Mit menschlichem Personal gleichgestellte „KI-Angestellte“ sind unerwünscht

Bild: Verminaard/Goodfon.com

Lattice, das Plattformen für Personalmanagement anbietet, stieß mit der Ankündigung der Integration von KI-Agenten auf Kritik, vor allem wegen deren Personalisierung und knickte ein. Das Thema wird bleiben.

 

Lattice, ein amerikanisches Unternehmen für Personalmanagement-Software, wollte mit der Zeit gehen. Das Unternehmen setzt auch Künstliche Intelligenz, etwa bei KI-gestützte Workflows,  ein, um das Personal von Firmen möglichst effizient zu organisieren und die Produktivität zu optimieren: „Mit unserer KI-gestützten Personalplattform werden Unternehmensleiter und HR-Teams zu Förderern von Top-Leistungen, datengesteuerter Entscheidungsfindung und sinnstiftender Tätigkeit für jeden Mitarbeiter.“

Man arbeitet also mit KI, mit „schlauen“, auf Algorithmen gestützten und lernenden Programmen, die für Unternehmen die Mitarbeiter effizienz- oder profitorientiert überwachen und einsetzen sollen – und womöglich, wie auch schon geschehen, menschliche Arbeit ersetzen können.

Lattice wollte wahrscheinlich mehr als nur einen Werbegag lancieren, um sich möglichst zukunftsorientiert als Avantgarde zu positionieren und „KI-Geschichte“ zu schreiben, die KI als „digitale Angestellte“ neben die menschlichen Mitarbeiter zu stellen und sie wie diese zu behandeln.  Auch Namen erhielten die neuen Angestellten, beispielsweise Piper AI, nach dem Bild weiblich und als Sales Development Representative bezeichnet. Ziel sei es, den Kunden, also den Arbeitgebern zu helfen und die Mitarbeiter an die Zusammenarbeit mit ihren neuen Kollegen zu gewöhnen:

„Wir bei Lattice haben uns verpflichtet, beim verantwortungsvollen Einsatz von KI eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Wir können nicht untätig herumsitzen und unsere Kunden damit allein lassen, was sie herausfinden wollen. Wir müssen KI genauso verantwortungsbewusst einsetzen wie Menschen, und wir müssen alle befähigen, gemeinsam erfolgreich zu arbeiten. Wir müssen den Aufstieg des digitalen Arbeitnehmers mit Transparenz, Verantwortlichkeit und dem Erfolg der Menschen im Mittelpunkt steuern.“

Ganz verwunderlich ist der Futurismus nicht, Lattice wurde von Jack Altman gegründet, dem Bruder von Sam Altman von OpenAI. Die angeblich historische Entscheidung wurde in einer sich selbst feiernden Presseerklärung am 9. Juli bekannt gegeben:

„Die Diskussion über digitale Arbeitskräfte war bisher eher theoretisch – bis jetzt. Die KI-Arbeitskräfte sind da, und Lattice ist der Meinung, dass wir vollständig verstehen müssen, wie die Integration von KI-Mitarbeitern in die Belegschaft aussieht, um sicherzustellen, dass wir transparente, verantwortungsvolle Praktiken für die Einstellung von KI schaffen“, sagte Sarah Franklin, CEO von Lattice. „Deshalb wollen wir die Ersten sein, die einen KI-Mitarbeiter durch die gleichen Schritte wie einen menschlichen Mitarbeiter gehen lassen – Onboarding, Zielsetzung, Feedback erhalten -, um die Herausforderungen zu erkennen, die wir mit dem KI-Personal haben werden, und um praktische Lösungen für unsere Kunden zu entwickeln.“

