Pestizide, Gensoja und Indigene im Beipack

Wie die Bundesregierung ihren „Green Deal“ durchsetzt

 

In aller Heimlichkeit hatte die Europäische Union die Taxonomie- und Offenlegungs-Verordnungen verabschiedet. Diese neuen Leitlinien bestimmen, dass private Banken und Investitionsfonds in Zukunft bei der Kreditvergabe die Nachhaltigkeit eines Projekts abwägen müssen; das heißt sie müssen bei jedem Darlehen prüfen, ob das Projekt ökologisch sinnvoll ist. Und sie müssen auf ihrer Internet-Seite offenlegen, welcher Anteil ihrer Wirtschaftstätigkeit „ökologisch nachhaltig“ ist. So will Brüssel seinen neuen „Green Deal“ durchsetzen. Und „Grün“ hört sich immer gut an.

Nun könnte man meinen, dass die europäischen Regierungen mit gutem Beispiel vorangehen und ihre eigene Investitionspolitik in Punkto Nachhaltigkeit offenlegen. Doch genau das tun sie nicht. So verweigert die Bundesbank Informationen zum Kauf der Bayer-Aktien, um den Kauf von Monsanto zu finanzieren – etwas weniger „Nachhaltigeres“ gibt es nicht. Und die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) schweigt zum Kauf von 15,8 % der Aktien der Payco AG, die in Paraguay Gensoja pflanzt, dort aus Flugzeugen Pestizide versprüht und den auf ihrem Gelände lebenden Indigenen den ihnen nach paraguayischem Recht zustehenden Besitztitel verweigert. Das Ganze ist getarnt als „Entwicklungshilfe“, und die ebenfalls staatliche DEG, die Deutsche Investitions- und Entwicklungs- Gesellschaft, ist mit von der Partei. Und alle verweigern Informationen über die Nachhaltigkeit. Kölner Aktivisten klagen dagegen.

Es geht in diesem Film nicht um die Frage, ob die neue Verordnung ökologisches Wirtschaften fördert oder ein Rohrkrepierer wird – was Kritiker befürchten. Dafür ist es noch zu früh, da müssen Ergebnisse abgewartet werden. Es geht um die Frage, ob sich die deutsche Bundesregierung an ihre eigenen Gesetze hält, nämlich an die Verpflichtung der Offenlegung.

Paraguay ist eines der ärmsten Länder der Welt. Laut UNO-Angaben sind über 10 % der Bevölkerung unterernährt. 94 % von Grund und Boden befinden sich in der Hand des Agro-Business, das in Monokultur und unter Einsatz riesiger Mengen von Pestiziden Gensoja, Genmais und Raps für den Export produziert. Wer auf dem Land wohnt, ist diesen Giften permanent ausgesetzt.  „Jedes Jahr erkranken immer mehr Menschen an Krebs“, so Ramón Fogel vom Forschungsinstitut CERI, „dazu kommen neurologische Probleme, Depressionen und eine sehr hohe Selbstmordrate.“

In Paraguay hätte also eine Entwicklungshilfe-Organisation viel zu tun. Aber was macht die Bundesrepublik? Samt ihres Grünen Deals? Sie wird selbst Großbauer und trägt zur weiteren Entrechtung der Menschen und zur Zerstörung der Umwelt bei. Paraguay ist weit weg. Dort verteidigt die Bundesregierung keine „westlichen Werte“. Sie stellt sich sogar auf die Seite der Umweltsünder und verweigert jegliche Auskunft über ihr finanzielles Engagement.

