Mehrzahl der Ukrainer sehen Selenskij im Korruptionssumpf, Wiederwahl ist eher unwahrscheinlich

Präsident Selenskij hat wegen des Korruptionsskandals in der Ukraine einen Vertrauensverlust erfahren, die EU hält weiter an ihm fest. Bild: president.gov.ua/CC BY-NC-ND-4.0

Ein Millionär in der Ukraine ist nicht sonderlich reich, aber im Vergleich zu den normalen Vermögensverhältnissen stellt ein Einkommen von einer Million Hryvnias, etwa 20.100 Euro,  doch einen gewissen Wohlstand dar. In Lviv liegt der Durchschnittslohn bei 29,500 UAH, knapp 600 Euro monatlich. Kürzlich konnte man lesen, dass die Zahl der Millionäre in der Region Lviv „stark angestiegen“ sei.

1655 Bürger haben nach ua.news gegenüber dem Finanzamt erklärt, 2025 ein Einkommen von mehr als einer Million erzielt zu haben. Das sind 538 oder etwa 50 Prozent mehr als 2024. Das soll nach ua.news auf ein „bedeutsames Wirtschaftswachstum“ in der Region hinweisen. Marta Havryshko kommentierte: „Mit einem neuen Darlehen der EU in Höhe von 90 Milliarden Euro hoffen wir auf das Beste für unsere Brüder und Schwestern aus dem Oblast Lemberg – der korruptesten Region der Ukraine. Und übrigens – auch die patriotischste mit dem größten Bandera-Denkmal.“

Man kann nur spekulieren über den plötzlichen Einkommenszuwachs. Zu vermuten aber ist, dass auch ausländisches Geld zur Unterstützung von Staat und Militär durchsickert. Bekannt sind etwa die Luxushäuser, die sich Selenskijs Freunde Mindich und Chernyshov, in Kiew bauen ließen. Nach einer aktuellen Umfrage von Socis gehen die Ukrainer mehrheitlich wohl realistisch davon aus, dass Präsident Selenskij auch am Korruptionssumpf beteiligt ist oder zumindest davon wusste, was er unglaubwürdigerweise jedoch abstreitet.

39 % sagen, Selenskij sei in Mindichs Komplott verwickelt, 29,3 % glauben, dass er davon wusste. Nur 19 % sind der Ansicht, dass er nichts von der Korruption in seinem Umfeld wusste und nicht in den Korruptionsskandal zur Veruntreuung von Geldern im Energiesektor verwickelt war.

30 % der Befragten sprechen sich für ein Korruptionsverfahren gegen ihn aus, 28,4 % meinen, er müsse politisch zur Rechenschaft gezogen werden und dürfe nicht mehr für ein politisches Amt kandidieren. 30 % lehnen eine Strafverfolgung ab und unterstützen seine Teilnahme an den Wahlen.

Entsprechend schlecht sind die Chancen, wenn die wegen des Krieges bislang verschobenen Wahlen stattfinden würden, für die offenbar Vorbereitungen begonnen haben, möglicherweise nur zum Schein. Es wurde eine Arbeitsgruppe in der Rada eingerichtet, David Arakhamia, Fraktionschef der „Diener des Volkes“, sagte, dass neben der Einrichtung von Wahllokalen auch Online-Wahlen vorbereitet würden. Selenskij sah sich auf Druck von Putin und Trump dazu genötigt, der Korruptionsskandal führte zu einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung. Nur die EU scheint dies nicht zu bekümmern, sie steckt weitere 90 Milliarden Euro in das korrupte Land.

Nach der Socis-Umfrage würde Selenskij bei einer ersten Runde der Präsidentschaftswahl mit 22 % knapp vor dem großen Konkurrenten Salushnyi liegen, dem von Selenskij als Botschafter nach London abgeschobenen früheren Oberkommandierenden, der es sich gerade gut gehen lässt am Strand in der Dominikanischen Republik. 24 % sind unentschieden, wenn sie wählen sollten, an dritter Stelle würde mit 16,6 % Jurij Bojko kommen, vom 24. Dezember 2012 bis zum 27. Februar 2014 Stellvertretender Ministerpräsident der Ukraine im Kabinett von Mykola Asarow, früher Partei der Regionen, nach 2014 Oppositionsblock, nach 2018 Oppositionsplattform, der auch Wiktor Medwedtschuk angehörte und die bei der Wahl 2019 nach „Diener des Volkes“ zweitstärkste Partei wurde. 2022 wurde sie verboten, Boijko gilt als „russlandfreundlich“. Abgeschlagen sind Timoschenko, Prytula oder Poroschenko.

