Neues von Me-ti

Die zerstörte Stadt Marinka im Oblast Dionezk, um die seit einem Jahr gekämpft wird. Bild: @tankistrossii100

Als das laute Trommeln der Tuis für einen dritten Ga-Krieg ihn in seiner Ruhe störte.

Vorbemerkung: Die folgenden Kurztexte setzen ein Spiel fort, das Bertolt Brecht in seiner Exilzeit gespielt hat. Teils aus Gründen der Vorsicht im Fall von Filzungen an Grenzen, teils aus Freude am Spiel arbeitete er mit chinesischen Schlüsseln. Me-ti (Mo-Di) war ein antiker Philosoph.

Brecht wählte diesen Schlüssel für sich selbst als Dialektiker (als Schriftsteller gab er sich andere pseudo-chinesische Namen). Dialektik bezeichnete er als „die Große Methode“ – er verstand sie im Sinne von Struktur als Prozess und stützte sich dabei auf Lenins Metapher von Russland als „schwächstem Glied der imperialistischen Kette“. Die ganze „Kette“ symbolisiert die Gesamtstruktur (oder das Gesamtsystem): jedes „Einzelglied“ ändert durch seine eigene Änderung ständig alle anderen Glieder, kein Glied kann isoliert analysiert werden. Weil sich alle ständig ändern, klappert sozusagen die gesamte Kette ständig auch – und am schwächsten Glied kann sie reißen und damit eine Revolution des Gesamtsystems auslösen.

Manche Schlüsselwörter sind bis heute nicht zweifelsfrei entschlüsselt, die meisten aber schon. Im folgenden kommt z.B. „Ga“ vor – das ist Deutschland = G[ermani]a. „Tui“ (Tellekt-Uel-In) ist Intellektueller. (Einige Schlüssel spielen das eigene Spiel aus Bangemachen gilt nicht auf der Suche nach der Roten Ruhr-Armee. Eine Vorerinnerung weiter: „V-Träger“ = Verantwortungs-Träger.)

 

Me-ti hatte nach dem 2. Großen Krieg von Ga den bekannten Spruch formuliert: „Das große Karthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten.“ Als in Ga – lange nach Me-tis Tode – sich neuerlich Tuis zu Wort meldeten, die beim Warmlaufen zum 3. Großen Krieg von Ga vor einer ansteckenden Krankheit warnten, die sie mit einem neuen Wort als „Ga-Es-ka-la-tions-pho-bie“ bezeichneten und gegen die sie eine große Impfkampagne empfahlen, wurden in Me-tis Nachlass einige bislang unbekannte Schreibmaschinenseiten gefunden, die aber wohl nicht authentisch sein dürften, zumal Me-ti derartig pessimistische Prognosen kaum zuzutrauen sind. Hier einige Beispiele:

Authentisch sind diese Langzeilen Me-tis von 1946:

 

DER KRIEG IST GESCHÄNDET WORDEN

Wie ich höre, wird in den besseren Kreisen davon gesprochen

Daß der zweite Weltkrieg in moralischer Hinsicht

Nicht auf der Höhe des ersten gestanden habe. Die Wehrmacht

Soll die Methoden bedauern, mit denen die Ausmerzung

Gewisser Völker von der SS vollzogen wurde. Die Ruhrkapitäne

Heißt es, beklagen die blutigen Treibjagden

Die ihre Gruben und Fabriken füllten mit Sklavenarbeitern, die Intelligenzler

Hör ich, verdammen die Forderung nach Sklavenarbeitern von Seiten der

Industriellen, sowie die gemeine Behandlung. Selbst die Bischöfe

Rücken ab von dieser Weise, Kriege zu führen, kurz, es herrscht

Allenthalben jetzt das Gefühl, daß die Nazis dem Vaterland

Leider einen Bärendienst erwiesen und daß der Krieg

An und für sich natürlich und notwendig, durch diese

Über alle Stränge schlagende und geradezu unmenschliche

Art, wie er diesmal geführt wurde, auf geraume Zeit hinaus

Diskreditiert wurde.

 

Kaum authentisch dürfte dagegen dieses neu gefundene Blatt sein:

 

Wie lange dauert geraume Zeit in Ga, wie viele Generationen?

