßig kontaktieren. Danke auch dafür.

    1. @Gottfried.
      Danke für den Link.

      Letzteres stimmt aber so nicht, denn auch in Deutschland sind nicht alle damit einverstanden, z. B. Frau Evelyn Hecht Galinski, Tochter des früheren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland Heinz Galinski
      Siehe
      https://sicht-vom-hochblauen.de/

      Wir waren in Hamburg beim Konzert von Roger Waters Antisemitismus konnten wir dort nicht feststellen, eher das Gegenteil.
      Hinweis:
      Der Film The Wall ist auf youtube
      als Full Move zu sehen

  2. Moshe, ich verrat‘ Dir ein Geheimnis: Antisemitism sells. Wenn er, dder Waters, nun sich selbst von jedem Antisemitismus distanziert, muss er jede Doppeldeutigkeit vermeiden. Genau in dem Moment muss er mit einem SS-Mantel auftreten. Er hat die Grenze des Erlaubten wieder mal ein Stückchen nach vorne bewegt und er zielt auf genau jene, die seine Scheiben aus genau diesem Grund kaufen. Wohlwissend, dass Moshe Zuckermanns und Harald Neubers kommen werden, die das alles völlig harmlos finden.
    „Für Waters sind alle US-Präsidenten seit 1989 Kriegsverbrecher, auch Wladimir Putin und Xi Jinping gehören für ihn zu dieser Kategorie. Er will sie alle vor Gericht sehen.“ (Telepolis). Ähm, der größte nichtkriegerische Gewaltausbruch derzeit ist das Massaker im Iran. Den Khameini will er aber nicht im Gefängnis sehen? Au Backe nein. Das würde seine Anhängerschaft aufs Heftigste verärgern. Der Iran, das Mekka der Nazis und Holocaustleugner ist in diesen Kreisen noch viel ärger gegen Kritik immun als außenherum Israel. Bloß nichts gegen die Mullahs.

    Um was geht es? Schauen wir uns die Liste der Terroranschläge seit 2018 in den USA an:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Terroranschl%C3%A4gen_in_den_Vereinigten_Staaten#2018

    Acht von 24 Anschlägen waren offen antisemitisch. Die neonazistischen kann man ja da eigentlich auch dazu zählen. Und wer die Rede von Abu Bakr al Baghdadi, dem IS-Kalifen, gelesen hat, wird eben auch die islamistischen bedingt dazu zählen. Sind schon 13, also die Mehrheit. Das ist es: keine Ideologie, keine Verschwörungstheorie hat ein derartiges Gewaltpotential wie der Antisemitismus. Nein, es wird hier kein Gedöns wegen einer Nichtigkeit gemacht, wie Zuckermann und Waters immer behaupten.

    Vor ein paar Jahren hat ein Schwarzer namens Dieudonné in Frankreich die Säle gefüllt. Ach was nette Witzchen, wie sehr er sich doch verrenken musste, um nur ja nichts Antisemitisches zu sagen. Der Schenkelpatscher in Frankreich. Aber eben nicht ohne Nebenwirkung: die Zahl der antisemitischen Übergriffe ging sofort nach oben.
    Aber er hat daran verdient. So einen haben wir übrigens auch: Ken Jebsen wusste, dass er ausgesorgt hatte, als er wegen Antisemitismus entlassen wurde. Er konnte sich darauf verlassen, dass ihn die Deutschen mit Spenden durchfüttern würden. Oh, es reichte gar zu einem professionellen Studio. Aber selbst das kann man sich durch eine Serie paranoider Entgleisungen wieder kaputt machen.

    Wie gesagt: Antisemitism sells. Unser Moshe ist nun einer, dem man das nicht erst sagen muss. Er weiß das.

