Leichter als Luft, Folge 12 — Hochburg der technoiden Gegenkultur

Berlin, Blick auf Funkturm
Quelle: Pixabay

Donna Fauna hat sich in Shivas Paradize, einer Hochburg der technoiden Gegenkultur, häuslich eingerichtet. Ein Ausflug mit dem Kanarienquex in die Normalgesellschaft beginnt mit einem höchst unangenehmen Erlebnis.

 

»Der Arsch gehört auch noch zum Rücken!«, meldete KQ an, als er auf dem Bauch liegend von Fauna durchgewalkt wurde.

Inzwischen hatte sich Fauna in Shivas Paradize häuslich eingerichtet. Unterhalb des Drahtseilgebirges, in Sichtweite des Tuchtempels von Neolin 2 am großen Feuer, hatte sie ihr Zelt aufgeschlagen.

Faunas Behausung mit dem geschwungenen Baldachin gehörte zu den elegantesten Bauwerken am Platz. Im Inneren hatte sie sich mit Kitsch und Luxus nicht zurückgehalten.

Wie alle »permanent residents« hielt sich auch Fauna an den unausgesprochenen Deal, im Austausch für ein kostenfreies Leben in Shivas Paradize das Leben der Gemeinschaft durch diverse Arbeiten zu bereichern. Sie hatte sich darauf verlegt, die Shiva-Feiernden zu massieren und zu schminken, ihnen die Nägel zu lackieren oder die Augenbrauen zu rupfen.

»Ich hab ’ne Ganzkörpermassage geordert!«, quengelte erneut KQ. »Wenn Du drauf bestehst, bitte sehr!«, antwortete Fauna schelmisch und machte sich mit der linken Hand auf den Weg zum Quex-Anus. Mit der anderen tastete sie in einer Schublade nach Kondomen. Der Quex stöhnte auf, als Faunas Mittelfinger einen ersten Vorstoß in sein anatomisches Hinterland unternahm. »Na, na, ist doch erst das Probierfingerchen«, tadelte Fauna sanft, hob den Rock und streifte das Kondom über ihren steifen Schwanz.

Zwei Stunden später röhrte Faunas Schwalbe unter dem Torbogen des Shiva-Kombinats hindurch. »Über den Fluss. Ich weiß ’ne illegale Party!«, rief KQ nach vorne. Fauna zögerte ein wenig. Seit sie sich von der Menschheit verabschiedet hatte, mied sie den Moloch auf der anderen Seite. Aber warum nicht? Eine kleine Expedition ins Menschenreich war genau richtig, um dem Kanarienquex die Vorzüge ihres Vehikels nahezubringen.

Als Fauna mit Tempo 60 in die Auffahrt der großen Hängebrücke einbog, stieß KQ einen gellenden Freudenschrei aus und legte sich mit in die Kurve. Die hinter den Erdenball abdrehende Abendsonne ließ ihre letzten Lichtstrahlen auf dem breit dahinfließenden Strom tanzen, während die Schwalbe drüber weg röhrte.

Fauna, KQ und die Landschaft ringsum sahen gleichermaßen total super aus. Der dunkelgrüne Goa-Fetzen flatterte im Wind um Faunas unrasierte Beine. Ihr Oberkörper kam durch ein hautenges, rotes T-Shirt mit Aufschrift »Girls’ Departement« wirksam zur Geltung. Dahinter zog eine schwarze Sonnenbrille einen scharfen Strich zwischen KQs Nase und Augenbrauen. Von der Rückseite seines Sturzhelms warf Shiva in Aufkleberform wachsame Blicke auf den rückwärtigen Verkehr.

Auf halber Höhe der Brücke, fünfzig Meter hoch über der Flussmitte, staute sich die Kolonne der Menschenautos. Fauna überholte mit kaum vermindertem Tempo den zähflüssigen Strom aus Stahl und Plastik. Es wurde enger. Vorne blockierte ein LKW die rechte Spur. Fauna nahm Gas weg und zirkelte in Serpentinen links und rechts an den smarten Citykarossen vorbei.

In den Außenbezirken des Molochs kam es zu einer unschönen Szene. Ein schwarzer Golf fuhr minutenlang neben Fauna und KQ her. Immer gleichauf. Durch das offene Beifahrerfenster waren monotone Industrial-Beats zu hören.

Fauna und Quex vermieden es hinüberzuschauen.

An der nächsten roten Ampel wurde es ungemütlich. »Is’ ja echt süß, Euer Kindermotorrad«, hörten die beiden eine tiefe Jungmännerstimme sagen. Sie reagierten nicht, Blick geradeaus. »Wohin wollt Ihr zwei Hübschen denn, so ganz allein in dieser Gegend?« KQ und Fauna schwiegen weiter. Die Ampel sprang auf Grün.

Fauna beschleunigte, so gut es ging. Aber die doppelt besetzte Schwalbe war dem Golf heillos unterlegen. Der schwarze Wagen fuhr weiter neben ihnen her. Die nächste rote Ampel brachte die gleiche Situation wie zuvor. Erneut drohende Sprüche des Beifahrers. Erneut schwiegen Fauna und der Kanarienquex.