Wenn sagen wir zwei, dann ergäbe sich etwa das Jahr 2005 –

Wenn aber die geopolitischen Zwänge die Zeit beschleunigen würden,

Brauchte es noch eine Formel für die jüngeren Bischöfe, damit

Alles moralisch stimmte, zu liefern von den jüngeren Tuis:

WENN ES EINEN FEIND GIBT, DER EBENFALLS DEN KRIEG SCHÄNDET

DANN WIRD UNSER KRIEG EIN KRIEG GEGEN DIE SCHANDE

DANN HABEN WIR ENDLICH WIEDER EINEN SAUBEREN KRIEG.

 

3 jüngere Tuis baten Me-ti um ein Treffen. Ihre 6 Augen waren vor Ratlosigkeit sehr groß offen und ihre 3 Stirnen waren 3 einzige Falten, was Me-ti an den Zöllner des Lao-tse erinnerte. Wie kannst du uns erklären, fragten sie, warum der deutsche V-Träger plötzlich rund um die Uhr von dem obersten Glaubensartikel seiner Verantwortung abfällt, der doch da lautet: Suchet zuerst den größten Profit, und alles übrige wird euch hinzugegeben? Er verzichtet über Nacht auf alle seine Superprofite in Russland und fängt sogar schon an, auf Superprofite in China zu verzichten. Wenn ihm nicht bloß die metaphorischen Pipelines für die Profite, sondern sogar die nicht metaphorischen über Nacht gesprengt werden, lässt ihn das völlig kalt und er nimmt es einfach aus den Schlagzeilen. Was ist los mit seiner Verantwortung für den Profit? Wird dein Ka-meh [Karl Marx] gerade total widerlegt – und du also selber auch?

 

Me-ti versuchte zuerst, die 3 etwas zu beruhigen und bot ihnen chinesischen Tee an. Er fragte sie dann, ob sie die Grundsatzrede des Präsidenten zur ZeitenWende im Schloss Bellevue kurz vor Reformationstag und Allerheiligen (genau am 28. Oktober 2022) mitbekommen hätten? Nur das wichtigste Zitat, weil die Rede wirklich zu lang gewesen wäre, das wichtigste Zitat hätten ja alle Medientuis noch tagelang wiederholt: „Die Friedensdividende ist aufgezehrt.“ Eben, sagte Me-ti, das war die einzige interessante Stelle in dem endlosen pfäffischen Salbader – an dieser Stelle hat nämlich ein Bauchredner in dem Präsidenten geredet, und zwar der V-Träger persönlich. Und hat genau eure Frage beantwortet. Als die 3 jüngeren Tuis darauf noch größere und noch ratlosere Augen machten, sagte Me-ti: Die Antwort lautet: „Ab jetzt kommt die Kriegsdividende.“

Als die 3 laut loslachen mussten und sich gegen alle 3 Falten der Stirn schlugen, schüttelten sie schließlich heftig den Kopf: Darauf hätten sie doch selbst kommen müssen. Nachdem Me-ti eine Weile herzlich mitgelacht hatte, wurde er plötzlich sehr ernst und erinnerte sich, dass er diesen Wechsel des V-Trägers von der Friedensdividende zur Kriegsdividende schon zweimal erlebt hatte. Und auch der 28. Oktober will mir nicht gefallen, murmelte er: Danach kommen die Friedhofsbesuche und Trauertage.

Was HELDEN betrifft, hatte Me-ti kurz zuvor einen dialektischen Spruch formuliert: „Unglücklich das Land, das keine Helden hat! – Nein, Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.“ Zwei Generationen später schienen jüngere Tuis ihm recht zu geben, als sie den POSTHEROISCHEN Krieg verkündeten. Aber darin steckte eine weitere vertrackte Dialektik, weil die Helden einfach durch Maschinen ersetzt und dadurch überflüssig wurden.

In den Postkolonien entstand dadurch eine so schlimme Situation, dass die Tuis darüber gar nicht mehr reden mochten: Die neuen Maschinen töteten alle möglichen Selbstmordattentäter, aber da machten sich im Kampf gegen die Maschinen die Selbstmordattentäter selber zu Maschinen und töteten die verbliebenen Soldaten, so dass es gar keine Helden mehr gab, weil nur noch Maschinenopfer.

So hatten sich die Tuis die POSTHEROISCHE SITUATION aber nicht vorgestellt. Deshalb sahen nun zuerst wenige und dann immer mehr Tuis ein, dass die Situation in Wahrheit NEOHEROISCH wäre: Das Land habe keine Helden mehr, habe aber Helden bitter nötig. Sie zeigten dabei auf die Ukraine. Was habe ich gesagt, meinte Me-ti.

