Moshe Zuckermann: Die Zukunft ist erst mal verbaut

Moshe Zuckermann

Das Gespräch mit dem Philosophen wurde am Freitagnachmittag geführt, also vor dem israelischen Angriff auf iranische Militäranlagen. Die Abschrift wurde überarbeitet.

Es herrscht bestimmt eine Spannung in Israel. Der Angriff auf den Iran, der ja von Netanyahu angekündigt worden ist, ist noch nicht erfolgt. Angeblich, weil die ersten Pläne geleakt worden sind und man jetzt versucht, etwas anderes zu machen. Wie ist es denn, in so einem kleinen Land zu leben, das sowieso jetzt schon dauernd angegriffen wird, und darauf zu warten, dass da irgendetwas Großes und Gefährliches passieren wird?

Moshe Zuckermann: Was du fragst, hat zwei Dimensionen. Die eine ist die unmittelbare Gefahr. Ich glaube, wenn es zu einem Angriff auf den Iran kommt und der Iran zurückschlagen wird, könnten wir sehr bald in einen Regionalkrieg hineinschlittern, also in einen größeren Krieg. Und das ist eine ganz andere Oper, als was wir im letzten Jahr gehabt haben, weil Iran ganz anders ausgerüstet ist und Israel dann die Angriffe abwehren müsste. Das könnte übel werden, auch für die Großstädte von Israel. Bislang wurden die großen Städte, Tel Aviv beispielsweise, verschont. Wir mussten uns oft im Luftschutzbunker aufhalten, aber das wird dann was ganz anderes sein, wenn dann täglich 50, 60 Raketen hier und dann entsprechend auch in Teheran einschlagen. Das ist eine ganz andere Nummer, als was wir bis jetzt gehabt haben.

Das ist die eine Sache, die unmittelbare, also auch die physische Bedrohung. Ich bin nicht mehr der Jüngste, aber da sind jüngere Leute, die sich fragen müssen, in was für einem Land sie leben, in was für einem Land sie ihre Kinder aufziehen wollen. In Aussicht gestellt wird ihnen, dass es noch viele Jahre hinaus immer wieder Gewalteskalationen und sich lange hinziehende Kriege geben wird. Ich rede schon gar nicht von den anderen Betroffenen im Libanon, im Gazastreifen und mittlerweile auch im Westjordanland. Ich weiß nicht, wie man das den Menschen in Europa vermittelt, die das nur als Berichte aus der Ferne kennen, ob es nun Russland und Ukraine oder jetzt Israel und Palästina ist. Das ist im Alltag eine ganz andere Lebensqualität, die merklich kontaminiert ist. Nicht erst seit dem 7. Oktober, aber seitdem ganz gesteigert. Also mir geht es in beiden Dimensionen nicht sonderlich gut, aber du siehst ja, wir reden miteinander und wir können das immerhin noch reflektieren.

Ist es nicht auch verrückt, in einer Situation zu leben, in der Krieg herrscht und vielleicht noch ein großer Krieg droht, während man eigentlich doch noch einigermaßen sicher seinen Alltag lebt. Wie ist das? Ich kenne das ja nicht.

Moshe Zuckermann: Ich sage dir das sogar noch konkreter. Du weißt ja, dass ich fünf Wochen in England, ganz abgelegen in der Provinz, in North Yorkshire, mit meiner Frau in Urlaub war. Das war das Paradies. Aber wir kennen ja auch die Bibelgeschichte vom Paradies. Da gibt es auch die Vertreibung aus dem Paradies. Die Rückkehr nach Israel war die Vertreibung aus dem Paradies. Am Abend, an dem wir angekommen waren, haben wir noch zwei Explosionen gehört, wenn auch nicht unmittelbar bei uns. Am nächsten Tag waren wir schon wieder im Luftschutzbunker und so weiter und so fort. Also von der absoluten Stille der Provinz und der Idylle wieder zurück nach Israel. Das schlaucht, auch wenn man nicht wirklich Angst hat. Ich bin kein ängstlicher Mensch, aber man ist immer gespannt darauf, wann die nächste Bombe kommt. Das ist eine Anspannung, die einen den ganzen Tag begleitet.

In den letzten Tagen hatten wir jeden Abend Luftalarm, weil jetzt die Drohnen kommen, die die israelische Luftabwehr nicht alle abschießen kann. Wenn man gerade Abend gegessen hat und einen Film anschauen will, heult wieder die Sirene. Das ist nicht witzig, aber, wie gesagt, wir sind, weil wir in der Großstadt leben und weil die Hisbollah und die Hamas darauf noch Rücksicht nehmen, relativ sicher. Sie nehmen Rücksicht, weil sie wissen, dass dann, wenn Tel Aviv ernsthaft angegriffen wird, es ihnen auch ganz übel ergehen wird. Es ist kein normales Gefühl, in einem Land zu leben, wo es dauernd kracht und Bomben herumfliegen.

“Die Leute wandern aus, ohne das groß zu verkünden”

Wir hören zwar hier in aller Regel, dass hier ein Angriff stattgefunden hat, dass es dort Verletzten und Tote gibt in Gaza oder im Libanon, aber wir hören relativ wenig davon, wie es um die Gesellschaft in Israel steht, zum Beispiel was die Wirtschaft betrifft.

Moshe Zuckermann: Über die Wirtschaft redet man natürlich in der Arbeit oder in der kritischen Tageszeitung Haaretz. Aber ich glaube, wir werden noch einen wirtschaftlichen Rückschlag erleben, das kommt erst noch. Dieser Krieg wird das Land so verschulden, dass ich gar nicht weiß, wie lange es dauern wird, das wiederherzustellen. Aber das fühlt man unmittelbar jetzt noch nicht.

Gibt es denn Kriegsdienstverweigerer? Die jungen Leute werden eingezogen, kommen an die Front, wissen aber auch, dass sie da auch getötet werden können. Jeden Tag sterben ja israelische Soldaten oder werden verletzt. Und gehen Menschen weg aus Israel?

