
Lang hat es nicht gedauert bis im Austragungsland des Eurovision Song Contest (ESC) 2026 der Dachstuhl brannte. Für Österreich ist der ESC eine große Anstrengung und nachdem sich der eben noch gefeierte Gewinner JJ den Ausschluss Israels vom Wettbewerb wünscht, gesellen sich zu den logistischen Problemen heftige Diskussionen.
Zunächst sei noch ein Blick auf die heiteren Seiten der landesweiten Vorbereitungen auf die Austragung des Song Contest erlaubt. Heiter, weil sie der erwartbaren Dramaturgie der Provinzposse entsprechen. Die Republik Österreich muss sparen, damit das Budgetdefizit nicht aus dem Ruder läuft. Die Kosten für die ESC-Austragung sind aber beachtlich.
Man scherzte schon, der Finanzminister habe am Abend der Austragung absichtlich tausendfach für Schweden gestimmt, damit der Kelch an Austria vorbeigeht. Pech gehabt, der Zirkus kommt. Der ORF erinnerte in einem Bericht an die letzte Austragung vor genau zehn Jahren. Tenor des Beitrags: Es war damals sehr teuer und kompliziert. Gut zu wissen.
Wohin mit dem Monsterevent?
Mehrere Städte bringen sich bereits in Stellung. Sogar Spaßstarter wie Oberwart (genügend Nächtigungsmöglichkeiten vermutet man im nahegelegenen Bad Tatzmannsdorf) sind dabei. Der logistische Optimismus des Bürgermeisters Georg Rosner (ÖVP) ist löblich und schließlich ist Oberwart die drittgrößte Stadt des Burgenlands! Was soll da noch schiefgehen?
Auch das oberösterreichische Wels bringt sich und seine neue Messehalle in Stellung. Wels war bislang noch nicht auf der Landkarte internationaler Musikevents, aber das kann ja noch werden. Man hatte sich bereits 2014 (erfolglos) für den ESC beworben und das Messegelände wurde jetzt nochmals um 10.000 Quadratmeter erweitert. Das ist ein ganzer Fußballplatz zusätzlich!
Der ORF betont in seinem Bericht über die Bewerbung Wels‘ nochmals: die Sache wird teuer und kompliziert. Faszinierende Formulierungen des Staatssenders: Es sähe „danach aus“, dass der Wettbewerb „trotz der hohen Kosten“ in Österreich stattfinden kann. Aha. Hoffentlich kann Bürgermeister Andreas Rabl (FPÖ) zwischen den Zeilen lesen und ist dann nachher nicht zu enttäuscht, wenn es doch wieder Wien wird und Wels keinen neuen Flughafen für den ESC gebaut bekommt.
Wiens Bürgermeister Ludwig meint zumindest, Wien sei bereit, nur mit dem Dach hapert es noch. Man könnte ja wieder in die Stadthalle nehmen, liebäugelte aber mit dem ungleich größeren Ernst-Happel-Stadion. Das soll tatsächlich ein verschließbares Dach bekommen und wäre damit endgültig Eventarena (für Fußball wird das Stadion sowieso – aus bekannten Gründen – zu wenig gebraucht), nur leider ist bereits sicher, dass das mit dem Dach bis zum Mai nächsten Jahres nicht klappen wird.
Aufregung über den Israel-Sager
Alles ging seiner unvermeidlichen Wege und hätte putzig provinziell bleiben können, wenn da nicht die Weltpolitik wäre. Und an dieser Stelle muss der ESC-Vorbericht leider bitter werden. Das kam so: Der österreichische Gewinner Johannes Pietsch (Bühnenname JJ) wurde vermutlich ein wenig von der spanischen Zeitung „El Pais“ in die Falle gelockt.
