
Über journalistische Techniken zur Lenkung von Emotionen in der Tagesschau.
Wie oft kommt die eine Seite zu Wort, wie oft die andere? Fragestellungen dieser Art stehen immer dann im Vordergrund, wenn Medienwissenschaftler die Ausgewogenheit journalistischer Darstellungen im Kontext politischer Konfliktsituationen untersuchen. In der Tagesschau vom 14.06.2025 nun wurde sowohl die Situation von israelischen Zivilisten nach einem iranischen Raketenangriff gezeigt als auch die Situation iranischer Zivilisten nach einem israelischen Raketenangriff. Beide Seiten kommen dabei zu Wort – gute Voraussetzungen also für das Prädikat „ausgewogen“. Doch während der öffentlich-rechtliche Sender Ausgewogenheit suggeriert, wirkt er ihr gleichzeitig durch bestimmte Techniken zur Steuerung von Emotionen entgegen. Der Zuschauer erfährt die Wirkung, ohne sich aber der Techniken bewusst zu sein.
1. Der strategische Wechsel des sprachlichen Stils
Die Folgen iranischer Angriffe in Israel werden im reportageartigen Sprachstil vermittelt, der dem Zuschauer das emotionale Miterleben ermöglichen soll.
„Zerstörung, die die Menschen vor Ort fassungslos macht nach den nächtlichen Raketenangriffen aus dem Iran auf Rishon LeZion am Rand von Tel Aviv. Hier war eine Rakete mitten in ein Wohngebiet eingeschlagen. Hier hat es zwei Tote gegeben. |
Der Einstieg erfolgt in media res, gleich das erste Wort ist „Zerstörung“, diese wird unmittelbar danach als beispiellos charakterisiert („fassungslos“ macht). Jetzt wird der Zuschauer förmlich in den Ort des Geschehens hineingezogen durch die aussdrucksstarke Wortwiederholung „Hier“, mit der hintereinander zwei kurze Hauptsätze eingeleitet werden, in denen sich die Information verdichtet auf die zwei zentralen Aspekte: Rakteneinschlag in Wohngebiet/ Tote.
In dem späteren Beitrag über die Folgen der israelischen Angriffe in Iran wechselt die ARD nun aber zum klassischen Berichtstil, der sachlich-nüchtern den Verstand des Zuschauers anspricht.
„Die iranische Seite wirft Israel vor, nicht nur militärische Einrichtungen, sondern auch zivile Einrichtungen anzugreifen. In diesem Wohnkomplex sollen laut des Außenministeriums 60 Menschen getötet worden sein, darunter mehr als 20 Kinder. Noch fehlen offzielle landesweite Zahlen zu Verletzten und Getöteten.“ |
Die Angaben des iranischen Außenministeriums werden dabei nicht einmal korrekt wiedergegeben.
Es sprach von 29 Kindern, die bei dem Angriff getötet worden seien, das ist gut die Hälfte der insgesamt getöteten Menschen. Die ARD formuliert untertreibend „mehr als 20“. Iran hat auch nicht israelische Angriffe auf militärische Einrichtungen bestätigt, wie die ARD der iranischen Seite in den Mund legt (Die iranische Seite wirft Israel vor, nicht nur militärische Einrichtungen, sondern auch zivile Einrichtungen anzugreifen.“). Grundsätzlich behaupten beide Kriegsparteien, dass der jeweilige Gegner nur zivile Ziele angreift.
2. Das Spiel mit dem Faktizitätsgrad
Folgen in Israel: „Hier war eine Rakete mitten in ein Wohngebiet eingeschlagen.“
Folgen in Iran: „Die iranische Seite wirft Israel vor, nicht nur militärische Einrichtungen, sondern auch zivile Einrichtungen anzugreifen.“
Folgen in Israel: „Hier hat es zwei Tote gegeben.“
Folgen in Iran: „In diesem Wohnkomplex sollen laut des Außenministeriums 60 Menschen getötet worden sein, darunter mehr als 20 Kinder.“
Die Faktizität des Geschehens in Teheran erscheint als nicht gesichert bzw. nur auf Hörensagen beruhend („Die iranische Seite wirft Israel vor“/laut Außenministerium). Was dem Publikum erscheinen muss wie die Beachtung journalistischer Standards (Quellen nennen, Fakten und Meinungen unterscheiden usw.) ist im vorliegenden Fall aufgrund ihrer einseitigen Anwendung ein bewusst eingesetztes Mittel zur Schaffung von emotionaler Distanz .
