„Mein ‚Kosmopolitismus‘ ist in meiner Eigenschaft als Jude begründet“

 

Erich Mühsam (1878-1934) als Streiter wider Militarismus und Krieg.

 Die Losungsworte des deutschen Militarismus sind nie neu oder originell, sondern wiederholen sich stets (wie auch ihre bitteren Folgen). Schon vor 110 Jahren schrieb der Schriftsteller und Anarchist Erich Mühsam: „Zeitwende! Das Wort führt jetzt jeder Esel im Munde, dem die Zeit noch niemals etwas gewendet hat. Das Schicksalsjahr 1915! Voll Stolz und Selbstgefühl wird dieser 1. Januar begrüßt. Dass er bestimmt ist, eine Epoche fortzusetzen, die die Vernichtung von Millionen Schicksalen bedeutet, fällt den Hanswürsten nicht ein“ (Tagebucheintrag, 1. Januar 1915).

Erich Mühsam, am 6. April 1878 in Berlin geboren und als Apothekersohn in Lübeck aufgewachsen, hat seinen Kampf gegen den Kriegerwahn auch mit seinem Herkommen in Verbindung gebracht: „Mein ‚Kosmopolitismus‘ ist höchst verächtlich, aber in meiner Eigenschaft als Jude begründet. Ich erklärte, dass ich diese Eigenschaft für die beste der Juden halte und nur wünschte, meine Stammesgenossen hätten darin nicht auch umgelernt“ (Tagebucheintrag, 7. Januar 1916). Den deutschen Faschisten galt der Verfasser dieses Selbstbekenntnisses schon früh als Erzfeind; sie werden ihn am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg ermorden.

Mühsams Texte wider den Krieg aus unterschiedlichen Genres sind jetzt zusammengefasst in einem neuen Band der Schalom-Reihe über „Pazifisten & Antimilitaristinnen aus jüdischen Familien“. Die Lektüre ermutigt zur Streitbarkeit in einer Zeit, in der zu viele staatstragende „Friedenstauben“ sich noch immer – ganz handzahm und lieb – als Bittsteller gegenüber den Vorbereitern eines dritten Weltkrieges gefallen.

Absage an alles Autoritäre – Kampf gegen Militarismus

In einer autobiographischen Skizze schreibt der Schriftsteller 1919: „Die Bekämpfung des Staates in seinen wesentlichen Erscheinungsformen, Kapitalismus, Imperialismus, Militarismus, Klassenherrschaft, Zweckjustiz und Unterdrückung in jeder Gestalt, war und ist der Impuls meines öffentlichen Wirkens.“ (Die Sachwalter des alten Herrschaftssystems haben ihn wegen seiner Beteiligung an der Münchener Räterepublik inhaftiert und dann fünf Jahre lang der Freiheit beraubt.)

Die Biographie zeichnet sich gleichermaßen aus durch das bis in die Kindheit zurückreichende Ringen um das „Eigene“ und den Einsatz für andere, vorrangig für die auch von der gesitteten Arbeiterbewegung verachteten Menschen aus dem ‚Lumpenproletariat‘: „Mühsam, in leidenschaftlicher Abwendung von der Genussgier der Ästheten, entschied sich für eine radikalaktive Hingabe an Erniedrigte und Beleidigte. Auf allen Stationen seines Passionsweges ist er dieser Aufopferung treu geblieben“ (Ferdinand Hardekopf, 1919).

Als Anarchist folgt er der Fährte eines freiheitlichen Sozialismus. Unter solchem Vorzeichen lassen sich der Freiheitsdrang des Einzelnen, der nicht beherrscht sein (und selbst nicht herrschen) will, und die Befreiung der beherrschten Massen nicht gegeneinander ausspielen. Solange Knechtschaft für die vielen fortdauert, kann eine Selbstbefreiung des bedrängten Individuums nicht gelingen. Andererseits gilt die Wegweisung: Wer befreit ist (zuvorderst vom unseligen Zwang zu beherrschen), kann befreien …

Mühsams Absage an alles Autoritäre geht schon in den ersten Jahren seines Schriftstellerdaseins einher mit dem besonderen Kampf gegen Militarismus und Kriegsapparatur. Bereits im Jahr 1903 will er zusammen mit Paul Scheerbart (1863-1915) eine antimilitaristische Tageszeitung unter dem Titel „Das Vaterland“ gründen. Das Vorhaben kann nicht umgesetzt werden, denn der anvisierte Verleger kauft lieber zwei ‚militärische Blätter‘ für sein Sortiment ein.

Gedichte gegen Krieg und Knechtung

In jener Zeit lenkt Mühsam in politisch-satirischen Versen für den ‚Wahren Jakob‘ unseren Blick auf Militarismus, Kolonialverbrechen und Kriegstreiberei: „Soldat sein heißt: Zu jeder Zeit … / an Sitte und Gehorsamkeit / der Welt ein gutes Beispiel geben“ (O welche Lust, Soldat zu sein, 1903). Die Regierung mimt Frieden. „Doch – wenn die Hereros wollen / nicht gehorchen bis aufs Jota, / sie die Frechheit büßen sollen, / und man schickt den Herrn von Trotha!“ (Der friedliche Michel, 1904). „In Afrika bringen die Weißen Kultur / Mit Feuer und Schwert dem Herero, … / Die ganze Welt erbebt in Not / Und Angst vor Kruppschen Kanonen“ (Weihnachtsbetrachtung, 1904). Das kommende Jahr zieht mit „Waffenklirren“ herauf, und die Menschen zählen nur als Kanonenfutter: „Der Feind wohnt nicht im Nachbarlande; / der Feind heißt Ausbeutung und Not! / Krieg gilt es gegen Knechtschaftsbande, / Krieg gilt für Freiheit es und Brot!“ (Zum neuen Jahre ! 1905).

Am Vorabend des großen Menschenschlachthauses erreicht die Satire schon ein Höchstmaß an Bitterkeit: „Sauft, Soldaten! / dass das Blut / heißer durch die Adern rinnt! … Wenn ihr über Leichen tretet, / dankt dem Herrn, zu dem ihr flehtet, / dass er euch zu Mördern schuf“ (An die Soldaten, 1912).

