Risiko eines Atomkriegs?

Start einer indischen Agni-Prime-Rakete mit Mehrfachsprengköpfen im Jahr 2023. Bild: MoD India

 

Im Stellvertreterkrieg in der Ukraine geht es immer wieder darum, ob Russland Atomwaffen einsetzen und ein Atomkrieg ausbrechen könnte. Während Donald Trump das Risiko auch als Legitimation benutzt, den Krieg zu beenden, bleiben die Kriegsbefürworter, die die Ukraine weiter stärken wollen, überzeugt, dass Russland höchstens blöffen, aber keine Atomwaffen einsetzen würde, wenn wieder rote Linien überschritten werden. Tatsächlich hatte Wladimir Putin zuletzt mit den neuen Hyperschall-Oreschnik-Raketen gedroht, die Atomwaffen überflüssig machen könnten.

Die Herunterspieler des Atomkriegsrisiko, die auch eine nukleare Aufrüstung Europas fordern, werden nun konfrontiert mit dem gerade eskalierenden territorialen und postkolonialen Konflikt zwischen den Atommächten Pakistan und Indien über die seit der Gründung der beiden Staaten ungelöste Kaschmir-Frage. Nach dem ersten indisch-pakistanischen Krieg wurde das mehrheitlich von Muslimen bewohnte Land geteilt zwischen den beiden Staaten. Indien beansprucht Kaschmir für sich, Pakistan kontrolliert den Westen und Osten des Gebiets. Die Forderung der Vereinten Nationen nach einer Volksabstimmung zur Lösung des Territorialkonflikts wurde nicht befolgt. Es kam zu wiederholten Kriegen, die auch deswegen für die Welt gefährlicher wurden, weil sich Pakistan und Indien trotz des Atomwaffensperrvertrags mit Atomwaffen ausstatten konnten.

Bei dem Angriff auf indische Touristen in Pahalgam, Kaschmir, zu dem sich zunächst die lokale Terrorgruppe „Widerstandsfront“ bekannte und dies später widerrief, wurden 26 Menschen getötet. Indien macht Pakistan dafür verantwortlich. Hinter dem Angriff soll die Terrorgruppe Laskar-e-Taiba stehen, die von Pakistan aus operieren soll und die Anschläge in Mumbai 2008 mit 170 Toten durchgeführt hatte. Daher macht Indien Pakistan für den Terroranschlag verantwortlich, Beweise gibt es dafür bislang nicht. Pakistan zeigt sich einverstanden mit einer neutralen Untersuchung über die Hintermänner des Anschlags.

Seitdem kocht die nationale Wut auf beiden Seiten hoch. Indien weist alle Pakistaner, auch die Diplomaten, aus, Pakistan hat dasselbe gemacht. Die Grenze wurde geschlossen, Indien zerstört die Häuser von Verdächtigen und hat Hunderte festgenommen, um sie zu verhören. Indien hat Medien verboten, über militärische Aktivitäten zu  berichten. Angeblich verlegen beide Seiten Truppen an die Grenze. Es haben bereits mehrere Schusswechsel stattgefunden. Der pakistanische Verteidigungsminister warnt vor einem Krieg und sagte, der Anschlag sei inszeniert worden.

Die Aufkündigung des 1960 geschlossenen Indus-Wasservertrags durch Indien bedroht die Wasserversorgung Pakistans. Das wäre eine existentielle Bedrohung, weswegen dies die pakistanische Führung als kriegerischen Akt bezeichnet und mit einer militärischen Reaktion droht. Indien scheint sich ebenfalls auf eine militärische Aktion vorzubereiten, um in Pakistan Terrorstützpunkte anzugreifen.

Dabei hat sich das nukleare Gleichgewicht zwischen Pakistan und Indien verschoben. Nach dem Status of World Nuclear Forces von FAS besitzt nun Indien mit 180 Atomwaffen mehr als Pakistan mit 170. Während der letzten 20 Jahre besaß Pakistan mehr Atomwaffen. Pakistan hat die Entwicklung von Atomwaffen 1972 nach der Abspaltung von Bangladesch begonnen, allerdings hatte Indien schon spätestens seit den 1960er Jahren ein Atomwaffenprogramm und 1974 den ersten Atomwaffentest durchgeführt, Pakistan zog erst 1998 nach.

Im nuklearen Wettrüsten nicht nur mit Pakistan, sondern auch mit China dürfte Indien 2024 mit dem erfolgreichen Test der mit MIRVs (Multiple Independently Targetable Reentry Vehicles) bestückten ballistischen Rakete Agni-5 mit einer Reichweite über 5000 km  einen Vorteil erzielt haben. Mit einer Rakete können so mehrere Ziele angegriffen werden.

Und Indien ist auch insgesamt militärisch gegenüber Pakistan stärker geworden. Indiens Militärbudget für 2025-2026 ist nach SIPRI um 1,6 Prozent im Vergleich zu 2024 auf fast 86 Milliarden gewachsen. Indien ist damit nach den USA, China, Russland und Deutschland an fünfter Stelle, was Militärausgaben betrifft.  Pakistans Militärausgaben liegen hingegen bei fast 8 Milliarden. Das sind zwar 18 Prozent mehr als im vergangenen Haushalt, aber die hohe Inflation frisst die Mehrausgaben auf. Indien kauft kräftig Waffensysteme auf, Pakistan wird weiter abgehängt.

