
Wer wirklich die Fäden in der Weltpolitik zieht.
Warum wirkt Weltpolitik heute so bizarr? Regierungen stolpern von Krise zu Krise, Entscheidungen erscheinen irrational, ja selbstzerstörerisch. Energiepreise explodieren, Allianzen verschieben sich, Kriege eskalieren, ohne dass jemand die Bremse zieht. Kann es wirklich sein, dass die Mächtigen der Welt einfach nur inkompetent sind?
Diese Erklärung ist zu simpel. Das Chaos, das wir erleben, folgt einer Logik – nur liegt sie nicht dort, wo wir sie suchen.
Kein Masterplan, aber eine gemeinsame Richtung
Hollywood liebt die Idee vom großen Masterplans: ein geheimes Gremium, das die Welt im Schatten lenkt. Die Realität ist subtiler, aber nicht weniger wirkungsvoll. Eliten sind nicht wie eine Pyramide organisiert, sondern wie ein Netzwerk. Knotenpunkte verbinden sich lose, nicht durch Zwang, sondern durch gemeinsame Interessen: Macht sichern, Kapitalströme stabil halten, geopolitische Räume öffnen.
Dass gerade lose Kooperationen stärker sein können als feste Verträge, lehrt schon die Geschichte. Vor dem Ersten Weltkrieg war der Dreibund zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien ein starres Konstrukt – die Entente hingegen eine lockere Verständigung. Sie war flexibler, reaktionsfähiger und im Ernstfall stabiler (Clark 2013). Genau so funktionieren auch die Eliten der Gegenwart: ohne Masterplan, aber mit klarer Stoßrichtung.
Die unsichtbare Architektur
Europäische Spitzenpolitiker sind eng verflochten mit transatlantischen Netzwerken wie der Atlantik-Brücke, dem Atlantic Council oder der Münchner Sicherheitskonferenz. Dort werden keine geheimen Kriegspläne geschmiedet, sondern Narrative gefestigt. Wer dazugehört, atmet dieselbe Luft: Märkte öffnen, Russland eindämmen, die liberale Weltordnung verteidigen. Und wer nicht dazugehört? Bleibt politisch isoliert (Richardson, Kakabadse & Kakabadse 2011).
Noch mächtiger aber sind die leisen Giganten des Finanzsektors. BlackRock, Vanguard und State Street halten Anteile an fast allen großen Konzernen. Sie müssen nicht befehlen – es genügt, Leitplanken zu setzen. Wer gegen ihre Maßstäbe wirtschaftet, verliert Investoren und Reputation. Politik wird so zur nachgelagerten Bühne, während die eigentliche Choreografie im Hintergrund abläuft (Fichtner, Heemskerk & Garcia-Bernardo 2017).
Parallel dazu agieren NGOs. In Indonesien, Nepal oder den Philippinen zeigen sie, wie Entwicklungshilfe und Demokratieexport auch geopolitische Interessen stützen können. Sie sind selten „Steuerungsinstrumente“, aber sie wirken als Verstärker westlicher Ordnungsvorstellungen – mal sanft, mal durchdringend (Carothers & Brechenmacher 2014).
Chaos als Werkzeug
Das Chaos, das Bürgerinnen und Bürger erleben, ist also kein Versagen. Es ist ein Werkzeug. Ein überforderter Nationalstaat wirkt schwach, ein inkompetentes Parlament austauschbar. Genau das bereitet den Boden für neue Formen von Governance – supranational, technokratisch, kapitalgetrieben.
Die Politiker, die wir sehen – ob Merz, Macron, Starmer oder Trump – sind dabei eher Darsteller als Regisseure. Manche mögen gewissenlos sein, manche schlicht talentiert im Machtspiel. Doch sie bewegen sich in einem Rahmen, den sie nicht selbst gesetzt haben.
Was, wenn die Bürger es merken?
Und wenn die Normalbürger beginnen, das Spiel zu durchschauen? Wenn sie erkennen, dass sie in einer „Demokratiesimulation“ leben, in der die Form erhalten bleibt, aber der Inhalt längst von ökonomischen Interessen bestimmt wird?
Dann werden Eliten reagieren – mit mehr Inszenierung von Beteiligung, mit noch raffinierteren Narrativen der Alternativlosigkeit. Wenn nötig, auch mit Repression. Colin Crouch hat diesen Zustand schon vor Jahren als „Post-Democracy“ beschrieben: Demokratie im Schaufenster, Oligarchie im Maschinenraum (Crouch 2004).
