Die Befragung des V-Manns Kai D. im bayerischen Landtag ist starken Einschränkungen unterworfen und führt zu heftigen Auseinandersetzungen – Ein Sittenbild
“Sie haben keine Genehmigung für diese Frage.” – “Ihnen sind Grenzen gesetzt.” – “Ich habe dreimal Nein gesagt, das reicht doch!” – “Das sind konkrete Fragen, die ich nach der Aussagegenehmigung nicht beantworten werde.” – “Ich verweigere die Antwort. Das betrifft Persönlichkeitsrechte.” – “Sie wollen es doch gar nicht verstehen.” – “Sie unterstellen, ich sei rechtsextrem. Ich war nie rechtsextrem. Lassen Sie es, das ist unverschämt.” – “Sie haben mal wieder nicht zugehört. Verarschen kann ich mich selbst.” – “Das lasse ich mir von Ihnen nicht bieten.”
“Sie sind hier ein ganz übler Schirmträger und Steigbügelhalter.” – “Vom Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses erwarte ich Neutralität.” – “Das ist ein ganz mieses Spiel, wirklich schäbig.” – “Sie lügen jetzt. Jetzt reißt mir der Faden, weil Sie eine ganz linke Tour hier fahren.” – “Ich weiß, wo Sie hinwollen. Das Spiel mache ich nicht mit, lassen Sie’s.” – “Für Sie sind alle V-Leute Feinde und Arschlöcher.”
O-Ton Kai D. im NSU-Untersuchungsausschuss II von Bayern, 3. Mai 2023.
Ein ehemaliger V-Mann verweigert öffentlich die Rechenschaft
Eigentlich könnte man meinen: Eine Behörde, die vorgibt, die Verfassung zu schützen und mit geheimen Informanten gegen die Neonazi-Szene vor zu gehen, könnte doch stolz darauf sein und der Öffentlichkeit bereitwillig Auskunft über ihr Tun erteilen. Doch in der Realität ist es genau umgekehrt: Ein V-Mann, den der NSU-Untersuchungsausschuss befragen will, bekommt vom Amt enge Fesseln angelegt, darf manches nur in geheimer Runde sagen und manches gar nicht. Und wenn jener V-Mann sich obendrein als Rammbock gegen die Öffentlichkeit versteht und gewählte Abgeordnete in selten erlebter Maß- und Schamlosigkeit beschimpft, dann kann mit dessen Auftrag und Rolle offensichtlich etwas nicht stimmen – ein schier uferloses Sumpfgebiet.
Der Zeuge und ehemalige V-Mann heißt Kai D., ist Jahrgang 1964, und die große Frage über allem lautet: War er nur angeworbener Spitzel oder fester Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes? Hat der Dienst mit ihm die Szene aufgeklärt oder wurde sie aufgebaut? Ist Kai D. inzwischen abgeschaltet oder gilt er weiterhin als Mitarbeiter und findet immer noch Verwendung?
Wann, wo und wie Kai D.s Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz (VS) begann, wissen bisher nur die Insider. Nach Berichten des Bayerischen Rundfunks und der Nürnberger Nachrichten soll er bereits Ende der 1980er Jahre vom Westberliner Verfassungsschutz in der linken Szene eingesetzt worden sein. Belegt ist, dass er nach seinem Umzug nach Bayern für das dortige Landesamt gearbeitet hat – und zwar in der rechtsextremen Szene. Unklar bleibt, seit wann. Die Tätigkeit soll im Juni 1998 beendet worden sein. Die Zeitung Nordbayerischer Kurier schrieb, in den Jahren 2004/2005 sei Kai D. für das bayerische LfV im Bereich Organisierte Kriminalität eingesetzt worden.
