Liebe Veteranen – jetzige wie zukünftige

Friedhof
Bild: Pascal Inselrest/Pexels.com

Ihr sollt am 15. Juni mit einer zentralen Feier in Berlin und an vielen anderen Orten der Republik geehrt werden. Und das nicht nur in diesem, sondern zukünftig in jedem Jahr.

Der für Euch zuständige Minister teilt dazu mit, dass es um „die Anerkennung derjenigen (geht), die in letzter Konsequenz bereit sind, das Äußerste für andere zu geben und die ihr Leib und Leben für unser Land einsetzen“.

Sicherlich werden sich viele von Euch positiv angesprochen fühlen, schließlich werden damit gesellschaftlicher Respekt und allgemeine Wertschätzung versprochen – Dinge also, die allgemein hoch im Kurs stehen.

Gleichzeitig ist allen Beteiligten (und auch Euch) klar, dass die öffentlich inszenierte Anerkennung zum jetzigen Zeitpunkt nicht nur Euch und Euren Leistungen der vergangenen Jahre gilt, sondern auf die Zukunft berechnet ist, Stichwort: Kriegstüchtigkeit.

Die deutsche Politik setzt in neuer Art und Weise auf ihr Militär. Die Bundeswehr wird massiv aufgerüstet und es soll wieder mehr Soldaten im ständigen Dienst geben, eventuell sogar die Wehrpflicht in veränderter Form wieder eingeführt werden. Dafür hält man bei den deutschen Vordenkern in Berlin eine Imagekampagne für nötig: Die Armee soll wieder in der Gesellschaft ankommen, wie es so schön heißt.

Nun gut, betrachten wir aus diesem Anlass doch einmal genauer, wofür die bereits existierenden und dann auch die zukünftigen Veteranen dieses Landes anerkannt und geehrt werden.

Selbstloser Dienst

„Ehrentage“ wie den nun zum ersten Mal gefeierten Veteranentag gibt es in unserer „Leistungsgesellschaft“ in der Regel dafür, dass ein Dienst an der Gesellschaft erbracht wird, der sich für die Betreffenden materiell nicht auszahlt.

Schönstes Beispiel ist der Muttertag am zweiten Sonntag im Mai, bei dem Zeit, Kraft, Nerven der mütterlichen Zuwendungen, also eine riesige Portion gesellschaftlicher Gratisarbeit, gewürdigt werden – und zwar in der Form eines persönlichen Dankeschöns, das Ehemann oder Kinder mit einem Sonntagsfrühstück, Fliederstrauß und Pralinenschachtel abstatten.

Wenn dieses Land also nun seine Veteranen, sprich: diejenigen, die schon bisher angefallen sind, und diejenigen, mit denen offenbar für die Zukunft sicher gerechnet wird, einen „Ehrentag“ einrichtet, zeugt das davon, dass Regierung und militärische Führung eines ganz sicher wissen: Der Dienst, zu dem sie ihre Soldaten in der Vergangenheit geschickt haben und zu dem sie künftig die Jugendlichen wieder vermehrt einberufen wollen, zahlt sich materiell offenbar nicht aus. Die eigenen Anzeigen, in denen sich die Bundeswehr der jungen Generation einerseits als eine Art Abenteuerurlaub anpreist und andererseits mit dem Versprechen solider Ausbildungsberufe punkten will, glaubt dieser Verein also selbst nicht. Den professionellen Videos von blonden girls, strammen boys und dem Hauch von Adrenalin zum Trotz: Weder wird man beim „Bund“ reich noch ist es einfach eine „geile Zeit“ – sonst würde der oberste Chef Pistorius den Ehrentag nicht damit begründen, dass „das Äußerste für andere“ zu geben sei.

Eine sonderliche Überraschung ist das zwar nicht, denn jedem, der auch nur eine Sekunde über den Job nachdenkt, den die Gewaltmaschinerie eines Staats macht, kann sich alles Nötige dazu denken. Aber aussprechen will man diese paar Wahrheiten im Land der Meinungs- und Pressefreiheit längst nicht.

Armee: Morden und sterben

Im Krieg müssen diejenigen, die „für andere das Äußerste geben“, Dinge tun, die ansonsten streng verboten und ethisch geächtet sind. Sie müssen Häuser, Dörfer und Städte bombardieren und dabei notwendigerweise den Tod einer ganzen Menge von Soldaten wie Zivilisten verursachen. Sie müssen Staudämme und Pipelines sprengen, Heizkraftwerke und viel nützliche Infrastruktur vernichten – auch das auf Kosten der Bevölkerung des zum Feind erklärten Staates. Und sie müssen – wenn es sein „muss“ – Menschen direkt foltern und töten, Angehörige der gegnerischen Armee oder auch Zivilisten, was im Krieg dann auch schwer auseinanderzuhalten ist, spätestens wenn die eigenen Taten den Widerstand der dortigen Bevölkerung herausfordern.

