
„So sind wir nicht“, waren die längst legendär gewordenen Worte des österreichischen Bundespräsidenten zur Ibiza-Affäre. Seitdem hören die Grundpfeiler der Republik nicht auf zu wackeln – vom Journalismus bis hin zu den Menschenrechten.
Eine Demokratie braucht gewisse Voraussetzungen, auf die sie vertrauen können sollte. Sie braucht eine informierte Öffentlichkeit, die sich selbst ein Bild der Lage machen kann, um mitentscheiden zu können. Aus den Entscheidungen erfolgt letztlich eine Gesetzgebung. Der eigentliche Witz der Gesetze liegt dann darin, dass man sich an diese auch hält.
Der in Österreich starke Rechtspopulismus tut sich schwer mit all dem. Er möchte die Gesetze an die jeweilige aktuellen, politischen Zwecke anpassen, wie dies der ehemalige FPÖ-Innenminister Herbert Kickl, unmittelbar vor der Ibiza-Affäre, deutlich gesagt hat: „Das Recht hat der Politik zu folgen.“ Ansonsten hält man als gelernter Rechtspopulist ohnehin jede öffentliche Meinung für das Ergebnis einer Manipulation und ärgert sich, wenn es einem nicht gelungen ist, selbst zu manipulieren.
Die Chat-Protokolle haben die Chefredaktionen erreicht
Die österreichische Staatsanwaltschaft ist immer noch mit der Auswertung der konfiszierten Handys der Machtzirkel rund um Sebastian Kurz beschäftigt. Insbesondere die Chats des früheren Chefs der Österreichische Beteiligungs AG Thomas Schmid haben es in sich.
Sie gefährden amtierende und ehemalige Politiker der österreichischen Volkspartei. Manche der dort getätigten Äußerungen sind vielleicht sogar strafrechtlich relevant, sie sind aber sicherlich eine einzige PR-Katastrophe, die auch dem einst so gefeierten „Medienprofi“ Sebastian Kurz längst über den Kopf gewachsen ist.
Seine medialen Abwehrversuche wirken längst so, als würden die Schlümpfe versuchen, einen Agententhriller nachzustellen. Kurz hatte jüngst ein mitgeschnittenes Telefonat zwecks „Entlastung“ an die Öffentlichkeit gespielt. In diesem Telefonat stellte er dem Belastungszeugen Schmid kuriose Suggestivfragen, die dieser höchst ausweichend beantwortet, weil er ja wusste, dass er abgehört wird.
Der tief in die Affäre verwickelte österreichische Boulevard ging den weiten Weg mit und taufte Sebastian Kurz folgerichtig „00Kurz“. Das war als Kompliment gemeint. Die Doppelnull soll nicht für WC-Anlage stehen, sondern für James Bond.
Nun gibt es in Austria aber auch seriöse Medien. Dazu gehört beispielsweise die seit 1848 erscheinende Tageszeitung „Die Presse“. Lauschen wir kurz ihrem gefeierten (mehrmaliger „Journalist des Jahres“ und „Medienmanager des Jahres“) Rainer Novak im Chat-Protokoll mit Schmid.
Thomas Schmid : „Jetzt du noch ORF-Chef“ [..] „Alter – dann geht’s aber ab“ [..] „Danke für alles.“
Rainer Nowak: „Ehrensache. Jetzt musst du mir bitte beim ORF helfen.“
Schmid: „Unbedingt.“
Bedankt hatte sich Schmid unter anderem dafür, dass ihm Rainer Novak Wording-Tipps gegeben hatte für Schmids Kommunikation mit der Redaktion der Zeitung „Die Presse“. Inwieweit auch wohlwollende Berichterstattung initiiert wurde, lässt sich selbstverständlich schwer nachweisen.
Dies ist aber eigentlich gar nicht nötig, denn wer Karriere machen will, internalisiert Annahmen, von dem er glaubt, dass sie ihm nützen werden. Allein damit kann Politik Einfluss auf Medien ausüben. Alles nachzulesen in der Analyse von Edward Herman und Noam Chomsky in „Manufacturing Consent“.
