Muss Weihnachten dieses Jahr ausfallen?

„Christliche Weihnachts-Tischdecke" aus einem deutschen Kaufhaus im Jahr 2025
„Christliche Weihnachts-Tischdecke“ aus einem deutschen Kaufhaus im Jahr 2025. Bild: Peter Bürger

Frieden hinieden und süßer die Glocken nie klingen – auch Anno Domini 2025 im Geiste militärischer Resilienz?

Weihnachten gilt als Fest des Friedens. Schaut man sich aber in der Welt um, so gibt es offensichtlich keinen Grund zur Feier: Krieg in der Ukraine, Israel terrorisiert nicht nur die Palästinenser, sondern auch seine Nachbarn. Dann Krieg im Jemen, Sudan, Kongo, in der Sahelzone. Im Osten zwischen Thailand und Kambodscha. Die USA bringen reihenweise Zivilisten in Karibik und Pazifik um, bedrohen Venezuela und Kolumbien…

Das nur in aller Kürze. Zudem befindet sich Deutschland nach Aussage des Kanzlers nicht mehr im Frieden – womit er nicht die deutsche Beteiligung mit Waffen & Geld am Ukrainekrieg oder die Unterstützung Israels bei seinen Massakern meint. Deutschland ist übrigens auch mit seinen parteinahen Stiftungen – den „diplomatischen Hilfstruppen“, an deren Spitze die CDU jetzt bezeichnender Weise eine ehemalige Verteidigungsministerin gewählt hat – bei der Herstellung von Bürgerkriegen und bürgerkriegsähnlicher Verhältnisse beteiligt. Aber als ausländische Agenten wollen sich diese Einmischer in auswärtige Innenpolitik nicht beschimpfen lassen, sie sehen sich vielmehr als Vertreter einer „Zivilgesellschaft“, die in anderen Staaten für Deutschland genehme zivile Verhältnisse sorgen.

Kann einem da warm ums Herz werden? Sind das Gründe zum Feiern, ist das „den Menschen ein Wohlgefallen“, wie die Botschaft seit über 2000 Jahren lautet?

Die frohe Botschaft

„Weihnachten wird als Friedensfest gefeiert, das die biblische Weihnachtsgeschichte die Engel verkünden lässt: ‚Friede auf Erden‘ (Lukas 2,14)“ (laut Google-KI). Mit dieser Weihnachtsbotschaft ist allerdings alles andere als eine engelhafte Zustandsbeschreibung oder Handlungsaufforderung gegeben. Es ist nur der fromme Wunsch, den Menschen sei Friede auf Erden gegönnt. Das bringt auch die Friedenssehnsucht auf den Begriff, denn der Wunsch kümmert sich nicht darum, warum es auf Erden so unfriedlich zugeht. Hier wird etwas anderes ausgedrückt: „Es ist ein Fest der Hoffnung, Liebe und Familie, bei dem Menschen zusammenkommen und Ruhe finden wollen.“ (Google-KI)

Also, ganz unabhängig davon, wie es auf der Welt zugeht, sollen sich die Menschen der Hoffnung hingeben, dass es auch anders sein könnte. Wenn ein solcher Wunsch ständig beschworen wird, wirft dies freilich ein negatives Licht nicht nur auf das Verhältnis zwischen den Staaten, sondern auch auf das im Innern. Offenbar ist auch dort der Alltag von Gegensätzen gekennzeichnet, die die Verhältnisse gerade nicht friedlich gestalten. Schließlich leben wir in einer Konkurrenzgesellschaft, in der die meisten Menschen sowohl aufeinander angewiesen sind als auch mit ihren Interessen gegeneinanderstehen. Das macht die Ausgestaltung des Zusammenlebens von vornherein zu einer zwielichtigen Angelegenheit.

Eltern z.B. sind die Personen, die sich um einen sorgen und mit Taschengeld ausstatten, die einen aber auch kontrollieren und die man daher immer mal wieder hintergehen muss. Einen Vermieter braucht man zum Wohnen, aber er nimmt einem auch große Teile des Einkommens weg und macht Vorschriften zur Nutzung seiner Wohnung. Die Liste lässt sich endlos verlängern, wie jeder weiß. Und so bewegen sich die Menschen eben immer doppelgleisig, verfolgen die eigenen Interessen zugleich gegen andere, die sie sie aber nicht einfach vor den Kopf stoßen dürfen. Hier hat man die Grundlage für die Sittlichkeit im Umgang miteinander. Gefordert ist Höflichkeit, auch gegenüber Menschen, die man nicht ausstehen kann. Man grüßt andere und zollt ihnen damit Anerkennung, auch wenn man sie eigentlich auf den Mond schießen könnte. Man fragt andere, wie es ihnen geht, auch wenn sie einem gleichgültig sind…