    1. Waters ist ein exzellentes Beispiel für den Missbrauch des Antisemitismus-Problems, für seine Instrumentalisierung zu anderen Zwecken. Seine Stellungsnahme zum Ukrainekrieg ist missliebig, da haut man eben mit dem Antisemitismushammer zu. Soll man Bruno Ganz auch als Antisemiten bezeichnen, weil er in einem Film die Rolle Hitlers übernommen hat und entsprechend kostümiert aufgetreten ist? Und kann man bestreiten, dass in Israel zurzeit einige zumindest faschistoide Minister amtieren, dass es in jenem Land unendlich viel Schikanen für Palästinenser gibt, die nur zu oft bis zum Tod führen? Ist es antisemitisch, wenn man Fakten benennt, wie Zuckermann es tut? Und warum halten Sie, der doch wohl das Heu nicht mit Leuten wie Netanjahu oder gar Ben Gvir auf der gleichen politischen Bühne hat, es für nötig, indirekt deren Wirken mit allen verbalen Mitteln in Schutz zu nehmen, nicht einmal davor zurückschreckend Zuckermann als Sympathisant von Antisemiten zu verunglimpfen?

      1. Ja klar, was die Rechten jetzt in Israel machen, ist nicht zu rechtfertigen. Du hast ja recht. Rechte bauen Mist, wie überall auf der Welt.
        Nur eben waren Zuckermann und Waters schon lange davor in gleicher Weise unterwegs. Wobei das, was in Israel passiert, höchstens ein Hundertstel dessen ist, was im Iran abgeht. Das aber stört diese Humanisten nicht.
        Falsche Fuffzigher.

        1. So so, das interessiert die Humanisten nicht, das weißt du genau was?

          Zitat von der Website https://almanyalilar.net/2022/09/roger-waters-unterstuetzt-amini-proteste/:

          „Roger Waters, einer der Gründer der weltberühmten Musikgruppe Pink Floyd, teilte auf seinem Online-Account ein Video zur Unterstützung der Proteste für Jina Mahsa Amini, die vom iranischen Regime ermordet wurde. Waters zitiert ein Video von einem der Proteste im Iran: „Heute Morgen habe ich im Internet nachgesehen, was im Iran passiert, und bin auf einen kurzen Film gestoßen, in dem eine Gruppe von Menschen zu sehen ist. Hier verbrennen Menschen Plakate. Junge Männer und Frauen schneiden sich aus Protest die Haare“.

          In seiner Botschaft wies Waters darauf hin, dass im Iran derzeit große Proteste stattfinden, und erklärte, dass eine junge Frau bei dem Konzert in San Francisco ein Plakat mit dem Bild Aminis entfernt habe. Waters sagte: „Jeder weiß, wer diese junge Frau ist. Bei dieser Frau handelt es sich um Jina Mahsa Amini, die vor 10 Tagen in Teheran von der „Sittenpolizei“ des iranischen Regimes zu Tode geprügelt wurde. Amini ist zu einem Symbol geworden. Wegen ihrer Ermordung finden heute im Iran Demonstrationen statt. Ich unterstütze diese Demonstrationen und das sollten auch alle anderen tun.““

          Roger Waters setzt sich grundsätzlich für Menschenrechte ein, überall auf der Welt, z.B. auch im Iran.

          Und jetzt kommst du.

        2. Lieber Arthur_C, ich war in Köln und habe den Telepolistext geschrieben, aus dem Sie zitieren. Dabei habe ich nur nicht erwähnt, dass Roger Waters nicht nur Anne Frank und Shirin Abu Aklehs Namen auf die Bildschirmwand hat schreiben lassen, sondern auch Jina Mahsa Amini, und sehr viele andere Bildbotschaften. Meine Konzertbeschreibung war in dieser Hinsicht absichtlich etwas ausführlicher als die der meisten Kollegen, die nur schrieben, „und da plärrte einem die Namen von…. in Großbuchstaben von der Bildwand entgegen.“ Oder ähnliches. Es gab auf diesem Konzert sehr viele politische Botschaften: Politische Unterdrückung, Ausbeutung, Flucht, Umweltzerstörung, Krieg, um mal nur ein paar Beispiele zu nennen. Ich konnte leider nur nicht alle aufzählen, es war mir einfach zu viel Information auf einmal. Waren Sie nicht da, haben Sie das nicht gesehen? Schade. Dann beruhen Ihre Aussagen und Annahmen lediglich auf Hörensagen, oder besser auf „Gelesen haben was andere schreiben“? Wie können Sie dann mit solcher Sicherheit behaupten, was Sie grade behauptet haben? Nämlich dass er die Kämpfe der Iranierinnen nicht erwähnt habe?