Viel Dunkelheit also um eine offensichtlich zentrale Figur in der Neonazi-Szene von Bayern. Innenministerium und Verfassungsschutz haben Kai D. für seine Vernehmung im NSU-Untersuchungsausschuss II jetzt nur eine eingeschränkte Aussagegenehmigung erteilt. Auskünfte zu Aufträgen oder Bezahlung als V-Person darf er nur in geheimer Sitzung geben. Einzelheiten der Zusammenarbeit, etwa taktische Maßnahmen, Strategien der Informationsbeschaffung oder Details der Führung als V-Mann, darf er aber selbst in geheimer Sitzung nicht preis geben. Das würde das Schutzbedürfnis des Landes Bayern sowie der Bundesrepublik berühren, heißt es staatstragend.
Die Geheimhaltung der gezahlten Spitzel-Honorare wird übrigens damit begründet, dass sonst die Verhandlungsposition des Verfassungsschutzes geschwächt würde. Als seien Dienst und Informanten Tarifpartner sozusagen. Tatsächlich werden V-Leute nicht selten zu einer Kooperation erpresst. Nennt sich Kompromat. Die Verhandlungsposition des Dienstes ist dabei nicht schwach, sondern exklusiv.
Und noch eine Bemerkung zu den Empfindlichkeiten des Verfassungsschutzes, gewissermaßen aus historischer Sicht: “Einzelheiten der Zusammenarbeit” und der “operativen Informationsbeschaffung” als Geheimhaltungsgrund? Das ist so sinnlos wie lächerlich, weil anachronistisch. Seit der Öffnung der Stasi-Unterlagen weiß die Öffentlichkeit, wie Geheimdienste arbeiten. Wie sie Spitzel rekrutieren und führen, mit welchen Methoden sie vorgehen, wie die Treffs mit den Führungsbeamten ablaufen. Alle Geheimdienste arbeiten methodisch und strukturell ähnlich. Der Verfassungsschutz so wie die DDR-Staatssicherheit. Da gibt es allgemein nichts mehr geheim zu halten und nichts Geheimhaltungsbedürftiges mehr. So what also?
Jedenfalls sind Amt und Innenministerium durch ihre Aussagebedingungen mitverantwortlich für das, was dann in der mehrstündigen öffentlichen Ausschusssitzung bei der Befragung von Kai D. kommen sollte.
“Keine Antwort”
3. Mai 2023: Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen wird der Zeuge ins Landtagsgebäude geschleust. Dort betritt der Zwei-Meter-Mann, camoufliert mit Corona-Maske, Sonnenbrille, Mütze und Kapuze, den Sitzungssaal, wo er die Verkleidung abnimmt. Aufnahmen von ihm sind der Presse nur in verkleidetem Zustand erlaubt. “Sonst scheppert‘s”, sagt der 59 Jahre alte Zeuge.
“Was war Ihre Rolle in rechten Netzwerken?” Das ist die erste von hunderten Fragen, die der Ausschussvorsitzende Toni Schuberl (Grüne) an Kai D. stellt. Gemäß der Aussagegenehmigung des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, antwortet der: “Informationsbeschaffung.” Bereits die erste Frage macht deutlich, hier soll ein Abwehrkampf organisiert werden.
Er sei noch nicht 30 gewesen, so Kai D. weiter, als er das erste Mal Kontakt mit dem Verfassungsschutz hatte. Und zwar erst, als er in Bayern war. Das wäre also vor 1994 gewesen. Schuberl will wissen, ob es stimmt, was in der Presse zu lesen war, dass er auch für den Berliner Verfassungsschutz gearbeitet habe.
Kai D.: “Sie haben keine Genehmigung für diese Frage.”
Schuberl: “Ich brauche für Fragen keine Genehmigung.”
Kai D.: “Ihnen sind Grenzen gesetzt.”
Schuberl: “Ihnen sind Grenzen gesetzt!”
Dann stellt der Politiker die Frage, die über allem schwebt: “Sind Sie Rechtsextremist geworden, um für den Verfassungsschutz die Verfassung zu schützen? Oder waren Sie schon Rechtsextremist und sind deshalb für den Verfassungsschutz interessant geworden?”
Kai D.: “Ich war nie Rechtsextremist!”
