Werner Mauss war Geheim- und Privatagent. Man konnte ihn also mieten. So kam es, dass er auch als „ziviler Mitarbeiter” für deutsche Polizeibehörden und Geheimdienste tätig wurde. Immer dann, wenn man selbst keine Spuren hinterlassen möchte.
Manche Nachrichten gleichen Phönix aus der Asche:
„Anwesen von Werner Mauss: Mutmaßliche Agenten-Villa abgebrannt
Weil das Gelände stark gesichert ist, konnte die Feuerwehr den Brand nicht unter Kontrolle bringen. Das Haus soll dem ehemaligen Geheimagenten Werner Mauss gehören. (…) Das Anwesen soll laut einem Bericht der Zeitung „Bild” dem ehemaligen Geheimagenten Werner Mauss gehören. Der 82 Jahre alte Mauss soll ab den sechziger Jahren als “ziviler Mitarbeiter” für deutsche Polizeibehörden und Geheimdienste gearbeitet haben.“ (Faz.net vom 3.11.2022)
Spurensuche in der Asche
Immerhin ist kleines Update bezüglich der Person Werner Mauss wurde gemacht. Lange hat man ihn als „Privatdetektiv“ deklariert, der also der Aufklärung von Vorwürfen wie Ehebruch oder Versicherungsbetrug nachgegangen sei.
Jetzt ist er immerhin zum Geheimagenten hochgestuft worden, womit wir der Sache ein klein wenig näherkommen.
Bekannt wurde er also nicht, weil er in Zivilangelegenheiten unterwegs war. Er war in der großen Politik unterwegs, mit Auftraggebern, die ihn beauftragen, damit sie nicht in Erscheinung treten und mit dem, was Werner Maus für sie erledigen soll, nicht in Verbindung gebracht werden soll.
Man könnte es noch klarer formulieren. Wenn es einer Regierung, einem Geheimdienst zu „heiß“ ist, selbst kriminell zu werden, also eigene Gesetzesvorgaben zu brechen, dann sourced man dies aus, an Privatunternehmen, wie Detekteien, die das dann ganz diskret für sie „erledigen“. Aus den USA weiß man, dass die CIA zahlreiche eigene Firmen unterhält, die offiziell nichts mit dem amerikanischen Geheimdienst zu tun haben, aber genau dafür da sind. Das reicht bis zu Söldner-Unternehmen, an die man Kriegshandlungen, also auch Morde, auslagern kann.
In dieser Kategorie bewegte sich Werner Mauss. Deshalb bekam er bei diesen staatlichen Verfolgungsorganen den Namen: „Institution M.“ (SZ vom 5.4.2016).
Obwohl die staatsnahen Medien um seine semi-staatlichen Missionen wussten, gab man ihn – wider besseren Wissens – für ein „Phantom“ aus.
Wenn man ganz naiv sein will, steht der Name “Phantom” dafür, dass er selten mit seinem echten Namen in Erscheinung trat. Er verfügt über ca. 30 Aliasnamen und entsprechende Ausweispapiere, in bester Qualität, von den zuständigen Behörden ausgestellt. Er hat für viele gearbeitet, für das Bundeskriminalamt, den Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“, für den deutschen Auslandsgeheimdienst BND, für eine kolumbianische Pipeline-Firma, für deutsche Großunternehmen. Für wen er alles noch gearbeitet hat, ist Verschlusssache.
Fest steht nur, dass er mit diesen Aufträgen ein Nettovermögen von ca. 72 Millionen Euro angehäuft hat. So versteht man auch besser, warum die Luxus-Villa so pompös war, warum sie so gesichert war, dass selbst das Löschen des Brandes ein Risiko war, das man nicht einging.
Fest steht auch, dass er fast so viele Briefkastenfirmen, Stiftungen, Nummernkonten, Offshore-Firmen, also Geldverschleierungskonstruktionen besitzt wie Aliasidentitäten: Micuvi-Stiftung, Clayton Valley Limited, Merida, Micuwe, Wecumi …
Für gewöhnlich haben solche Personen nicht nur semistaatliche Unterstützung, sondern genießen in jeder Hinsicht „Immunität“ – auch und gerade gegenüber den Gesetzen.