          Außerdem habe ich nirgendwo gelesen oder gehört, dass Roger Waters gesagt haben soll, es werde „Gedöns“ um eine Nichtigkeit gemacht“, wie Sie schreiben.
          Und dass er die US-Präsidenten als Kriegsverbrecher bezeichnet, wie eben auch Wladimir Putin, macht für mich klar, dass er sich auf zwischenstaatliche Konflikte bezieht. Zu innerstaatlichen Konflikten nimmt er in seinen Videobotschaften ebenfalls Stellung. Diese Bilder sind so zahlreich, dass ich sie gar nicht alle aufzählen konnte.
          Wenn es Sie interessiert, dann schauen Sie doch bitte mal auf dieses Video:

          https://www.youtube.com/watch?v=gzwyPAI-QPw

          Das ist ein Mitschnitt von seinem Konzert in Budapest. Vielleicht gewinnen Sie dann mal einen realistischen Eindruck von den Konzerten und Bildbotschaften.

          Beste Grüße

          1. Danke für diese Konkretisierungen, Frau Hauschild und Sornes! Das ist eines der frustrierendsten Probleme bei der diesmaligen Anti-Waters (und Band!)-Kampagne: dass die meisten von denen, die ihm Anti-Semitismus (und ja auch noch Volksverhetzung!) vorwerfen, weder das Konzert „This is not a Drill“ kennen (und wenn sie doch da waren, wollten sie nur sehen, was sie eben sehen wollten), noch die Geschichte der Band Pink Floyd bzw. des Künstlers Roger Waters nach seiner Trennung von PF. Gestern bin ich auf zwei Titel von ihm (2004) gestoßen, die ich noch nicht kannte: „To Kill the Child“ und „Leaving Beirut“. Der Mann ist sich stets treu geblieben und dennoch mit der Zeit gegangen, politische Kunst auf höchstem Niveau (musikalisch und textlich, für mich jedenfalls). Und wenn die jetzigen Eiferer ihm „Gut/Böse-Dualismus“ (oder gar Demagogie) vorwerfen, dem die „Massen“ zujubeln, so beleidigen sie damit ja doch auch ein (zum großen Teil) kundiges Publikum, das selbst urteilen kann, und nicht „verführt“ wird. Mich beängstigt die auch von (einst? angeblich?) seriösen Medien in Dtschld losgetretene Kampagne. Sie hat der Band im Übrigen, so mein Eindruck von den Konzerten nun in Großbritannien) auch nervlich ziemlich zugesetzt. Dank an diese Homepage für diese Diskussion, sie hat auch meine „Nerven“ ein wenig beruhigt…

            1. Hallo Frau Prof. Richter, danke sehr für Ihren Hinweis auf die emotionale Verfasstheit der Band bei ihren Konzerten in Großbritannien. Diese sehr deutsche AS-Debatte basiert auf der deutschen Schuld gegenüber den Juden und ist wahrscheinlich ziemlich singulär in der Welt. Ich vermute, dass die Menschen in anderen Ländern sich gar nicht mit diesem Thema auseinandersetzen, weil der Holocaust eben nicht bei ihnen verübt wurde. Außerdem kann man Waters zugute halten, dass es sein Heimatland (und Frankreich) war, das über die Araber insgesamt und die Palästinenser im Speziellen große Katastrophen gebracht hat. Palästina war schließlich britisches Mandatsgebiet, und wie es so war bei den alten Kolonialmächten, die einheimische Bevölkerung wurde nicht gefragt.