Schuberl: “Weshalb waren Sie dann in rechtsextremen Organisationen?”
Weil Kai D. nicht antworten will, schaltet sich die Vertreterin des Innenministeriums ein, liest die Aussagegenehmigung vor und erinnert den Zeugen, Aussagen zur rechtsextremen Szene seien möglich. Kai D. sagt dazu, er dürfe nichts zu Vorgehensmaßnahmen sagen und die Frage werte er so. Schuberl wiederholt die Frage: “Sind Sie Rechtsextremist geworden, um die Verfassung zu schützen? Oder waren Sie schon Rechtsextremist und deshalb für den Verfassungsschutz interessant?”
Nun schaltet sich der zweite Vertreter des Innenministeriums ein und meint, die Frage solle in den geheimen Teil der Sitzung verschoben werden. Er schlägt vor, nach der Zeit des Zeugen vor seiner Verfassungsschutz-Tätigkeit zu fragen. D. bestätigt, dass er vor seiner VS-Tätigkeit in rechtsextremen Organisationen aktiv war: So in der NPD-Jugendorganisation JN (Junge Nationaldemokraten). Er hatte auch Kontakt zur Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front von Michael Kühnen sowie zu Kühnen persönlich. Sprich: vor 1991, dem Todesjahr des bekannten Neonazis.
Das würde dafür sprechen, dass D. vom bayerischen Verfassungsschutz in der Szene angeworben wurde. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass er bereits einem anderen Dienst zu Diensten stand.
Ausschussmitglied Matthias Fischbach (FDP) will von dem Zeugen wissen, ob er weitere Verschwiegenheitserklärungen unterschrieben habe, außer denen in Bayern und Berlin. Kai D. antwortet nicht mit Nein, sondern sagt: “Keine Antwort.”
Fischbach: “Warum war im NSU-Prozess vor dem OLG München Ihre Ladungsadresse das BKA in Meckenheim?”
Kai D.: “Keine Antwort.”
Fischbach: “Hatten Sie ein Verfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis?”
Kai D.: “Ich verweigere die Antwort. Das berührt Persönlichkeitsrechte.”
Schuberl: “Sie müssen aussagen.”
Vertreterin des Innenministeriums: “Das hat mit Rechtsextremismus nichts zu tun.”
Kai D.: “Ja, hat damit nichts zu tun.”
Schuberl: “Der Untersuchungsausschuss entscheidet, was relevant ist oder nicht. Sie können nicht selbst entscheiden. Auch nicht, was von der Aussagegenehmigung gilt. Wenn Sie dagegen verstoßen, verstoßen Sie gegen Ihre Aussagepflicht.”
Kai D.: “Hat nichts mit dem Verfassungsschutz zu tun.”
Schuberl: “Ich muss Sie bitten, die Fragen zu beantworten.”
Fischbach: “Warum haben Sie Ihren Führerschein verloren?”
Kai D.: “Denke mal, weil ich zu viel Punkte hatte.”
Fischbach: “Warum sind Sie ohne Führerschein gefahren?”
Kai D.: “Weil ich’s vergessen habe.”
Fischbach: “Sie wurden deshalb zwei Mal verurteilt: 1996 und 1998.”
Kai D.: “Wenn Sie das sagen.”
Fischbach: “1998 war auch das Ende Ihrer Verfassungsschutz-Tätigkeit.”
Kai D.: “Ich werde mal eine ganz einfache Frage stellen, an alle hier.”
Schuberl: “Ausnahmsweise.”
Kai D.: “Wenn Sie heute morgen auf dem WC saßen und haben Toilettenpapier benutzt, dann werden Sie sich trotzdem nicht erinnern, was das für ein Papier war, wo es herkam und so weiter. Und Sie erwarten, dass ich mich an Dinge erinnere, die 30 Jahre her sind.”
Schuberl: “Die Sache mit dem Führerschein sind ziemlich lange Vorgänge gewesen.”