Nicht zuletzt muss man das eigene Leben willentlich zur Disposition stellen. Auch das gehört zum Job des Soldaten dazu.

Damit die Angehörigen der Armee all das bringen, werden ihnen selbstverständlich Begründungen geliefert. Die besagen vor allem, dass die Ziele des Krieges, in den Regierung und Heeresleitung sie schicken, über allem stehen: Freiheit und Heimat müssen verteidigt werden – worunter man sich die Liebsten zuhause, das Dorf oder die Stadt vorstellen soll, in dem bzw. der man lebt. Keinesfalls einen Staat, der „nur“ irgendwelche geopolitischen Interessen verfolgt und sich dafür mit einigen Staaten verbündet und andere zu seinen Feinden zählt. Man selbst ist im Namen des Guten unterwegs und kämpft gegen „das Böse“ auf der Welt, dessen Name im Augenblick „Putin“ ist.

Als zukünftige Veteranen sollt ihr also ernsthaft glauben, dass ihr mit der Knarre in der Hand, auf dem Panzer oder noch besser natürlich im Kampfjet „unser Land“ (wieviel davon gehört euch eigentlich?) schützt – wie in den besten Hollywood-Filmen oder Online-Kriegsspielen.

Ehrenvolle Kriege?

Und als bisherige Veteranen sollt ihr explizit stolz sein dürfen auf das, was die Bundeswehr bisher geleistet hat.

In Jugoslawien etwa, wo mit Hilfe der deutschen Armee 78 Tage lang ein Land bombardiert und dessen zivile Infrastruktur massiv zerstört wurde, unter anderem mit hochgiftiger uran-angereicherter Munition, die bis heute dort krank macht.
Oder in Afghanistan, wo die Bundeswehr 20 Jahre lang an der Seite der USA und ihres „war on terror“ ein Besatzungsregime installiert und dabei in Kundus für eins der heftigsten Massaker an mehr als hundert Zivilisten gesorgt hat.

Zwar waren beide Kriege völkerrechtswidrig – immerhin der Vorwurf, der heute den Ukraine-Krieg Russlands so unbedingt ins moralische Abseits stellen soll.

Aber die Nation hat mit ihnen endlich ihr spezielles Trauma überwunden: Dass sie aufgrund ihrer unrühmlichen Rolle in Weltkrieg II zu einer eher lumpenpazifistischen Außen- und Sicherheitspolitik verdonnert sei. So etwas ist für ein Land, das auf sich hält, wirklich kaum auszuhalten; darüber konnte auch die Aufrüstung zu einer stattlichen Bündnisarmee im Rahmen von Nato und Kaltem Krieg nicht hinwegtäuschen.

Insofern, liebe ehemalige und zukünftige Veteranen, gebührt Euch in der Tat der Dank des Vaterlandes für die Opfer, die ihr bei anderen angerichtet habt und auch die, die ihr selbst zu spüren bekommt.

Viel Freude also bei Eurem Ehrentag!

PS: Dass die Wahrheit bei einer solchen Veranstaltung auf der Strecke bleibt, ist kein Wunder – aber die kann man auch wirklich nicht verlangen an einem solchen Tag!

 

Renate Dillmann hat vor kurzem bei PapyRossa das Buch: Medien. Macht. Meinung. Auf dem Weg in die Kriegstüchtigkeit veröffentlicht.

Renate Dillmann

Renate Dillmann ist freiberufliche Journalistin. Studium der
Politikwissenschaft und Geschichte an der
Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz; Promotion zur Staatstheorie
von Thomas Hobbes an der Fernuniversität Hagen. Seit vielen Jahren
Lehrbeauftrage an der Evangelischen Hochschule Bochum.
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20 Kommentare

    1. Die Frage ist auch, ob das echt ist und von wo?

      Das könnten Kriegs-Profiteure. Das hört man ja immer wieder, dass sie in Kiew Party feiern und viel Luxus haben, während sie ihre arme Bevölkerung systematisch in den Tod schicken. Bei den Russen gibt es ähnliche Profiteure.