              Und wie das bei Protesten und internationaler Solidarität so ist, fast immer wird die eigene Regierung/das eigene Land als die schlimmste angesehen.
              Ich kenne z.B. viele Briten, Niederländer und Amerikaner, die grade die Folgen des Handelns ihres eigenen Landes immer wieder anprangern. Nicht umsonst waren z.B. die britische oder auch die niederländische Anti-Apartheid-Bewegung viel einflussreicher und wirkmächtiger als die deutsche AAB. In Großbritannien gab es das riesige Konzert für Nelson Mandela in Wembley, nicht hier im Olympiastadion
              https://de.wikipedia.org/wiki/Nelson_Mandela_70th_Birthday_Tribute_Concert
              Im englischsprachigen Raum gab es das Concert for Bangla Desh (in New York), https://de.wikipedia.org/wiki/Konzert_f%C3%BCr_Bangladesch, Live Aid, Life 8, Live Earth, und andere riesige musikalische Solidaritätsveranstaltungen.
              . Das ist ein Teil der Kultur, die Waters geprägt hat.

              Es gibt eine solche Kultur von riesigen Benefiz- und Solidaritätskonzerten in Deutschland erst seit wenigen Jahren.

    2. Super-Artikel/Kommentar, den Moshe Zuckermann da verfasst hat.
      Da kommst net gegen a, mit dei koidem Kaffee, stereotyper „Arthur_C“

  3. Die veräußerlichte Gesellschaft und ihr Geschwätz geht nicht tiefer als das genadelte Blau – die schaumschlagende Empörungskultur die mittlerweile nahezu alle sinnvolle Diskussion getragen von Erfahrung, Wissen, Kenntnis von (Zeit)Geschichte, Verhältnissen zerstört und gleichermaßen positive Entwicklungen verhindert ist allgegenwärtig.
    Mag nicht zuletzt daran liegen, dass man früher Politiker in Ausschüsse delegierte, heute den Ausschuss in die Politik.

  4. Vor allem und zuerst aber ist Waters auch noch ein Kritiker der aggressiven NATO Expansion
    und ist daher zu bekämpfen von allen Kreuzrittern der militanten Mitte..

  5. Hut ab vor Roger Waters. Ich hoffe, er lässt sich auch diesmal nicht unterkriegen.

    Erst wollte man seine Konzerte verbieten, was er per Gerichtsbeschluss abwenden konnte. Nun kommt der Antisemitismus-Vorwurf.

    Wir sind auf dem Weg, ein billiges Land zu werden. Nicht monetär, aber charakterlich.

  6. Die verpönte Auschwitzlüge lautet: Es hat nicht statt gefunden.
    Die erlaubte Auschwitzlüge: Das deutsche Volk war nicht mit Herzen dabei. Die ist deutsche Staatsräson.
    Der Bürgerliche erklärt Antisemitismus aus falschen Gefühlen, nicht falscher Denke.
    Wenn ers mit Denken erklären müßt käm er in Widersprüche zur eigenen Legitimation.
    Wenn die Hasbara sich auf Waters stürzt ist billige Geschäftssicherung. Lügen gehört dazu.
    Aber wie sollt mans richtig machen?
    Schon vor 3ooo Jahren nahmen Völker des Nahen Ostens bei militärischer Niederlage die Götter des Siegers an.
    Nur die Juden blieben ein eigenwillig und beharrten auf ihrer Auserwähltheit.
    Wer was anderes sagt ist Antisemit & Blasphem. So läßt sich jedes Verbrechen rechtfertigen.
    Die ganze Diskussion ist vergiftet.