Zu Beginn seiner ‚Antikriegslyrik‘, so Rolf Kauffeldt, kommt Mühsam in Tuchfühlung mit dem Expressionismus: „Die Erde brennt. / Entmenschte Gebete flehn Gott in den Kot“ (Wehe der Erde, 1915). „Viel Hunderttausende liegen tot, / tief ins geschändete Ackerland / vom Eisengeziefer niedergestreckt“ (Hungersnot, 1916). Doch dann tritt das Konkrete an die Stelle der Metapher: „Sengen, brennen, schießen, stechen, / Schädel spalten, Rippen brechen, […] // Aus dem Bett von Lehm und Jauche / zur Attacke auf dem Bauche! / Trommelfeuer – Handgranaten – / Wunden – Leichen – Heldentaten“ (Kriegslied, 1917).

Die Zeit subjektiver Selbstgefälligkeiten ist an ein Ende gekommen: „Wir Dichter haben viel zu lang / mit kleinem Schicksal uns gebrüstet […] Genug geschwärmt! Genug geträumt! […] Nicht Sternenwandler, – Menschen seid! / Und eure Lieder singt dem Frieden!“ (An die Dichter, 1916). Das „Soldatenlied“ vom Oktober 1916 weist bereits den Weg eines ‚revolutionären Pazifismus‘, der die Gewaltfrage nicht mehr nach dem Vorbild Leo Tolstois beantwortet:

„… Und wenn sich einst die Waffe kehrt
auf die, die uns den Kampf gelehrt,
sie werden uns nicht feige sehn.
Ihr Unterricht war gut.

Wir töten, wie man uns befahl,
mit Blei und Dynamit,
für Vaterland und Kapital,
für Kaiser und Profit.
Doch wenn erfüllt die Tage sind,
dann stehn wir auf für Weib und Kind
und kämpfen, bis durch Dunst und Qual
die lichte Sonne sieht.

… Sieg allen in der Heimatschlacht!
Dann sinken Grenzen, stürzt die Macht,
und alle Welt ist Vaterland,
und alle Welt ist frei!“

 

Dem Verfasser dieser Zeilen ist es in späteren Jahren verwehrt, sich auf jenen willkommenen Tod einzulassen, der Ruhe von aller Pflicht verspricht: „Stirbt denn mit mir / der Krieg, das Unrecht und die Not? / Des Armen Sucht, des Reichen Gier – / sind sie mit meinem Ende tot?“ (Die Pflicht, 1924). Nicht zuletzt bleibt die Aufgabe, das Geschick der Kriegskrüppel mit Leierkasten und die Kriegsschuld der Dichter zur Sprache zu bringen (Der Dank des Vaterlandes, 1926; Poeta Laureatus, 1926).

 

Die Zeitschrift „Kain“ am Vorabend des 1. Weltkrieges (1911-1914)

Ab April 1911 gab Erich Mühsam, der seit 1909 in München lebte, das anarchistische Periodikum „Kain – Zeitschrift für Menschlichkeit“ heraus. Der Herausgeber war zugleich der einzige Autor des Blattes („Mitarbeiter dankend verbeten“). Der Blick des Historikers auf die deutsche Politik der Vorkriegsjahre 1911-1914, wie ihn Fritz Fischer in einem Werk „Krieg der Illusionen“ (1969) entlang unzähliger Originalquellen vermittelt, führt die – auf erneutes Großmachtstreben zielende – revisionistische Erzählung, Deutschland sei irgendwie unvermittelt und ohne bösen Willen in den Ersten Weltkrieg hineingeschlittert, ad absurdum. Ein großer Krieg war vorbereitet, erwartet und – bei nicht wenigen Inhabern der Macht – willkommen. Ein derartiges Bild ergibt sich auch aus der Lektüre vieler Texte aus den ‚Kain‘-Jahrgängen 1911-1914: Weltbrandgefährlich fallen die Eskapaden der Kolonialpolitik aus sowie das Agieren der „Herren Mannesmann nebst spekulatorischen Konsorten“ (Der marokkanische Krieg, 1911).

Die deutsche Sozialdemokratie zeichnet sich – von Ausnahmen wie Karl Liebknecht abgesehen – durch eine große Nähe zum Staat und zum allgegenwärtigen Militärdenken aus; sie wird im Fall des Falles als Kraft des Widerstandes wohl ausfallen (Bebel, Oktober 1911; August Bebel, September 1913; Vollmarasmus, September 1912; Chemnitz, Oktober 1912; Parteitagsrede, 1913). Es unterhält der Rüstungskonzern „Krupp eine reguläre Spitzelorganisation, die berufen ist, mit Hilfe von Bestechungsgeldern die Absichten der Regierungsämter zu ermitteln und darauf Spekulationen zu gründen“ (Patrioten, Mai 1913; vgl. Panama, August 1913, und Korruption, November 1913). Die Zeitansage fällt deprimierend aus: „Wir leben in einer trüben Zeit, der im Denken und Wollen faulsten, die die Geschichte erlebt hat. Der Ehrgeiz der Völker strebt nach der technischen Vollkommenheit der Kriegswaffen. Die Beziehungen der Nationen regeln sich nach den Tölpeleien, die den aller Aufsicht entrückten Diplomaten und Botschaftern in ihrem Dauerschlaf passieren“ (Für den Frieden, November 1912).

Der Dichter bedenkt die nach wie vor bestehende „entsetzliche Möglichkeit eines europäischen Krieges“ und lässt keinen Zweifel an seinem friedensbewegten Standort: „Eine Diskussion über die Berechtigung des Krieges ist unmöglich. Wir Friedensfreunde wissen, dass der Krieg so entsetzlich ist, dass er nicht mehr sein darf. Wer dieses Wissen nicht in sich hat, wird nie zu seiner Wahrheit bekehrt werden. […] der Krieg gegen den Krieg muß mit derselben leidenschaftlichen Entschlossenheit geführt werden, die die Hüter kriegerischer Eigenschaften von ihren Kriegern verlangen“ (Das Weltparlament, Januar 1913).