An dieser Stelle mischt sich der stellvertretende Ausschussvorsitzende Holger Dremel (CSU) ein und lenkt die Befragung auf ein anderes Feld. Ob er an Gesprächen teilgenommen habe, bei denen es um Waffen im Zusammenhang mit dem NSU-Kerntrio ging. Das Kerntrio sei 1998 gegründet worden, antwortet D., da sei er schon “längst” aus dem Dienst ausgeschieden gewesen. Zu den NSU-Sachen könne er gar nichts sagen. Die Uwes und Zschäpe habe er nicht gekannt. Und das, muss man ergänzen, obwohl Kai D.s Name auf der Kontaktliste von Uwe Mundlos steht, die im Januar 1998 in die Hände der Polizei fiel. Waffen seien auch in den Gesprächen mit seinem V-Mann-Führer kein Thema gewesen, sagt er weiter. Man hätte in der Szene sonst möglicherweise als Agent Provocateur gelten können.
Dremel: “Sie sind also nie aufgefordert worden, Waffen zu besorgen?”
Kai D.: “Nein.”
Was für Kontakte hatte Kai D. in die rechte Szene, als er dann für den Verfassungsschutz gearbeitet hat und was war seine Tätigkeit? Das will nun der Ausschussvorsitzende Toni Schuberl wissen. Der Angesprochene erwähnt, dass er von der Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) Flugblätter zugeschickt bekommen habe, die er dann in den Kameradschaften verteilte. Ziel sei gewesen, politisch auf sich aufmerksam zu machen, neue Kameraden zu gewinnen und für Zusammenhalt zu sorgen. Dafür sollte es in der Szene keine Gewalttaten oder Ähnliches mehr gegeben.
“Es ist üblich, dass man sich beim Gausekretär meldet”
Und was war Kai D.s Tätigkeit speziell in Thüringen? “Informationsbeschaffung” antwortet der Angesprochene wieder stereotyp. Doch so nach und nach entsteht ein Bild von einer möglicherweise ganz anderen Bestimmung. Die entstehenden Neonazi-Gruppen in dem östlichen Bundesland nach dem Ende der DDR hatten zunächst keine Struktur und keine Namen. Dann wurde zum Beispiel der Thüringer Heimatschutz (THS) gegründet – und zwar durch den V-Mann Tino Brandt. Der habe mit dem THS nach Bayern expandieren wollen, was den Bayern nicht geschmeckt habe.
Kai D.: “Wir hatten Brandt nicht unter Kontrolle.”
Schuberl: “Waren Sie unter Kontrolle?”
Kai D.: “Von wem?”
Schuberl: “Des bayerischen Verfassungsschutzes?”
Kai D.: “Natürlich.”
Schuberl: “Und des Thüringer Verfassungsschutzes?”
Kai D.: “Ich war mit Sicherheit Zielobjekt. Damals wusste ich nicht, dass Brandt V-Mann war. Er hatte in Coburg nichts zu suchen und hätte sich bei mir melden sollen.”
Schuberl: “Warum?”
Kai D.: “Warum nicht? Ich galt für Oberfranken als Ansprechperson für rechte Personen.”
Schuberl: “Man meldet sich beim Gauleiter?”
Kai D.: “Gausekretär.”
Schuberl: “Ist es üblich, dass man sich beim Gausekretär meldet?”
Kai D.: “Ist üblich.”
Schuberl: “Warum sollte sich Brandt bei Ihnen melden?”
Kai D.: “Er hat sich bei niemandem in Bayern gemeldet.”
Schuberl: “Doch, bei seinem Arbeitergeber, der ist auch rechts. Warum hätte sich Brandt melden sollen? Unter Kameraden sind Sie doch nicht automatisch sein Vorgesetzter.”
Kai D.: “Das beantworte ich nur nicht-öffentlich.”
Schuberl: “Ich will wissen, welche Funktion Sie hatten. Waren Sie ein Vorgesetzter? Brandt sah Sie auch als Vorgesetzten.”
Kai D.: “Das ist sein Problem. Wir kommen da nicht weiter.”