Moshe Zuckermann: Die Soldaten verweigern in Israel nicht den Dienst. Es gibt keinen Wehrdienstverweigerer. Es gab nie viele in Israel, weil das Militär, die Armee, hier ein Heiligtum ist. Auch die kritischen Menschen leisten immer ihren Reservedienst. Also von daher hört man nichts. Und weil auch Israel in den letzten zwei Monaten auch militärische Erfolge verzeichnen hat, weil Nasrallah und Sinwar getötet wurden und überhaupt viel getötet wurde, waren die Soldaten sogar happy, mit dabei gewesen zu sein.

Also die Verweigerung hat überhaupt nicht zugenommen. Mich beunruhigt übrigens zutiefst, dass im Gegenteil zu Kriegen in den vergangenen Jahren, wo es immer ab einem bestimmten Zeitpunkt auch Antikriegsdemonstrationen gegeben hat, es bislang bei diesem Krieg, der schon über ein Jahr lang anhält, noch keine einzige Antikriegsdemonstration stattgefunden hat. Sollte sich jemand trauen, eine solche zu initiieren, dann würde die Polizei sofort auf ihn einschlagen, die Leute würden dann gleich plattgemacht.

Auch nicht im Umkreis der Angehörigen der noch gefangenen Geiseln?

Moshe Zuckermann: Moment, darüber möchte ich gleich kurz reden, aber du hast noch was anderes gefragt: Wie ist es mit der Auswanderung? Das gibt es latent, ohne dass die Leute das groß ankündigen, vor allem in den Berufen, die nicht sprachlich gebunden sind, sondern die man überall auf der Welt ausüben kann, also Ärzte, Hightech-Experten und so weiter. Da spricht man übrigens von einem riesigen Brain Drain. Die Leute wandern aus, ohne das groß zu verkünden. Vor einiger Zeit hat ein berühmter Professor hier gesagt, wenn das so weitergeht, wird Israel innerhalb von einigen Jahren in seinen wissenschaftlichen und technologischen Vermögen zurückfallen, weil jetzt schon eine ganze Menge Schaden angerichtet wurde.

“Die Polizei ist mittlerweile zur Privatmiliz des Polizeiministers Ben-Gvir geworden”

Nur eine Zwischenfrage: Die Reservisten, die eingezogen werden und in den Kriegseinsatz kommen, wie lange müssen denn die dienen?

Moshe Zuckermann: Das kommt darauf an, in welchen Einheiten sind. Wenn sie in Kampfeinheiten sind oft lange, weil viele Leute umgekommen sind, es gibt irrsinnig viele Verletzte und weil die religiösen Menschen nicht eingezogen werden. Es gibt ungefähr 60.000 oder 70.000 Religiöse, die eingezogen werden könnten. Es gibt bei den menschlichen Ressourcen im Militär einen Notstand. Deshalb gibt es lange Perioden im Reservedienst, das schadet dem Familienleben und dem beruflichen Leben. Aber die Menschen leben immer vom Corpsgeist der Truppe und würden sich nie einfallen lassen, diese zu verraten. Das Problem liegt darin, dass die Ideologie sich bei den Leuten so eingefräst hat, dass zumindest, was das Militär betrifft, die Menschen es sich viermal überlegen würden, bevor sie etwas machen, was ihnen einiges kosten könnte. Sie könnten als Verräter ausgeschlossen werden, wenn sie dem Staat und dem Militär in den Rücken fallen. Aber sie würden auch, wenn sie zu einer Demonstration gehen, auf der eine Beendigung des Kriegs gefordert wird, von der Polizei drangsaliert. Man kann sich das gar nicht vorstellen, die Polizei ist mittlerweile zur Privatmiliz des Polizeiministers Ben-Gvir geworden, der ein Kahanist und ein ganz brutaler Faschist ist. Er würde die Polizei auf die Demonstranten hetzen.

In diesem Zusammenhang muss man auch von den Angehörigen der Geiseln reden, denn einer der größten Brüche, die im Land stattgefunden haben, ist die Tatsache, dass kein Waffenstillstand eingeleitet wird. obwohl noch 101 Geiseln in Gefangenschaft der Hamas sind und Sinwar getötet worden ist. Im Grunde genommen patrouilliert die Armee nur in Gaza und tötet hier jemanden und zerschießt dort etwas, aber sie verfolgt keine Kriegsziele mehr. Hier spielt, was wir in unseren Gesprächen schon mehrfach beredet haben, das Privatinteresse von Netanjahu herein, den Krieg nicht zu beenden, damit es nicht zu einer Untersuchungskommission kommt und er seinen Prozess weiter hinaus schieben kann. Dazu kommt noch ein Verbund von Interessen seiner Koalitionspartner.

Man sollte eigentlich erwarten, dass aus Solidarität mit den Geiseln und deren Angehörigen Hunderttausende von Menschen auf die Straße gehen würden. Das hat nichts mit Ideologie zu tun, sondern mit dem Grundethos dieses Landes und der Solidargemeinschaft. Aber hier zeigt sich, dass einiges am 7. Oktober zerbrochen ist. Diese Solidargemeinschaft gibt es offenbar nicht. Es sind nicht Hunderttausende, es sind wenige Tausende, die sich mit den Angehörigen solidarisieren. Und auch gegen die, die im Namen der Geiseln gegen die Regierung demonstrieren, hetzt die Regierung und gehen die Polizisten vor.

“Für die Siedler muss weiter gekämpft werden, bis man Gaza erobert hat, um es zu besiedeln”

Noch mal zurück zum Militär. Du hast ja schon gesagt, es gab Bestrebungen, dass die Orthodoxen eingezogen werden sollen. Warum ist das doch nicht geschehen?

Moshe Zuckermann: Das hat einen ganz trivialen Grund. Die Führer der orthodoxen Parteien, auch die der Schaspartei, sagen, wenn ihr durchboxt, dass die Leute per Gesetz eingezogen werden, dann beenden wir die Koalition. Es findet wirklich eine Erpressung statt, der man nachgibt, weil Netanyahu sich nicht einfallen lässt, die Macht zu verlieren.