Sehnsuchtsziel ORF
Begehrtes Ziel ist der hochsubventionierte Österreichische Rundfunk, der in einer immer prekäreren Presselandschaft sichere und mächtige Posten verspricht. Matthias Schrom war der Chefredakteur des Senders ORF2. Seine Chats mit Schmid lassen ebenso tief blicken. Zitat Schrom: „Es ist schon bei uns genug zu tun und jeden Tag mühsam, aber langsam wird’s, und die, die glauben, die SPÖ retten zu müssen, werden weniger.“
ORF2 ist mehr auf Heimat gepolt, während die sich eher den weltpolitischen Themen zuwendende ORF1-Redaktion als „links“ gilt. Sehr unverblümt scheinen sich Schrom und Schmid einig, dass gegen die Linken und SPÖ-nahen im ORF vorgegangen werden muss.
Die Formulierungen sind im mittlerweile bekannten Chat-Stil hochnotpeinlich, immer geht es um Postenbesetzungen und eine Art des politischen Andienens an jene Machtstrukturen der Politik, die anscheinend nicht hinterfragt und problematisiert werden.
Wer politische Berichterstattung machen will, braucht Zugang zu den Kreisen der Entscheider. Wird dieser gewährt, dann ist dies allein bereits eine gewisse Bauchpinselei. Sebastian Kurz war Meister darin, zum Hörer zu greifen und seine Meinung den Kommentatoren darzulegen. Wer ihn dennoch kritisch darstellte, wurde mit Missachtung bestraft.
Der österreichische Journalismus muss sich hier ein gewisses Systemversagen attestieren lassen. Vom Boulevard, der nach Inseraten giert, war nicht viel mehr zu erwarten als Hofberichterstattung, die bis heute nicht aufgegeben wurde. Aber wo war die Solidarität der unabhängigen Journalisten?
Gerade Rainer Novak sonnte sich lieber in seinem Zugang zur Spitze. Er legte in der OFF-Wahlberichterstattung, bei der berüchtigten „Runde der Chefredakteure“, gerne bräsig seine immer gleiche Meinung ab, stets mit dem Unterton: „Was wisst ihr denn schon.“ Auch für halblustige Selfies mit dem Finanzminister Gernot Blümel war er sich nicht zu schade.
Wenn einige Kollegen die Nähe suchen und damit Erfolg haben, dann wird es für die, die in Distanz bleiben,doppelt schwer. Gelernte Österreicher wissen leider, wer es so weit nach „oben“ geschafft hat, wird gewisse Zugeständnisse gemacht haben. Rainer Novak und Matthias Schrom traten nach den Chat-Enthüllungen von all ihren Aufgaben zurück. Ein neuer Ehrenkodex soll jetzt in Österreich helfen, wieder Vertrauen in eine unabhängige Berichterstattung zurückzugewinnen.
Warum nicht mal über Menschenrechte diskutieren?
Wie eingeengt die medial vermittelten Sichtweisen im Land sind, zeigt sich immer wieder zuverlässig beim künstlich am Köcheln gehaltenen Dauerthema „Flüchtlinge“. Während das Wort „Kapitalismus“ nie in den Mund jener österreichischer Politiker gelangt, die im Parlament vertreten sind, müsste das Wort „Asyl“ schon längst zu Kiefersperren geführt haben.
Die Berichterstattung geht hier ehrerbietigst mit, denn auch die vermeintlich liberaleren Publikationen diagnostizieren ununterbrochen, man habe die Glaubwürdigkeit in der Ausländerdebatte verspielt und den Rechten das Thema zu sehr überlassen.
Dies stimmt nur insofern, als nie versucht wurde, grundlegend andere Lösungen zu propagieren. Vor der Diagnose, dass es für weltweite Probleme keine „Heimatlösungen“ gibt, sondern nur internationalistische, sträubt sich anscheinend das ganze Land. Die SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner flieht angeblich aus dem Saal, wenn alte Genossen und die Jugendorganisation die „Internationale“ anstimmen.
Die Rechten hingegen hoffen auf die nächste Flüchtlingskrise – und wenn sie nicht kommt, reden sie eben herbei. Die Koalition aus ÖVP und Grünen im Bund hat hier ihren schlimmsten Baufehler, katholisch ausgedrückt: ihre „Erbsünde“. Die Koalitionäre haben die Menschenrechte zum koalitionsfreien Raum gemacht, weil man wusste, man würde sich hier auf nichts einigen können.