      1. Treffer an militärischen und Infrastrukturanlagen werden die wohl kaum in den Abendnachrichten in Israel zeigen.
        Vielleicht kriegen wir ja bald ein paar (retuschierte) Satellitenaufnahmen davon, beim Iran geht das viel schneller…

  1. Die Frage meines Kumpels in Anlehnung an die heutige Zentralfrage in der Spiegel-Qualitätspresse:

    Marschieren hier die Truppen des >CDU-Lügenvotzenfritz< -Staats?

  2. Soweit ich weiß, war die ISAF-Mission (International Security Assistance Force) nicht völkerrechtswidrig. Manche der Soldaten, z.B. Awax-Besatzungen oder Mechaniker haben allerdings mit Soldaten anderer Staaten ihre Arbeit gemacht, damit auch für Operation Enduring Freedom (OEF) und die war völkerrechtswidrig, da nicht von der UN genehmigt. Ob ISAF nicht doch völkerrechtswidrig war, weil keine Blauhelm-Mission, das weiß ich nicht. Daran sieht man, dass selbst UN-Missionen eher heikel sind. Über die Mission der UN nach dem Erdbeben in Haiti hörte ich z.B. dass die Cholera-Epidemie dort ausbrach, weil von UN-Camps verseuchtes Wasser in die Umgebung gelangte.

    Insgesamt haben die in Afghanistan – Völkerrecht hin oder her – dort 20 Jahre viele Menschen ermordet, die Bevölkerung drangsaliert, um die Taliban mit den Taliban zu ersetzen.

    Ich kenne leider deutsche Afghanistan-Veteranen für die sich der Einsatz gelohnt hat und die dort sehr wahrscheinlich auch Menschen ermordet haben. Das könnte auch mal ein Veteran von Auslandseinsätzen erklären: Sie kriegten einige Zuschläge, glaube das Doppelte und mehr von ihrem üblichen Sold – und sie gehen ja früh in Rente und kriegen die ein Leben lang. Oder Bomber-Piloten gehen auch früh in Rente, nicht so wie Dachdecker, die bis 60 schaffen sollen. Gerade versucht das mit Chatgpt zu validieren, kann man vergessen. Kampfpiloten gingen mit 60 in Rente – nie im Leben.

    Da müssen z.B. Lehrer oder andere Beamte härter für ihre Rente arbeiten. Das sind nämlich auch Mythen. Deshalb ist so ein Job bei der Bundeswehr auch für gewisse Personen so attraktiv: Da kann man nicht nur seine toxische Männlichkeit raushängen lassen oder gar seinen Sadismus ausleben, sondern man kriegt auch eine Menge umsonst, z.B. auch diverse Ausbildungen.

    Der Knackpunkt wäre das Risiko, welches man im Kriegsfall eingeht, nämlich verstümmelt zu werden oder das Leben zu verlieren oder das toxische Arbeitsumfeld und Verträge aus denen man gar nicht so einfach rauskommt. Auch dazu könnte mal ein Veteran was sagen, möglichst ein Verweigerer, der erlebt hat, was passiert, wenn man eben keine Befehle befolgt.

    Siehe hier z.B.

    KenFM im Gespräch mit: Philip Klever – Teil 1 (21.07.13)

    https://www.youtube.com/watch?v=sf9Vvr67x3k

    Noch etwas zu „reich werden“ oder Privilegien. Frau Dillmann unterschätzt auch die Korruption, die mit solchen Massen an Geld einher fließt. Da werden so Einige extrem reich, auch z.B. Offiziere, die in die Tötungsindustrie wechseln oder Aufträge für eine Armee annehmen, bzw. bewerten. Auch da kenne ich Einige in USA. Aber selbst wenn man nicht z.B. direkt im MIC (militärisch-industrieller Komplex) beschäftigt ist, kann man mit Aktiengewinnen reich werden. Traurigerweise laufen in den letzten Jahren gerade so absolut böse Unternehmen wie Palantir oder Rheinmetall am Besten. Patantir liefert z.B. den Israelis ihre Tötungslisten für den Genozid mit „AI“.

    Desweiteren sollte Niemand vergessen, dass zwar Infanterie (meat shield, territorial defense, die Armen und Landbevölkerung) in den Fleischwolf geschickt wird, aber dahinter die Schergen (anti retreat unit in der Ukraine), gerne mit Nazi-Ideologie, und natürlich die Offiziere, die hocken in Bunkern – noch sicherer als die Zivilbevölkerung. Ich habe auch neulich etwas dazu geschrieben wie das Belohnungssystem der US-Soldaten bei Kampfeinsätzen war: Gerade bei Elite-Einheiten waren die Offiziere sehr darauf aus möglichst viele Combat-Reports zu liefern und möglichst viele tote „Terroristen“. So steigen sie auf in der Hierarchie. So wird man reich bei der Armee.