3. Ermöglichen oder Hemmen von Identifikation
Journalisten, die Mitgefühl für Zivilisten in Kriegsgebieten erregen wollen, wissen, wie wichtig es ist, dem Zuschauer durch eine entsprechende Art der Darstellung die Identifikation mit den Menschen zu ermöglichen. Je besser er sich in dem Anderen wiedererkennen kann – etwa aufgrund von Gemeinsamkeiten, die alle Menschen verbinden (biographische Erfahrungen, Verhaltensweisen, Gefühle usw.) – desto näher wird ihm dessen Schicksal gehen. In der Tagesschau wird dies jedoch selektiv nur bei der Darstellung der Zivilisten von Rishon LeZion berücksichtigt.
„Das Haus, in dem Nathali Malkier aufgewachsen ist, ist nur ein Trümmerhaufen. Sie wohnt in der Nähe.“ Danach sieht sie der Zuschauer mit einer Art Plüschtier (Spielzeug-Nashorn) aus ihrem Elternhaus.
Dann kommt sie selbst zu Wort.
„Bei mir war alles voller Glasscherben, aber ich habe mich nicht darum gekümmert. Ich habe nur an meine Eltern gedacht.“ „Ihre Eltern haben im Bunker überlebt, mussten ins Krankenhaus.„, ergänzt der Journalist. „Sie versucht nun noch, einige Gegenstände aus den Trümmern zu retten“.
Schließlich erlebt der Zuschauer, wie sie vor der Kamera unter der Last der sie überwältigenden Gefühle zusammenbricht.
„Vor allem ist da Verzweiflung“, kommentiert der Journalist.
Der Beitrag beginnt mit dem Begriff „Zerstörung“ und endet mit dem Begriff „Verzweiflung“. Das ist wirklich professionell gemacht. Hier stimmt alles von der Kameraführung bis zur Auswahl der berichteten Details (Elternhaus in Trümmern, Stofftier/Bezug zu Kindheit, Bindung zu Eltern/Sorge, Verzweiflung usw.).
Dagegen geht der Beitrag über die Erfahrung der Zivilisten in Teheran so weiter:
„Mohsen Salehi lebt mit seiner Mutter und seinem Bruder in dieser Wohnung in Teheran. „
„Das Nachbargebäude wurde angegriffen. Auch deren Wohnung wurde stark beschädigt.„
„Wir haben letzte Nacht hier geschlafen. Ich schlief hier und meine Mutter dort drüben. Und einer meiner Brüder da. Gegen drei Uhr morgens hörten wir eine Explosion. Zuerst dachten wir, es sei Gas explodiert.“
Das war’s auch schon. Hier gibt es nichts, was dem Zuschauer ermöglichen würde, sich in diese Menschen bzw. in ihre Situation emotional hineinzuversetzen. Dabei hätte es die Möglichkeit durchaus gegeben. Das von der ARD gezeigte Material über die Familie Salehi in Teheran stammt von der Nachrichtenagentur Reuters. Auch der US-Nachrichtensender CNN hat das Material benutzt. Aber CNN entschied sich im Unterschied zur ARD für folgende Ausschnitte:
„Ich hatte solche Bilder nur in Filmen gesehen, nicht im wirklichen Leben. Die Wirkung der Explosion war so groß, dass es mich zur Decke geschleudert hat.“ CNN lässt auch die Mutter zu Wort kommen.
„Ich habe Angst. Mein Herz klopfte so stark. Ich hatte das Gefühl, als würde mein Herz aufhören zu schlagen. Ich gehe weiter zum Arzt. Ich habe Herzprobleme.“
Während die ARD-Berichterstattung wegen der (vermeintlichen) Ausgewogenheit Vertrauenswürdigkeit ausstrahlt, lenkt sie die Wahrnehmung des Zuschauers die gesamte Zeit über in die gewünschte Richtung: Im Ergebnis nimmt dieser die iranischen Angriffe als sehr viel brutaler in ihrer Auswirkung auf Zivilisten wahr als die israelischen. Dies ist wiederum die Voraussetzung dafür, dass die am selben Tag von Israel geäußerten Drohungen gegenüber Teheran zumindest nachvollziehbar erscheinen. „Wenn der Iran weiter Raketen abfeuere“, zitiert die Tagesschau den israelischen Verteidigungsminister Katz, „werde Teheran brennen (…). Auch Premier Netanjahu kündigte am Abend Vergeltung an.“
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Ich warte noch auf die Tränendrüsenmusik, wie beispielsweise bei Sendungen wie „The Voice of Germany“, wenn ein Sänger vorgestellt wird, dessen Mutter im fernen Land allein mit ihrem Krebs lebt, oder eine Sängerin ihr Heim und Ehegatten in der Ukraine verloren hat… etc. pp.