Schuberl: “Das ist interessant: Die rechte Szene war nicht organisiert, aber der, der kommt, und der, der da ist, gehen von der selben Hierarchie aus.”
Fischbach: “Tino Brandt hat hier im Ausschuss erklärt, dass er sich Ihnen als V-Mann offenbart hat, weil Sie eine Führungsperson waren.”
Kai D.: “Nein, er hat sich nicht bei mir offenbart.”
Die Frage bleibt: War Kai D. ein angeworbener Spitzel oder etwa hauptamtlicher Mitarbeiter des Dienstes? Oder vielleicht ein geheimdienstliches Zwitterwesen dazwischen. In der Blaupause “DDR-Stasi” gab es neben den Inoffiziellen Mitarbeitern, den IMs, vergleichbar den westlichen V-Leuten, und den Offizieren des MfS noch die Kategorie “Hauptamtlicher Inoffizieller Mitarbeiter” (HIM). Die Rolle dieser HIMs ist nicht ganz klar. “Hauptamtlicher Spitzel” erscheint wie ein Widerspruch in sich. Vielleicht erklärt die Aggressivität D.s, dass seine genaue Rolle nicht entlarvt werden soll.
Ein Kriterium für die Klärung des VS-Status’ einer Person ist die Finanzierung.
Schuberl: “Was haben Sie Anfang der 90er Jahre beruflich gemacht:”
Kai D.: “Ich hatte eine Software-Firma und war Trainer in einem Sportstudio.”
Schuberl: “Warum sind Sie von Berlin nach Bayern?”
Kai D.: “Aus privaten Gründen.”
Schuberl: “Auch aus finanziellen Gründen?”
Kai D.: “Nein, aus privaten.”
Schuberl: “Was haben Sie nach der Tätigkeit für das bayerische LfV beruflich getan?”
Kai D.: “Ich verweigere die Antwort, Sicherheitsgründe.”
Schuberl: “Hatten Sie während Ihrer Verfassungsschutz-Zeit überhaupt eine richtige Arbeit?”
Kai D.: “Die Software-Firma.”
Schuberl: “Davon haben Sie leben können?”
Kai D.: “Ich habe von Zuwendungen aus dem Elternhaus sowie von LfV-Geld gelebt.”
Schuberl: “Sie waren finanziell völlig abhängig vom Verfassungsschutz?”
Kai D.: “Nein.”
Schuberl: “Wovon haben Sie gelebt?”
Kai D.: “Ich habe es beantwortet.”
Schuberl: “Ich habe Sie gefragt, ob man von dem Verfassungsschutz-Geld leben konnte und Sie haben gesagt: Ja. Also sind Sie doch völlig abhängig davon. Jetzt sagen Sie, das stimmt nicht.”
Kai D.: “Ich hätte sonst von Sozialhilfe leben müssen.”
Der Verfassungsschutz hat die wilde rechtsextreme Szene im Osten geordnet und organisiert.
Kai D. war V-Mann des Verfassungsschutzes in Bayern. Was suchte er als solcher im Nachbarbundesland Thüringen? Zunächst spricht er von Informationsbeschaffung für das LfV, später widerspricht er sich und sagt, es habe keinen Auftrag vom LfV dafür gegeben. Es geht um die Zeit nach dem Fall der Mauer Anfang der 90er Jahre, als in den neuen Bundesländern Wildost herrschte, Stichwort “Sachsensumpf” oder “Thüringensumpf”. Politische Kontakte zu knüpfen, sagt Kai D. im NSU-Ausschuss, sei am Anfang schwer gewesen, weil es keine Organisation und auch kein Telefon gab. Es habe viele Übergriffe von rechts wie von links gegeben, auch immer wieder Tote. Deshalb sei man rüber gefahren, um Strukturen aufzubauen. Ziel sei gewesen, die gewalttätigen Übergriffe einzudämmen und die Eskalationsspirale runter zu drücken. Es habe zu viele Todesfälle gegeben. Es habe noch einen weiteren Grund gegeben, das führe aber in die Verfassungsschutzstrategie hinein und sei nicht von der Aussagegenehmigung gedeckt.