In Spanien artikulierte sich bereits Unmut über das überraschend gute Abschneiden Israels beim Publikums-Voting und es wurden Stimmen laut, man solle KAN, die israelische Fernsehanstalt, auszuschließen. JJ sagte nun brav ins Mikrophon, er sei „sehr enttäuschend, dass Israel noch am Wettbewerb teilnimmt“ und er würde sich den Song Contest nächstes Jahr „in Wien“(sic!) „ohne Israel“ wünschen.
Ein bisschen also das, was die spanischen Kollegen wohl hören wollten. Es ist die ziemlich gleiche Aussage des letztjährigen Siegers aus der Schweiz, auch der zeigte Unverständnis, warum Israel noch mitmachen darf.
An der Stelle ein notwendiger Hinweis: Von deutschen (und österreichischen) Boden ging ein industriell organisierter Massenmord an den Juden aus. Daraus erwächst eine besondere deutsche und österreichische Verantwortung gegenüber dem Staat Israel. Juden sollen dort friedlich und sicher leben können. Gleichwohl ist Massenmord, Vertreibung und eine in Teilen faschistische, israelische Regierung, die offenkundig Palästinenser als minderwertige Menschen betrachtet eine Katastrophe, die alle Menschen angeht und auch von einem österreichischen Musiker kommentiert werden darf. Denn dies ist ein moralisches Problem das auf allen lastet: „Wo warst Du, als Gaza starb?“
Nach JJs Äußerungen bemühten sich, vom österreichischen Bundespräsidenten abwärts, zahlreiche Vertreter des Staates zu relativieren. Das gelang mal besser und mal schlechter. Der Vorsitzende der Wiener FPÖ Dominik Nepp polterte los, die Bundesregierung habe mit JJ einen Antisemiten gefeiert.
Ein typisches Muster des Rechtspopulismus. In aller Welt tuen plötzlich Antisemiten so, als würden sie gegen den Antisemitismus kämpfen. Tun sie nicht. Sie nutzen dies nur als Vehikel antimuslimische oder im Fall von JJ anti-queere Ressentiments zu schüren.
JJ ist ziemlich sicher kein Antisemit. Er ist ein junger Musiker, der das Leid der palästinensischen Bevölkerung nicht mehr aushält und der nicht verstehen kann, weshalb niemand die tagtäglichen Bombardements der Zivilbevölkerung stoppt und den durch zeitweilige Totalblockade des Gazastreifens entstanden Hunger beendet.
Er sagt selbst, dass er sich mit den politischen Zusammenhängen nicht auskennt, aber seine Betroffenheit ehrt ihn und ist gut nachvollziehbar. Es ist wenig hilfreich, JJ jetzt undifferenziert ins Eck zu argumentieren und sich beispielsweise darüber zu empören, dass er Israel mit Russland vergleicht.
Dass hat er nicht eigentlich getan, wenn er erwähnt, dass nach der russischen Invasion das Land ausgeschlossen wurde, der „Aggressor“ Israel aber nicht. Als Mitglied der LGBTQ+-Community wird er sicherlich ein paar Unterschiede zwischen der Russischen Föderation und Israel kennen.
Außerdem, was verlangt man von JJ? Es gilt eine fadendünne Linie entlang zu wandern, auf der einerseits Verständnis für die enorm schwierige Lage Israels artikuliert wird und es aber andererseits keinerlei Verständnis dafür geben kann, dass in Gaza aus politischen Gründen Kinder getötet werden und verhungern.
Besonnenheit, die beim Konflikt zwischen Israel und Palästina kaum wer noch aufbringt, wäre gefragt. Die israelische Botschafterin in Österreich will JJ einladen und mit ihm reden, das wäre vielleicht ein guter Schritt.
Wurde die Abstimmung manipuliert?
Israels Regierung unter Bibi Netanjahu steht zunehmend im Abseits und daran ist sie alles andere als unschuldig. Für die Menschen in Israel ist dies fraglos eine große Belastung. Das Land steht mit dem Rücken zur Wand und fühlt sich, nicht ganz grundlos, von Feinden umgeben.
Ist es da ein Wunder, dass kaum jemand gewillt ist, harmlose Liebessongs zu trällern? Man möchte das eigene Leid artikulieren und in die Welt hinaustragen. Gut nachvollziehbar. Nur stelle man sich – als Gedankenexperiment – einmal ganz nüchtern ein Pitch-Meeting im Land X vor, bei dem nach dem möglichen Beitrag für den ESC gesucht wird und eine Person steht auf und sagt: „Ich habe eine Idee, lasst uns einen Song machen über ein entsetzliches Massaker, bei dem 1200 Menschen brutal ermordet wurden!“
Man würde der Person ein Glas Wasser reichen und ihr ruhig erklären, dass ein solches Musikstück zum ESC und seinen Bu-ba-ba-bu-ba-ba-Wohlfühlsongs irgendwie nicht passt. Tja, nur leider hat der israelische Sender KAN, ziemlich genau dies in den letzten zwei Jahren getan.
Mehr oder minder unverhüllt wurde auf das Massaker vom 7. Oktober hingewiesen und damit die Spaßveranstaltung ESC durchaus politisch gekapert. In der Musikszene hat dies zu zahlreichem Widerspruch geführt. 70 ehemalige Teilnehmer sprachen sich deshalb gegen eine erneute Teilnahme Israels aus und sie tun dies auch aus durchaus verständlichen, handwerklichen Gründen.
Denn bei der aktuellen Abstimmung letzte Woche ließ sich auf YouTube ablesen, dass der israelische Beitrag eher selten aufgerufen wurde. 19 andere Beiträge hatten mehr Klicks, dennoch erreichte der israelische Beitrag beim Publikumsvoting den überragenden ersten Platz. Warum gewinnt ein Lied, das sich kaum wer anhört?
Nun, die vielen Stimmen bekam Israel, weil Menschen aus politischen Gründen für den Beitrag gevoted haben. Sie wollten ihre Solidarität mit Israel bekunden. Fein, warum nicht? Aber das widerspricht eben leider eindeutig dem Geist des ESC, der ja die Musik feiern will und keine Abstimmung über Zuspruch oder Abneigung gegenüber der Politik eines Landes sein möchte. Für die anderen teilnehmenden Musikerinnen und Musiker ist das mehr als demotivierend und auch für israelische Musiker ist es verkorkst, wenn ihr möglicher Sieg so einen Beigeschmack bekäme.
Klar, einige aus der Musikszene mögen bei ihrer Kritik antisemitisch motiviert sein (ist ein häufiges Phänomen), aber sicherlich nicht alle. Es wäre letztlich wünschenswert, wenn dies die Sendungsverantwortlichen in Israel mitbedenken würden.
Fraglich ist, ob dies noch möglich ist, nachdem Bibi Netanjahu systematisch am Umbau des Senders KAN zum Propagandainstrument arbeitet. Der Sender berichtet kaum mehr über das namenlose Elend der palästinensischen Bevölkerung oder über mögliche Kriegsverbrechen der Israeli Defence Forces, die mittlerweile auch der ehemalige Premierminister Ehud Olmert nicht mehr gänzlich ausschließen mag.
Vor diesem Hintergrund klingt vielen Fans der Eurodance-Stampf des ESC hohl und deplatziert. Eigentlich könnte man sich vor diesem Hintergrund die Veranstaltung im wahrsten Sinne des Wortes sparen.
Es bleibt abzuwarten, wie es jetzt weitergeht, vielleicht speckt man den ESC einfach wegen all der nicht mehr aushaltbaren politischen Konflikte auf ein Minimum ab und dann kann vielleicht doch noch Wels als Austragungsort zum Zug kommen … oder das 8000 Einwohner starke Oberwart.
Ist ein JJ wirklich relevant genug für einen Artikel? Den man auch noch lesen soll? Sry, vielleicht wenn ich mal gaaanz viel Zeit habe… Nix gegen den Autor, jeder muß heutzutage sehen wie er (es) sich seine Semmeln verdient…..