Wächst da nicht die Wut auf diese Orthodoxen? Was ist eigentlich mit den Siedlern im Westjordanland, die zum Teil bewaffnet sind? Werden die denn eingezogen?

Moshe Zuckermann: Ja, die Siedler werden nicht nur eingezogen, das sind im Moment die mutigsten Kämpfer. Für die kommt der Krieg gerade recht. Das ist ja das, was Ben-Gvir und Smotrich, die Vertreter der Siedler, antreibt. Für die Siedler muss weiter gekämpft werden, bis man Gaza erobert hat, um es zu besiedeln. Es könnte eine Wut unter den säkularen Soldaten entstehen, die sich fragen: „Wieso werden wir eingezogen und die nicht?“ Aber diese Wut übersetzt sich nicht in Wehrdienstverweigerung oder Massendemonstrationen, sondern das ist nur ein Unbehagen, das es schon seit Jahrzehnten gibt. Immer wieder gibt es Wutausbrüche gegen diese Leute, aber das führt nie zu einer praktischen Lösung. Also jetzt werden auch nicht 50.000 oder 60.000 eingezogen werden, sondern man wird eine Formel finden, dass alles so bleibt und nur die Säkularen sechs oder sieben Monate lang ihren Reservedienst leisten.

Du hast gerade davon gesprochen, dass die Siedler oder die Rechten anstreben, den Gasastreifen ganz oder teilweise einzunehmen und zu besiedeln. Jetzt findet gerade eine Operation in Nordgaza statt, die den Eindruck entstehen lässt, als würde man alle Palästinenser dort vertreiben wollen, um vielleicht doch dort wieder Siedlungen zu bauen. Ist möglicherweise eine territoriale Erweiterung auch im Hintergrund der Kämpfe gegen die Hisbollah im Südlibanon?

Moshe Zuckermann: Ich würde das unterscheiden wollen. Der Gazastreifen ist mehr oder weniger schon erobert worden und die Frage ist jetzt, was hat Israel mit Gaza vor? Israel selber weiß nicht, was es mit Gaza vorhat. Ich glaube auch nicht, dass Netanyahu eine Besiedlung im Moment zulassen kann, weil das weder von der EU noch von Amerika oder sonst jemand akzeptiert werden würde. Irgendwann wird in den USA der Wahlkampf zu Ende gehen. Wenn dann die Demokraten an die Regierung kommen, dann werden sie schleunigst Druck ausüben, dass man irgendwie in Gaza zu einer Lösung kommt. Das Problem ist nur, und das sage ich jetzt, weil das auch von den Siedlern gesagt wird: „Ja, im Moment ist das nicht möglich, aber wir haben ja schon 50 Jahre lang gesehen, wie das im Westjordanland war. Man hat uns gesagt, dass Siedlungen nicht möglich seien. Aber mittlerweile sind 650.000 jüdische Siedler im Westjordanland.“

Mitte der 70er Jahren hat man mit vereinzelten Siedlungen begonnen. Das wurde dann vom Staat unterstützt und von den Siedlerführern wie Smotrich und Ben-Gvir stark forciert. Das ist längst zu einem Politikum geworden, denn die Siedler verhindern noch die letzte Möglichkeit, die zumindest noch theoretisch vorstellbar war, eine Zwei-Staaten-Lösung umzusetzen. Das Westjordanland ist mittlerweile so jüdisch besiedelt, dass man den Palästinensern kein Land mehr für ihren Staat anbieten kann. Deshalb bin ich immer sehr vorsichtig, wenn man sagt, dass eine Besiedlung im Gazastreifen nicht möglich sei.  Wir haben ja schon gesehen, dass das nicht möglich erschien und dann mit einmal wurde es nicht nur möglich, sondern der Staat hat das dann auch gefördert. Das Narrativ wird von einigen Generälen im Reservedienst, also von sogenannten Kommentatoren, gepflegt, die sagen: „Eine Möglichkeit, wie man die Sicherheit herstellen kann, ist, dass man die Leute aus dem nördlichen Teil des Gazastreifens einfach vertreibt beziehungsweise ihnen anbietet, dort abzuhauen, um ein freies Territorium zu haben, das man dann verwalten kann.”

In Südlibanon ist es nicht ganz so einfach. Es wird noch heftig gekämpft und es ist trotz all dem, was Israel militärisch in den letzten Wochen angerichtet hat, noch nicht erobert. Aber hier wird es letztlich zu einer politischen Lösung kommen, die international bewerkstelligt wird. Hisbollah soll nicht vernichtet werden, sondern sich hinter den Litanifluss zieht. Das könnte erreicht werden. Allerdings hatte sich die Hisbollah schon einmal hinter de Litani zurückgezogen, um dann später wieder ganz nah an die Grenze zu kommen. Man kann also dezidiert sagen, so lange keine verpflichtende politische Lösung von beiden Seiten gefunden wird, ist nichts, was jetzt provisorisch erreicht werden kann, endgültig. Das ist dann eben provisorisch, bis man wieder zu sich kommt und anfängt, wieder neue Gewalteskalationen ins Leben zu rufen. Die können von Israel oder von der Hisbollah ausgehen, aber solange es keine endgültige Lösung gibt, bei der auch die libanesische Regierung und die Vereinten Nationen mit einbezogen werden müssen, ist nichts endgültig, und schon gar nicht in dem Sinne, dass Israel da was erobert hat.

“Die Intellektuellen haben sich weitgehend zurückgezogen”

Netanjahu hat, glaube ich, zu den Israelis gesagt, man werde das Schwert die nächste Zeit immer dabei haben müssen. Das heißt, der Krieg oder die militärische Konfrontationen gehen weiter. Gibt es denn außerhalb der Regierungen in Intellektuellenkreisen Vorschläge oder Vorstellungen, wie die Situation in der Region aufgelöst werden, wie ein friedliches Leben stattfinden könnte?

