Nato oder Russland: Wer bedroht wen?

Bild: Nato

 

Den Bürgern der EU wird von ihren Regierungen gesagt, dass wegen Trump und der fragwürdig gewordenen militärischen Unterstützung der Amerikaner, aber vor allem wegen der russischen Bedrohung eine drastische und schnell Aufrüstung notwendig sei. Mehr oder weniger lauere Russland darauf, der Nato einen Schlag zu versetzen, obgleich diese, was Rüstungsausgaben, Personal und konventionelle Ausrüstung betrifft, weiter deutlich überlegen ist. Das trifft auch noch zu, wenn man nur die europäischen Nato-Mitglieder einbezieht.

Dem wird von den Aufrüstungsbefürwortern, die Abschreckung favorisieren, entgegengehalten, dass Russland massiv aufrüste und demnächst, spätestens Ende des Jahrzehnts einen Angriff auf die Nato ausführen zu können, wenn diese nicht entsprechend aufrüstet. Nicht gesehen wird dabei, dass Russland nicht wegen imperialer Gelüste, sondern angeblich wegen der Bedrohung durch die vorrückende Nato den Krieg gegen die Ukraine begonnen hat. Wenn die sowieso militärisch, aber auch wirtschaftlich, technisch und bevölkerungsmäßig überlegene Nato noch weiter massiv aufrüstet, wird man das in Russland nicht nur als Abschreckung, sondern auch als Bedrohung sehen müssen. Man kann nicht sehen, dass im Westen dieses Wettrüsten auch nur gedanklich wirklich berücksichtigt wird. Die europäische Nato weist zwar auch zwei Atommächte auf, ist aber natürlich nuklear Russland weit unterlegen, was Moskau einen Vorteil gewährt, da offen bleibt, wie sich Frankreich und Großbritannien in einem Konfliktfall nuklear einbringen werden. Das dicht besiedelte europäische Nato-Gebiet ist natürlich gefährdeter als das riesige Russland.

Die European Defense Agency (EDA) scheint nun überaschenderweise den Angstmachern und Aufrüstungsbefürwortern ein Bein zu stellen. In einem Bericht wird erklärt, dass die 28 EU-Ländern, damals noch mit Großbritannien, 2014 mit 189 Milliarden Euro bzw. 215 Milliarden mit Großbritannien zusammen noch etwas weniger für das Militär ausgegeben haben als China mit Militärausgaben von 216 Milliarden US-Dollar. 2014 wurde bekanntlich beschlossen, die Ausgaben auf 2 Prozent vom BIP anzuheben, was aber erst einmal kaum umgesetzt wurde. Das sei so bis 2022 geblieben. Dann stiegen die Militärausgaben – man sollte nicht mehr von Verteidigungsausgaben oder Verteidigungsministerien sprechen, sondern von Militärausgaben und Kriegsministerien, um US-Präsident Trump auch mal Recht zu geben – 2023 um 10 Prozent. Von 2023 bis 2024 schnellten die Militärausgaben der nun 27 EU-Mitgliedsstaaten um 19 Prozent nach oben und erreichten 343 Milliarden Euro. Erwartet wird, dass es 2025 bereits 392 Milliarden werden, was immer noch erst 2,1 Prozent vom BIP wären. Gleichwohl haben sich die Ausgaben seit 2014 verdoppelt. Wenn die beschlossenen 3,5 Prozent erreicht werden, würden die EU-Länder ungefähr 635 Milliarden Euro für das Militär ausgeben. Damit würden sich die Ausgaben seit 2024 noch einmal verdoppeln.

Zum Vergleich: In Russland sind ab 2014 die Militärausgaben in absoluten Zahlen von 88 Milliarden US-Dollar auf um die 60 Milliarden gesunken, aber bezogen auf das BIP von 4,1% auf 5,4% (2016) gestiegen, um dann wieder auf 3,5% (2021) zurückzugehen. Mit dem Krieg stiegen die Militärausgaben auf 159 Milliarden (2024) und 7% vom BIP. Die Frage ist, ob die Zahlen einfach verglichen werden können, beispielsweise sind die Herstellungspreise und die Personalkosten in Russland geringer. Die EU-Staaten würden demnach doppelt so viel für das Militär ausgeben wie Russland, wobei der Anteil am BIP sehr viel geringer ist. Es sollte also der EU viel leichter fallen, noch einmal massiv die Ausgaben zu erhöhen, während Russland bald an Grenzen stoßen dürfte. Die EDA geht davon aus, dass Russlands Militärausgaben in Wirklichkeit in 2024 234 Milliarden waren, was immer noch deutlich weniger wäre wie die Ausgaben der EU-Länder. Mit der Erhöhung auf 3,5 Prozent vom BIP würde sich der Abstand noch deutlich vergrößern.  Nach SIPRI gab China 2024 314 Milliarden US-Dollar oder 1,7% des BIP für das Militär aus.