Es gehe darum, wie Menschen mit KI zusammenarbeiten, die als Kollege oder Kollegin gelten sollen. Sie sollen wie das menschliche Personal geführt werden, was letztlich auch heißt, sie als „Personen“ zu betrachten, zu überwachen, ihre Leistung zu kontrollieren und sie verantwortlich zu machen: „Die Lattice-Plattform … wird sie in Organigramme einfügen, damit Teams und Abteilungen wissen, wo sie sitzen und warum; sie wird diese Mitarbeiter einarbeiten, um sicherzustellen, dass sie ihre Rollen und die Marken ihrer Arbeitgeber verstehen, und ihnen die für ihre Rollen erforderlichen Schulungen anbieten. KI-Mitarbeiter werden Manager haben und über die Plattform von Lattice für bestimmte Ziele und Standards verantwortlich gemacht, so dass Arbeitgeber ihre Leistung wie bei jedem anderen Mitarbeiter messen und bewerten können.“

Man fragt sich allerdings, ob die neuen KI-Kollegen gefeuert werden und sich dann mit ihrem angesammelten Wissen bei einem anderen Unternehmen bewerben können, ob sie Urlaub erhalten und Lohnerhöhungen, wie es im Krankheits- bzw. Pannenfall aussieht etc.  Man sieht schnell, dass sich KI-Personal, wenn man überhaupt davon sprechen will, deutlich vom menschlichen Personal unterscheidet. Ihr Dasein als Angestellte ist Simulation, aber für das menschliche Personal dürften im Unterschied vorerst noch zum Management die als Mitarbeiter propagierten „KI-Kollegen“ vor allem Vorboten ihrer eigenen Überflüssigkeit darstellen – als Konkurrenten also, denen man nicht über den Weg trauen kann. Zudem wird die Arbeit schon oft und zunehmend mehr von KI-gestützten Programmen oder Algorithmen als von Vorgesetzten bestimmt, die nur noch Human on the loop sind.

„Die Behandlung von KI-Agenten als Angestellte missachtet die Humanität der wirklichen Angestellten“

Schon drei Tage nach der Meldung nahm Lattice die Entscheidung wieder zurück, berichtet Fortune.  Es hatte einen Aufschrei und große Empörung über die Gleichstellung im Internet gegeben. Den Maschinensturm hatte man wohl nicht vorausgesehen, vermutlich löste er Angst vor geschäftsschädigenden Konsequenzen aus.

So verurteilten auch Kollegen wie Sawyer Middeleer von der KI-Verkaufsplattform Aomni den Vorstoß. Er schrieb Franklin in einem Kommentar: „Die Behandlung von KI-Agenten als Angestellte missachtet die Humanität Ihrer wirklichen Angestellten. Schlimmer noch impliziert dies, dass Sie Menschen einfach als ‚Ressourcen‘ betrachten, die optimiert und mit Maschinen vergleichen werden.“ Das ist aber eigentlich Alltag, der von Middeleer damit bschönigt wird.

CEO Sarah Franklin erklärte in einem Update: „Diese Innovation löste eine große Diskussion und Fragen aus, die noch keine klare Antworten haben. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit unseren Kunden über die verantwortliche Verwendung von KI, werden aber digitale Angestellte im Produkt nicht weiter verfolgen.“

Mehr war nicht zu hören, dafür versucht Fortune, das über den Rückzug berichtet hatte,  im weiteren Verlauf des Artikels Ängste zu beschwichtigen, dass KI massenhaft menschliche Arbeitsplätze vernichten könnte. Franklin hatte Kritikern noch erwidert, dass sie nicht die „Personifizierung der KI“ vertrete, bezog sich aber auf personalisierte KI-Agenten wie Devin, den Ingenieur, Harvey, den Anwalt, oder eben Piper, den Sales Agent. Zudem hatte sie auf Probleme hingewiesen, die mit der Integration von KI in die Arbeitsabläufe entstehen werden.

Dabei ist es eigentlich egal, ob die KI nun personalisiert ist oder nicht, ob sie von der Personalabteilung als „KI-Angestellte“ verwaltet oder nur als zusätzliches Mittel eingesetzt wird, um die Effizienz des Personals zu steigern und vielleicht die KI manche Jobs übernehmen zu lassen. Das passiert meist im Stillen und ist auch ein gewohnter Prozess, den man seit Aufkommen der Maschinen kennt, die Produktivität steigern und Menschen Arbeitsplätze wegnehmen. Die Personalisierung, die Vorstellung der KI als gleichrangiger Kollege, hat das Fass zum Überlaufen gebracht und Abwehr provoziert, die symbolisch bleibt, wenn sie die laufende Integration der KI in die Arbeitsabläufe nicht thematisiert.