    Leider unterschätzt wohl die Autorin auch, dass es einen Teil der Männer gibt, sicher auch Frauen wie sich in den letzten Jahren zeigte, denen das alles gefällt. Sie können bei der Armee und im Krieg die ultimative Macht ausüben und gerade wenn sie aus armen Verhältnissen kommen doch einen gewissen Reichtum anhäufen.

    Podcasts von linken US-Veteranen :

    https://soundcloud.com/eyesleft

    Mike Pritzker ist der Ehemann von Abbi Martin. Derzeit wohl inaktiv oder bei seiner Frau mitbeschäftigt?

    https://www.youtube.com/@fortressonahill1249/videos

    von Danny Sjursen, der auch Bücher geschrieben hat über seine Erlebnisse

    https://www.youtube.com/@ColonialOutcasts/videos

    Greg Stoker, auch ein Journalist.

  3. Mit 15 Monaten Grundwehrdienst während des Kalten Krieges sehe ich mich nicht als Veteran. Wir waren keine Helden, mit Sicherheit nicht. Wir haben damals das getan, was wir für notwendig hielten. Nicht mehr – aber auch nicht weniger. „Schnorrertum“, wie es der offensichtlich ungediente Harald Martenstein (in jungen Jahren DKP) in der Zeit DIE WELT jedem unterstellt, der sich – wie die SPD-Leute mit ihrem Manifest – für Frieden einsetzen, kann man mir nicht nachsagen. Als Ehemaliger entgegne ich diesen ganzen kriegsgeilen Sesselfurzern: Schiebt euch euren Veteranentag in den Arsch !!!

    1. Natürlich sind sie beteiligt, wenn sie beim Abfangen iranischer Raketen helfen. Das gibt israelische Offensivkräfte für Angriffe frei…

  4. „die Anerkennung derjenigen (geht), die in letzter Konsequenz bereit sind, das Äußerste für andere zu geben und die ihr Leib und Leben für unser Land einsetzen“.
    Ok, das schließt ja schon mal eine Pflicht aus, die die Unbereiten dazu zwingt.

    Zudem ist so eine weitere Symbolpolitik zum Kotzen. Dieje igen, die in det Tat in Afgha kstan ihren Kopf hinhieltrn und jetzt mit den Folgendastehen werden abgewimmelt und ihre Behandlung wird verschleppt.
    Aber groß dem Militarismus das Wort reden und sich im Scheinwerferlicht sonnen. Und die Journaille macht nocht mit.

    Wie sind wir in diesen Mist blos geraten?
    Und für die Affen meinen 24.2.22 und Putin: Solch dumme Aktionen denken wir uns selber aus.

  5. 15. Juni, ein Tag, den man nutzen könnte, um eines der vielen Deserteursdenkmäler aufzusuchen.

    So:
    https://www.youtube.com/watch?v=YKMVbz16tnU&list=RDYKMVbz16tnU&start_radio=1
    oder so:
    https://www.youtube.com/watch?v=raHMtKN-2vY&list=RDraHMtKN-2vY&start_radio=1
    vor allem so:
    https://www.youtube.com/watch?v=ZWClFjsaseE&list=RDZWClFjsaseE&start_radio=1

    „Veteranentag“, was ein Propagandaquatsch. Nur wieder eine Gelegenheit für unseren intriganten Oberheuchler der Medienöffentlichkeit (Echokammer) sein Geseiere in die Mikrofone zu sabbern.

    1. @Ohein
      „15. Juni, ein Tag, den man nutzen könnte, um eines der vielen Deserteursdenkmäler aufzusuchen.“

      Vielen Dank für die Links

      Es ist einfach nur noch schrecklich was in diesem Land abläuft.
      Die Selbtmordrate unter US-Veteranen ist extrem hoch,.
      Gibt es aus Deutschland dazu auch Zahlen?

      Eine interessante Doku auch in Hinsicht auf Russland und wie bereits 1998 / !990 die Übernahme geplant wurde.
      1.36 Stunden
      The Forecaster https://www.netzkino.de/watch/a0U01000003JVv7

  6. „Die Armee soll wieder in der Gesellschaft ankommen, wie es so schön heißt.“

    Das soll sie schon seit Jahrzehnten, doch jetzt wird die Propagandamaschine immer extremer um für den Krieg zu mobilsieren.

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