Zwar nahm die Zahl der Soldaten in den EU-Staaten mit der neuen Aufrüstungswelle von 2023 auf 2024 nur um 1 Prozent zu, was sich ja jetzt massiv verändern soll, aber die Militärausgaben stiegen um 19 Prozent. Die Mehrausgaben gingen bislang vor allem in Ausrüstung und Investitionen in Forschung und Entwicklung, während in Zukunft die Personalausgaben deutlich steigen werden.

Florian Rötzer

Florian Rötzer, geboren 1953, hat nach dem Studium der Philosophie als freier Autor und Publizist mit dem Schwerpunkt Medientheorie und -ästhetik in München und als Organisator zahlreicher internationaler Symposien gearbeitet. Von 1996 bis 2020 war er Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis. Von ihm erschienen sind u.a. „Denken, das an der Zeit ist“ (Suhrkamp 1988), „Die Telepolis“ (1995), „Vom Wildwerden der Städte“ (Birkhäuser 2006), „Smart Cities im Cyberwar“ (Westend 2015), „Sein und Wohnen“ (Westend 2020) oder „Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“ (Bielefeld 2023)
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26 Kommentare

    1. Queen – Hammer to Fall
      https://www.youtube.com/watch?v=JU5LMG3WFBw&list=PL477uG9UrLPq-QAK5lpN4FlTVgmjewAox&index=8
      Here we stand or here we fall
      History won′t care at all
      Make the bed, light the light
      Lady Mercy won’t be home tonight, yeah

      You don′t waste no time at all
      Don’t hear the bell, but you answer the call
      It comes to you as to us all (oh)
      We’re just waiting for the hammer to fall, yeah

      Oh, every night and every day
      A little piece of you is falling away
      But lift your face the western way
      Build your muscles as your body decays, yeah

      Toe your line and play their game, yeah
      Let the anaesthetic cover it all
      ′Til one day they call your name
      You know it′s time for the hammer to fall

      Rich or poor or famous
      For your truth it’s all the same (oh no, oh no)
      Lock your door, the rain is pouring
      Through your window pane (oh, no), yeah
      Baby, now your struggle′s all in vain
      For we who grew up tall and proud
      In the shadow of the mushroom cloud
      Convinced our voices can’t be heard
      We just wanna scream it louder and louder and louder

      What the hell we fighting for?
      Just surrender and it won′t hurt at all
      Just got time to say your prayers
      While you’re waiting for the hammer, to hammer to fall

      Hey, it′s
      It’s gonna fall
      Hammer, you know
      Yeah, hammer to fall
      Woo!

      Yeah, yeah
      Woo-woo!
      While you’re waiting for the hammer to fall
      Baby, yeah
      While you′re waiting for the hammer to fall
      Give it to me one more time

  1. Und das alles dient wem? Der Umwelt, der Demokratie oder dem absaufendem Hegemon? Nach grüner Lesart dient es dem Umweltschutz und der Demokratie. Nach schwarzer Lesart dient es der Demokratie und der Freiheit. Nach roter Lesart, ach halt, die gibt es nicht, Scholz mit Kippa und Ramelow auf Seite Netanjahu bestätigen das, also falsche Annahme. Spätestens nach dem 30. Sanktionspaket werden die Europäer, wieder einmal, nach abgeworfenen Hilfspaketen rennen, Merz und Co haben sich dann nach LA abgesetzt und feiern mit Selenskyj den Untergang Europas. Aber Umfragen und Wahlen im „demokratischen“ Teil Europas versprechen einen Neuanfang, mit den verbliebenen drittklassigen, phlilosophisch gebildeten, „Hoffnungsträgern“.
    BRICS und der globale Süden werden dann in ihren Bildungssystemen Parallelen aufzeigen zwischen der Hexenverbrennung im Mittelalter und der Russophobie in den 2020er Jahren.