Warum die Bochumer Staatsanwaltschaft wegen Steuerhinterziehung dennoch gegen ihn ermittelte, wäre eine eigene Recherche wert.
Fakt ist, dass sie dem Geheimagenten vorgeworfen hat, mehr als 15 Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben und das mit einem „erheblichen und fortgesetzten Verschleierungsaufwand“.
Werner Mauss bestreitet die in Frage stehenden Vermögenswerte nicht. „Nur: Es seien nicht seine, sondern ein Geheimbund habe ihm das Geld lediglich zur Verfügung gestellt, um für den Weltfrieden aktiv sein zu können. Das Geld verwalte er nur treuhänderisch und für seine Einsätze.“ (SZ vom 27.9.2016)
Das machte die Angelegenheit tatsächlich spannend – was sicherlich nicht allen gefallen hat, die ihn dafür bezahlt hatten, dass sie unerkannt bleiben und dass man auch jede Spur zu ihnen verwischt.
Es stellten sich also die Fragen: Was hat es mit diesen Geheimkonten auf sich? Was passiert, wenn jene, die dem System der monetären Verschleierungen (Briefkastenfirmen, Nummernkonten, Stiftungskonstruktionen) offiziell den Kampf ansagen, Teil dieses Systems sind? Gibt es diesen von Werner Mauss genannten „Geheimbund“?
Geheimkonten für den Weltfrieden
Lassen wir einmal diesen von Werner Mauss ausgerufenen „Stiftungszweck“, dem Weltfrieden zu dienen, beiseite. Viel interessanter ist doch die Frage, wozu man „Geheimkonten“ braucht, wenn man dem Weltfrieden dient? Ist das nicht so ehrenhaft und rechtschaffend, dass man es aller Welt gegenüber dokumentieren kann?
Das liegt wohl ganz offensichtlich an den Mitteln, an den Methoden, die eingesetzt werden, um jenen „Weltfrieden“ zu erhalten oder herzustellen. Methoden und Mittel, die, um es kurz zu machen, illegal und ggf. kriminell sind. Dass man dann trotzdem diese Mittel einsetzt, ist schon vielfach belegt. Gegebenenfalls muss man als Regierung das Risiko selbst eingehen (wie bei den vielen Kriegslügen, bei der Anwendung der Folter in den USA und der Einrichtung von „geheimen Gefängnissen“ auf der ganzen Welt). Aber selbstverständlich gibt man solche „Aufträge“ lieber ab, um gegebenenfalls jedes Wissen darum, jede Beteiligung daran abzulehnen. Deshalb gibt es so etwas wie den „Geheimagenten“ Werner Mauss oder private Detekteien bzw. Securityfirmen, die auch (diskrete) Aufträge von Polizei oder Geheimdiensten annehmen und ausführen. In den USA werden sie „externe Dienstleister“ genannt.
Genau dies war der Job von Werner Mauss und genau deshalb beläuft sich sein bisher bekannt gewordenes Vermögen auf über 70 Millionen Euro. Eine solche Summe verdient man nicht als “Privatdetektiv”, sondern mit der Abwicklung “delikater” Aufträge.
Da beide Seiten, Auftraggeber wie Auftragnehmer, um das kriminelle Potential der Angelegenheit wissen, rechnen z.B. ein BKA oder ein BND diese geschäftlichen Beziehungen nicht über offizielle, also überprüfbare Konten ab, sondern bedienen sich der Verschleierungsmethoden, denen sie in der Öffentlichkeit den Kampf ansagen.
Dass bei solchen anonymisierten Konten keine Steuern abgeführt werden, versteht sich bei diesem Geschäftsmodell von selbst. Von daher ist der gegen Werner Mauss erhobene Vorwurf der Steuerhinterziehung ein Beifang, ein unvermeidliches Nebenprodukt.
Wenn man also den Nebenkriegsschauplatz verlässt, stößt man auf weitaus interessantere Befunde.