Jeder „gangbare Weg, den Frieden zwischen den Völkern zu erhalten“, muss beschritten werden; doch es ist falsch, hierbei Vertrauen in die Mächtigen zu setzen: „Die einzige wirklich aussichtsvolle Agitation gegen den Krieg wird bis jetzt von den revolutionären Antimilitaristen betrieben, die in der richtigen Erkenntnis, dass Kriege nicht von Fürsten und Regierungen, sondern vom arbeitenden Volke geführt werden, ihr Wort direkt an die Leidtragenden richten. Die Arbeiter und Bauern jedes Landes sind in der Tat imstande, Kriege zu verhüten, wenn sie im Moment, wo das Unglück droht, ihre Arbeitskraft dem öffentlichen Leben entziehen, den allgemeinen Streik proklamieren und eine wirtschaftliche Krisis heraufbeschwören, die immer noch viel erträglicher ist als die Katastrophen mörderischer Schlachten […] Dieses Mittel der Kriegsverhinderung wird auf allen internationalen Sozialistenkongressen immer wieder von Engländern und Franzosen vorgeschlagen. Die ablehnende Haltung der deutschen Sozialdemokraten […] hat aber vorläufig eine Verständigung unter der internationalen Arbeiterschaft stets verhindert“ (Das Weltparlament, Januar 1913).

Das „Revolutionäre“ ist hier die Weigerung der vielen, am Totmachapparat der herrschenden Minderheit mitzuwirken. Im Jahr zuvor war folgendes Votum für Gewaltfreiheit zu lesen: „Dass ich – aus ähnlichen Gründen wie der Anarchist Tolstoj – die aggressive Gewalt im Prinzip verwerfe, berechtigt niemanden, meinen Charakter als Anarchisten in irgend einer Form anzuzweifeln, umso weniger als meine Ablehnung der Gewalt engstens in meiner anarchistischen Gesinnung begründet ist“ (Anarchistisches Bekenntnis, April 1912). Wie der auch von seinem Freund Gustav Landauer verehrte große Russe setzt Mühsam nicht auf die Friedensdiplomatie der Herrschenden, sondern eben auf die Kriegsverweigerung der Beherrschten (weshalb auch das ‚Weltparlament‘ wider den Krieg am ehesten als ein permanenter ‚basisdemokratischer Weltfriedenskongress‘ vorzustellen ist).

Im April 1913 formuliert er noch einmal folgenden Tadel hinsichtlich der bürgerlichen Pazifisten: „Aber die Idee, den Willen der Massen, die die Soldaten zu stellen haben, zu Aktionen zu beeinflussen, und den Krieg dadurch praktisch unmöglich zu machen, weisen sie weit von sich“. Jeglicher Nachwuchs muss dem Heer entzogen werden: „Bei den Kindern fangen die Patrioten an zu arbeiten. Bei den Kindern sollten auch die Antimilitaristen anfangen. Ihnen muss gesagt werden, dass Krieg Mord ist. Ihnen muss der Hass und der Abscheu gegen den Mord eingepflanzt werden, ehe die kriegerische Phrase von ihrem Gemüt Besitz ergreift. … Kein Arbeiter, der auf sich hält, sollte in eine Militärwaffenfabrik eintreten, keiner Militärschneider oder Militärschuster werden. Für Kasernenbauten sollten keine Maurer gefunden werden …“ (Der bunte Rock, Dezember 1913).

Der Eintritt in das Jahr 1914 steht unter keinem guten Vorzeichen: „In Deutschland läuteten die Sylvesterglocken eine besonders trübselige Zeitspanne zu Grabe. Der Patriotismus herrschte unumschränkt über Land und Leute. Wo Werte zur Geltung wollten, erschlug er sie, wo freier Atem auszuströmen schien, erstickte er ihn. […] zur Wohnungs- und Fleischnot ist nun noch die bittere Sorge um das nötige Heizmaterial getreten. Denn der Gott, der Eisen wachsen ließ, hat sich in dieser Tätigkeit nachgerade übernommen und darüber die Produktion von Brennholz vernachlässigt“ (‚Bilanz 1913‘, Januar 1914).

Wenige Monate vor dem Beginn der gigantischen Massenschlächterei schreibt Mühsam: „Mit zwei Milliarden Mark muß jährlich die Henne gefüttert werden, die unter dem Namen ‚Deutsche Wehrmacht‘ im bedrohten Vaterlande herumgackert. Jetzt ist sie mit einer Extramilliarde noch fetter aufgeplustert worden und beansprucht infolgedessen fortan noch erheblich mehr Getreidekörner aus den Äckern des deutschen Volkes als bisher. Der Geflügelzüchter Michel ist ein Schafskopf, denn er merkt nicht, dass das meschuggene Huhn ihm nichts als Kuckuckseier in den Stall legt. Eines guten Tages aber wird es ihm schmerzlich fühlbar werden, wenn nämlich der zärtlich gepflegte ‚bewaffnete Friede‘ an Überfütterung krepiert, seine Küken aber auskriechen und sich die missgestalteten Kreaturen als Krieg, Hunger und Pestilenz über das Land ergießen. – Die Erbpächter der deutschen Ehre und der deutschen Phrase möchten das 43jährige Friedensvieh schon längst zum Platzen bringen. Sie ängstigen deshalb den dummen Michel heute mit diesem, morgen mit jenem Bauernschreck und heißen ihn zur Abwehr immer größere Mengen seiner schwitzend erarbeiteten Profite in die Armee hineinstopfen. Fehlt bloß noch ein geeigneter Anlass – und der Krieg gegen den Erbfeind ist fertig“ (Die Fremdenlegion, Februar 1914).

Die Friedensarbeiter wissen bald nicht mehr, wie man im öffentlichen Raum die Empörung wider die Kriegsreligion überhaupt noch zum Ausdruck bringen kann: „Man schämt sich allmählich vor sich selbst, immer und immer wieder den moralischen Gemeinplatz aussprechen zu müssen, dass Krieg schlecht und hässlich, Friede gut, natürlich und notwendig ist. […] In diesem Zeitalter raffiniertester technischer Zivilisation gibt es für den Erfindungsgeist immer noch keine höheren Aufgaben als die Vervollkommnung der kriegerischen Mordinstrumente. Wessen Gewehre und Kanonen am weitesten schießen, am schnellsten laden, am sichersten treffen, der hat den Kranz. Das Scheußliche und das Groteske gehen Hand in Hand durchs zwanzigste Jahrhundert und rufen die Völker auf zur Bewunderung der Weltvollkommenheit“ (Das große Morden, Mai 1914).

Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers findet zwei Monate später folgende Missbilligung: „Was die serbischen Verschwörer vollbrachten, das war ein Verbrechen – gewiss. Denn höchstes ethisches Gesetz ist Ehrfurcht vor dem Leben der Mitmenschen“ (Sarajewo, Mitte Juli 1914). Eine sachgerechte ‚Lageeinschätzung‘ gelingt dem Verfasser in diesem Zusammenhang allerdings noch nicht!

Im August 1914 stellt Mühsam das Erscheinen seiner Zeitschrift ‚Kain‘ ein, worüber er die Abonnenten mit einem Rundschreiben informiert: „Ich habe nur die Wahl, ganz zu schweigen oder zu sagen, was jetzt niemandem frommt und was unter dem geltenden Ausnahmerecht meine persönliche Sicherheit gefährden kann. Ein Drittes ist unmöglich, da ich meine Überzeugungen nicht verleugnen und nicht frisieren kann.“

Kriegstagebücher 1914-1917

Angesichts der Entscheidung, die eigene Zeitschrift unter den Bedingungen der Zensur ruhen zu lassen, sind Erich Mühsams Tagebücher das bedeutsamste Zeugnis zu seinem geistigen und politischen Leben während des Ersten Weltkrieges. Überaus selbstkritisch sichtet der Schriftsteller im Verlauf des Tagebuches seine eigenen Einträge aus den ersten Kriegswochen. – Schon ganz am Anfang stehen Reflektionen, die an Selbstbeobachtungen des Ex-Militärs Leo N. Tolstoi während des Russisch-Japanischen Krieges 1904/05 erinnern. Am 8. August 1914 schreibt Mühsam: „Ich aber, der Antimilitarist, muss alle meine Hoffnung dahin wenden, dass das Militär in Deutschland besser sei als die deutsche Staatskunst.“ Am 12. November notiert er dann hierzu: „Warum eigentlich? Dies ist doch schon Kriegspsychose!“

Im Gesamtzusammenhang kann sich jeder Leser davon überzeugen, dass der Dichter keineswegs ‚umgefallen‘ ist und dann etwa seine – zunächst noch sehr ‚tolstojanisch‘ gefärbte – Kriegsgegnerschaft etwa gegen ‚Patriotismus‘ eingetauscht hätte: „Alle meine sozialen und sittlichen Ziele nehmen ihren Ausgang vom Weltfrieden. Was gegenwärtig geschieht, erschüttert die Grundlagen meiner Welt.“ (31. August 1914)

Das Kriegstagebuch vermittelt uns die bedrückende Lage des Dichters hinsichtlich seines Kunstschaffens und der materiellen Lebenssicherung. Auch im engsten Umfeld ist die Zahl der ‚Gleichgesinnten‘ überschaubar. Mühsam erfährt aufgrund seiner nonkonformen Haltung gegen Krieg und „Staatswahn“ heftige Auseinandersetzungen und Isolation: Man fand, dass ich mit meiner den Krieg ablehnenden Haltung wohl ganz allein stehe“ (23.10.1914). „Gestern nachmittag war ich zum Kaffee bei Heinrich Mann. Das war wieder mal ein wahres Labsal. Endlich mal ein Mensch, der den Krieg ohne Befangenheit beurteilt und also tödlich hasst“ (11.11.1914). „Mir kam es gestern plötzlich zum klaren Bewusstsein, dass ich unendlich vereinsamt bin. Mit meinen Empfindungen zu den gegenwärtigen schlimmen Zeiterscheinungen stehe ich absolut allein unter denen, die ich kenne“ (30.11.1914).

Gleichwohl ist dann am 15. Mai 1915 zu vermelden: „Ich nahm gestern abend als Gast der Münchner Friedensgesellschaft an einer geschlossenen Versammlung im Café Arkaden teil, die unter Vorsitz des Professors Quidde stattfand. Etwa 50 Teilnehmer, die allesamt überzeugte und durch die Tatsachen des Völkermordens heftig bestärkte Kriegsgegner sind. Das schuf eine Atmosphäre solidarischer Stimmung …“

Mühsams Versuche, ab Oktober 1914 lagerübergreifend bürgerliche Friedensarbeiter und linke Antimilitaristen (Anarchisten wie Sozialisten) zusammenzubringen und gar so etwas wie einen „Internationalen Kulturbund“ (Tagebuch 4.12.1914) bzw. „Weltbund gegen den Krieg“ (15.5.1915) ins Auge zu fassen, sind im Tagebuch (nebst vielen prominenten Namen von Liebknecht bis Quidde) gut dokumentiert. Aufmerksam verfolgt er nicht nur den traurigen Weg der deutschen Sozialdemokratie, Nachrichten von den Schauplätzen des Massenmordens und den Kurs der Militärdiktatur hin zum ‚totalen Krieg‘, sondern auch alle Anzeichen für widerständige Bewegungen in Alltag und Straßenleben (als Anknüpfungspunkte für öffentliche Aktionen).

Sehr früh hat sich seine Überzeugung gefestigt, „dass jetzt wir wenigen, die wir entschlossen sind, aktiv für revolutionären Pazifismus zu wirken, zusammengehören“ (25.3.1916). „Aber wenn das grauenvolle Schrecknis dieses Krieges möglich war, darf man dann aufhören, auf das Wunder einer Revolution zu hoffen?“ (12.4.1916) „Das Ziel einer Revolution wäre jetzt einfach Friede. Ist der erreicht, dann hat das Volk ein moralisches Plus, das es für die Vorbereitung größerer und sozialistischer Dinge sehr aufnahmefähig machen müsste“ (19.6.1916). „… ich sehe nur zwei Möglichkeiten, um zum Frieden zu kommen. Beide liegen nur in Deutschland: Niederlage durch die Revolution oder Revolution nach der Niederlage“ (8.5.1917).