Die Vereinten Nationen haben wiederholt Sonderberichterstatter in das Land geschickt, mal wegen des Hungers, dann wegen der fehlenden Rechtstaatlichkeit und im Oktober 2022 wegen des Pestizid-Einsatzes. Aber viel mehr als die Dinge anzuklagen, komme am Ende nicht heraus, so Sonderberichterstatter Marcos Orellana bei der Vorstellung seines Zwischenberichts in Asunción: „Besonders besorgniserregend ist, dass bei den importierten Agrotoxinen Glyphosat, 2,4-D und Paraquat an erster Stelle stehen. Sie sind hochgefährlich. Paraquat wurde in der Europäischen Union 2007 verboten, in der Schweiz 1989.“

Es mangelt nicht an Gesetzen. Paraguay hat bereits 2004 die weitere Abholzung von Urwald gesetzlich verboten. Satellitenbilder beweisen jedoch die Vernichtung von täglich 60 Hektar zwischen 2006 und 2016, so der Sonderberichterstatter. Er klagt die „unsägliche Doppelmoral der Länder an, die den Einsatz von Pestiziden verbieten, weil sie gesundheits- und umweltgefährdend sind, gleichzeitig aber deren Herstellung und Ausfuhr in Entwicklungsländer erlauben.“

Die Payco AG besitzt 128.000 Hektar und ist damit einer der größten Landeigner Paraguays. Miteigentümer ist die Bundesrepublik. Ihr wichtigster Hof ist die Estancia Golondrina mit 24.000 Hektar. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen nur 260 Mitarbeiter. „Das hat nichts mit irgendeiner Art von ländlicher Entwicklung zu tun, bei denen Arbeitsplätze geschaffen werden“, so Roman Herre von der Kölner Menschenrechtsgruppe FIAN, die die KfW auf Information in Sachen Payco verklagt hat. Im November 2022 hat das Frankfurter Verwaltungsgericht ihrer Klage stattgegeben. Die KfW soll Auskunft erteilen.

Man hatte ein riesiges Gelände gekauft und die Guarani im Beipack mit dabei

Während die bunten Prospekte und Jahresberichte glückliche und über Gras springende Kühe zeigen, sind die Rinder in Golondrina auf nacktem Boden eingepfercht. Auf Weiden und Schatten spendende Bäume hat man verzichtet, die Tiere werden mit industriellem Futter versorgt. Dahinter Sojafelder soweit das Auge reicht und Eukalyptus-Plantagen in Monokultur.

Luis Enrique Arrellaga ist seit 37 Jahren bei Payco, heute leitet er das paraguayische Unternehmen und hat einen der Sitze im Direktorium im Mutterhaus, bei Payco Luxemburg. Die juristische Situation sei kompliziert, erklärt er, denn Payco stehe zum Verkauf an. Seine frühere Haupt-Eigentümerin, die portugiesische Holding Espírito Santo, hatte 2014 in Luxemburg Insolvenz beantragt – ein Jahr, nachdem die Deutsche Entwicklung-Investitionsgesellschaft DEG eingestiegen war. Payco Paraguay erwirtschafte Gewinne.

Mitten in Golondrina liegen zwei Indianer-Dörfer. Als die Estancia erworben wurde, wussten die Aktionäre nichts von ihnen. Sie fielen erst auf, als sie mit dem Abholzen des Urwaldes begannen. Da war die Überraschung groß. Man hatte ein riesiges Gelände gekauft und die Guarani im Beipack mit dabei.

Arrellaga weiß, dass die Guarani Anspruch auf ihre angestammten Gebiete besitzen. Wenn sie einen Antrag stellen würden, dann erhalten sie für dieses Gebiet einen kollektiven Besitztitel. Und er weiß auch, dass die Guarani in Golondrina dies unbedingt wollen. Dies sei aber nicht „Priorität“ der Firma. Man erlaube ihnen den Aufenthalt im Reservat, mit Pfeil und Bogen zu jagen und sich als Arbeitskräfte in Paycos Eukalyptus-Plantagen zu verdingen. Man stelle Lebensmittel zur Verfügung und bringe ihnen bei, wie man, statt wilden Honig zu sammeln, Bienen züchtet.

O-Ton Arrellaga: „Irgendwann werden die Indigenen sicher den Staat auffordern, dieses Gebiet zu kaufen und für sie zu legalisieren. Unsere Priorität ist das nicht. Ja, es ist die Priorität der Guarani, Besitztitel auf den Namen der Gemeinschaft erhalten. Aber das wird die Zukunft zeigen.“

Was ist nachhaltig?