Als das Tempo beängstigend zunahm, mit dem Medientuis und Entscheider ihre Marder und Leoparden immer steiler die Eskalationsrutschbahn abwärts in das große düstere und verschwadete Loch da unten ritten, in dem es nur knallte und man nichts genau erkennen konnte, versuchten die einfachen Leute, die von den Berittenen vor sich hergetrieben wurden, irgendwie zu bremsen. Einige Frauen von Em-ma versuchten sogar, einen dicken Bremspflock mit der Aufschrift STOPP! mitten in der Rutschbahn zu befestigen. Sie mussten sich dabei bücken.

Da schrien die Medientuis rund um die Uhr den Leuten in die Ohren: Wollt ihr euch jetzt etwa WEGDUCKEN wie diese Frauen von Em-ma? Macht gefälligst Platz für unsere Marder und Leoparden! Seht ihr nicht, dass der Pflock außerdem noch rechtsoffen ist? Me-ti beobachtete, wie auch der Genosse Sauber-Sotz die rechte Seite des Pflocks stirnrunzelnd beäugte und dabei übersah, dass inzwischen Rammböcke auf die Leoparden hinter ihm montiert worden waren, die ihn direkt ins Visier nahmen. Achtung Sauber-Sotz, rief Me-ti: WEGDUCKEN!

 

Als der hochbetagte Philosoph Mass-er-Happ, der den 2. Ga-Krieg noch erlebt hatte, aus seinen normativen Argumenten und Gegenargumenten angesichts des Warmlaufens zum 3. Ga-Krieg zu dem Schluss kam, dass die Kontraargumente die Proargumente normativ, wenn auch knapp, überwögen, sagte Mass-er-Happs langjähriger Schüler Gey sich von ihm los. Denn angesichts der früheren kleineren und entfernteren Kriege war Mass-er-Happ jeweils zum Schluss gekommen, dass die Proargumente, wenn auch knapp, überwögen. Me-ti nannte die Situation dialektisch: „Solange Gey Ja sagte zu Mass-er-Happ, habe ich Nein gesagt – Jetzt wo Gey Nein sagt, sage ich Ja.“

Als der Genosse Sauber-Sotz erklärte, er könne auch jetzt noch nicht mit Mass-er-Happ im gleichen Boot schwimmen, weil bei Mass-er-Happ 99 wesentliche Prinzipien fehlten, erzählte Me-ti ihm diese kurze Parabel: „Als die Titanic gerade in den eisigen Flutenwirbel kippte und die letzten Geretteten in das letzte Rettungsboot sprangen, erblickte Sauber-Sotz darin den Mass-er-Happ und zog zum Springen heldenhaft den eisigen Wirbel vor.“

Als Me-ti die Nachricht von Hiroshima und Nagasaki erhalten hatte, spürte er die größte Angst seines Lebens, die ihn nie wieder ganz losließ, und er schrieb wie unter einem Diktat das traurigste Gedicht seines Lebens, das folgendermaßen lautete:

 

ABGESANG

Soll die letzte Tafel dann so lauten

Die zerbrochene, die ohne Leser:/

Der Planet wird zerbersten.

Die er erzeugt hat, werden ihn vernichten./

Zusammen zu leben, erdachten wir nur den Kapitalismus.

Erdenkend die Physik, erdachten wir mehr.

Da war es, zusammen zu sterben.

Unter den seltsamen Entdeckungen im Nachlass fanden sich dazu diese Zeilen:

 

ZUSATZ 2023

Und soll dann noch ein Gekritzel lesbar sein

Auf der letzten Tafel der zerbrochenen

Der ohne Leser: Ich habe hier neun

Undneunzig wesentliche Punkte

Aufgeschrieben, die sowohl bei Mass-er-Happ

Wie auch im Manifest von Em-ma

Fehlen.

 

Me-ti beobachtete, wie die Medientuis beim Warmlaufen für den 3. großen Ga-Krieg an jede schlecht dazu passende Wortmeldung das Etikett »UMSTRITTEN« spießten, wodurch der Eindruck entstand, alle dazu passenden Wortmeldungen seien UNUMSTRITTEN. Daraus schloss Me-ti, dass diese Zweiteilung nicht bloß gegen das Umstrittensein, sondern gegen den Streit zielte. Er rechnete nun in Kürze mit Verboten.