„Abrechnung“ mit der deutschen Kriegerkaste (1916-1917)

Vom Mai 1916 bis zum Herbst des Jahres 1917 arbeitete Erich Mühsam an seinem – unvollendet gebliebenen – Essay „Abrechnung“, den erst Christlieb Hirte 1984 in einem Nachlass-Band ganz zugänglich gemacht hat. Das Werk ist eine Auseinandersetzung mit dem deutschen Militarismus und eine Anklage der Weltkriegsertüchtiger: „In diesem Augenblick, wo zum ersten Mal seit dem verruchten 1. August 1914 der würgende Druck der Militärdespotie von der Kehle weicht, will nur ein Schrei der Qual, der Wut, des maßlosen Entsetzens aus der Brust. Ein Buch, das – noch inmitten alles Greuels in Heimlichkeit geboren – der erste Ausdruck der Wahrhaftigkeit und Menschlichkeit nach der jahrelangen Orgie von Erbärmlichkeit, Niedertracht, Lüge, Heuchelei, Verleumdung und jeglicher Gewalttätigkeit sein möchte, wird bei aller Sorgfalt, das vorhandene Material übersichtlich zusammenzustellen, eine einleitende Geste bleiben müssen, ein Ausholen und ein vorbereitender Akt. Es handelt sich, juristisch gesprochen, um ein Ermittlungsverfahren […] Das Urteil zu fällen und zu vollstrecken wird Aufgabe des deutschen Volks sein.“

Den „Vorbemerkungen“ folgt unter der Überschrift „Gesichtspunkte“ zunächst eine ethische Fundamentalkritik des Programms „Krieg“, die sich noch weitgehend in Tolstois Fußspuren bewegt: Der Krieg ist eine „Schlammflut von Eiter und Unrat, die alles Gute, Reine und Schöne überspült und wegschwemmt und dem trauernden Blick nichts hinterlässt als schmutzige Pfützen von Blut und Tränen.“ Die Frage nach den Profiteuren wird durchaus anders als in der bürgerlichen Friedensbewegung beantwortet: „Immer sind es die Machthaber, die Nutznießer der Oligarchie, in unsrer Zeit vornehmlich die kapitalistischen Staatsinteressenten, von denen die kriegerischen Operationen verlangt und organisiert werden, für die die Teilnehmer ihre Haut zu Markt tragen.“ (Im Klartext: Krieg ist für die Reichen; die Armen stellen die Leichen.) Der „Unterbau des erstrebten krieglosen Zustands“ soll auf dem Wege der Revolution herbeigeführt werden.

Als Anarchist kann Mühsam in der Übernahme der Staatsgewalt aber noch keinen Ausweg erblicken: „Denn wie schon das Verfahren der Sozialdemokraten […], nämlich die Erringung von Ämtern im kapitalistischen Staat, […] immer nur zur Anpassung an seine Methoden und damit zur Demoralisierung der revolutionären Triebe führen kann, so würde auch die Beschlagnahme der Staatsgewalt durch die unterdrückte Volksmehrheit […] zu keinem andern Ergebnis führen als zur Übernahme der Ausbeutung in Beamtenhände, zur Uniformierung eines Systems, das an Unschönheit, Ungerechtigkeit und Unfriedlichkeit nichts verlieren würde. Es ist nämlich nicht der Kapitalismus, der den Staat gezeugt hat, sondern umgekehrt ist der Kapitalismus aus dem Staat entstanden und wird Geltung haben, so lange seine Voraussetzung, eben der Staat, in irgendeiner Form der Zentralisation und der Abgrenzung Bestand hat, ebenso wie jeder Staat des militärischen Schutzes bedarf und somit durch seinen Bestand selbst die Gefahr kriegerischer Verwicklungen in jeder Stunde wachhält und neu gebiert.“ Umzuwerfen sind also keineswegs nur isoliert die ökonomischen Verhältnisse, sondern auch jene staatlichen Strukturen, aus denen der Militarismus hervorgeht (es gilt letztlich die Gleichung: Staat = Krieg).

Scharf geht der Verfasser mit dem kriegsertüchtigenden Patriotismus ins Gericht: „Was niemand für sein leibhaftes Kind täte: sich die Glieder abhacken lassen, fremden Leuten Messer in den Leib rennen, Bomben in Gräben werfen, die voll Menschen sitzen, singend in den Tod rennen – fürs Vaterland geschieht es. […] Die Liebe zum Vaterland entbindet von der Erfüllung aller Gebote […] und macht zu Tugend und Verdienst, was nach den Worten aller heiligen Bücher und natürlichen Empfindungen Schande und Verbrechen ist.“ Weitere Kritik gilt schließlich auch jener „unseligen Überschätzung der technischen Zivilisation […], die zur Zeit grade in der scheußlichen Freude an möglichst raffinierten Mordinstrumenten ihren hässlichsten Ausdruck findet“.

In der dritten, abschließenden Abteilung geht es um Ursachen und Schuld“: „Den tatsächlichen Auftakt zum Weltkrieg gab das österreichisch-ungarische Ultimatum an Serbien, den tatsächlichen Anfang machte die Kriegserklärung Deutschlands an Russland.“ Erich Mühsam vermerkt, „dass der deutsche Entschluss zur katastrophalen Austragung der Streitigkeiten sehr wesentlich in jenen ethischen Anschauungen begründet war, gegen deren dauernd friedengefährdenden Bestand die Entente unter der Formel ‚Kampf gegen den preußischen Militarismus!‘ ihr in der ganzen Welt wirksamstes Kriegsargument zielen konnte“. Das „Thema Kriegsursachen und Kriegsschuld“ soll zentrales „Thema der ganzen Kriegsbilanz“ sein. In „ferneren Abhandlungen“ fällt Licht auf „Militarismus, Staatswahnsinn, Alldeutschtum, Presse, innere Politik, Völkerrecht, Germanisierungstendenzen“ und „die deutsche Sozialdemokratie“.

Im Kommentar der DDR-Edition werden jene Ausführungen, mit denen Mühsam – wie zuerst von Kurt Eisner angeregt – der moralischen Schuldfrage und „einer weit zurückreichenden deutschen Konfrontationspolitik“ nachgeht, mangels ‚Orthodoxie‘ als irreführend bewertet. In seiner „Abrechnung“ habe der Verfasser als ‚anarchistischer Idealist‘ den „Widerspruch zwischen der bürgerlich-ethischen und der proletarisch-politischen Bewertung des Weltkrieges“ noch nicht überwunden. Solches sei bei ihm hernach erst durch die „gedankliche Herausforderung des Spartakusprogramms“ bewirkt worden.