Moshe Zuckermann: Du hast Netanjahu etwas Gutes angetan. Er hat nicht gesagt, man müsse sich vorläufig auf dem Schwert stützen. Als er gefragt wurde, ob wir uns in aller Ewigkeit auf das Schwert stützen, hat er das bejaht. Er sagt ja auch, der Konflikt müsse nicht gelöst werden, er müsse nur verwaltet werden.

Was die israelischen Intellektuellen anbelangt, so hört man vereinzelt Leute, die auch schreiben und hier oder dort mal einen Vortrag halten. Aber eine Intelligenz oder Diskursgemeinschaft, wie sie es früher gegeben hat, die friedensorientiert ist und auch versucht, die Lage politisch und geopolitisch zu durchdenken und Lösungen zu finden, gibt es nicht mehr. Die Intellektuellen haben sich weitgehend zurückgezogen. Viele übrigens, das muss man auch sagen und betonen, ernüchtert durch den 7. Oktober. Wenn wir von einem Trauma in Israel reden, muss man auch verstehen, dass viele Leute, gesagt haben: „Huch, damit haben wir ja nicht bei unseren Vorstellungen, wie es laufen könnte, gerechnet.“ Das war wirklich auch ein Rückschlag für die israelischen Intellektuellen.

Man hört keine ernstzunehmenden Vorschläge, was damit zu tun hat, dass die Zwei-Staaten-Lösung, die wie gesagt im Moment verunmöglicht worden ist. Ich sehe auch nicht, wie sie wieder in Gang gesetzt werden könnte. Aber darüber hinaus auch keine anderen Vorschläge für Teillösungen im Sinne von: Wie könnte man jetzt den Gazastreifen pazifizieren, indem man beispielsweise die PLO den Gazastreifen übernimmt, die ganz anders auf Israel ausgerichtet ist? Das war ja auch der Grund, warum Netanjahu die Hamas unterstützt hat, weil er die PLO neutralisieren wollte, damit das nicht mal erwogen wird. Ich erwarte nicht sehr viel von den Intellektuellen. Was wir in den letzten Jahren aber immer erwartet haben, ist, dass der Druck von außen kommt, damit Israel wieder zur Vernunft kommt. Auch das ist immer wieder frustriert worden, besonders im letzten Jahr, als sich Amerika ganz auf die Seite Israels gestellt hat und es mit Waffen beliefert hat. Obwohl Israel ohne Amerika innerhalb von einer Woche auf den Knien sein würde, wusste er genau, dass das im Wahljahr nicht passieren wird, deshalb hat er immer wieder auch abgeblockt, wenn Amerika wollte, dass sich Israel ein bisschen zurückhält und dabei sogar mit Munitionsboykott gedroht hat.

Das Problem besteht darin, dass es gar nicht so sehr die Frage ist, ob es einen guten Willen seitens dieser oder jener Intellektuellen gibt, sondern dass die Realität, also die Praxis, im Moment nichts aufweist, dass man sagen könnte, da oder dahin müssten wir gehen. Am allerwenigsten weiß das die Regierung und die Regierungskoalition.

“Die Zukunft sieht im Moment eher düster aus”

Wie ist das denn im Lager der Palästinenser? Da gibt es ja auch kluge Leute und Intellektuelle.

Moshe Zuckermann: Schau mal, wann hast du denn das letzte Mal einen palästinensischen Intellektuellen gehört? Ich jedenfalls keinen, der öffentlich aufsteht und sagt, ähnlich wie ich das mit Israel mache: „Sinwar hat uns hier Scheiße eingebrockt. Wir haben jetzt über 40.000 Tote. Vermutlich sind es schon 50.000, weil da eine ganze Menge Leute begraben sind. Gaza ist verwüstet. Hamas ist militärisch zurückgeschlagen worden in einer Art und Weise, die er sich nicht hat träumen lassen und so weiter.“ Ich habe nicht gehört, dass Palästinenser sagen: „Um Gottes Willen, der hat ja eine Katastrophe eingeläutet.“

Warum nicht? Weil nicht klar ist, wer denn an die Stelle der Hamas kommen könnte. Und wenn es noch vor dem Krieg überhaupt Stimmen im Gazastreifen gegeben hat, die die Monopolherrschaft der Hamas infrage gestellt haben, dann sind sie von der Hamas ganz übel angegangen worden. Hamas ist zwar auf der einen Seite eine Widerstandsformation gegen die israelische Besatzung, aber auf der anderen Seite auch eine ziemlich autokratische und ziemlich terroristisch operierende Organisation nicht nur gegen Israel, sondern auch gegen ihre Gegner. Wie die Hamas-Leute mit der PLO umgegangen sind, war kein Honigschlecken gewesen.

Wie ist es also auf der palästinensischen Seite? Auf der einen Seite ist die Bevölkerung so drangsaliert und dermaßen schikaniert, dass man keinen Widerstand oder keine Opposition von der Zivilgesellschaft erwarten kann. Und auf der anderen Seite sagt die Hamas: „Wir sind im Krieg, wir kämpfen noch, also haltet mal die Klappe.“ Deswegen gibt es auch keine Gesprächspartner. Angenommen, es gäbe auf der israelischen Seite einige Intellektuelle wie seinerzeit Uri Avneri oder Leute von dieser Statur wie heute Gideon Levi, die sagen würden: „Lass uns doch mit den Palästinensern reden“, gäbe auf der anderen Seite keine Leute, die bereit sind, das öffentlich zu machen. Im Geheimen, sozusagen unter dem Radar, gibt es eine ganze Menge Leute, die verbittert sind, aber die hört man nicht. Deswegen werden ihre Verbitterung, ihre Frustration und ihre Enttäuschung auch nicht zum Politikum.

Und aus der arabischen Community kommt auch nicht viel?

Moshe Zuckermann: Wo meinst du? In Israel?

Ja, in Israel, aber etwa auch in Ägypten oder in Jordanien.