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14 Kommentare

  1. Genauso laufen die Hungerspiele, man füttert an, wartet ab und Dan realisiert man das.
    Unser globale Feind China, Russland oder andere Staaten…,sind schon weiter.
    Also die US generierten Modelle sind schon unter ferner liefen.
    Jede so tolle mediale Vorstellung, benötigt eine gravierende funktionierende Stelle, Logistik!
    So lange die logistischen Wege nicht erschlossen sind, solange bearbeiten uns die Informationen.
    Die sog. Zeitenwende benötigt die Infrastruktur, nur wer wird in der multipolaren Ordnung die beste Lösung anbieten?
    Der jetzige Krieg in der Ukraine stellt besonders hervor, wer in der Logistik in Führung steht! Dann kommt die Produktionsleiste über verfügbare Ressourcen und ihrer Nachhaltigkeit, lach…
    Künstliche Intelligenz ist menschliche Intelligenz, verwandelt in künstlich, aber wie beschrieben, benötigt jede Ware einen Transport Weg. Der letztlich stattgefundene Update eines US Anbieters verursachte einen weiträumigen Ausfall. Dieser Ausfall kostet den Konsumenten wieviele Milliarden?
    Diese Abermilliarden zur KI wird durch den Konsumenten getragen, d.H.,daß der zahlende Idiot sich selbst ins Jenseits verfrachtet. Wie dumm können Menschen heute sein?
    Antwort: sehr dumm!
    Die Gier frisst das menschliche Dasein auf, es lebe der Ego und die Dummheit daraus aus. Die Dummheit ist weiter verbreitet, als das sich manch intelligenter zuschreibt..

  2. Wenn die KI’s, die Eliten, die Chef’s, das Militär, die Politiker, die Gerichte und das Bargeld ersetzen kann man von einer weiter Entwickelung der Menschheit sprechen.
    Ansonsten ist es der alte Wein in den neuen KI-Schläuchen, auch bekannt als die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.

  3. Was KI kann: banale Bullshit-Jobs im Management ersetzen
    Was KI nicht kann: die Jobs der tatsächlichen Leistungsträger ersetzen
    Wo das Problem ist? Erstere werden natürlich den Teufel tun, sich auf diese Weise selber zu beseitigen und tyrannisieren letztere dann konsequent mit diesem Mist, auch wenn das überhaupt keinen Sinn macht.

    1. Wenn alle, die Jura studiert haben, mit KI ersetzt und dies als Bullshit-Jobs benannt werden, wenn alle Journalisten, die studiert haben, als Bullshit-Jobs bezeichnet, alle Architekten, Ärzte, Apotheker …. dann stimmt etwas nicht.

      Und wenn die gesamte Beschwerdekultur/Reklamationen bei Firmen mit KI ersetzt wird, die nur noch abweisen und abwimmeln kann, wenn man nirgends mehr menschliche Unterstützung bekommt, können wir das menschliche Leben gleich einstampfen und die KI mit der KI arbeiten lassen.

      Einige wenige menschliche Partizipantisten ziehen sich dann auf Jachten und Inseln zurück und lassen sich von der KI bedienen. Aber das sind vielleicht 500.000 Personen, die anderen 8-9 Milliarden Menschen braucht es dann nicht mehr.