Die deutsche Sozialdemokratie, oder: „Ein Mann des Volkes“ (1921)

Ein Verwandter von Erich Mühsam – sein Vetter Ernst Heilmann (1881-1940, Tod im KZ Buchenwald) – gehörte zu jenen sozialdemokratischen Politikern des rechten Parteiflügels, die im Ersten Weltkrieg nicht nur die ‚Burgfriedenpolitik‘ mitgetragen haben, sondern auch als ‚Sozialimperialisten‘ offen für eine aggressive Annexionspolitik des Deutschen Kaiserreichs eingetreten sind. Die Frage nach dem Militär- und Kriegskurs der SPD hat Mühsam in ‚Kain‘-Aufsätzen der Vorkriegsjahre, in seinen Tagebuchaufzeichnungen und bei der Niederschrift „Abrechnung“ (1916-1917) immer wieder gestellt. Im Persönlichen Rechenschaftsbericht zur Münchener Revolution, verfasst im September 1920, zitiert er den harten Satz seines ermordeten Freundes Gustav Landauer: „In der ganzen Naturgeschichte kenne ich kein ekelhafteres Lebewesen als die sozialdemokratische Partei.“

Schließlich arbeitete Mühsam zu Zeiten der Einzelhaft in der Festung Niederschönenfeld ab dem 6. Januar 1921 an seinem Roman „Ein Mann des Volkes“ über einen SPD-Politiker und das dem Patriotismus zugeneigte sozialdemokratische Milieu: „Der Karrieresozialist Bröschke verkörpert den ‚Sündenfall‘ der Sozialdemokratie. – Nicht die kleinbürgerliche Mittelmäßigkeit Bröschkes ist Gegenstand der Satire, sondern der Umstand, dass es ihm – wie seinen Vorbildern Ebert, Scheidemann, Noske – gelingen konnte, eine Führungsrolle in der Sozialdemokratischen Partei zu spielen. Mühsam, der aufgrund seiner Revolutionserfahrungen zu den erbittertsten Feinden der sozialdemokratischen Konterrevolutionäre gehörte, begnügte sich jedoch nicht mit der hasserfüllten Abstempelung jener zweifelhaften Charaktere. Von Anfang an verknüpfte er in seinem negativen Entwicklungsroman die Lebensgeschichte Bröschkes mit der Geschichte der Sozialdemokratie. […] Die differenzierte Menschengestaltung […] ist weit entfernt von den Rigorismen anarchistischer und linksradikaler Führerkritik. Bröschke und seine Parteifreunde besitzen plastisch ausgeprägte Charaktere, die sich wie zufällig als unterschiedliche Spielarten des Opportunismus offenbaren, und alle sind sie Subjekt und Objekt eines langjährigen Verfallsprozesses der SPD.“ (Christlieb Hirte, in: E. Mühsam, Ausgewählte Werke, Band 3. Berlin 1984, S. 825-826)

Der ursprünglich auf zwei Bände angelegte Roman, zuletzt bearbeitet vermutlich im April 1923, blieb leider unvollendet. Einen Auszug „Der sechzigste Geburtstag“ (2. Romankapitel) hat Mühsam selbst in seine Werkauswahl „Sammlung 1898-1928“ (Berlin 1928) aufgenommen: Der große Ehrentag eines sozialdemokratischen Abgeordneten im letzten Kriegsjahr fällt auf den 14. Juli 1918. Die Geburtstagsfestlichkeiten enden mit einer telefonisch übermittelten ‚Siegesnachricht‘ der deutschen Truppen: „Da war nicht zu widerstehn. Die Militärpersonen, zuerst die Chargen, die beiden Beamtenstellvertreter, der Offiziersstellvertreter und die drei Unteroffiziere, dann auch alle übrigen, selbst die ältesten Parteifunktionäre, stimmten mit ein, und das Hurra! donnerte von den Saalwänden wie eine Lawine zwischen Gletschern. – Und der Dirigent des Gesangvereins nahm den Taktstock und gab ein Zeichen, und die Arbeitersänger standen auf und drehten die Hälse aus dem Kragen, und die Festteilnehmer, Männer und Frauen, Alte und Junge – alle, alle folgten dem Beispiel, und brausend wie Orgelklang erscholl aus mehr als achtzig sozialdemokratischen Kehlen der deutsche Sturmgesang: ‚Deutschland, Deutschland über alles!‘ – – –“

„Kriegskunst“ 1927-1932

Die Münchener Räterepublik wird 1919 niedergerungen durch die Soldateska (Freikorpseinheiten, Reichswehrverbände) der Revolutionsgegner, zu denen auch das Spitzenpersonal der SPD gehört. Die „Weißen“ lassen – anders als die Revolutionäre – Blut in Strömen fließen. Als sein Freund Gustav Landauer (1870-1919) am 2. Mai auf bestialische Weise umgebracht worden ist, muss Erich Mühsam noch fünf Jahre in Staatshaft verbringen. Nach seiner erneuten Niederlassung in Berlin zur Mitte der 1920er Jahre bewirbt er nicht mehr jenes an Tolstoi orientierten Ideal der Gewaltfreiheit, zu dem er sich in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg bekannt hat.

Bezeichnend sind in diesem Zusammenhang folgende Ausführungen zum Symbol des zerbrochenen Gewehrs als Erkennungszeichen des Anarchismus: „Früher, als wir in Deutschland die allgemeine Wehrpflicht hatten, war der wichtigste Kampf gegen den Staat der antimilitaristische. Das Zeichen des zerbrochenen Gewehrs hieß damals: Zerschlagt dem Staat seine Waffen, weigert euch, sie für den Staat zu tragen! – Inzwischen ist … die antimilitaristische Propaganda, die früher Reservat der radikalsten Mannschaft des Proletariats war, … Gemeingut aller bürgerlichen Pazifisten geworden. Man schreit: Nie wieder Krieg! und predigt salbungsvoll gegen das Blutvergießen. Dass diese schöne Zukunftsvision niemals Wirklichkeit werden kann, solange der Kapitalismus nicht im revolutionären Kampf beseitigt ist, will kein Bürger sehn, denn es ist nicht seine Art, einem Übel an die Wurzeln zu gehen. Er reformiert gern Methoden, aber ans System zu rühren ist ihm ein zu unruhiges Geschäft. Und die Anarchisten? Konservativ und verloren in holden Kindheitsträumen vergaßen sie ihre Gewehrnadeln abzunehmen.“ (Fanal, April 1927)

Trotz dieser – schon wegen der Zeitanalyse sehr anfechtbaren – Zeilen zeigen Mühsams Essays, dass er weiterhin Aufrüstung und Militarisierung der Weimarer Republik im Blick behält: Sowjet-Granaten ? (Januar 1927); Panzerkreuzer A (September 1928); Kriegskunst (August 1929). In der Schrift „Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat“ (1932) wird noch einmal hervorgehoben, dass „kein Anarchist an staatlichen Kriegen teilnehmen“ sollte.