Werner Mauss & Co betreiben diese Geheimkonten seit Jahrzehnten. Das eine Konto befindet sich in Panama und ist durch die „Panama Papers“ an die Öffentlichkeit gelangt. Dieses Geheimkonto existiert seit 1985. Als Verschleierungsmethode hat man die „Fond-Variante“ gewählt. Der Fond hat den nicht gerade geheimnisvollen Namen: „Autoridades de seguridad del oeste“, soviel wie „westliche Sicherheitsbehörden“. Laut Werner Mauss wurde er mit 23 Millionen Dollar gefüllt und sollte „Einsätze im Kampf gegen den internationalen Terrorismus“ (SZ vom 24./25. September 2016) finanzieren.
Die Panama Papers zeigen auch, dass das nicht alles war: „Mauss hatte offenbar Zugriff auf insgesamt zwölf Briefkastenfirmen, die zwischen 1980 und 2014 in Panama und auf den Niederländischen Antillen gegründet wurden.“ (SZ vom 5.4.2016)
Halten wir also fest, dass es diese Geheimkonten, die mithilfe von Banken und passender nationaler Gesetzgebung kreiert werden, seit Jahrzehnten gibt. Halten wir ebenfalls fest, dass diese Geheimkonten von staatlichen Institutionen genauso genutzt wurden wie von Firmen, die Werner Mauss in Anspruch nahmen.
Wenn man beides zusammenführt, dann versteht man auch, dass seit Jahrzehnten der Kampf gegen „Steueroasen“, „Schwarzgeld“ und „Briefkastenwesen“ eine lupenreine Placebo-Veranstaltung ist.
Wenn etwa in- oder ausländische Geheimdienste illegale Operationen durchführen, wie zum Beispiel die Unterstützung rechter Parteien in Portugal durch den BND nach dem Sturz der Caetano-Diktatur 1974, die Bewaffnung der Contras in Nicaragua in den 80er Jahren durch den CIA oder die Einrichtung und Ausrüstung der „Stay-Behind“-Terrorgruppen ab den 60er Jahren von allen zusammen, dann wird das nicht in den jeweiligen nationalen Haushalten ausgewiesen.
Dann benutzt man denselben Weg wie die Firmen und Konzerne: Briefkastenfirmen, Tarnfirmen, Strohmänner. Es ist genau dieser gemeinsame Nutzen, der sie vor politischen und gesetzlichen Veränderungen schützt.
In diesem Kontext ist es dann auch mehr als aufschlussreich, dass der deutsche Finanzminister Schäuble als „Konsequenz“ aus dem Panama-Skandal nicht etwa das Verbot solcher „Briefkastenfirmen“ ankündigt, sondern ein internationales Register, das die Personen aufführen soll, die sich hinter den „Strohmännern“ verbergen. Er möchte also nicht den Untergrund verbieten, sondern als Gatekeeper sicherstellen, dass nur „die Richtigen“ Zutritt erhalten.
Geheimkonten als Tarnung von illegalen „Kriegskassen“
Dass es solche Geheimkonten, solche monetären Verschleierungssysteme seit Jahrzehnten gibt, liegt also nicht daran, dass man sie nicht unterbinden und strafrechtlich verfolgen könnte. Es liegt – wie das Beispiel Werner Mauss geradezu bilderbuchhaft illustriert – daran, dass diejenigen, die den Kampf dagegen führen müssten, selbst Teil dieses kriminellen Systems sind.
Wenn z.B. ein großes Unternehmen Lösegeld für ihren gekidnappten Mitarbeiter bereitstellt, und dieses Werner Mauss zukommen lässt, dann macht es das diskret, also so, dass keine „Spuren“ zurückbleiben. Denn die offizielle Lesart wird sein, dass man kein Lösegeld gezahlt hat. Also muss man das bereitgestellte Lösegeld so transferieren, dass es in den Geschäftsbüchern und –konten nicht auftaucht.
Wenn das BKA oder der Verfassungsschutz Werner Mauss damit beauftragen, “auf eigene Faust” nach RAF-Mitgliedern zu suchen, dann würde ich gerne die entsprechenden Kontobewegungen in den jeweiligen Behörden und Haushalten einsehen wollen – um festzustellen, dass es dort keine „kompromittierenden“ Kontobewegungen geben wird.