Me-ti hatte das Manifest der Em-ma unterschrieben. Von einer Reihe seiner Freunde vermutete er, dass sie nicht unterschrieben hätten. Er wusste es aber nicht und wusste auch nicht, warum wenn nicht, ob etwa aus Angst vor Rechtsoffenheit wie der Genosse Sauber-Sotz. Er wusste nichts darüber, weil diese Freunde schlicht verstummt waren. Me-ti hielt dieses Verstummen für beängstigender als die Angst vor Rechtsoffenheit.

Der Genosse Sauber-Sotz erklärte sich auch gegen den Populismus. Dass es rechten Populismus gäbe, sei ein Fakt, der beweise, dass in jedem Populismus ein rechter Wurm stecke. Me-ti empfahl ihm eine Analyse mit der Großen Methode: Wenn du von rechts redest, dann redest du automatisch nicht nur von links, sondern auch von Mitte, oder? Die Mitte lehnt bekanntlich

alle Populismen von rechts und von links schärfstens ab, weil sie in ihnen einen Antagonismus zu sich selber erblickt. Wenn du auch alle Populismen ablehnst, weil du in allen einen rechten Wurm siehst, siehst du dann keinen Antagonismus zwischen dir und der Mitte mehr?

Einer von den Ruhrfranzosen-Profs erzählte Me-ti, dass er einen Leserbrief an die Fatz geschickt habe, unter Verwendung von einigem Witz des Nörglers, und dass er sogar auf die naheliegende Pointe verzichtet habe – trotzdem habe die Fatz es nicht gebracht. Gegenstand des Leserbriefs sei der Leitartikel des Fatzketuis vom 26.1.2023 mit dem Titel „Berlin marschiert“ gewesen:

„Es hat gedauert, die in Sachen Kampfpanzer ebenfalls zögernden Amerikaner ins Boot zu holen. Dabei knirschte es vernehmlich. Aber nun kann Verteidigungsminister Pistorius mit größerer Berechtigung sagen, dass Deutschland und Amerika Schulter an Schulter stünden.“

„Ich trinke auf das Wohl unserer allmächtigen Verbündeten, die wir hier erblicken im Zeichen bewährter sturmerprobter Nibelungentreue Schulter an Schulter mit uns verbunden auf Gedeih und Verderb! (Hoch- und Hurra-Rufe).“ (Der Nörgler in seiner Fackel, Band 12, 1919, S. 605)

„Ein Volk, sage ich, ist dann fertig, wenn es seine Phrasen noch in einem Lebensstand mitschleppt, wo es deren Inhalt wieder erlebt. Das ist dann der Beweis, daß es diesen Inhalt nicht erlebt. […] Ein U-Boot-Kommandant hält die Fahne hoch, ein Flieger schlägt sein Leben in die Schanze. Leerer wird’s noch, wenn die Metapher stofflich zuständig ist. Wenn statt einer anderen Truppenoperation einmal eine maritime Unternehmung Schiffbruch leidet.“ (S. 231f.)

Siehe oben: „Es hat gedauert, die in Sachen Kampfpanzer ebenfalls zögernden Amerikaner ins Boot zu holen.“  – ins Boot, in dem dann „noch andere dessen [Putins] heißen Atem im Genick zu spüren bekommen“ – woraus folgt: „Nach dem Leopard ist vor dem Tornado […]“ – ‚Das glaube ich ohneweiters – Tornado von Leitartikeln – wenns nur dabei bleibt‘ (Stimme des Nörglers aus dem Grabe). »Berlin marschiert« – ‚wirklich am 26.1.2023? Mir fällt dazu nichts ein.‘

„Und wirklich unter dem Titel ‚Berlin marschiert‘?“ fragte Me-ti (vermutlich ebenfalls aus dem Grabe) – „Dann weiß ich auch, welche Pointe du geopfert hast: ‚mit ruhig festem Tritt‘.“

Am 27.2.2023 hatte jemand dem Me-ti eine neue Ausgabe der Fatz mit einem neuen Leitartikel des Fatzkeztuis auf den Tisch gelegt. Der Titel war angekreuzt und lautete: „Neues und altes deutsches Denken“. Außerdem war das Ende angestrichen, das lautete: „Beim Berliner ‚Aufstand für den Frieden‘ zeigten Wagenknecht und Schwarzer, zwei Vertreterinnen alten deutschen Denkens in Ost und West, dass manche Frieden immer noch mit FRIEDHOFSRUHE verwechseln.“