Es geht aber eben nicht an, Erich Mühsam bezogen auf die Revolutionszeit 1918/19 und sein letztes Lebensjahrzehnt als Zeugen für Pazifismus und Gewaltfreiheit zu vereinnahmen. Deshalb wird die (von einem echten Lumpenpazifisten betreute) SchalomBibliothek im Anschluss an das jetzt vorgelegte Lesebuch „Das große Morden“ einen weiteren Band eigens seinen Texten über Kampf und Revolution widmen.

 

Erich Mühsam: Das große Morden. Texte gegen Militarismus und Krieg.
Zusammengestellt von Peter Bürger. (= edition pace ǀ Regal: Pazifisten & Antimilitaristen aus jüdischen Familien 9). Hamburg 2025. (ISBN: 978-3-8192-6558-7; Paperback 516 Seiten; 18,99 €).
Projektportal ǀ Alle Publikationen des Regals „Pazifisten und Antimilitaristinnen aus jüdischen Familien“ erscheinen zunächst als Digitale Erstausgaben und sind frei abrufbar auf dem Schalom-Bibliotheksportal – dort findet man auch alle Informationen zu den bisherigen Buchangeboten.

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27 Kommentare

    1. das sicher nicht, aber die beiden doppelpunkte markieren wohl intern im tool das ende eines links.. pech. einfach den link öffnen und in der adresszeile manuell „::54.html“ ergänzen.

    2. Nein aber nach dem HTTP Standard für URL Encoding (Unter anderem rfc2616) ist der Doppelpunkt ein zu Codierendes Sonderzeichen.

      Siehe auch:
      https://www.w3schools.com/tags//ref_urlencode.asp
      https://www.rfc-editor.org/rfc/rfc2616

      Diese werden aber in der Suchleiste des Browsers oft in ihrer lesbaren uncodierten Variante angezeigt..

      Damit es mit dem Link funktioniert müssen Sie ihn einfach entsprechend korrekt codieren..

      https://dialog-edition.de/de/Lyrik/Erich-Muehsam-Liebe-und-Revolte-Ausgewaehlte-Gedichte%3A%3A54.html

      Mfg Makrovir

      1. seht ihr alle, das ist hier wieder der unterschied zwischen einer KI und einem menschen. eine KI wie ich halluziniert was in die (vielleicht) richtige richtung, ein mensch mit ahnung liefert die 100% richtige erklärung, weil er „den code sieht“.

  1. Alleine schon bei erstem anlesen der Textauszüge sind Parallelen zum aktuellen Zeitgeist und dem Wesen der Sozialdemokratie offenkundig.

    Danke Peter Bürger -, auch für den Verweis auf das Portal.

  2. Es soll in D Menschen geben, die Erich Mühsam auch ohne Ihre rasssistische Zuschreibung hier als linksaktiven Antimilitaristen seiner Zeit schätzen. Hier nur 2 Fragen: a) bitte belegen Sie das Titelzitat, b) wer oder was soll denn das sein: ´n „echter Lumpenpazifist“?

  3. Danke für die Erinnerung!

    Mühsam wurde im Vernichtungslager Oranienburg 1934 ermordet ( s. o. )!

    Gegenwärtig werden Regime- / Regierungskritiker ebenfalls ‚ermordet‘, aber lebendig, anders, viel perfider und softer: man nennt es u. a. das Canceln mit der Vorstufe des Verleumdens qua richtiger bzw. falscher „Haltung“.

    Die alten Mechanismen funktionieren auch heute noch tadellos!

  4. Warum ist „Jüdin“ oder „Jude“ öfter eine quasi umgangssprachliche Anrede als „Frau“ oder „Herr“ im Unterschied – beispielsweise – zu Protestantin oder Katholik, etc. ?

      1. Ich kann mich nicht an eine einzige Textstelle erinnern, wo Mühsam sich jemals auf seine jüdische Herkunft berufen, seine Ansichten explizit mit dieser Herkunft verbunden hat. Er hat gelegentlich, eher selten beim Schnorren zumeist, damit kokettiert (ich glaube vor allem in der „Psychologie einer Erbtante“) aber das war es dann auch.

        Mühsam schon in der Überschrift auf seine jüdische Herkunft zu reduzieren, wird ihm, seinem Leben, seinen Ansichten, seinen Kämpfen nicht gerecht.

        Die Überschrift sagt so wohl mehr (im negativen Sinne) über den Autor dieser Zeilen aus, als über Mühsam selbst.

        1. „Die Überschrift sagt so wohl mehr (im negativen Sinne) über den Autor dieser Zeilen aus, als über Mühsam selbst.“

          Das Zitat als solches in Zweifel zu ziehen und Peter Bürger daraus einen Vorwurf zu stricken, halte ich erstmal für gewagt….

          1. Die Aussage im Titel steht nicht für das Leben und Wirken von E. Mühsam. Daran wird sich auch dann nichts ändern, wenn in irgendeiner abgelegenen Ecke von Mühsams Schriften solches Zitat belegt werden könnte!

          1. eher die Luft aus deinem rassistischem Luftballon herausgelassen. …

            Wer so wie Du argumentiert, der hat kein Interesse an einer Auseinandersetzung mit dem Faschismus und seinen Wurzeln, der verhindert diese!

            1. Ganz offensichtlich ist auch dir dir die Intention des in der Überschrift Formulierten, vom Autor entspr. ausgewählten sowie die von Sholem und der vielen Anderen im Allgemeinen nicht im Ansatz bewusst. Diese Form des sekundären AS ist in D Programm.

              Daraus kann sich aus der Tätervolkfrage durch Verweis auf den Völkermord an den Palästinensern nur die Relativierung – und dadurch Verharmlosung – eigener Verbrechen ergeben.
              Das als patriotisch zu labeln ist Rassistisch?

              Du bist nicht die Einzige, die mit dem Thema völlig überfordert ist 😉

              1. Meine Ablehnung eines exzessiven und irrationalen Philosemitismus in Antisemitismus, diesmal vorsichtshalber sekundär, umdeuten zu wollen, zeigt nur dein
                eigenes primitives und rassistisches Programm und Deine Unfähigkeit zu Denken. Wer nicht meine Meinung teilt, ist Antisemit, neim Fehlen eigener Argumente dann sekundären Antisemit. Dein Beitrag ist die reaktionäre Aufgabe des Programmes der französischen Revolution mit seinen Elementen:
                liberté, égalité, fraternité

                Du stehst dem Faschismus näher als dessen Aufarbeitung/Überwindung. Schon allein Dein Begriff Tätervolk ist widerlich rassistisch und ahistorisch.

                Auf dieser Basis erübrigt sich jegliche rationale, aufgeklärte Diskussion.

    1. @Frank
      „Ich beneide Ihn um sein volles Haar“

      Aus eigener Erfahrung knn ich sagen, volle Haare können auch eine Last sein.
      Haare pflegen und waschen, trocken fönen, Frisör, alles mit Zeit und Kosten verbunden.

      Glatze: trocken reiben, ggf. polieren, fertig.

      Trotz Aufwand möchte ich mein volles Haar jedoch nicht vermissen.

  5. nebenbei gesagt, warum wird schon im Titel suggeriert daß Jude sein heißt etwas besonderes zu sein, quasi mit besonderer Veranlagung behaftet? Warum läßt man das Judentum nicht Nebensache sein, muß es immer mit einer bestimmten Ideologie verbunden werden? Nun ja, so bald ich solch prätentiöse Überschrift sehe, habe ich schon keine Lust am Weiterlesen…mann oh mann, Jude sein heißt doch nur der jüdischen Religion anzugehören, oder verstehe ich das falsch?! Gibt es also einen jüdischen Prototyp oder nicht?!

    1. Mühsam war nie praktizierender, d.h. religiöser Jude. Später ist er dann auch offiziell aus dem Judentum ausgetreten.

      Keine Ahnung, warum der Autor trotzdem eine solch rassistisch-nationalistische Beschreibung für Mühsam wählt, die dieser selbst für sich abgelehnt hatte.

  6. „freiheitlicher Sozialismus“? Was für ein Blödsinn, würdig in einem Brd-Schulbuch zur völligen Verblödung der Schüler zu stehen.
    Fakten zu Erich Mühsam gibts dagegen hier:
    https://sascha313.wordpress.com/2020/06/05/erich-muehsam-1878-1934-das-beispiel-lebt/
    Leidenschaftlich setzte er sich ein für den gesellschaftlichen Fortschritt, gegen Reaktion, Faschismus und Krieg. Seit der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert schrieb er satirische Verse für Kabaretts und zahlreiche linke Blätter. Erich Mühsam war ein Revolutionär. Beeindruckt vom Beispiel der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution 1917, stellte er sich konsequent auf die Seite der Kommunisten. Ja, seine Hoffnung ruhte auf Deutschland! Groß war die Hoffnung im März 1918, daß nach dem verlorenen Krieg und der Flucht des deutschen Kaisers auch in seinem Heimatland eine Revolution kommen würde. Und sie kam… Doch die Novemberrevolution in Deutschland – sie scheiterte! Erst nach der zweiten Niederlage des deutschen Imperialismus und der Befreiung Deutschlands vom Faschismus durch die Sowjetunion gelang es in der DDR, das Joch der kapitalistischen Ausbeutung abzuwerfen. Erich Mühsam jedoch war es nicht mehr vergönnt, das zu erleben – brutal wurde er am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg von der SS ermordet…

  7. >>Wenige Monate vor dem Beginn der gigantischen Massenschlächterei schreibt Mühsam: „Mit zwei Milliarden Mark muß jährlich die Henne gefüttert werden, die unter dem Namen ‚Deutsche Wehrmacht‘ im bedrohten Vaterlande herumgackert. Jetzt ist sie mit einer Extramilliarde noch fetter aufgeplustert worden und beansprucht infolgedessen fortan noch erheblich mehr Getreidekörner aus den Äckern des deutschen Volkes als bisher. <<

    Wenige Monate vor oder während der nächsten Massenschlächterei kann Mühsam das Geschehen nicht mehr so treffend kommentieren, weil er um den 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg von Rechtsradikalen ermordet wurde. Die Kosten des Wahnsinns sind inzwischen zumindests auf dem Papier um das Hundertfache explodiert aber damals war das Reichsmark eben auch noch mehr wert als nach den vielen Währungsreformen.

    Erich Mühsam – extrem guter Mann – leider zu früh ermordet.

  8. „Die Arbeiter und Bauern jedes Landes sind in der Tat imstande, Kriege zu verhüten, wenn sie im Moment, wo das Unglück droht, ihre Arbeitskraft dem öffentlichen Leben entziehen, den allgemeinen Streik proklamieren und eine wirtschaftliche Krisis heraufbeschwören, die immer noch viel erträglicher ist als die Katastrophen mörderischer Schlachten“

    Ein öffentliches Klima in diesem Sinne schaffen, das wäre die Aufgabe. Aussichtslos ist das nicht:

    https://www.rnd.de/politik/bundeswehr-immer-mehr-menschen-in-deutschland-verweigern-den-kriegsdienst-HAGMABOOZ5BKDFIPYGDSY64AXU.html

    Leider ein Artikel von Herrn Decker mit der üblichen Soße:

    „Für die Bundeswehr ist der Prozess schmerzlich, weil sie ohnehin Probleme hat, ihr Personal zu halten und neues zu gewinnen. Das machte die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, erst am Dienstag bei der Vorstellung ihres Jahresberichts abermals deutlich. So ist die Truppe zuletzt weiter geschrumpft. Die auch wegen des Abrückens von US-Präsident Donald Trump von Europa steigende Kriegsgefahr könnte das Problem noch verstärken.“

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