Die vor zwei Jahren von der EU verabschiedete Taxonomie- und Offenlegungs-Verordnung ist bereits geltendes Recht. Ab dem 1. Januar 2023 sollen die entsprechenden Richtlinien zu dieser Verordnung angewendet werden, die die Europäische Kommission erst wenige Tage vorher vorlegen will. Mit reichlicher Verspätung also. Erst dann will klar sein, was überhaupt als „nachhaltig“ gilt. Werden Investitionen in die Atomkraft als „ökologisch sinnvoll“ eingestuft werden? Unter welchen Bedingungen werden die Banken überhaupt noch private Autos und Eigenheime finanzieren – wenn sie diese Kredite hinterher als „nicht nachhaltig“ offenlegen und damit rechnen müssen, dass ihre eigene Bonität heruntergestuft wird? Von Rechtssicherheit also keine Spur.

Wenn man die Investitionspraxis der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Bundesbank zu Grunde legt, würden die paraguayische Gensoja und Monsanto dann als „akzeptabel“ gelten? Für die Bundesregierung sind sie das ja offensichtlich.

Und schließlich könnten die privaten Banken und Fondgesellschaften auf das Prinzip „gleiches Recht und gleiche Standards für Alle“ pochen und nur dem Umfang ihre Aktivitäten offenlegen wie die staatlichen Finanz-Institutionen. Nämlich gar nicht.

Es hat allen Anschein, dass diese neuen Verordnungen, die Brüssel aus dem Hut gezaubert hat, ein unausgegorenes und unglaubwürdiges Stückwerk sind. Soll auf diese Weise der „Green Deal“ umgesetzt werden?

Für den Film waren hohe Reisekosten notwendig, Flug, Mietwagen und Hotel. Hier die Spendenmöglichkeit: Paypal über gaby.weber@gmx.net und Comdirect Bank Iban DE53200411550192074300, BIC COBADEH055.

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3 Kommentare

  1. Gut, dass ich nicht nach Paraguay ausgewandert bin. Da ich mich mit Sicherheit mit den Indigenen solidarisiert hätte, wäre ich dort längst im Knast gelandet – oder tot. USA und Europa verstehen es immer noch, jede Kolonie (auch wenn man es heute anders nennt) zugrundezurichten. Das Verrückte ist, dass dazu immer nur wenige Personen gehören: zynische Ideengeber, bestochene Verwaltungsbeamte und ein paar gekaufte Killer, und schon funktioniert es. So eine Hydra sollte doch zu enthaupten sein, auch wenn es, wie bei Herakles, hundert Köpfe sind.

    1. jep…….aktiv gegen jede Art der Vernichtung der Natur oder gar der wieder Aufforstung zu betreiben ist harte Arbeit, aber macht Gluecklich wenn man es schafft gegen Wiederstaende als Sieger hervor zu gehen.

      Da kann sich jeder selbst die Frage stellen was einem Selbstwert ist. Ich habe nicht selten auf die Zunge etc beissen muessen und mich selbst kneiffen, habe meine Energie in meine Ueberzeugung investiert, erfodert eine Menge Selbstdisziplin und ist nie einfach fuer Charaktere die ein Gerechtigkeitsempfinden haben.

    2. Paraguay ist eine Art schwarzes Loch, durch das viel Geld geschleust wird – u. a. Drogen -, von dem dann einiges kleben bleibt. Angesichts bescheidener Zahlen, was die offizielle Wirtschaft anlangt, ist es prima vista verblüffend, dass die einheimische Währung – sinnigerweise gleich benannt wie der gewichtigste Teil der ursprünglichen indigenen Bevölkerung, Guaraní – relativ zu den grossen Nachbarstaaten vergleichsweise stabil ist. Die Erklärung dafür ist, dass die paraguayische Wirtschaft einem Eisberg gleicht, legal und sichtbar ist nur ein kleiner Teil.

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