Moshe Zuckermann: Du weißt ja, was der Plan vor dem 7. Oktober gewesen ist. Es sollte eine neue Front mit Ägypten und Saudi-Arabien geben, die Beziehungen Israels zu Saudi-Arabien sollten normalisiert werden. Das wollte die Hamas mit dem 7. Oktober unterminieren. Verständlich übrigens aus ihrer Position, weil dann, wenn Israel und Saudi-Arabien ihre Beziehungen normalisieren, sind wir wieder außen vor. Das haben sie auch geschafft durch diesen Krieg und durch diese Katastrophe, die man hervorgerufen hat. Al Jazeera hat etwa von Katar aus eine ganze Menge an Berichterstattungen, auch an kritischen Stimmen, gesendet. Aber der Sender ist in Israel verboten, also kaltgestellt worden.

Ich sehe wirklich keine Dynamik in dieser Hinsicht, gerade weil ich Ende der 90er Jahre bis tief in die Nullerjahre hinein in einer israelisch-palästinensischen Intellektuellen-Gruppe, 20 Leute auf unserer Seite, 20 Leute auf der palästinensischen Seite, aktiv war. Wir haben das sieben oder acht Jahre durch die zweite Intifada hindurch gemacht. Uri Avner hat immer wieder Partner gesucht bei den Palästinensern. Das ist lange her. Heute wäre fast unvorstellbar, was wir damals noch in der Ende der 90er und in den Nullerjahren noch irgendwie zustande gebracht haben.

Eine abschließende Frage, ein bisschen abwegig. Du hast gerade ein Buch über Fortschritt geschrieben. Wie würdest du denn Fortschritt in Bezug auf die Situation im Nahen Osten sehen? Ist da die Zukunft erst mal verbaut?

Moshe Zuckermann: Die Zukunft ist erst mal verbaut. Der Wendepunkt im negativen Sinn war die Ermordung von Rabin. Das war der letzte Versuch, wo ernsthaft ein israelischer Politiker von Format mit einem palästinensischen Führer von Format, Arafat, versucht hat, noch etwas zu überlegen. Man weiß ja, dass ein nationalreligiöser Fanatiker auf der israelischen Seite dann Rabin ermordet hat. Der Oslo-Prozess ist dann zusammengebrochen und ich glaube, die Tatsache, dass er zusammengebrochen ist und dass es dann zu einer militarisierten zweiten Intifada gekommen ist, hat das ganz Kartenhaus zusammenbrechen lassen. Seit damals haben wir uns davon noch nicht erholt. Wir haben im Moment noch keine Perspektive, ich jedenfalls habe keine, die ich aufweisen könnte.

Aber das wirkt sich doch auch dann wieder auf die Gesellschaft aus, die in einer gefährlichen Blase lebt, wie man sagen muss.

Moshe Zuckermann: Aber das ist das, was ich die ganze Zeit sage. Wir leben in einer immens gefährlichen Situation, die wirklich die Zukunft dieses Landes und ich würde auch sagen des gesamten zionistischen Projekts in Frage stellt. Man könnte sagen, na gut, wenn der Zionismus in Frage gestellt, dann könnte man sich etwas anderes überlegen. Aber man überlegt nichts anderes. Auch zerbricht mehr oder weniger das Wenige, was der Zionismus an Ausschau oder Ausblick anzubieten hatte. Der 7. Oktober hat eine ganze Menge hier zerfledert. Und weil eben keine Alternative im Moment aufkommt, auch materiell und personell sehe ich nichts, sage ich, dass die Zukunft im Moment eher düster aussieht.

Ist dann vielleicht der Messianismus die Alternative, der jetzt auch in Israels Politik herrscht?

Moshe Zuckermann: Der Messianismus ist genau das, was diese Leute denken. Wenn ich nur mit dir darüber rede, dass man im 21. Jahrhundert noch in Kategorien eines religiösen Fundamentalismus denkt und mystisch vollkommen irrational meint, dass das unsere Zukunft ist und Gott wird schon helfen und so weiter, dann kribbelt es mich schon wieder am ganzen Körper. Wirklich, wir sind so sehr in der Regression. Du machst dir keine Vorstellung, weil ich glaube, auch die demografische Entwicklung Israels läuft gerade in diese Richtung, nicht in die andere Richtung der Vernunft, des Liberalismus oder des kritischen Geistes. Deswegen meine ich, dass wir im Moment in einer tiefen Krise stecken, von der ich im Moment auch noch nicht weiß, wie wir aus dieser wieder herauskommen.

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24 Kommentare

  1. Nicht nur in Nahost, sondern in ganzer Breite tappt die Menschheit in eine Falle, deren Ausmaße sich wahrscheinlich noch kaum jemand vorstellen kann. Die düstersten Prognosen z.B. auch von Peter Scholl-Latour werden wahr und niemand (Maßgebliches) will es bemerken geschweige denn etwas wirksames dagegen tun. Der helle Wahnsinn!

    1. Allzu viele Kandidaten für die Rolle des Alexander II bei der Lösung des ‘Gordischen Knotens 2.0’ gibt es ja wahrlich nicht.

      Der Elefant bzw. die Frage im Raum: Wer wird – wohl wie auch unwohl – den ersten und damit auch den letzten Hieb ausführen?

      Sollte nicht das ÖRR wenigstens den Film “Das letzte Ufer” ausstrahlen?

      Dem Blauen Planeten kann es schnurz sein, wird er doch wenigstens endlich mal diese nervige species los sein. Zuvorderst ja wohl – gesichert – die sich selbst als die ‘Exzeptionellen’ Fühlenden. Wie beim Monopoly: Gehe zurück auf Los! Ziehe überhaupt keine Dollars mehr ein!

  2. Auf der Suche nach O-Tönen von “Ultra”orthodoxen über die Frage des Wehrdienstes bin ich bei einem Deutschlandfunk-Beitrag gelandet:

    https://www.deutschlandfunk.de/israel-wehrpflicht-gesetz-auch-fuer-ultraorthodoxe-100.html

    Es wird von einer Demonstration von 600.000-800.000 Menschen im Juni 2024 gegen die Wehrpflicht für “Ultra”orthodoxe”berichtet, vermutlich so knapp 10% der erwachsenen Bevölkerung (bei knapp 10 Mio. Gesamtbevölkerung). Ich finde, das ist ganz schön viel, und das lässt bei mir den Verdacht aufkommen, dass die Vermeidung des Wehrdienstes gerade auch für (eigentlich gar nicht religiöse) Männer einen Anreiz darstellen könnte, sich den Orthodoxen anzuschließen. Ich als Kriegsdienstverweigerer und Pazifist könnte mir vorstellen, in einer solchen Gesellschaft auf so eine Idee zu kommen.