Asyl- und Flüchtlingsfragen waren der Verkaufsrenner des Sebastian Kurz, ihn dafür zu schmähen jener der Grünen. Also wich man dem Thema großräumig aus, die Konsequenzen sind heute unübersehbar.
Der Klubchef (Fraktionsvorsitzende) der ÖVP August Wöginger, mit dem sein Gegenüber, die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer, ein ausgezeichnetes Arbeitsverhältnis pflegt („Wir streiten generell nicht“) hat nun die Debatte angestoßen, ob die Europäische Menschenrechtskonvention nicht überarbeitet gehört.
Nach 70 Jahren passt angeblich vieles nicht mehr, angesichts einer geänderten Weltlage. Asyl sei im Prinzip okay, aber es gäbe eben viel zu viele Wirtschaftsflüchtlinge. Die Argumentation Wögingers selbst scheint viele, viele Jahrzehnte alt zu sein. Es sind die immer gleichen, rechten Stehsätze, die ohnehin kein Interesse an Lösungen erkennen lassen, sondern das Thema für Stimmenfang zu nutzen gedenken.
Man zündelt fleißig weiter
Zunächst gab es die Empörungswelle, vom ehemals grünen Bundespräsidenten bis hin zur grünen Justizministerin, die alle keinen Verhandlungsspielraum bei den Menschenrechten sehen und betonen, dass hier eine schützenswerte „Errungenschaft der Menschlichkeit“ und ein „Kompass der Humanität“ vorliegt.
Die ÖVP verbleibt aber skeptisch, trotz einiger energischer Stimmen für die Einhaltung der Menschrechte auch in der eigenen Partei. Der Chef der ÖVP im kleinen Bundesland Burgenland Christian Sagartz meinte, es wolle ja niemand die Menschenrechte „willkürlich“ ändern, aber es brauche eben ein „Update“ bei der Migration.
Niemand spricht aus, wie dieses Update genau aussehen soll. Ein bisschen Folter, die nicht so schlimm ist? Moderate Diskriminierung? Angemessene Einschränkung der Meinungsfreiheit? Leichte Formen der Sklaverei? Die ÖVP mag nicht sagen, wo genau die Menschenrechte zu weit gehen.
Dass die Partei allerdings das Thema überhaupt anschneidet, zeigt einerseits wie verzweifelt man auf die neuerlichen Umfrageerfolge des ehemaligen Koalitionspartners FPÖ schielt und wie locker man im Umgang mit Gesetzen und der darin festgeschrieben Selbstverpflichtung ist.
Die „Flüchtlingskrise“ war nie eine solche, sondern immer eine Krise der Moral und Gesetzestreue. Man hat einfach gedacht, man müsse sich ohnehin nie an die Rechte anderer halten. Der „Hausverstand“ sagte, wir helfen, wenn es passt, wenn es zu viel wird, dann winken wir ab. So aber sind Menschenrechte nicht gemeint. Sie müssen immer und überall gelten, sonst sind sie sinnlos.
Das ohnehin schon erschütterte Vertrauen in die staatlichen Institutionen wird doppelt befeuert. Aushöhlung und Zerfall beginnen ineinanderzugreifen. Den Armen aller Länder wird unmissverständlich gezeigt, dass man bereit ist, ihnen ihre Rechte zu nehmen. „Wenn es hart auf hart kommt, dann lassen wir euch über die Klinge springen.“ So etwas wirkt tief in eine Gesellschaft hinein.
Wahre Demokratie ist mit Kapitalismus nicht vereinbar. Im Gegenteil stehen beide zueinander.
In – dem Kap. immanten – Krisen treten in unseren bürgerlichen Fassadendemokratien jene zahlreichen Widersprüche zu Tage, gegen die, mangels gesellschaftlicher Aufklärung, nur von Rechts kritisiert werden kann. Kap. Fundamentalkritik gilt als extremistisch und verfassungsfeindlich.
Bürgerliche Demokratien „halten“ sich die Rechten, um selber demokratisch zu erscheinen.
Korrektur im zwoten Satz:
„Im Gegenteil stehen beide diametral zueinander“ – sollte es heißen.
Könnte bitte irgendjemand dieses kotelettförmige Land einfach aufessen? Danke im voraus.
vom kottelet bitte nur östlich etwas abbbeißen. das genügt. übrigends: wieviel jödicke und kommunistische volksstimme verträgt overton. da lese ich lieber den wiener WERNER REICHEL….