Fazit
Die Welt wirkt chaotisch – aber das Chaos hat Methode. Es braucht keinen Masterplan, um Gesellschaften zu lenken. Lose Netzwerke, gemeinsame Interessen und subtile Steuerung reichen aus, um die Richtung vorzugeben. Für die Bevölkerung bleibt die Herausforderung, diese Mechanismen zu entlarven, bevor sie sich in einer neuen Ordnung wiederfinden, die ihnen noch weniger Mitbestimmung lässt als die alte.
Literatur
- Carothers, Thomas & Brechenmacher, Saskia (2014): Closing Space: Democracy and Human Rights Support Under Fire. Carnegie Endowment for International Peace, Washington D.C.
- Clark, Christopher (2013): The Sleepwalkers: How Europe Went to War in 1914. Penguin, London.
- Crouch, Colin (2004): Post-Democracy. Polity Press, Cambridge.
- Fichtner, Jan; Heemskerk, Eelke M.; Garcia-Bernardo, Javier (2017): „Hidden Power of the Big Three? Passive Index Funds, Re-Concentration of Corporate Ownership, and New Financial Risk.“ Business and Politics, Vol. 19, No. 2, pp. 298–326.
- Richardson, Ian; Kakabadse, Nada; Kakabadse, Andrew (2011): Bilderberg People: Elite Power and Consensus in World Affairs. Routledge, London/New York.
Wahrscheinlichkeitsbewertung des Artikels ChatGPT 5.0
- Existenz und Einfluss transatlantischer Netzwerke (Atlantik-Brücke, Atlantic Council, Münchner Sicherheitskonferenz, Bilderberg etc.)
→ ≈ 90 % Wahrscheinlichkeit
Diese Netzwerke existieren nachweislich, sind gut dokumentiert und haben starke Verbindungen zu Politik, Wirtschaft und Militär. Ihr Einfluss auf Narrative und Karrierewege von Spitzenpolitikern ist plausibel und empirisch belegt. - Überragende Rolle von Finanzakteuren wie BlackRock, Vanguard, State Street
→ ≈ 85–90 % Wahrscheinlichkeit
Die „Big Three“ halten massive Anteile an praktisch allen großen Konzernen. Der strukturelle Einfluss auf Unternehmensentscheidungen und damit indirekt auch auf Politik ist wissenschaftlich belegt (z. B. Fichtner et al. 2017). - Wirken von NGOs als geopolitische Verstärker
→ ≈ 70–80 % Wahrscheinlichkeit
NGOs sind vielfältig. Manche agieren klar unabhängig, andere stehen nachweislich in engem Austausch mit staatlichen oder privaten Interessen. Dass sie Entwicklungsprojekte oder Demokratieförderung mit geopolitischen Zielen verknüpfen, ist empirisch dokumentiert (Carothers & Brechenmacher 2014). - Kein Masterplan, sondern lose Netzwerke von Eliten, die durch gemeinsame Interessen koordiniert sind
→ ≈ 75–85 % Wahrscheinlichkeit
Die Elitenforschung (z. B. Mills, Dahl, Domhoff) zeigt, dass Machteliten eher netzwerkartig als pyramidal organisiert sind. Dass „Ordnung aus Chaos“ entsteht, ist realistisch. Ob dies absichtsvoll so geplant wird, bleibt Interpretationssache. - Chaos als Werkzeug, um Nationalstaaten zu schwächen und neue supranationale/technokratische Strukturen zu etablieren
→ ≈ 50–60 % Wahrscheinlichkeit
Dass Eliten bewusst von Krisen profitieren („crisis as opportunity“) ist durch viele historische Beispiele belegt (Finanzkrisen, Kriege, Pandemien). Ob das Chaos jedoch systematisch „geschaffen“ wird oder eher opportunistisch genutzt, ist offen. - Demokratiesimulation (Post-Democracy nach Crouch)
→ ≈ 65–75 % Wahrscheinlichkeit
Postdemokratische Tendenzen sind in der Politikwissenschaft gut beschrieben: Wahlen existieren, aber die eigentlichen Entscheidungen fallen in Experten- und Lobbynetzwerken. Ob man das als „Simulation“ oder „Erosion“ der Demokratie bezeichnet, ist semantisch.