    Und irgendwie finde ich es auch komisch, wenn im Interview nach Wehrdienstverweigerern gefragt und die Wehrpflicht für Orthodoxe diskutiert wird, aber zwei und zwei nicht zusammengezählt wird. Hier drei Kostproben aus dem Deutschlandfunk-Beitrag:

    „Die osteuropäischen Juden teilten nicht das Männlichkeitsideal der Moderne und der Ära der Nationalismus, das mit Stärke und Autorität identifiziert wird. Dieses Ideal des fordernden und durchsetzungsfähigen Mannes ist den Charedim bis heute sehr, sehr fremd. Der Glaube an Waffen und an eine Armee erscheint in dieser Kultur, die so sehr auf eine innere, geistige Kraft ausgerichtet ist, wie ein schlechter Witz.“

    „Die Zionisten haben einen großen Teil der antisemitischen Zuschreibungen der Christen gegenüber den Juden übernommen und auf die Charedim angewandt. Das ist in gewisser Weise ein ganz natürliches Verhaltensmuster: Es gibt eine Mehrheit, die stark ist und regiert und eine Minderheit, die nicht bereit ist, einen Schritt zurück in den Nationalismus zu machen, die eine Alltagskultur pflegt, die sich der Logik des Praktischen verweigert und die mit allen möglichen Luftgeschäften beschäftigt ist. Die dasitzen und sich mit alten Büchern beschäftigen und nichts zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen. Und dann finden alle antisemitischen Stereotype unbewusst Eingang in die Sprache der säkularen israelischen Gesellschaft. Für säkulare Israelis sind die Charedim weibisch, dreckig und schwach, Sand im Getriebe eines rationalen, kapitalistischen Staates.“

    „Die Charedim sind der Ausweis der Intellektualität des jüdischen Volkes und der Ausweis der Intellektualität der zionistischen Vision. Wenn es uns gelingt, ein gutes Miteinander zwischen streng Religiösen und Säkularen zu entwickeln, kann das der säkularen israelischen Gesellschaft reichen Segen bringen: intellektuelle Tiefe, eine kulturelle Weite, die über die 65 Jahre israelischer Kultur hinausweist, den Antimilitarismus und eine Bereicherung der Sprache.“

    Mich würde interessieren, ob es hier nicht auch in der israelischen Gesellschaft nach dem Motto “Teile und Herrsche” funktioniert, dergestalt, dass säkulare Pazifisten mit den sowieso in die Ecke gedrängten Orthodoxen in einen Topf geworfen werden – so wie bei uns Pazifisten zu Russenfreunden abgestempelt werden.

    Ein Versäumnis der kritischen säkularen Intellektuellen Israels wäre dann aber auch, dass sie unfähig sind, mit den antimilitaristischen, pazifistischen Orthodoxen ein Bündnis einzugehen oder sich wenigstens für deren Recht auf Kriegsdienstverweigerung einzusetzen. Moshe Zuckermann kann sicher einiges dazu sagen. Mich würde das sehr interessieren.

  3. Wie bestürzend zu erfahren, dass Herr Zuckermann nach dem Abendessen beim Filmschauen von Sirenen gestört wird, wenn wenige Kilometer von Tel Aviv entfernt, im nördlichen Gazastreifen, die Menschen bombardiert, verbrannt, erschossen und ausgehungert werden. Es ist wirklich wichtig alle Seiten eines Konflikts zu beleuchten.

  4. Ich habe langsam, aber sicher das Gefühl, dass der Nahe Osten sich zu einer komplett verlorenen Region entwickelt, die in einem endlosen Chaos versinkt, weil auf allen Seiten fanatisierte Irre das Kommando übernommen haben.

    Die Welt mit all ihren Problemen wie Kriegen, Umweltzerstörung, Klimawandel, sozialem Zerfall etc. ist auf dem Weg in den Abgrund!

  5. aktuell findet eine Operation in
    Nord – Gaza statt…… Da hab ich zu lesen aufgehört. Das ist die Sprache des Militärs. Propagandasprache. Ein irrer Witz !

  6. Zuckermann kann nicht über den eigenen Schatten springen. Er ist befangen in abstrusen Versuchen die Kolonie Israel auf Palästinensischem Territorium als Staat zu legitimieren! Per definitionem erfüllt Israel jedoch alle Kriterien einer Kolonie und damit auch keinerlei Voraussetzungen einer Demokratie. Als solche sollte diese Kolonie von der UN ausgeschlossen werden, und Palästina als Staat anerkannt und zu einem Vollmitglied der UN gemacht werden.

    1. Das änderte an der Realität vor Ort exakt nichts. Israel wird weiterhin von seiner Schutzmacht USA und dessen Vasallen gefüttert werden. An einer Lösung ist keiner von denen interessiert offenbar.

    2. “Zuckermann kann nicht über den eigenen Schatten springen. Er ist befangen in abstrusen Versuchen die Kolonie Israel auf Palästinensischem Territorium als Staat zu legitimieren!”

      Man könnte Moshe Zuckermann als ‘freundliche Stimme’ des Kolonialstaates Israel verbuchen. Begonnen hatte Israels Narrativ, so nachlesbar in Leon Uris EXODUS, mit dem ‘heldenhaften Kampf gegen die britische Kolonialmacht über Palästina’. Israels Führungsschicht operierte anfangs geschickt mit diesem antikolonialen, vermeintlich antikapitalistischen Gestus und bekam dafür vom Kreml Waffenlieferungen für den Abwehrkampf gegen die arabischen Armeen. Später pilgerten Scharen Israel-beseelter junger Leute aus Europa in die Kibbuzim, um Israels Aufbau einer ‘neuen Gesellschaft’ zu unterstützen. Der von vielen Hoffnungen begleitete “Oslo-Prozess” wurde mit Jizchak Rabins Ermordung buchstäblich zerschossen. Seitdem heißt Israels offizielles Narrativ: “Wir machen unsere Feinde platt, koste, was es wolle.” Leider funktioniert das mit US- und deutscher Hilfe nur allzugut.