Und wenn Werner Mauss zu seiner Verteidigung sagt, dass er nur Treuhänder besagten Geheimkontos mit einem Budget von 23 Millionen Euro ist, das Geld aus vielen „Quellen“ geflossen sei, dann mag man sich zurecht fragen, welchen „Geheimbund“ er damit meint und ob es so etwas gibt.
Dass Werner Mauss und seine Auftraggeber mit Millionen hantieren, mit Millionen dem „Weltfrieden“ dienen, steht außer Frage. Und dass man für diese Art von Geschäften Geheimkonten benutzt, ist geradezu selbstverständlich. Dass die Verschleierung von Auftraggeber und Auftragnehmer, von Auftragsziel und Zahlungen alle miteinander verbindet, entspricht also durchaus der Struktur eines „Geheimbundes“ – auch wenn es viel wahrscheinlicher ist, dass die verschiedenen Auftraggeber voneinander gar nichts wussten.
Umso bemerkenswerter ist deshalb auch die Antwort von drei befragten Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes/BND. Sie wurden gefragt, ob der von Werner Mauss erwähnte „Geheimfond“ tatsächlich existieren könnte – bezugnehmend auf ihre eigenen Erfahrungen.
Die Antwort ist so kindisch und so verschleiernd wie ein Nummernkonto:
„Auch in der Welt der Geheimen gehe es beim Geld zu wie in einer Behörde. Eine Geheimfonds-Konstruktion, wie sie Mauss beschreibt, könne es nicht geben.“ (SZ vom 24./25. September 2016)
Die Gegenprobe auf diese offensichtliche Falschaussage wäre eine ganz einfache und sicherlich die beste Lösung: Unbestritten haben deutschen Behörden, vom BKA bis hin zum BND, Werner Mauss, ihre „Institution M.“, mit Aufträgen versorgt. Dafür haben sie bezahlt. Wenn es so stattgefunden haben soll, wie die drei BND-Mitarbeiter Glauben machen wollen, dann könnte man all dies in den entsprechenden „Büchern“ nachweisen.
Es ist nicht allzu sehr gewagt, wenn ich sage, dass es diesen Nachweis nie geben wird.
Tatsache ist auch, dass bis heute keine Strafbehörde, keine Regierungspartei dieser „Ungereimtheit“ nachgegangen ist. Man könnte es auch als Strafvereitelung im Amt qualifizieren.
Die vorsätzliche Untätigkeit ist keiner Gedankenlosigkeit geschuldet. Alle hier Angesprochenen wissen, dass sie dabei mehr zu verlieren haben, als ihr Gesicht.
Soviel zu der Spurensuche in der Asche dieser Agenten-Villa.
Quelle und Hinweise:
Anwesen von Werner Mauss: Mutmaßliche Agenten-Villa abgebrannt, (Faz.net vom 3.11.2022)
„Institution M.“ – ein Agent, der nicht aus der Kälte kam, Wolf Wetzel, NDS vom 6. Oktober 2016: https://www.nachdenkseiten.de/?p=35294
Danke für die interessante und kurzweilig geschriebene Lektüre.
Ich danke für Ihr Lob. Ich brauche diese literatische Verfeinerungen, damit ich das “runterwürgen” kann, was ansonsten im Hals stecken bleiben würde.
Anti-Korruptions-Manager ist einzig richtige Bezeichnung für die Werner Maus!
Erfolg wird eben bestens Bezahlt ?
Zitat gleich am Anfang:
“Weil das Gelände stark gesichert ist, konnte die Feuerwehr den Brand nicht unter Kontrolle bringen”
Ich denke da an Gated Communities irgendwelcher Superreichen. Und ich versuche, ein gewisses Schmunzeln zu unterdrücken…
Ja, aber dann folgt man wahrscheinlich der falschen Fährte: Eine Villa wie die von Werner Mauss hat eben ein solides Tor, aber das war es dann auch. Wenn das die Feuerwehr nicht aufbekommen könnten, dann … Und die vielen Überwachungskameras dürften die Feuerwehrleute kaum von der Arbeit abhalten…
“Man sourced dies aus…”
Aha.
Kleiner Hinweis:
damit meint man, das man etwas “auslagert” und andere machen läßt. Das ist kein großes Geheimnis, sondern Geschäftsmodell.
So ist es; lange bekannt…