Schuberl: “Das ist ja rührend. Rechtsextreme aus Bayern fahren rüber nach Thüringen, um für Frieden zu sorgen, wie Missionare. Erstaunlich.”
Kai D.: “Sie verarschen mich jetzt?”
Schuberl: “Sie verarschen mich.”
Kai D.: “Nach dem Fall der Mauer hatte niemand mehr Lust auf Diktatur. Hass auf Links-Marxistisches. Wenn Sie das als missionarisch sehen, kann ich nur schmunzeln.”
Schuberl: “Erklären Sie, dass ich es verstehe.”
Kai D.: “Sie wollen’s ja nicht verstehen. Sie gehen von Anfang an davon aus, ich sei rechtsextrem. Ich war nie rechtsextrem. Sie unterstellen jetzt schon wieder, ich sei rechtsextrem. Lassen Sie es, das ist unverschämt!”
Schuberl: “Wen wollten Sie unter Kontrolle bringen und wie haben Sie die Gewalt beendet?”
Kai D.: “Wir haben denen Flugblätter in die Hand gedrückt und gesagt: Wenn Ihr die verteilt, könnt Ihr in dieser Zeit anderen nicht die Fresse einschlagen.”
Der Verfassungsschutz hat die wilde rechtsextreme Szene im Osten geordnet sowie organisiert. Anfang der 1990er Jahre gab es noch keinen Namen “für das Kind”, wie D. sagt. Dessen Rolle erscheint an jedem einzelnen Punkt widersprüchlich – und damit auch die des Verfassungsschutzes.
Kai D.: “Es ging darum, Masse zu machen, damit man bei Demos besser auftreten kann.”
Schuberl: “Ich bin irritiert. Sie sagen, Sie sind kein Rechtsextremist, jetzt wollten Sie Masse machen. Kriegt man da mehr Infos?”
Kai D.: “Man kriegt mehr Leute unter einen Hut.”
Schuberl: “Zu welchem Zweck?”
Kai D.: “Ich muss die Antwort verweigern. Sie fällt unter nachrichtendienstliche Strategie.”
Der bayerische V-Mann will politische Befriedungsarbeit in Thüringen gemacht haben, zählt sich selber zu den Führungskadern, will aber bei den Treffen der Szene-Führung nur manchmal dabei gewesen sein. Im Gegensatz zum Trio Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe.
Kai D.: “Ich kenne diese Personen nicht. Damit brauchen wir gar nicht anfangen.”
Schuberl: “Laut Brandt waren das Trio und Wohlleben bei Treffen, bei denen auch Sie waren.”
Kai D.: “Dann beweisen Sie, dass ich dabei war. Bringen Sie mir eine Aussage aus einem Landesamt, dass ich die gekannt habe.”
Schuberl: “Gab es zwei Führungstreffen?”
Kai D.: “Herr Schuberl, verarschen kann ich mich selbst.”
Schuberl: “Waren Sie beim Führungskadertreffen dabei: Ja oder Nein?
Kai D.: “Weiß ich nicht. Damit ist es jetzt auch beantwortet. Sinnlos.”
Schuberl: “Zu sagen, ich weiß es nicht, obwohl man es weiß, ist eine Straftat.”
Kai D.: “Genau. Ich weiß nicht, ob ich bei den Führungskadertreffen dabei war.”
Ausschussmitglied Cemal Bozoglu (Grüne): “Entweder waren Sie kein V-Mann oder Sie stellen sich hier falsch dar.”