Bei einer Stichwahl würden aber die Chancen von Selenkij schwinden. Bei einer Stichwahl würde Saluschnyi mit 64,2 % doppelt so viele Stimmen erhalten wie Selenskij mit 35.8 %.  Unterliegen würde er bei einer Stichwahl auch mit 43,8% gegenüber dem GUR-Chef Budanow mit 56,2 %. Poroschenko hätte allerdings gegen Selenskij keine Chance, auch der rechtsextreme Asow-Gründer Andriy Biletsky und jetzige Brigadegeneral der aus Asow hervorgegangenen 3. Angriffsbrigade würde mit 40,4 % weniger Stimmen erhalten als Selenskij mit 59,6 %, aber daran sieht man auch, wie stark verankert die rechtsnationalistischen Freiwilligenverbände in der Ukraine sind.

Florian Rötzer

Florian Rötzer, geboren 1953, hat nach dem Studium der Philosophie als freier Autor und Publizist mit dem Schwerpunkt Medientheorie und -ästhetik in München und als Organisator zahlreicher internationaler Symposien gearbeitet. Von 1996 bis 2020 war er Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis. Von ihm erschienen sind u.a. „Denken, das an der Zeit ist“ (Suhrkamp 1988), „Die Telepolis“ (1995), „Vom Wildwerden der Städte“ (Birkhäuser 2006), „Smart Cities im Cyberwar“ (Westend 2015), „Sein und Wohnen“ (Westend 2020) oder „Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“ (Bielefeld 2023)
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10 Kommentare

  1. Da kommt mir die Schokoweihnachtskugel wieder hoch, echt jetzt.

    Die verballern die wirtschaftliche Zukunft Europas in diesem schwarzen Loch, völlig unnötig. Oder besser gesagt: Völlig unwirksam. Denn was genau sollen die 90 Milliarden bringen? Vermutlich noch vor Sommer ’26 wird der holde Knabe mit dem nicht lockigem Haar erneut vorsprechen bei der EU, betreffs Geldmangel in der Ukraine. Und wieder wird man sein Land und dessen Bürger freudig beschenken. Das ist doch ein Fass ohne Boden, die sind doch inzwischen völlig pleite und reißen den ganzen Europaraum mit in den Abgrund.

    „Bedeutendes Wirtschaftswachstum“, ich lach mir ’nen Ast mit Tannenzapfen.

  2. Hitler hatte auch mal Wahlen gewonnen, die Verdummungsmaschinerie hat’s gemacht und die ist immer noch erfolgreich, nicht nur in der Ukraine. Sollen die Ukrainer wählen, wen sie wollen, aber meine Familie und mein Leben in Ruhe lassen. Asov, Lemberg, Bandera und Sekenskyj gehören nicht zu meinem Leben, sondern eher zu dem o.g. Wahlgewinner 1933.

  3. „Bei einer Stichwahl würde Saluschnyi mit 64,2 % doppelt so viele Stimmen erhalten wie Selenskij mit 35.8 %.“ —Wunderbar, einfach wunderbar, wie sich die Insassen der Ukraine, allen voran in the ‚capital of freedom‘ Kuihyüv, hier aussuchen dürfen und aussuchen wollen, unter welcher Gallionsfigur sie sich in den kommenden Jahren ins Elend oder ins Heldengrab führen lassen dürfen. Eine Sternstunde der Demokratie! Ach, wie ist das spannend für die öffentlich-rechtlich bestallten Beobachter! Slava Europa, slava demokracija, slava, slava! Слава до смерті!

  4. Zu gerne würde der grüne Clown die Rückeroberung von Kupjansk verkünden und hat kurz vor der Visitation bei Trump eine Massenoffensive gestatet – doch nun sind es Hujlajpole und Mirnograd, die eben erobert wurden, wenn auch anders als genehm.

  5. So lange Selenski bestimmen kann,

    a) ob überhaupt Wahlen stattfinden und
    b) wer kandidieren darf,

    ist das alles eh nur eine Farce, die den scheindemokratischen Lack erneuern soll.

    Keiner in der Ukraine will diesen Wicht überhaupt noch haben. Und daß Putin an allem Schlimmen schuld sein soll, das mit Selenksi über dieses gebeutelte Land kam, glaubt auch keiner mehr. Außer die Macher von Tagesschau & Co.

    Es ist reine Show.

    Btw. So ganz nebenbei kündigt der andere Kasper, der schlechte Napoleon-Verschnitt Macron an, daß er sich Gespräche mit Putin vorstellen könnte – und zerstört damit das mühsam aufgebaute Lügengebilde vom bösen Russland, das trotz all der Friedensgespräche gar nicht verhandeln wolle. Wohlwissend, daß man Moskauer Vertreter nie seitens der EU-Staaten oder der „Koalition der Billigen“ eingeladen hat und daß vor allem die Ukraine jegliche Verhandlungen mit Russland ablehnt. Aber das hat das Publikum von Tagesschau & Co ja auch nie erfahren. Mehr als den Nebensatz „Vertreter Russlands nahmen nicht an den Gesprächen teil“, hat man ihnen nie erzählt.

    Man könnte ja ins Grübeln kommen, was Merz mit „mehr Diplomatie geht nicht“ gemeint haben könnte…

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