O weia, sagte Me-ti, dieses neue deutsche Denken kenne ich nur zu gut. Wie ich damals gesungen habe, als dieses neue deutsche Denken schon längst uralt geworden war: „Und als der Krieg im vierten Lenz/ Keinen Ausblick auf Frieden bot/ Da zog der Soldat seine Konsequenz/ Und starb den Heldentod.// Der Sommer zog über die Gräber her/ Und der Soldat schlief schon/ Da kam eines Nachts eine militär-/ ische ärztliche Kommission.// Es zog die ärztliche Kommission/ Zum Gottesacker hinaus/ Und grub mit geweihtem Spaten den/ Gefallnen Soldaten aus.“

Ich nehme an, dass nur die Vertreterinnen meines neuen deutschen Denkens, das dieser Fatzketui  alt nennt, die Fortsetzung samt Melodie noch auswendig können. Aber dass er sogar meine Legende von der FRIEDHOFSRUHE für seinen Krieg im vorhinein wieder bestätigt, sollte sogar dem Sauber-Sotz zu denken geben: Hält der auch mein neues deutschen Denken am Ende für rechtsoffen, weil die Frauen von Em-ma dafür Unterschriften sammeln?

Als die Frauen von Em-ma ihrem Manifest für Waffenstillstandsverhandlungen im Ukrainekrieg am 25.2.2023 auf einer großen Kundgebung in Berlin einen zusätzlichen Kick geben wollten, schickte der Spiegel Dutzende Faktenchecker aus, um rechtsoffene Querfrontvertreter aufzutreiben und dingfest zu machen. Das erwies sich aus mehreren Gründen als Fiasko: Erstens fanden die Faktenchecker nur die von ihnen selbst bereits im Vorfeld angekündigten 3 Querfrontvertreter, aber rechtsausgeschlossen und allein auf weiter Flur; zweitens verloren die Faktenchecker sich trotz ihrer Zahl in der noch viel größeren Zahl aus den Augen und konnten keine geänderte Taktik mehr absprechen; drittens konnten sie deshalb ihre vorgesehenen 99 Punkte von Rechtsoffenheit, die aber schon im Satz waren, bei weitem nicht füllen; und viertens fehlten diese vielen Faktenchecker auf der Kundgebung gegen Ga-Es-ka-la-tions-pho-bie des Zentrums für panatlantische liberale Moderne, so dass drüben kaum mehr Demonstranten zusammenkamen als hüben Faktenchecker. Fünftens und wichtigstens hatten die Faktenchecker damit ihre Jobs gefährdet, weil sich das Fiasko beim V-Träger rumsprach, der sowieso gerade die Krise als Chance für Disruption nutzen wollte.

Die SCHLAGzeitung, das Handelsblatt und die Watz hatten viel vernünftiger reagiert: Sie hatten die Aktion von Em-ma nur ganz kurz ganz unten erwähnt, so dass ein eiliger Leser gar nichts erfuhr. Me-ti bemerkte dazu: Das wird auf die Dauer kaum reichen, es wird auf die Dauer nicht ohne Zensur gehen – in gerechter Querfront sowohl gegen die kluge SCHLAGzeitung wie gegen den dummen Spiegel. Gibt es da nicht schon einen Minister, der „Irreführung der Öffentlichkeit“ zu verbieten und zu bestrafen fordert?

Als einige Faktenchecker, die entschieden klarstellten, dass sie links eingestellt seien, sich beklagten, sie wüssten einerseits 100prozentig sicher, dass viele Rechte sich in der Masse der Em-ma-Bewegten versteckten – dass sie die aber andererseits nicht identifizieren könnten wegen der Massenhaftigkeit, knurrte Me-ti: „Dann kann euch vielleicht der Verfassungsschutz weiterhelfen.“

Das sei eine Beleidigung von ihnen als Gewerkschaftsmitglieder, riefen die entschieden linken Faktenchecker empört, worauf Me-ti sie einen Moment lang schweigend anblickte und dann achselzuckend weiterknurrte: „Dann eben UVB, Unvereinbarkeitsbeschluss, auch Chaoten-Erlass genannt, womit Eure Eltern, wenn ich mich recht erinnere, aus der Gewerkschaft geflogen sind. Die Informationen hatten die Gewerkschaftsbosse doch vom Verfassungsschutz, wenn ich mich recht erinnere. Wieso soll meine Bemerkung dann also gewerkschaftsfeindlich sein?“