Kai D. sammelte auch Namen und Adressen von linken Personen und politischen Gegnern, die in der rechtsextremen Szene zusammengestellt und veröffentlicht wurden. Weil dabei davon die Rede ist, diese Feindpersonen “endgültig auszuschalten”, werden die Listen auch Todeslisten genannt. Der V-Mann Kai D. hat daran aktiv mitgewirkt, obwohl er doch eigentlich die rechtsextreme Szene aufklären und zersetzen soll. Ein Beispiel für die Verhängnisse der Geheimdienste mit ihren V-Leuten. Kai D. sagt dazu: “Als V-Mann bleibt einem nichts anderes übrig, als mitzuziehen. Wenn man blockiert, ist das Scheiße, dann macht man sich verdächtig.” Er habe aber, sagt er, wenn er zehn Namen und Adressen von Linken besaß, nur drei weitergegeben. Dass die auf die Liste kamen, will er nicht gewusst haben.
Als der Ausschussvorsitzende Schuberl nachfragt, ob D. alle Namen und Adressen auch ans Amt weitergeleitet habe oder nicht alle, rastet der aus.
Kai D.: “Sie lügen jetzt, jetzt reißt mir der Faden!”
Schuberl: “Mäßigen Sie sich.”
Kai D.: “Sie fahren hier eine ganz linke Tour. Ich habe alle Adressen zu 100 Prozent ans LfV Bayern gegeben. Für Sie sind alle V-Leute Feinde, Arschlöcher.”
Seine heftige Reaktion wirkt wie ein Freudsches Verhalten, so, als sei er getroffen.
In diesem Zusammenhang gab es noch eine ebenso merkwürdige wie bemerkenswerte Aktion. Kai D. hat eine Frau in die Szene eingeschleust – und zwar in die linke Szene. Er bestätigt das jetzt im Ausschuss. Sie sollte sich umhören, ob Übergriffe von Linken auf Rechte geplant seien. Der Ausschussvorsitzende nennt die Geschichte “spannend”.
Schuberl: “Ein V-Mann des Verfassungsschutzes, der in der rechtsextremen Szene Infos sammeln soll, sucht sich eigene Leute, um bei der linken Antifa Infos zu sammeln, die er dann ebenfalls dem Verfassungsschutz gibt.”
Das Landesamt für Verfassungsschutz habe angewiesen, die Frau sofort abzuziehen, erklärt Kai D. zunächst. Dann setzt er zu einem erstaunlichen nachrichtendienstlichen Credo an.
Kai D.: “Ich würde mich bedanken, auch bei anderen V-Männern, die in der linken Szene aktiv sind. Den Staatsschutz zu informieren, wäre wirklich gut, falls Anschläge geplant sind. Genauso, wenn ein türkischer oder moslemischer V-Mann berichtet, um einen Anschlag zu verhindern. Ich würde mich bei ihm bedanken.”
Schuberl: “Hat sich der Verfassungsschutz bedankt?”
Kai D.: “Er hat sich zumindest nicht beklagt.”
Die Befragung dauert bereits drei Stunden. Kai D. bittet um eine Pause. Weil alle essen, würde er auch gerne etwas essen. Es folgt noch eine geheime Sitzung hinter den Türen des Geheimschutzraumes.
Im Sumpfgebiet NSU existieren weitere Zeugen, zum Beispiel Mike R., der im Gegensatz zu Kai D. bereitwillig Auskunft geben wollte. Der bayerische Untersuchungsausschuss befragte ihn drei Stunden lang per Videoübertragung. Fortsetzung folgt.
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Sorry, aber die Frager kommen mir hin und wieder so naiv, dämlich und unprofessionell vor. Wenn ich so mit Befragungen vergleiche, die in Amerika durchgeführt werden und wo Laute richtiggehend gegrillt werden, aber wo die Befrager zumindest auch erkennen lassen, daß sie eine Ahnung von dem haben, was der Befragte macht, erscheint mir der Vorgang hier vergleichsweise provinziell und unbedarft. In Karikaturen werden wir Deutsche oft als leicht dümmliche Trottel dargestellt. Wo sie rechthaben, haben sie recht.
An den evt. mitlesenden Inlandsgeheimdienst: Das ist keine Beleidigung, üble Nachrede (o.Ä.), sondern lediglich meine private Auffasung (“…erscheint mir..”), die zu veröffentlichen ich das Recht habe.