Als die Ampel diesmal auf Grün sprang, machte Fauna keine Anstalten loszufahren. Sie blieb einfach stehen und beugte sich über die Armaturen, als inspiziere sie den darunter hervorquellenden Kabelsalat.

Verdutzt blieb auch der schwarze Golf stehen. Fauna machte geschäftig am Bremszug herum. Der Quex stieg ab, stellte sich neben Fauna auf den Bürgersteig und untermauerte den Eindruck eines technischen Defekts. Die Golf-Insassen blieben weiter unschlüssig vor der grünen Ampel stehen, lösten damit aber ein wütendes Hupkonzert der nachfolgenden PKWs aus. Das brachte sie schnell dazu, ihre Fahrt fortzusetzen. »Scheißschwuchteln!«, war noch zu hören.

»Bombenidee. Effektiv und absolut gewaltlos«, rühmte der Kanarienquex Faunas minimalistische Kriegsführung, als der Golf außer Sichtweite war.

»Das wäre übrigens Plan B gewesen«, entgegnete Fauna mit breitem Grinsen und deutete auf einen unter diversen Kabeln versteckten, silbern glänzenden Gegenstand.

Es war der kürzlich erworbene Wurfstern.

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7 Kommentare

  1. Ich habe es wirklich einmal unternommen, in diesen Text reinzulesen. Eigentlich wollte ich nicht, doch dann siegte so etwas wie Neugier.

    Allein – es genügten ungefähr fünf bis zehn Zeilen – ich übertreibe nicht – um mir klar zu werden, dass ich nicht die Zielgruppe solcher Elaborate bin.
    Nun ja, vielleicht sagt es anderen, jüngeren mehr zu.

    Das Lesen hätte bei mir allenfalls Sinn im Hinblick auf das Gewinnen von Eindrücken aus einer anderen, fremden Welt. Einer Welt, in der ich zum Glück nicht leben muss.

        1. Seltsam, das Gleiche denke ich von dir. Denn wenn man dich z.B. fragt, warum du ein so großer Carl Schmitt Jünger bist, dann kommt Klohpapier. Da Augenschein überzeugt, zur Erinnerung:

          Wolfgang Wirth sagt:
          27. Februar 2025 um 11:29 Uhr
          @ Heiko
          27. Februar 2025 um 11:16 Uhr
          (…)
          Es gibt in Deutschland in gewisser Weise überhaupt kein politisches Denken mehr, das eigene Interessen in den Vordergrund stellt; geschweige denn ein politisches Denken, das es wagt, in Anlehnung an jene Kategorien des Politischen von Carl Schmitt gewisse unumgängliche Fragen überhaupt zu denken.
          Hinzu kommt eine Geschichtsunkenntnis und eine Geschichtsvergessenheit, die insbesondere in den letzten Jahren geradezu sprachlos machende Dimensionen erreicht hat.

          https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/zerstoerte-gewissheiten/#comment-214464

          Gracchus Babeuf sagt:
          27. Februar 2025 um 20:53 Uhr

          Ja Worte, vor allem Phrasendreschrei. Ergänz mal schön, was geboten ist. Was sagt denn der Kronjurist des dritten Reiches so? Wenn Rüdigers Worte jemals einen Sinn ergeben, dann nur im Sinne eurer Sponsoren.

          https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/zerstoerte-gewissheiten/#comment-214617

          Wolfgang Wirth sagt:
          27. Februar 2025 um 22:00 Uhr
          @ Gracchus Babeuf
          Ach, Babeuf, Sie müssten doch eigentlich selbst wissen, dass es nicht darauf ankommt, wer etwas sagt, sondern ob es stimmt …

          Um es anders auszudrücken: Auch Hitler hat Klopapier benutzt. Benutzen Sie deswegen etwa keins?

          https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/zerstoerte-gewissheiten/#comment-214646

          Falls du noch weitere Bsp., natürlich bar jeder Erläuterung von dir, benötigst, dann lass‘ es mich wissen. Denn zumindest die Vergessenheit, neben der Unkenntnis, scheinen deine hervorstechendsten Eigenschaften zu sein.

    1. Hat schon was von 90er Flair, nur halt moderner.
      Aber da muss man schon etwas Literatur gelesen haben.
      Wenn bei 144 Zeichen Schluss ist, liegt es nicht am Autor.
      Vielleicht soll es auch eine jüngere Generation ansprechen…

      1. @ Ikaros

        Ja, es ist so, wie Sie schreiben.
        Schon die 90er waren sozusagen deutlich nach meiner Zeit … 15 – 25 Jahre zu spät. Und die Jetztzeit ist dann dementsprechend schon 40 – 50 Jahre nach meinen wilden Jahren.
        Aber ich will gar nicht meckern, denn für Jüngere mag es eine schöne Geschichte sein. Alles hat seine Zeit.

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