  7. Eine kleine Korrektur: in Teheran werden keine israelischen Raketen einschlagen, weil Israel keine hyperschnellen Mittelstreckenraketen hat, der Iran schon.
    Den symbolischen Vergeltungsschlag gegen den Iran führte Israel mit Kampfflugzeugen, darunter einige der modernen F-35 Bomber, durch. Israel soll seine Luft-Bodenraketen und seine Drohnen von außerhalb des iranischen Luftraumes abgeschossen haben. Die Luftabwehr des Iran wurde nur auf der Kurzstrecke aktiviert. Die iranische Luftabwehr mit weiter Reichweite blieb inaktiv um deren Stellungen nicht an die Israelis zu verraten. Fraglich ist, ob bei weiteren israelischen Angriffen Jordanien, Syrien und auch der Irak einfach zuschauen würden wie bisher. In Syrien sitzt russische Luftabwehr. Damit der Iran stillhält liefert Moskau als Gegenleistung moderne Luftabwehrsysteme an den Iran. Was ist wenn die Golfmonarchien ihre israelfreundliche Linie aufgeben und den Ölhahn zudrehen? Schließlich kam es unter chinesischer Vermittlung zu einer Versöhnung den einstigen Todfeinden, den Saudis und den Iran. China hat auch eine Versöhnung der zerstrittenen palästinensischen Fraktionen erreicht. Ob diese anhält muß man abwarten. Der Chef der palästinensischen Autonomiebehörde – also ein von Israel gekaufter Gefängniswärter – war auf dem BRICS+ Gipfel, ebenso der von Israel verhaßte UN-Generalsekretär.

    Sollte der Iran wirklich ernst machen – was er nicht will – dann hätte Israel keine Chance. Dann würde die USA eingreifen und wir hätten den dritten Weltkrieg, mit entsprechenden Bündnisverwicklungen wie bei WK1.

    Es gibt keinen Grund für zionistische Hybris, vor allen wenn die gesamte Welt, außer die US und BRD, gegen Israel eingestellt ist.

    Soweit zu den Fakten, die man in Israel nicht hört, hören will.

      1. Es gibt Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft.
        Deren Meinung wäre interessant.
        Ob es für die klug wäre sich zu äußern, ist eine andere Frage.

  8. An einem Punkt stimme ich zu: die Hamas wäre “draußen” gewesen, wenn die Einigung zwischen Israel und Ägypten und Saudi-Arabien zustande gekommen wäre. Die Judenhasser sind eben aus der Zeit gefallen. Richtig gesehen.

    Hingegen der Iran wird wie stets nicht erwähnt. Der passt nicht ins Weltbild, denn sein Staatszweck ist die Auslöschung des Staates Israel. Das ist dann ja wohl der Aggressor. Die Raketen, die auf Tel Aviv und damit den Moshe abgeschossen wurden, kamen alle aus dem Iran. Die Hamas ist nicht in der Lage, mit eigenen Raketen solche Reichweiten zu erzielen. Dass nun der Iran dabei war, sein Vorhaben umzusetzen, das fehlt bei Zuckermann. Kein Staat der Welt hätte so einen Beschuss abwehren können, außer Israel. Wobei das Gros noch gekommen wäre, wenn die israelische Luftwaffe entscheidend geschwächt worden wäre. Dann hätte die Hisbollah ihre 150.000 Raketen starten können und dann wäre der Staat Israel Geschichte gewesen. Mitsamt seiner Bewohner, gegen die der Iran angeblich nichts hat. Kollateralschaden eben. Zuckertmanns Mitbewohner haben genau diesen Punkt kapiert und genau deswegen gibt es keine Antikriegsdemonstrationen. Man kann dieses Nichtkapieren für intellektuell halten. Ich nicht.
    Nun hat Israel ein Resultat erzielt: das wird sich niemals wiederholen. Die Hamas ist militärisch nicht mehr existent, wenn sie nicht einmal ihren Anführer halbwegs schützen kann. Das riesige Arsenal der Hisbollah ist zu 70 Prozent zerstört. Und für den Aggressor selbst ist es jetzt auch mal ungemütlich geworden. Jetzt flennt er und ruft nach Waffenstillstand.
    Um nun Hamas und Hisbollah wieder auf die alte Stärke zu bringen, müsste der Iran Unsummen investieren. Völlig undenkbar, denn er hat die Bevölkerung nicht mehr hinter sich. Die wünscht sich eben nicht den “Tod Israels”, wie die Schulkinder brüllen müssen. Brötchen auf dem Tisch wären ihnen lieber. Daran mangelt es eben.

    Israel hat sein Ziel durchaus erreicht. Man könnte nun disktutieren, ob das nicht mit weniger zivilen Opfern möglich gewesen wäre. Aber die Hoffnung auf eine sachliche Diskussion habe ich längst aufgegeben. Genozid brüllen, mehr kommt da nicht.

    1. Glaubst du dir eigentlich selber diesen Quatsch, den du schreibst?
      Dass des Irans “Staatszweck (…) die Auslöschung des Staates Israel” sei, ist so ein Quatsch.
      Natürlich gibt es keinen Beleg für eine solche Behauptung, denn es handelt sich lediglich um eine narzisstische Projektion.
      Objektiv ist Israel ein weitgehend ressourcenloser Zwergenstaat, der ohne finanzielle und militärische Unterstützung der USA unbedeutend wäre.

      1. Der wäre morgen schon nicht mehr aufzufinden. Arthur C berauscht sich am Exzeptionalismus der “Auserwählten” und muss andere, die es eben nicht sind, pathologisch klein machen.