“Königlich Bayerischer Wohlfahrtsausschuß”
Es war eine liebe Zeit, die gute, alte Zeit vor anno 007. In Bayern gleich gar. Damals hat noch Seine Königliche Hoheit der Herr Prinzregent regiert, ein kunstsinniger Monarch, denn der König war schwermütig. Das Bier war noch dunkel, die Menschen war’n typisch, die Burschen schneidig, die Dirndl sittsam und die Honoratioren ein bisserl vornehm und ein bisserl leger. Es war halt noch vieles in Ordnung damals. Denn für Ordnung und Ruhe sorgte die Gendarmerie und für die Gerechtigkeit das Öffentlichtrechtliche Unterhaltungs Programm “ Untermalt wird der Vorspann durch die Melodie des Amtsgerichts-Ländlers.
Das Leben geht weiter, ob Freispruch oder Zuchthaus, auch in der guten, alten Zeit – und auf die Guillotin’ hat unser alter Herr Rat eh’ niemanden geschickt … Eine liebe Zeit, trotz der Vorkommnisse “Menschlich” halt!
Sogar eine “Deus ex machina” spielt eine nicht unerheblich Rolle 😎
Bürokratie hat halt doch sowas wie Humor!
Wenn es für die Opfer der staatlich gelenkten Operationen und deren Familien nicht so grausam wäre, müßte man die Tätigkeit des VS und der anderen Läden als lächerlich bezeichnen. Eigentlich sind Geheimdienste im Wesentlichen dafür da, den staatlichen Entscheidungsstellen Informationen zu verschaffen, die der Lageeinschätzung dienlich sind. Hier aber erfüllen sie eine Funktion, Vorwände zu schaffen, die ihr Vorgehen gegen alle gesellschaftlichen Widerstände, als Gefahr von links in die Welt gesetzt, erstmal rechtfertigen soll. Zu dieser abstrusen Situation, die den provenziellen Charakter des VS verrät, passen auch die erbärmlichen Figuren, die da präsentiert werden.
Kein Wunder, wenn solche Dienste als Lachnummern wahrgenommen werden.
Aber was soll’s, die modernen Dienste wurden in GB auch aufgrund eines Romans, nicht auf tatsächlicher Existenz eines deutschen Geheimdienstes, nach einer regelrechten Spionagehysterie sogar mit Toten, in die Welt gesetzt.
Hufeisen auf den Kopf gefallen
Teil OT
“Unser Land ist doppelt geimpft. Wir hatten die braune Diktatur, wir hatten die rote Diktatur.”
( Exbundespräsident Joachim Gauck prophezeite am Dienstag abend in der ARD-Talkshow »Maischberger«, dass hierzulande »die Antidemokraten nie wieder an die Macht kommen«. )
Quelle: Zitat des Tages / jungewelt.de
Wollen sie die jetzt das Nazi-System mit der DDR gleichsetzen? Dann sollten sie eher unser heutiges System mit dem System in der Ukraine gleichsetzen. Das ist bedeutend näher an der Wahrheit.
Das war an den gerichtet, der den Satz formuliert hat, aus welchen Gründen auch immer.
Die Hufeisentheorie
Ein Hufeisen aus der Propagandaschmiede
https://www.bedeutungonline.de/hufeisentheorie-hufeneisenschema-was-ist-das-politisches-spektrum-bedeutung/
Hier mal etwas näheres zur Person
https://www.der-rechte-rand.de/archive/4045/kai-dalek-nazi-spitzel/
Ist ein heißes Eisen!
Der is so tief im Sumpf verankert, dass ich befürchte, dass auch dieser “Zeuge” an einer unerkannten Krankheit versterben wird. 😉
Natürlich nur, wenn die Fassade zu bröckeln droht und er tatsächlich irgendetwas von Relevanz sagen wird.
…Aber ich denke so weit wird es gar nicht kommen, denn dazu müßten die richtigen Fragen gestellt werden. Und wer will das schon? …lolrofl…
mfg