Deshalb ist auch die Gestaltung des weihnachtlichen Friedensfestes keine einfache Angelegenheit, schließlich verlangt ja die Friedensverheißung, von all diesen Gegensätzen Abstand zu nehmen und sich ganz der Vorstellung hinzugeben, dass man sich lieb hat und gut miteinander auskommt. Das ist bekanntlich gar nicht so leicht: „Die Statistik ist unerbittlich, auch beim Fest der Liebe: Jeder Vierte streitet sich an Weihnachten… Die Konfliktfelder sind divers, es geht um die Planung der Feiertage, Beziehungsprobleme, gefühlte Bevorzugung und Benachteiligung und das Weihnachtsessen.“ (SZ, 20.12.25)

Und das ist fast noch die harmlose Seite: „Es gibt schlimme Konflikte in Familien, Gewalt, Missbrauch, Vernachlässigung, Lieblosigkeit.“ (SZ) So sind die Leitmedien auch voll von guten Tipps, wie das Fest trotz aller Gegensätze friedlich vonstattengehen kann: „So vermeiden Sie politischen Zoff unter dem Weihnachtsbaum“, „Weihnachten ohne Stress“ oder  „Streit an Weihnachten: Diese Fehler gefährden die Beziehung“. Und da darf die Kanzler-nahe Zeitung aus München auch nicht fehlen: „Es gibt Verhalten, das reizt aufs Blut, aber warum nicht innerlich die Pausentaste drücken? Vor allem, wenn zu viel Zeit auf zu viel Alkohol und zu viel Heizung trifft… Ich übernehme Verantwortung für den Familienfrieden nicht, weil der andere es unbedingt verdient hat, sondern weil ich ein ethisches Wesen bin. Egal, wie sehr mir das Antlitz von Onkel Herbert missfällt, egal, wie verbrannt der Braten ist: Ich schaue mit Langmut drauf.“ (SZ) So kann auch ein versautes Fest zur eigenen Selbststilisierung beitragen und die Gelegenheit bieten, sich als überlegenes moralisches Wesen zu fühlen. Wenn das kein Grund zum Feiern ist…

Die Menschen müssen sich also schon einiges antun, damit dieses festliche Highlight unabhängig vom politischen wie privaten Dasein gelingt. Und so ist ja auch schon der Ausgangspunkt der Weihnachtsbotschaft eine zweifelhafte Sache: Die Engel wünschen den Menschen Frieden auf Erden – und das angesichts einer Notlage, bei der ein Paar in einem Stall übernachten muss, weil ihm die gastfeindlichen Türen in der Fremde verschlossen sind, und wo die Frau auch noch niederkommt und trotzdem den Kopf nicht hängen lässt. Ihre Not ist Folge eines politischen Beschlusses: Wenn der Herrscher sein Volk zählen lässt, muss man sich eben auf die Socken machen, statt in Nazareth auf die Hebamme zu warten. Insofern zielt die Friedensbotschaft auf etwas anderes als die Herstellung wirklich humaner Zustände. Sie zielt auf die Einstellung der Menschen, sie sollen friedlich sein und Frieden mit den trostlosen Verhältnissen schließen, in denen sie sich befinden.

Vom friedlichen Miteinander

Die Aufforderung friedlich zu sein, erfolgt immer dann, wenn es Gegensätze gibt, die Anlass dafür bieten, aufeinander loszugehen. Von diesen Gegensätzen wird abgesehen oder sie werden für unwesentlich erklärt, wenn die betreffende Aufforderung ergeht. In den persönlichen Verhältnissen mag Friedfertigkeit angenehm sein, da bedeutet ihr Fehlen Streit, eventuell blaue Flecken – schlimmstenfalls gibt es Tote. Im privaten Rahmen bleiben die Opfer natürlich überschaubar. Es könnte einem aber zu denken geben, dass es zur Sicherung des friedlichen Zusammenlebens in dieser Gesellschaft einen gehörigen Gewaltapparat braucht, der Gewalttaten natürlich nicht verhindert, sondern sie durch Strafandrohung in Grenzen zu halten versucht.