  4. Mal ein Schwank aus meinem Leben, aus der Zeit, als die „EDV“ gerade in der Produktion angekommen war. Da habe ich ein Programm geschrieben, welches dann gleich sechs Arbeitsplätze ersetzte. Au backe, ist jetzt der Betribsrat auf mich sauer?
    War er nicht. Die IG-Metall sei nicht die Gewerkschaft, die Heizer auf der Elrektrolok fordert (was in England vorgekommen war). Es sei in der Produktion immer das Hemd zu kurz und der Gürtel zu eng und man könne die Kollegen anderswo einsetzen. Überdies sei das Bisherige Sklavenarbeit gewesen.
    Als IG-Metall-Vertrauensmann lehne ich erst mal das Maschinenstürmertum ab. Welches ich bei diesen Kritikern heraushöre. Man wird das probieren müssen und die KI kann sehr wohl in der Lage sein, Redundanzen zu vermeiden und Sklavenarbeit zu reduzieren. Negative Auswirkungen sind natürlich nicht auszuschließen, aber man m uss sie kennen, um etwas dagegen zu tun.
    Praxis, Erkenntnis, wieder Praxis, wieder Erkenntnis. So geht’s.

    1. Lass mal den Schwachsinn_C von DeepL überprüfen, wenn du uns das sammeln von Pfandflaschen als eine Befreiung verkaufen willst.

    2. Unter der Voraussetzung, dass diejenigen, die neue Technologien einsetzen, diese menschenwürdig einsetzen, stimmt das. Doch stimmt diese Voraussetzung überhaupt?

  5. Wer meint, dass KI nur „Sklavenarbeit“ ersetzt, hat von der KI (und auch von der IT) nicht viel verstanden oder streut Sand in die Augen!

    Die IG Metall hat vor 20 Jahren auch noch alle damit beruhigt, in China werde ohnehin nichts von hoher Wertschöpfung produziert… Haha und bitter: Wo stehen wir heute?

  6. Immer die gleiche Salamitaktik. Erst wird ein Vorstoß gemacht. Bei Gegenwehr wird er zurückgekommen, um ihn dann doch heimlich wieder vorzunehmen. Irgendwann ist dann das Angestrebte Realität und alle akzeptieren es – bis auf wenige Rebellen. So läuft das. Ich prophezeie mal, dass bis 2040 60% der jetzigen menschlichen Arbeitsplätze durch KI, Roboter und Computer, sowie andere Maschinen ersetzt werden. Die freigesetzten Menschen werden dann in Ehrenamt gezwängt oder in prekären Beschäftigungen enden. Eine kleine Elite wird sich dumm und dämlich verdienen. Und die Gewerkschaften werden keine Rolle mehr spielen. Vielleicht noch ich auch noch zu optimistisch. Es könnten auch 80% sein.

  7. Nun … in der Eigenschaft eines politischen Superindendeten der rein konzernorientierten Machtpolitik wäre es mir gar nicht mal unangenehm, wenn die eine oder andere KI die Schmutzarbeit machen würde, die ich sonst selbst zumindest beauftragen, wenn nicht, noch unkomfortabler, selbst erledigen müsste. Die KI würde das völlig diskret erledigen, ohne dabei unübersehbare Spuren zu hinterlassen.

    Beispielsweise sind verschiedene Personalien im Machtapparat unserer finanzkonzernspezifisch diktierten Parteienlandschaft bis über beide Segelohren offenbar in irgendwelche multimilliardenschwere Finanzskandale verstrickt, ohne dass ihnen das im Mindesten schadet, so lange sie an der Macht bleiben und weit darüber hinaus bis an ihr Lebensende.

    Demgegenüber könnte ein massiver KI-Einsatz im Regierungsauftrag dazu beitragen, dass erst gar nicht der Verdacht entsteht, dass es überhaupt jemals derartige Zusammenhänge gegeben hat, anlässlich derer Steuergelder in zweistelliger Milliardenhöhe unterschlagen wurden. Jede KI würde sich glücklich schätzen, derartig effizient betrügerisch tätig zu werden, ohne dafür jemals zur Verantwortung gezogen zu werden. Eine KI trägt schließlich keine Verantwortung, weil sie in der Regel von profitgeilen, psychopatischen Irren beauftragt wird und es ihr daher im Gegensatz zu ihren Auftraggebern, sofern einmal entsprechend vorprogrammiert, nicht möglich ist, zwischen Hui und Pfui zu unterscheiden. Wir werden es noch erleben oder vielleicht auch nicht.

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