Als der Spiegel Anfang März 2023 nach der Kundgebung für das Em-ma-Manifest, bei der während der Rede von Alice Schwarzer die vielen Spiegel-Faktenchecker nach versteckten Rechten gesucht hatten, einen Leitartikel seiner Spiegel-Feministin brachte, in dem gefordert wurde, den deutschen politischen Feminismus entschieden neu auszurichten, sah Me-ti zunächst nur flüchtig die Überschrift: „Wo ist die neue Alice Schwarzer?“ Plötzlich erschrak er sehr und rief: „Ist auf die alte schon ein Attentat verübt worden?“

Jürgen Link ist ein Literaturwissenschaftler und emeritierter Professor für Literaturwissenschaft und Diskursforschung an den Universitäten Bochum und Dortmund.  Mit-Herausgeber der kultuRRevolution. zeitschrift für angewandte diskurstheorie.  Seit 1980 politisches Engagement hauptsächlich in der Friedensbewegung.      

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6 Kommentare

  1. Zunächst OT:
    Weshalb ist eigentlich Englisch noch immer Amtssprache der EU? GB ist nicht mehr Teil der EU. Irland dagegen schon, also hätte Englisch durch Gälisch abgelöst werden müssen. Und: Weshalb darf ein Reichsadliger eines nicht EU-Landes im Bundestag sprechen, während hiesigen Reichsbürgern der Zutritt zum Reichstagsgebäude verweigert wurde? Da sind noch einige Fragen zu klären.

    Zum Artikel:
    Das „Manifest für Frieden“ habe ich unterzeichnet (mittlerweile über 777.000 ebenfalls). Es sollten noch ein paar mehr werden.

    An der Demo habe ich teilgenommen. Da waren keine „Rechten“. Ein paar Hanseln von der rechtsextremen „Antifa“ auf der anderen Seite des Brandenburger Tores waren von Polizist/inn/en umringt (zu wessen Schutz, weiß ich nicht).

    Eine Sache, die ich witzig fand (muss ja niemand mitlachen), war ein Transparent mit der Aufschrift: „Elsässer nicht willkommen“. Das war mir unverständlich, weil ich Elsässer stets als freundliche und zugewandte Gastgeber empfunden hatte. Ich fragte die beiden Transparentträger also danach, was sie gegen dieses Volk haben. Sie erklärten mir dann, dass sie nicht dieses Volk, sondern eine Person dieses Namens meinten.

    Der Ansatz von Jürgen Link, sich mit sprachlichen Mitteln gegen die sich selbst „Faktenchecker“ nennenden Tatsachenverdreher, Wahrheitsleugner und „Orwell-Neusprech“ verwendenden Propagandisten zur Wehr zu setzen, ist beachtenswert und sollte auf jeden Fall weiterentwickelt werden. Dieser Trollarmee im ÖrR wie in den Pseudo-“Leitmedien“ ist nicht mit Sachargumenten beizukommen, die muss man nach Strich und Faden lächerlich machen, ihre Hohlheit, ihre Selbstsucht, ihre Borniertheit und ihre Bösartigkeit aufzeigen, mit allen literarischen Mitteln.

    Und anschließend sollte man diese Medien abschalten und ihre (widerlichen, skrupellosen, habgierigen) Protagonisten schlicht vergessen.

  2. Der Artikel beweist: Dialektik als Methode muss unbedingt verboten werden.
    Sie verleitet nicht nur, nein sie erzwingt nachgerade unziemliche eigenmächtige Schlussfolgerungen, die allesamt nicht medien-, öffentlichkeits- und moraltauglich sind und unsere Jugend, die doch unsere Kriege aus-führen müssen, unrettbar verderben.

  3. Me-ti,
    unglücklich das Land, das aus jedem düsteren Fremden
    mit unheilvollen Plänen
    einen Helden macht,
    weil es nicht den Mut hat zu sagen:
    Dieses ist falsch. Und dieses auch.

    Den Pfad zum Richtigen weisen weder Lin-ke noch Rech-te
    Nur der Einzelne allein.

    Die Physik macht es vor: geht die Wahrheit aus, bleibt immer noch der gemeinsame Untergang.
    Ein Held ist aber nur der, der zusammen auch leben kann.

    Kat-la

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