Anders ist es jedoch, wenn Politiker vom Frieden reden, vom eigenen Friedenswunsch oder vom mangelnden Friedenswillen des Gegners. Dann werden die politischen Interessen ausgeblendet und die Frage von Krieg und Frieden wird in eine moralische Einstellungsfrage verwandelt. Dann geht es darum, der Gegenseite den Willen zum Frieden abzusprechen, und dann wird die eigene Vorbereitung eines Krieges als Friedenstat beschworen, denn sie soll ja der Verhinderung des Krieges dienen. Das nennt sich Abschreckung. Der Gegner soll durch überlegene Gewalt so eingeschüchtert werden, dass er auf die Durchsetzung seiner Interessen verzichtet. Wie Jahrzehnte des Kalten Kriegs und der westlichen Hegemonie gezeigt haben, schließt die Drohung mit Gewalt auch immer wieder ihren Einsatz ein – damit man glaubwürdig bleibt. Ohne eigene Kriegsbereitschaft und -tüchtigkeit käme es sonst noch so weit, dass die Drohung den Gegner gar nicht beeindruckt.

So werden aus gegensätzlichen politischen Zielen moralische Verurteilungen der Art wie „Massenmörder Putin“, während der „Schlächter von Gaza“ sich nur verteidigt. Dabei verweisen alle Seiten auch dann, wenn sie zum Krieg schreiten, auf ihre Rechte, die verletzt sind, so dass sie zum Krieg gezwungen sind. Eine staatstreue Presse prüft dann die Begründung nicht nach – ganz gleich ob Deutschland Krieg in Jugoslawien führt, um einen Holocaust zu verhindern; ob die USA nicht vorhandene Massenvernichtungswaffen im Irak einem Diktator wegnehmen wollen; ein Dutzend NATO-Mächte und sonstige Freiheitsfreunde (inklusive kampferprobte Ukrainer, die übrigens mit 5.000 Mann schon im Irak dabei waren) Frauenrechte in Afghanistan schützen; oder ob, last but not least, die Führungsmacht der Welt gestohlenes amerikanisches Eigentum aus Venezuela wiedererlangen und den Fentanylhandel beenden will. Da ist kein Argument zu blöd, um Bürger zum Mitmachen zu bewegen.

Kriegsweihnachten

Je schwerer die Zeiten, desto mehr kommt es darauf an, von diesen Verhältnissen abzusehen und die Gemeinschaftlichkeit mit anderen Menschen zu feiern. Deshalb findet der Weihnachtsfrieden seinen Höhepunkt im Krieg: „Weihnachten, das traditionell ein Friedensfest ist, erlebte während der Weltkriege, insbesondere im Ersten Weltkrieg 1914, spontanen ‚Weihnachtsfrieden‘ an der Westfront, wo deutsche und britische Soldaten im Niemandsland zusammenkamen, Lieder sangen und feierten.“ (Google-KI)

Dieser „Kriegsfrieden“ zeigt: Kriege beruhen nicht auf persönlichen Animositäten. Mister Miller hat ja mehr mit Herrn Müller gemeinsam als mit den Vorgesetzten, die sie in den Tod schicken. In ihrem Alltag müssen sie, unter unterschiedlicher Herrschaft, aber mit derselben Zwecksetzung, in der Regel durch Arbeit für andere ihr Brot verdienen. Auf dieser Basis können sie dann – bei festlicher Stimmung – ihre Waffen auch einmal niederlegen und sich verbrüdern. Als Angehörige unterschiedlicher Nationen und als Nationalisten kehren sie nach dieser Feier wieder in die Schützengräben zurück und schießen aufeinander. Und diese Verrücktheit soll für den Weihnachtsfrieden sprechen?

Das Beispiel beweist vielmehr drastisch, was sich Menschen selbst und anderen bei dieser Art der Friedenspflege antun. Und es zeigt, dass die Friedenssehnsucht auch zu Vorkriegszeiten passt, wie wir sie jetzt erleben. Von daher wird Weihnachten Anno Domini 2025 wohl wieder ein Fest des Friedens werden – während die Waffen keineswegs schweigen.