        1. Ich stimme dir zu, Exzeptionalismus ist die Pest und das hat Israel nicht nur mit den USA gemeinsam (s. “der Garten” des Herrn Borrell).
          Hätte Israel die Funktion für die USA nicht, ein unsinkbarer Flugzeugträger im Nahen Osten zu sein und dort die US-amerikanische Hegemonie zu sichern, wäre die Bedeutung von Israel Pi mal Daumen Null.

  9. „ Wenn man gerade Abend gegessen hat und einen Film anschauen will, heult wieder die Sirene. Das ist nicht witzig, aber, wie gesagt, wir sind, weil wir in der Großstadt leben und weil die Hisbollah und die Hamas darauf noch Rücksicht nehmen, relativ sicher. Sie nehmen Rücksicht, weil sie wissen, dass dann, wenn Tel Aviv ernsthaft angegriffen wird, es ihnen auch ganz übel ergehen wird. Es ist kein normales Gefühl, in einem Land zu leben, wo es dauernd kracht und Bomben herumfliegen……“

    Im Vergleich zu den Leid, daß die Zionisten den Palästinensern, jetzt den Menschen Im Libanon angetan haben,
    hat Moshe Zuckermann Luxusprobleme.
    Er hatte ja die Wahl im britischen Paradies zu bleiben, hat sich aber für die Vorhölle entschieden, selber schuld. Will er jetzt eine Runde Mitleid?

  10. Ich sehe für dieses Gebiet und damit meine ich beide Völker schwarz. Es zeigt sich das übliche Problem der Kriegstreibenden. Solange man auf der Gewinnerseite ist, hört man nicht auf und wenn die Sache kippt, kann man nicht aufhören, weil man sonst verliert. Beide Gesellschaften sind durch die jahrzehntelangen Auseinandersetzungen und Verbrechen, die man sich gegenseitig angetan hat, weder fähig noch willens die Eskalation zu beenden.
    Die fatale Entwicklung könnte von Außen gestoppt werden, durch Stopp der Waffenlieferungen und Zwang zur Mäßigung und zu Verhandlungen. Statt dessen wird aber jede Kritik abgewehrt, jedes Verbrechen gerechtfertigt und unablässig Waffen geliefert. So kochen diverse ausländische Mächte – USA, Europa, Iran, arabische Staaten – ihr Süppchen auf dem Konflikt und verhindern eine Lösung.

    Insbesondere die Deutschen spielen dabei eine beschämende Rolle. Vor über hundert Jahren hat das koloniale Deutschland einige kleine afrikanische Völker, die gewaltsam revoltierten, zum Verhungern und Verdursten in die Wüste geschickt, heute macht man es nicht selbst, aber man liefert die Machtmittel, damit Israel dies in Gaza tun kann. Zur selben Zeit spielt man die zu Unrecht verfolgte Unschuld, sobald man kritisiert wird.

    Herr Netanjahu hat überdies einen gefährlichen Weg beschritten. Ein Blick nach Osteuropa könnte ihm zeigen, dass eine Supermacht im Niedergang möglicherweise nicht immer bereit ist die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Und dann – was wird passieren, wenn die anderen am Drücker sind und am selbst zu heißen Kartoffel geworden ist?

  11. Moshe Z. erwähnt – dankenswerter Weise – jenen Uri Avnery, auf den ich die letzten Tage schon im Suttner-Beitrag verwiesen habe. Auf israelische ‘Intellektuelle’ hin befragt, vermeldet Zuckermann zwei Mal Uri A. und einmal Gideon Levi von Haaretz. Nun, Uri Avery ist seit dem 20.8.2018 tot, im Alter von 94 verstorben. Bis wenige Tage vor seinem Tod trotz allem mehr als rührig i.S. “Israel/Palästina/gerechte Welt”.
    Wäre es nicht einmal angeraten, seine ‘Stellungnahmen’ von Uri A. aus den letzten drei Monaten zum Thema ‘Bloody Monday’ hier anzubieten. Bloody Montag? Jener Versuch der in Gaza weggesperrten Menschen ohne Gewalt auf ihre bedrohte Existenz hinzuweisen. Was? So etwas hat es gegeben, das kann doch gar nicht sein, dann wäre ja der 7. Oktober alles andere als ….

    Nein, natürlich nicht! Uris ‘Verlautbarungen’ finden sich hierzulande im Land der ewigen Schuld nicht. Wie auch ‘Bloody Montag’ wenig Ergiebiges auf Google zu liefern fähig ist, ausser einem gleichen ‘Namens’ 1855 in Louisville/Kentucky. Bravo! Aber so leicht kommt man mir da nicht durch. Hier vier der letzten Artikel von Uri A.:

    – The Day of shame – der Tag der Schande – 21.Mai 2018
    URL zum Artikel: https://www.counterpunch.org/2018/05/21/the-day-of-shame/

    Oh, Gaza, stark wie der Tod – 4. Juni 2018
    URL zum Artikel: https://www.counterpunch.org/2018/06/04/oh-gaza-strong-as-death/

    – Wurden Sie einer Gehirnwäsche über Gaza unterzogen? – 11. Juni 2018
    URL zum Artikel: https://www.counterpunch.org/2018/06/11/have-you-been-brainwashed-about-gaza/

    – Eyeless in Gaza – Augenlos in Gaza – 16. April 2018
    URL zum Artikel: https://www.counterpunch.org/2018/04/16/eyeless-in-gaza-4/

    Und dann hätte ich da. noch einen Findling von den Nachdenkseiten:

    …aus einem der Leserbriefe vom 13.10.2023 zu einem Beitrag von Florian Warweg (https://www.nachdenkseiten.de/?p=105132)

    „Das erinnert mich an ein Radiointerview mit dem aus Deutschland stammenden israelischen Politiker und Friedensaktivisten Uri Avneri (1923-2018) vor einigen Jahren. Eine deutsche Mainstream-Journalistin fragte ihn abschließend Beifall heischend, wie er die konsequente pro-jüdische Politik in Deutschland beurteile. Er antwortete zu ihrer Überraschung ziemlich trocken, ihm seien die deutschen Philosemiten genauso unheimlich wie die deutschen Antisemiten.“

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