Gefährlich ist vor allem, dass Indien mit seiner militärischen Überlegenheit die anfängliche Politik, nicht zuerst Atomwaffen einzusetzen, nivelliert hat. Mittlerweile wird angedroht, dass auch schwere Terrorangriffe mit einer nuklearen Reaktion beantwortet könnten. Noch ist die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf Russland-Ukraine und Israel-Gaza und auf die Bemühungen der Trump-Regierung auf einen Atomdeal mit dem Iran konzentriert. Das könnte erleichtern, dass der Konflikt Pakistan und Indien aus der Spur gerät.

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6 Kommentare

  1. Die paar Atombomben, die diese beiden Kampfhähnchen aufzubieten haben, werden den Planeten nicht restlos vernichten. Es werden vielleicht ein paar 100 Millionen Menschen elend verrecken aber nicht hier sondern dort, wo es uns am wenigsten schadet. Wer braucht schon Indien, Pakistan, den Himalaya, Dalai Lama, Buddhismus? Den Himalaya mit Atombomben abzutragen und seltene Erden aus dem Schutt zu gewinnen, würde einen wirtschaftlichen Sinn ergeben aber dafür ist der Subkontinent eben zunächst zu entvölkern. Sonst müpfen da nur wieder irgendwelche Bauern auf, die mittels Wasserentzug aus ihren primitiven Behausungen vertrieben wurden, um auf langen Todesmärschen in die Wüste ziehen. Wie sollen wir das den ohnehin verstörten Konsumenten erklären? Nein, Atombomben wären in diesem Zusammenhang gewiss die sauberere Lösung. Zudem würde es die Absatzmärkte für Atombomben ankurbeln, wenn sie hin und wieder in kleinerem Umfang zum Einsatz kämen. Deutschland hat zum Beispiel jede Menge hochaktive Abfälle in seinen Zwischenlagern, aus denen sich gewaltige Spengladungen herstellen ließen, wenn man das mit russischem Volldünger vermischt und Taurus-Marschflugkörper damit bestückt.

    1. @Grubenhund:
      Selbst bei einem begrenzten nuklearen Schlagabtausch zwischen Indien und Pakistan wird es in Europa ungemütlich… Er wird vielleicht kein nuklearer Winter, aber trotzdem wird die Temperatur auf der Nordhalbkugel für ein paar Jahre deutlich sinken, keinen richtigen Sommer geben, und somit wohl die Ernten deutlich schlechter ausfallen.
      Für einige Länder wäre das eine absolute Katastrophe. Und selbst für uns sicherlich sehr teuer, da auch bei uns die Winter dann deutlich länger dauern und die Ernteausfälle durch nicht gerade preisgünstige Importe kompensieren müssten. Diese Importe würden dann in anderen Ländern fehlen und Hungersnöte auslösen.
      Wahrscheinlich würde man gar bei uns Nahrungsmittel rationieren. Zumindest für den ärmeren Teil der Bevölkerung.

      1. Sofern das Auswirkungen auf Mitteleuropa hätte, könnte ich immer noch Friedrich Merz darum bitten, mir kurzfristig eine Mitfluggelegenheit in einer seiner beiden zweimotorigen Privatmaschinen zu reservieren, um schließlich in erlauchter Gesellschaft in einem US-Bunker auf Feuerland abzufeiern. Auch in dieser Beziehung kann eine möglichst hohe Ergebnisoffenheit nicht unangebracht erscheinen. Um Nahrungsmittel müsste ich mir dann auch keine Gedanken machen, weil die Rinderhälften dort im VIP Bereich normalerweise zu Hunderten von der Decke baumeln.
        Das Ganze ist insofern eine Frage der Perspektive. Wenn ich es mit der Zweimotorigen von Merz bis nach Feuerland schaffe, wird mir niemand ein Haar krümmen.
        Die Nahrungsmittelknappheit des ärmeren Teiles Bevölkerung würde mich dann auch nur noch peripher interessieren, weil ich jeden Tag von morgens bis abends mit meinen Konkubinen nur noch zart angegrillte Lendensteaks im Kokainmantel am verbunkerten Swimming-Pool zu verköstigen hätte.

      2. @ n.b:
        Das ist ganz falsch gedacht!

        Schließlich leidet die Erde doch inzwischen so sehr unter einer fortschreitenden Klimaerwärmung, dass nicht einmal mehr die angeblichen „Klimaleugner“ das bestreiten. Die sind bloß der Ansicht, dass sie nix dafür könnten und deswegen auch ihr Verhalten nicht ändern müssten.

        Es wird also – mittlerweile weitestgehend unbestritten, weil messbar – in kritischem Ausmaß wärmer hier auf Erden.
        Da wäre so ein niedliches kleines Atomkrieglein irgendwo, wo unsereiner nicht mal weiß, wo das sein soll, eine ganz wunderbare Lösung!

        Es wäre allen geholfen: Da unten laufen sowieso viel zu viele Leute hin und her, da können zahlreiche Kriegstote eine nachhaltige Entlastung für die dortigen Gesellschaften sein. DAS wäre mal eine Nachhaltigkeit, die man ernst nehmen sollte! Und bei uns hier wird die Klimaerwärmung mitsamt befürchteter Dürren aufgehalten, auf dass die Ernten wieder reichlich sprießen und unsere Teller sich ordentlich füllen. Win-Win, wie der Ostfriese so sagt.

        Der Einlassung vom Grubenhund ist also auf das Unbedingteste zuzustimmen!

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