    1. „Aber wie sollt mans richtig machen?“
      Postmodern werden ‚intelligente Menschen für 5$‘ bezahlt, um Datensätze aus 1001 Nacht hinzuzufügen und danach fragt man die künstliche Intelligenz nach Antworten für die goldene Milliarde.

  7. Wir sind nach 1945 ein außerordentlich tapferes Volk geworden. Ein Erfolg der amerikanischen Umerziehung, die die Zonis so nicht hatten, weshalb sie augenscheinlich nach noch Defizite haben und russische Panzer mit Blumen bedecken.
    Wir scheuen kein Risiko, um uns für unsere jüdischen Mitmenschen einzusetzen. Was sind wir tapfer. Wir kämpfen medial, gesellschaftlich und politisch gegen jede Form des Antisemitismus und lassen nicht zu, dass der Hydra neue Häupter wachsen. Dazu haben wir eine Generation von Politikern gewählt, die „wegen Ausschwitz“ in die Politik gingen. Und weil wir nicht nur so tapfer sind, sondern auch außergewöhnlich klug, können wir alles erklären : warum man Kinder , die mit Steinen werfen, erschießen muss, damit sich die Shoa nicht wiederholt.
    Die Mittel unseres Kampfes gegen den Antisemitismus sind vielfältig und vielleicht nicht immer fein, aber absolut notwendig: Denunziation, Anzeige, Shitstorm, Medienkampange, Tweets….. Man kann das alles gar nicht aufzählen, was wir auf uns nehmen, um zu zeigen, wie gut wir geworden sind.

    In ein paar Tagen werden wir des Jahrestages des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 gedenken. Dann werden vermutlich die alten Bilder und Filme zu sehen sein. Tausende Männer, weniger Frauen, die gegen die Herrschaft der Bonzen aufstanden, gegen die sowjetische Besatzung, gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen, dagegen, das die Lebenslage nach dem Krieg nicht so gut war, wie sie es doch hätte sein sollen. Nach all dem, was die Männer in den schweren Jahren zuvor ertragen mussten.
    Es waren die gleichen, nein, die selben Menschen, die zuvor zugeschaut hatten, als man ihre jüdischen Nachbarn und Kollegen abholte, die um den zurückgelassenen Hausrat steigerten, die sich durch Europa führen ließen, um die dort Lebenden zu erschlagen , die fast bis zur Selbstauslöschung den Führer und Ausschwitz vor den austürmenden roten Horden. verteidigten. Aber sie haben gelernt, ihre Straßen umbenannt, die Fahne verbrannt und sich erhoben – gegen die Normerhöhung…….

  8. zu 1211
    Es sind auch Nicht-Juden ins Zuchthaus gebracht worden (wenn sie Glück hatten nur dahin). Wie meine Oma, die wohl was Falsches gesagt hatte und aus politischen Gründen mehrere Jahre dann dort verbringen musste.

    1. Ja, natürlich. Das hat aber das Mehrheitskollektiv auch nicht besonders beeindruckt.
      Ich erinnere mich an die Szene eines Filmes aus der Nazizeit, die ich vor langer Zeit im TV sah. Eine “ lustige “ Szene . Den Kontext bekomme ich nicht mehr zusammen. Da wird eine indirekte spaßige Drohung kommuniziert. Wer dummes Zeug schwatzt, kommt nach Oranienburg. Das wurde nicht weiter erklärt oder ausgeführt. Die Macher des Filmes durften wohl davon ausgehen, dass die Zuschauer wussten, wovon die Rede war und wofür man da hin kann: das KZ Sachsenhausen am Rande Oranienburgs, einer Kleinstadt nördlich von Berlins.