Suitbert Cechura

Suitbert Cechura ist Hochschullehrer für Sozialmedizin im Ruhestand. Buchveröffentlichungen u.a.: „Kognitive Hirnforschung – Mythos einer naturwissenschaftlichen Theorie menschlichen Verhaltens“ (2008), „Inklusion – das Recht auf Teilhabe an der Konkurrenz“ (2015), „Unsere Gesellschaft macht krank – Die Leiden der Zivilisation und das Geschäft mit der Gesundheit“ (2018)
Mehr Beiträge von Suitbert Cechura →

Ähnliche Beiträge:

11 Kommentare

    1. Witzig wie sich ein Putindildo Weihnachten im Westen vorstellt.
      Zum Weihnachtsfrieden hat es ja nicht gereicht. Tatsächlich wegen Putin. Aber das wird er gewiss wieder abstreiten, der kleine Imperialist.

  1. Das Fest der Nächstenliebe – eingesperrt hinter Böllern und zw. bewaffnetem Personal.
    Die Religiotie und ihre Lügengeschichten zielen auf den Gerechtigkeitssinn der Unterworfenen ab, der gg die eigenen Interessen des Individuums gerichtet, dieses einem „Gott“ unterwirft und so seinen „Vertretern“ dabei nützt, ihre weltliche Macht zu mehren. Soweit so bekannt.

    Frau Holle, wer kennt sie nicht. Die Göttin des ewigen Wandels aus Sommer/Winter, Leben/Tod. Die Rauhnächte heißen so, weil man in dieser Zeit der tiefsten Finsternis den Toten am nächsten ist. Mit den 3 Tagen der Wintersonnenwende ist der Höhepunkt dieser Zeit erreicht, Frau Holle geht umher und beschenk die Bedürftigen. So um den 9. Januar enden die Rauhnächte und wer es bis dahin geschafft hat, kann sich auf das kommende neue Jahr freuen.
    -das Christentum hat daraus die Geburt Jesu gemacht. Aus der Tod und Leben spendenden Frau Holle wurde der Nikolaus. Kulturimperialismus, zum Zwecke der geistigen Unterwerfung. Lüge und Verdummung sind das Fundament, blinder Fanatismus das Werkzeug, seeliger Selbstbetrug die Botschaft.

  2. @Forum

    +++ P. F. 2026 +++

    Das satirische Poster ging an „Wenzels Liste“* und vorhin habe ich es zum Download bereitgestellt unter

    https://www.uschovna.cz/en/zasilka/TUB7LF2643334GFW-M8U/

    Datei: PF_2026.jpg 97.034 17.12.2025 ‏‎17:55

    Im Moment sind davon bis 07.01.2026 noch 30 Downloads verfügbar.
    Das Bildchen darf – und soll! – frei in allen „sozialen“ Netzwerken geteilt werden.
    ____________________________________

    *) Aus dem Begleittext:
    ____________________________________

    https://thebulletin.org/doomsday-clock/

    +++ The Doomsday Clock +++

    Recent Clock changes – time to „midnight“

    2018 120 s
    2020 100 s
    2023 90 s
    2025 89 s
    2026 ???
    ____________________________________

  3. Wie soll sich eigentlichein friedliches Weihnachten, sprich die Geburt Jesus, dem wir
    ja das Christentum verdanken, von einem Land heraus entwickeln, in dem seit gut 2000
    Jahren ein ständiges Gemetzel herrscht und dort seit 70 Jahren die schlimmsten Terroristen
    um Massenmörder herrschen. Kein Wunder das zu Weihnachten in vielen Wohnzimmern
    der wahre Terror herrscht. Die Bibel ist doch auch nur eine Geschichte von Mord und Totschlag.
    Das gebahren der Christen in den letzten 2000 Jahren ist auch im Blut getränkt. Also „Stirb Langsam“
    ist dagegen ja ein Kinderfilm. Die “ Zombie Apokalypse“ könnte auch noch passen.

  4. Ich möchte an die Kriegsweihnacht 1914/15 erinnern, wo an der Westfront an den englischen Abschnitten sich deutsche und britische Soldaten verbrüderten und gemeinsam Frieden auf Erden machten.
    Ein singuläres Ereignis, das auch schnell von den höheren Offizieren unterbunden wurde. Man hatte sich gefälligst tot zu schießen, wo kommen wir denn da hin!
    „Sprechen erst die Völker selber…..“
    Aber ich finde, das dieses Ereignis es wert ist, sich daran zu erinnern!
    Als Anmerkung sei noch hinzugefügt, das ich am 11.11. des Waffenstillstandes 1918 gedenke und keineswegs dem Beginn des unsäglichen Karnevals!
    Auch das sollte Bestandteil einer Erinnerungskultur sein!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert