Rache für die Fußfessel

Die rechte Partido Liberal steht hinter Bolsonaro: „Brasilien weiß, wer immer auf der Seite des Volkes gestanden hat. Bolsonaro ist nicht allein, Millionen von uns sind mit ihm. Teilen Sie Ihre Unterstützung für unseren Kapitän, denn er wird Brasilien nicht aufgeben, und wir werden ihn auch nicht aufgeben.“ Bild: PL

 

In Brasilien rebellieren die rechten Parteien gegen den Obersten Gerichtshof (STF). Trotz Sommerpause oder Parlamentsferien soll das Parlament weiter arbeiten, um den ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro anzuhören und zu unterstützen. Sie wollen jetzt eine mediale “Task-Force” gründen, eine Art Sprachrohr für ihren angeklagten Parteigenossen.

Auf ihre Einladung erschien Bolsonaro am Montag bei der Fraktion seiner Liberalen Partei im Kongress, betete ein lautes Vater-Unser, verzichtete aber auf die beiden geplanten Interviews mit Journalisten. Seit Freitag vergangener Woche muss er auf Anordnung des STF-Richters Alexandre de Moraes im Hausarrest eine Fußfessel tragen, sich von diplomatischen Vertretungen und Mitangeklagten (darunter sein Sohn) fernhalten und darf nicht in sozialen Medien posten. Ob sein Auftreten im Parlament ein Nachspiel haben und er vielleicht sogar in Untersuchungshaft landen wird, wird das Gericht in den kommenden Tagen entscheiden. Zwar wurde der Antrag der Opposition, die Sommerpause aufzuheben, abgelehnt. Aber sie ist fest entschlossen, weiter Öl in das Feuer kippen, das US-Präsident Donald Trump entfacht hat und das die Brasilianer keineswegs erfreut.

Bolsonaro steht wegen seiner (vermuteten – muss man sagen) Beteiligung an dem versuchten Staatsstreich im Januar 2023 vor Gericht, als seine Anhänger das Parlament und den Gerichtshof in Brasilia stürmten. Die Tumulte erinnerten an den Angriff von Trump-Fans auf den US-Kongress, und natürlich steht nun der US-Präsident seinem Männerfreund zur Seite, Opfer wie er. Und um seine privaten Beziehungen zu regeln, missbraucht er Regierungs-Instrumente, entzieht Visa und verhängt Zölle. Das hatte er bereits in Israel so versucht, wo Benjamin Netanjahu wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht steht. US-Botschafter Mike Huckabee, zuvor ein führender Vertreter des christlichen Zionismus, trat dort auf und solidarisierte sich demonstrativ mit dem Angeklagten. Öffentlich drohte Trump, keine Waffen mehr in den Nahen Osten zu liefern, wenn die dortige Justiz ihre “Hexenjagd” gegen seinen Kumpel fortsetzen würde. Und dann bestrafte er die UN-Sonderbeauftrage für die besetzten Gebiete Palästinas, Francesca Albanese, und entzog ihr das US-Visum.

Nun also dasselbe Strickmuster in Brasilien. Lula hat, wie Südafrika, Netanjahu als “Kriegsverbrecher” bezeichnet und sich den Unmut der rechten Parteien im Lande zugezogen. Auch die Federação Israelita griff den früheren Arbeiterführer an; Lula ignoriere das Leid der israelischen Bevölkerung und verharmlose Hamas, meinte sie: Er bezeichne sich als Friedensstifter, zeige mit dem Finger nur auf eine Seite des Konflikts. “Das ist keine Neutralität sondern Komplizenschaft”, behauptete die Israelitische Föderation.

Nachdem Richter de Moraes die Fußfessel verordnet hatte, annullierte US-Außenminister Marco Rubio dessen Einreiseerlaubnis in die USA und begründete dies mit einer Vergeltungsmaßnahme für die Fußfessel. Auch seine STF-Mitarbeiter sind von den Maßnahmen betroffen. Schließlich drohte Trump an, ab dem 1. August auf alle Produkte made in Brazil einen Strafzoll von 50 Prozent zu erheben, sollte “die Hexenjagd” gegen Bolsonaro weitergehen. Und er kündigte auf seiner Plattform an, die Rezeptur der in Brasilien verkauften Coca-Cola zu ändern und den derzeit verwendeten Zuckersirup durch Rohrzucker zu ersetzen. Ob dies als Drohung gemeint war, blieb unklar, aber Trump hielt den Rohrzucker für „eine sehr gute Entscheidung”, vermutlich gegen die Hexenjäger.

Mit der Fußfessel (die im übrigen auch die frühere argentinische Präsidentin Cristina de Kirchner tragen muss) wollen die Richter eine Flucht Bolsonaros verhindern. Die New York Times hatte im vergangenen Jahr gemeldet, dass der Angeklagte in der ungarischen Botschaft übernachtet hatte und offensichtlich dort Asyl beantragen wollte. Kurz zuvor hatte die Polizei seinen Reisepass konfisziert. Aus welchem Grund er sich in die ungarische Auslandsvertretung begeben hatte, konnte er nicht erklären, zunächst sprach er von “nächtlichen Konferenzen” und später, halb im Scherz, von einer Geliebten in der Botschaft. Trump forderte in einem Brief an Bolsonaro, veröffentlicht in seinem Netzwerk “Truth Social”, die Einstellung des Verfahrens, bei dem dem Angeklagten über 40 Jahre Haft drohen: „Sie werden schrecklich von einem ungerechten System behandelt, dieser Prozess muss sofort beendet werden!“

Lulas Popularität steigt wieder

Eigentlich befand sich die Popularität des amtierenden Lula da Silva im Sinkflug. Die Wirtschaft schwächelt und der letzte BRICS-Gipfel im Amazonasstaat war alles andere ein Erfolg. Weder der russische noch der chinesische Staatschef waren angereist, und auf klare Regeln und eigene Institutionen zur internen Konfliktlösung hat das Staatenbündnis bisher verzichtet. Große Erfolge konnte Gastgeber Lula nicht vorweisen, die Medien malten schon eine Stagnation von BRICS an die Wand. Da kam die Einmischung aus dem Norden gerade recht.

„Kein Gringo wird mir Befehle erteilen“, trotzte der 79-Jährige, die Strafzölle seien eine “Erpressung und Drohung gegen brasilianische Institutionen”. Außerdem habe sein US-Amtskollege ein angebliches Handelsdefizit zwischen den beiden Ländern frei erfunden. Die rechte Presse kritisiert schon lange seinen engen Umgang mit Diktaturen wie dem Iran und seine übertriebene Kritik an der US-Administration. Seine Reaktion auf Trumps Ausfälle seien “unvorsichtig”, meckerte die Tageszeitung Estado de São Paulo, und bringe ihn noch näher an China und Russland.

Das ist wohl so. Ob das Trump beabsichtigt hatte?

Gaby Weber

Gaby Weber
Weber studierte Romanistik und Publizistik an der Freien Universität Berlin und promovierte 1982 am Lateinamerika-Institut. Seit 1978 ist die Mitgründerin der taz als Journalistin und seit 1986 als freie Korrespondentin tätig, zuerst aus Montevideo und ab 2002 aus Buenos Aires. Außerdem hat sie mehrere Reportagen und umfangreiche Recherchen zur Geschichte nachrichtendienstlicher Aktivitäten veröffentlicht. 2012 erschien ihr Buch „Eichmann wurde noch gebraucht“.
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8 Kommentare

  1. „(vermuteten – muss man sagen)“?
    Klares NEIN, man weiß daß und wie aktiv er dabei war!
    Ich habe jene Zeit hautnah vor Ort erlebt, auch die Vorgeschichte, auch die Begleitgeschichten bis hin zu den evangelikalen Gringos und der Rolle der USA. Bolsonaro nannte man nicht umsonst den TropenTrump.
    Beobachtet man was bananinha aka Eduardo Bolsonaro in den USA treibt sieht man was das für eine kriminelle Bande ist, deshalb wird gegen ihn unter anderem wegen Landesverrat ermittelt.
    Bei Bolsonaro selbst besteht natürlich Fluchtgefahr, sein Sohnemann bananinha ist ja schon getürmt, deshalb der GPS-tracker, das ist beileibe keine Fessel! Mein Sekt ist schon kaltgestellt nachdem er gegen Auflagen verstoßen hat.
    Was die Einmischung des orangen Dings in innere Angelegenheiten Brasiliens betrifft, der Kerl ist eh so durchgeknallt, den müßte man längst einsperren!

    1. @faber:

      Den USA ist es vollkommen egal, wer im Ausland herrscht, solange dieser die Interessen der USA füttert…
      Und das kann ansonsten das übelste und kriminellste Arschloch sein, gar ein Massenmörder und Folterknecht.

      Die USA mischen sich schon seit ihrer Existenz in die Angelegenheiten anderer Staaten ein. Ich brauche die Monroe-Doktrin wohl kaum noch aufführen oder?

      Denen geht es um Herrschaft über den Globus. Nun droht den USA dank den BRICS die statt auf Unterwerfung und Ausbeutung auf Kooperation setzen diese Herrschaft zu entgleiten.

  2. Ach wenn wir schon bei diesem Bolsonaro sind. Das ist der der rein gar nichts gegen das Coronavirus tat. Ergebnis hier:
    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1100818/umfrage/todesfaelle-aufgrund-des-coronavirus-2019-ncov-nach-laendern/
    Wobei Brasilien auf dem Äquator liegt und das Virus dort nur schwächer wirkt. Bei uns hätte das noch viel ärger zugeschlagen. Aber unsere Politiker sollen „auf Knien um Vergebung bitten“, weil sie nicht Trumps und Bolsonaros Politik betrieben haben. Laut Alice Weidel jedenfalls.
    Hingegen China, wo das Virus ausgebrochen ist, erscheint gar nicht in der Statistik. Masken und Abstände sind völlig überflüssig, wa?
    Überhaupt, mit der CIA ist auch nichts mehr, sonst hätte dieser Putsch geklappt. Offenkundige Schwäche.

    Die Bolsonaro-Anhänger sind davon überzeugt, dass Lula ein Krimineller ist. (Ich kenne welche). Da gab es Vorwürfe, die aus meiner Sicht so abgelaufen sind: Lula hat den Odebrecht-Konzern mit Infrastruktur-Bauwerken beauftragt. Die Odebrechtbrüder taten eigentlich in ganz Südamerika dasselbe. Sie nehmen Aufträge von Linksregierungen an, bauen dann Mist, damit diese blamiert sind und behaupteten versuchte Korruption. Lula ist inzwischen von allen Anklagen freigesprochen. Zurecht, meiner Meinung nach. Während die Odebrechtbrüder lange Haftstrafen absitzen mussten.

    1. 600000 Tote alleine im ersten Jahr, Dank dieses faschistischen Verbrechers. Alleine 12 davon im Freundeskreis meiner Frau. War ne harte Zeit……

  3. Es ist bezeichnend, dass die Bolsonaristen auch Netanjahu-Anhänger sind.
    Evangelikale und Zionisten sind nun mal Zwillinge des religiösen Fundamentalismus.

  4. Zwei Korrekturen:

    1. Die Zölle werden nicht wegen Bolsanero erhoben sondern „aufgrund der heimtückischen Angriffe Brasiliens auf freie Wahlen und die grundlegenden Rechte der Amerikaner auf freie Meinungsäußerung“*.
    Der Trump-Brief wurde vorher veröffentlicht und ist z. B. hier zu finden:
    https://www.moonofalabama.org/2025/07/first-casualties-from-trumps-increasing-tariff-craze.html#more

    2. Trump hat Coca-Cola aufgefordert (… der Laden gehört ihm nicht, weswegen er selber da gar nichts ändern kann), den Mais-Sirup durch Rohrzucker zu ersetzen. Und zwar in den USA, denn wenn schon Zucker, dann ist Rohrzucker besser für den Körper als Mais-Sirup.


    * Die ganze Ansage lautet:
    „Aufgrund der heimtückischen Angriffe Brasiliens auf freie Wahlen und die grundlegenden Rechte der Amerikaner auf freie Meinungsäußerung (wie kürzlich vom brasilianischen Obersten Gerichtshof verdeutlicht, der Hunderte von GEHEIMEN und UNRECHTMÄSSIGEN Zensurverfügungen gegen US-amerikanische Social-Media-Plattformen erlassen hat und ihnen mit Geldstrafen in Millionenhöhe und dem Ausschluss aus dem brasilianischen Social-Media-Markt droht) werden wir ab dem 1. August 2025 Brasilien einen Zoll von 50 % auf alle brasilianischen Produkte, die in die Vereinigten Staaten eingeführt werden, auferlegen, unabhängig von allen sektoralen Zöllen.“ (übersetzt mit deepl.com)

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