  9. Anderen Kommentatoren könnte man ja noch zugute halten, dass sie eventuell nichts von der entmenschlichenden und beleidigenden „Judensau“-Skulptur gehört haben, die in Mitteleuropa seit dem Mittelalter ein traditionelles Symbol des Antijudaismus und später auch des Antisemitismus war. In diesem Fall gilt das nicht. Die „ich weiß gar nicht, warum sich die Leute so aufregen“-Rhetorik ist deshalb besonders unterirdisch.
    Die Behauptung, die gezielte Nutzung der historischen Symbolik der übelsten Judenhasser sei ein legitimes Mittel der Israelkritik ist absurd–und ein weiteres Zeichen dafür, wie bei manchen Kommentatoren die feindselige Obsession mit Israel zur Beeinträchtigung der vorher definitiv vorhandenen kognitiven Fähigkeiten führt. Wenn eine politische Überzeugung nur beizubehalten ist, indem man Ignoranz heuchelt, dann stimmt ziemlich sicher was nicht mit dieser Überzeugung.

    1. Sind Sie von der christlichen Judensau so fasziniert, dass sie diese sogar in einem Orwell’schen Eber erblicken?

      https://de.wikipedia.org/wiki/Farm_der_Tiere

      Im übrigen finde ich es befremdlich, in Deutschland Straßen nach dem Antisemiten Luther zu benennen. Luther hatte wie Goebbels & co. das Bild der Judensau in der Neuzeit populär gemacht.

      Und bis heute stört sich die Politik nicht daran, solche Antisemiten zu ehren. Deshalb klingt der vermeintliche Kampf gegen Antisemitismus für mich unglaubwürdig.

      Es geht bei Roger Waters gewiss nicht um Antisemitismus, sondern um sein radikales Eintreten für Menschenrechte ohne Ansehen von Ethnie, Religion oder Geschlecht. Dies und seine Ablehnung der Kriegs- und Gewaltpolitik überall auf der Welt – und nicht nur bei „feindlichen“ Staaten – nehmen ihm gewisse Typen an den Schalthebeln der staalichen Macht verdammt übel.

      Es wäre z.B. erfreulich, wenn Frau Bearbock im Zuge ihrer „feministischen Außenpolitik“ ähnliche solidarische und kritische Worte gegenüber dem Iranischen Regime gefunden hätte wie Waters. Hat sie aber nicht. Komisch was?

      1. Ich bin so überhaupt kein Freund des ständigen Umbenennens von Straßen, Unis und sonst was, je nach politischer Tageslage und mit der erkennbaren Absicht, Geschichte zu entsorgen und zu demonstrieren, ein wie viel besserer Mensch man selbst doch ist.
        Aber dein Hinweis auf Luther ist mehr als gerechtfertigt und der selektive Umgang ist irritierend. Fast als wolle man Görings Spruch:. Wer Jude ist entscheiden wir “ umkehren . „Wer Antisemit ist…“

        Ich bin kein Historiker und weiß nicht, ob dieses Bild vorher schon auftauchte und wirksam wurde. Ich kenne es aus der Befassung mit Luther. Über die Jahrhunderte gab es den christlichen Antijudaismus, der die Schuld des fantasierten Volkskollektives am Tod Jesu annahm. Prinzipiell war aber der Weg frei, sich zum Christentum zu bekennen und sich taufen zu lassen. Luther nun schreibt, dass das so nicht geht. Da ist etwas in ihnen, den Juden, dass auch durch Konversion nicht weggeht. Man müsse ihnen schon – wenn ich die Formulierung richtig erinnere- „die Köpfe abschneiden“ . Die Nazi-Bonzen an der Spitze waren in ihrer überwiegenden Mehrheit katholisch sozialisiert aber in dieser Frage gute Lutheraner. Nichts, keine Konversion, keine Assimilation, kein Wohlverhalten, kein Patriotismus vermag die Juden zu „heilen“. Man müsse ihnen „die Köpfe abschneiden“

  10. Na endlich! Danke für den Beitrag. Endlich mal Bericht über Waters der richtig ist.
    Mich erschreckt immer wieder wie viele Menschen blind und ohne Verstand die Meinung weniger Hetzer übernehmen und verbreiten.

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