    1. @Wunderlich
      „Nach grüner Lesart dient es dem Umweltschutz und der Demokratie“

      Aha, deshalb sollen laut EU-Verordnung jetzt auch Anhänger von Lastwagen klimaneutral werden obwohl die keinen Motor haben und keine Schadtsoffe ausstoßen.
      Diese Verordnung soll laut Unternehmen ca. 70.000 Arbeitplätze kosten.
      Vielleicht können ja ein paar von denen in der EU-Verwaltung anfangen und weiteren Unsinn auf den Weg bringen

    2. Noch ist „man“ erst beim 19. Sanktionspaket angelangt! Was wohl dabei unsanktioniert bleiben durfte, um das 20. bis 30. überhaupt möglich zu machen?. Egal, der Russe wird’s ertragen können. Vor sechzig Jahren plus/minus ein/zwei zerquetschte haben die frühen Achtundsechziger ja auch den ihnen gegenüber regelmäßig erhobenen Vorwurf verkraftet, sie hätten mit ihrer bloßen Stirn reihenweise die mit stahlbewehrter Kappe bewehrten Polizeistiefelspitzen auf Grasnarbenhöhe angegriffen, völlig gnaden- und respektlos auch noch.

      Ja, und die Späten von der gleichen Sorte? Die mussten sich schonen und hielten sich für’s Erste erst mal zurück. Wollten ja schließlich Karriere machen, vom Taxifahrer zum BAM bspw. oder vom Straßenkicker zum Basta-Kanzler, vieles war da möglich.

  2. Zu dem was in Gaza-Stadt, Gaza und im Libanon passiert:
    Im Süden Libanons wurden bei einem Angriff fünf Menschen getötet. Unter den Toten sind drei Kinder.

    Bei einem Angriff am Sonntag vor einem Hospital in Al-Bureij (Gaza-Mitte) wurden acht Palästinenser getötet. Vier Kinder, zwei Frauen und es gab zweiundzwanzig Verletzte von denen die meisten Frauen und Kinder sind.

    Die Menschen werden weiter aus Gaza-Stadt vertrieben.
    Im Video wird auf die Rauchwolken hingewiesen die von den zerstörten Gebäuden aufsteigen.
    Es wird gesagt dass Wohnviertel zerstört werden. Die Menschen werden vertrieben. Die Familien gehen nach Gaza-Süd. Am Anfang sieht man wie es im Wohnviertel Tal-El-Hawa nach Angriffen aussieht.
    Es ist ein Mensch verhungert.
    Es wurden an diesem Tag mehr als siebenunddreissig Menschen ermordet.

    https://vimeo.com/1120894840

    Länge: 00:45 Minuten
    Sie können den Link gerne rumschicken, wenn Sie möchten.

    1. Da muß ich doch mal „kucken“, ob auf einem meiner ausgemusterten Blechköpfe im Keller noch irgendwo die ‚Moorhuhnjagd‘ genutzt werden kann. Was für Abschussquoten, so ziemlich vergleichbar, Chapeau !

      Komme ‚man‘ mir jetzt bitte nicht mit Menschlichkeit! Schließlich sind Palästinenser und Palästinenserinnen nebst nicht wenig Anhang auch nur sowas wie ‚Moorhühner‘ – einfach nur Tiere eben. So spruch jedenfalls – nachweislich auch noch – mal mindestens ein Minister aus dem Selfdefense-Staat. Gaza also ein einziges Moorhuhn-Reservat? Na ja, ‚Drecksarbeit‘ soll bekanntlich ja frei machen, hat ja hierzulande einer gesagt, der es wissen muß.

  3. Ich weiß nur eines sicher: Ich habe dem denkbar schlechtesten Deal nie getraut, folglich keinerlei Abgaben geleistet und kann deshalb ohne um Rente zu betteln 120 Jahre alt werden bzw. mit Inflation 100; ohne mich zu reduzieren, um Kriege von irgendwelchen Spinnern zu finanzieren!

  4. „Nicht gesehen wird dabei, dass Russland nicht wegen imperialer Gelüste, sondern angeblich wegen der Bedrohung durch die vorrückende Nato den Krieg gegen die Ukraine begonnen hat.“
    Es verwundert doch langsam, dass die häufigen Hinweise auf die Interviews mit Arrestowitsch einfach negiert werden. Ist es Angst vor den Konsequenzen oder Unfähigkeit?
    Russland hat keinen Krieg gegen die Ukraine begonnen, es wurde die Vertragssituation (Minsk II, Vertragsgarant), also Russlands Drohung (wenige Militärkontingente punktuell in der Ukraine zu disloziieren), in Übereinstimmung mit dem VR, schon erwartet (Interview 2018) und ausgenutzt, um daraus Russland in einen Krieg zu zwingen. Russland hatte sich mit Händen und Füßen gegen den Sog des Krieges gewehrt (Zurückpfeifen der russischen Freiwilligenverbände, Nichtanerkennung der ostukrainischen Republiken). Erst als die Angriffe auf die Obstukraine, mit absehbar katastrophalen Folgen für die ostukrainische Bevölkerung, starteten, blieb Russland keine Wahl.
    Auch das gehört zum Gesamtbild.

  5. „Wer bedroht wen?“ ist eine grundverkehrte Fragestellung, da sie sich auf die Ebene der Rechtfertigung begibt.

    Staaten haben Interessen, die sie auch mit Anwendung von Gewalt „verteidigen“. „Bedroht“ sind diese immer qua Konkurrenz.

  6. im Westen explodiert die Massenarmut in Russland der Wohlstand …
    Steht heute für grenzenlose Aufrüstung, und ja das hat etwas mit Ökonomie zu tun, und ihren verschiedenen Varianten o)
    W2K lag ökonomisch ganz anders, Finanzindustrie entwickelte sich gerade .
    Geht Europa heute in einen Krieg mit Russland, werden die US Ölfirmen zb die Preise der Marktsituition anpassen, diese Chance lässt sich kein Kapitalist entgehen. Ich vermute mal , jedes 4 Europäische Kriegsgerät liegt dann irgendwo unbeweglich im Gelände rum… o)
    Unsere Spitzenfachkräft aus Politik und Wirtschaft .. o)
    Hitler hat aus einem bestimmten Grund die Sowjetunion damals angegriffen, und daran hat sich bis heute nichts geändert.

  7. Der Autor versucht, die russischen Militäraktionen im Ausland als sicherheitspolitisch motiviert und nicht als imperialistisch darzustellen. Die territoriale Expansion in Verbindung mit der Rhetorik einer „russischen Welt“ beweist das Gegenteil.

  8. Der Russe kommt nicht, er war schon zweimal da.

    Am 31. März 1814 zog Zar Alexander ins besiegte Paris ein. Obwohl Napoleon eine bürgerliche Revolution gegen die Monarchen vertrat, verlor er seine Grand Armee in Russland.
    Am 2. Mai ergab sich das faschistische Berlin den Truppen der Roten Armee.

    Die Russen kennen also den Weg nach Berlin und sie blieben bis 1994. Wir DDR-Bürger merkten von den sowjetischen Truppen nichts. Sie lebten in heruntergekommenen Kaserne und hatten kaum Kontakt zur deutschen Bevölkerung. Die Freundschaft wurde auf offizieller Ebene mit viel Wodka gefeiert. Übergriffe gegen DDR-Bürger gab es nicht. Das soll im Westen anders gewesen sein. Es gab zahlreiche Übergriffe amerikanischer Soldaten und sie durften viele westdeutschen Kneipen deshalb nicht besuchen.

    Russland hat zweimal unter sehr schlechter Führung, einmal den Zaren, dann Stalin, Deutschland besetzt. Putin ist gegen seine beiden Vorgänger ein wahrer Engel und er kennt Deutschland gut. Warum sollte er dieses heruntergekommene Land besetzten. Was wäre da außer den Aufwand einer Besatzung viel zu holen?

    Freilich hat der putinistische Krieg gegen die Ukraine auch seine guten Seiten. Jeder weitere Kriegstag rüstet den Westen weiter ab, bindet Ressourcen, die gegen China fehlen. Solange die Kämpfe in der Ukraine weitergehen, solange hat China Zeit sich gegen den Western zu rüsten.

    Ich wünsche den Russen den Sieg, sie sollen sich aber noch etwas Zeit lassen. Das schwächt den Westen!
    Der Ukrainekrieg liegt in seinen letzten Zügen: Trump will die Ukraine nicht mehr unterstützen, Europa kann die Ukraine nicht ausreichend unterstützen und Putin will weder nach Warschau, noch nach Berlin, was soll er da. Außer einer feindlichen Bevölkerung ist da nichts lohnenswertes zu holen!

  9. Bei den Rüstungszahlen habe ich das auch nie so richtig verstanden: werden da die ausgegebenen Gelder in Kaufkraftparität umgerechnet oder irgend so was? Wird dabei berücksichtigt, dass in den Rüstungsgeldern der NATO-Staaten wahrscheinlich viel mehr Extraprofite drinstecken als in denen Russlands und Chinas?

    Mir scheint, es wäre dann wirklich sinnvoller, gleich Panzer, Raketen usw. zu zählen, wenn man das schon vergleichen will.

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