Was für ein dämlicher Kommentar!
Es geht hier nicht um die Relevanz dieses JJ-Fuzzies, sondern die brisante politische Situation dahinter.
Echt jetzt?!?? Dann hätte man die Schlagzeile aber ganz anders gestalten sollen!
„Besonnenheit, die beim Konflikt zwischen Israel und Palästina kaum wer noch aufbringt, wäre gefragt. Die israelische Botschafterin in Österreich will JJ einladen und mit ihm reden, das wäre vielleicht ein guter Schritt.“
Nein. Was soll es da zu bereden geben? Wie notwendig die Ausrottung der Palästinenser aus Sicht Israels sei?
Ein guter Schritt wäre vielmehr, wenn das österreichische Außenministerium die israelische Botschafterin vorladen würde, um ihr klarzumachen, daß Völkermord inakzeptabel ist, um anschließend sie und das gesamte diplomatische Personal Israels des Landes zu verweisen. Das wäre absolut angemessen!
Israel von heute:
https://youtu.be/pKQN79Eeo0w?si=lTIHaj49b9gCRG1V
An was erinnern solche Typen?
Massenmord bleibt Massenmord, egal ob ihn Amerikaner, Engländer, Deutsche oder Israeliten begehen.
Ja, das was heute in Gaza passiert ist ein Genocid. 15000 Kinder verhungern jede Woche.
Und ein Fascho bleibt ein Fascho, egal welches politische Mäntelchen er sich anzieht. Lrecht oder Lrinks 😊
Alle Menschen sind gleich. Es gibt keine Besseren. Menschen die sich für besser halten sind arrogante Deppen.
Und in diesem Sinne fand ich es auch erfrisched das endlich mal ein junger Mensch politisch unvoreingenommen über Israel heute spricht.
Ja, Politiker und Medien wetzen jetzt die Messer.
Aber das sind charakterlich die selben Messerwetzer und Wegseher wie damals als es Slaven, Polen, Juden und Romas an den Kragen ging.
… und zur Ergänzung: auch den Ukrainern! Und diese alle mit tatkräftiger Unterstützung der jeweiligen Bevölkerung dieser Länder, die die Gelegenheit eifrig nutzte, sich unerwünschter Mitbürger zu entledigen. Es war für die Nazis keineswegs schwierig, einheimische Helfer für ihre ethnischen Säuberungen in diesen Ländern zu finden (Pars pro toto: Bandera!).
100%
15 Millionen Russen hat die NS damals in den KZ ermordet (von Denen redet Keiner) und heute greifen sie wieder Russland an.
PS: das erste Genocid in Europa machte die Habsburger Monarchie auch an Russen am Thalerhof in Feldkirchen.
„Israels Regierung unter Bibi Netanjahu steht zunehmend im Abseits und daran ist sie alles andere als unschuldig. Für die Menschen in Israel ist dies fraglos eine große Belastung. Das Land steht mit dem Rücken zur Wand und fühlt sich, nicht ganz grundlos, von Feinden umgeben.“
Wo steht Israel mit dem Rücken zur Wand?
Und warum schaffen sich deren Politiker immer mehr Feinde?
Hat der Tenor JJ was von Juden gesagt ?
NEIN, er hat vom Ausschluss des israe -lischen Staates geredet. Hört der Autor
nicht zu ?
Der östereichische Songcontest-Teil –
nehmer hat den Ausschluss Israels vom ESC gefordert. Von Juden hat er nicht geredet.
ESC heißt „Europäen Song Contest“! Sehe ich mir meinen Globus an kann
ich Israel in Europa nicht finden. Warum darf Israel überhaupt teilnehmen?
Sollte dann nicht auch der Iran und Nord Korea mit dabei sein?
Ich nehme an, Israel darf teilnehmen, weil es von Europäern kolonialisiert wurde.