Kennt man ja schhon aus vielen anderen „Nachrichten“.
z.b. Aussagen a´la „mehrere Israelis wurden von Hamaskämpfern getötet“ vs „mehrere Palästinenser sind umgekommen.“
Solcherlei Formulierungen nutzt der ÖRR und auch die private Presse ganz bewußt, um die Öffentlichkeit zu manipulieren. Die einen wurden getötet, die anderen sind aus unerfindlichen Gründen umgekommen ….
Ein wenig NS-Berichterstattung gefällig? Ich schrieb heute:
„Guten Abend,
dass Sie heute in den Tag mit D(T)rumps völkerrechtswidrigen Angriffen gegen den Iran starteten, war stark, verdammt starker Tobak.
Das alles erinnerte mich hinsichtlich des Wordings sehr an die Erfolgsmeldungen der OKWs in „Die Deutsche Wochenschau“:
German Newsweek No. 676- 18 August 1943 [Full HD] (Navy Hitler Youth, German Soldiers Leisure Time)
https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=RAEcNvVxZWI
oder
[ОРИГИНАЛ] Die Deutsche Wochenschau – Stuka greift ein
https://www.youtube.com/watch?v=r2Eu7g6vuow . „Singend marschieren deutsche Soldaten …“
oder
German Newsreel – Reel 2
https://www.youtube.com/watch?v=3h4lwtkenWY .
Israel befindet sich recht eigentlich in der Tradition von NAZI-Deutschland. Das ist für mich bitter, sehr bitter.
Noch ein wenig Vietnam- und Koreakrieg gewünscht?
Ja, auch xy ist Teil der Kriegsmaschinerie, welche ich vollständig ablehne.“
Cetreum censeo:
Menschen, verweigert Euch Krieg total!
Angst abschaffen, Petra Kelly: https://www.youtube.com/watch?v=2byxvIswbK4.
Ja, und dieses im Artikel bechriebene Beispiel ist ja noch eines der Harmloseren.
Die gesamte Kriegsberichterstattung ist Kognitive-Kriegsführung die, die Herzen der Schlachtenbummler erobern soll. Und hier in Deutschland wird das ganze als Infotainment mit der Demokratieabgabe finanziert!
Selbst wenn man keine Idiotenlaterne oder Gemütsorgel einschaltet wird man trotzdem zum Kriegsbeteiligten gemacht.
Damit hatte ich gerechnet. Bienenfleißige, nicht enden wollende Artikel, die jeden noch so kleinen Brosamen aufgreifen, um den armen Iran vor Diffamierung zu schützen. Und damit die Fortexistenz des Iranischen Terroregimes zu sichern.
Ich hatte das den Nazifleiß genannt. Denn für den Nazi ist der Iran Horst und Heimat. Den wird er mit Zähnen und Klauen verteidigen.
Ich schreibe das nur, um Frau Böhm von diesem Verdacht freizusprechen. Sie könnte sich ja gemeint fühlen.
kann eigentlich jeder irgendwelche märchen erfinden für seine heilige erde oder dürfen das nur zionisten? welcher verblödete stamm macht ausgerechnet einen staat auf wo er gar nicht zu hause ist? hat ihm das vielleicht irgendein CHRIST mal eingeredet? so ein einen gott über alles christ, der den staat einfach … LIEBT und sich unter einer nation überhaupt nichts anderes vorstellen kann.
kein wunder haben sich die sozen an den rangeworfen wie moskitos in den zapper.
Der Iran ist ja auch zu bemitleiden, auch, wenn ich damals keine Kufiya getragen habe. 😉
Während hingegen Israel ™1974 ausgelöscht werden muss, weil es sonst keinen Frieden in dieser Region mehr geben wird!
Ja, auch Edward Bernays‘ Geist unterliegt dem Gesetz der Fortentwicklung…
Sie müssen einen anderen Artikel gelesen haben.
Immer wieder wichtig, auf die gezielte Bagatellisierung vermeintlich unwichtiger und die gezielte Emotionalisierung ‚relevanter‘ Fakten hinzuweisen. Man erinnere sich vergleichsweise auch noch mal an die musikalische Untermalung der Bilder von brennenden Türmen am 11.09. in New York durch die Band ‚Enya‘. Und ja, im Unterschied zu den ‚Propagandamedien‘ in den verhassten Autokratien dieser Welt mögen unsere ‚freien‘ Qualitätsmedien trotz allem hoch leben, sie mögen hoch leben, hoch!
Es wäre extrem gutgläubig eine den Tatsachen entsprechende Kriegsberichterstattung, gar ausgewogen, zu erwarten, von beiden Seiten wird es sozusagen in jeder kriegerischen Auseinandersetzung Notlügen geben, die Wirklichkeit wird gebogen bis sie der berichtenden Seite passt. Das ist normal, es ist immer nur bei Kriegsende das die relative Wahrheit wenn sie denn nicht mehr zu verleugnen geht ans Licht kommt, wenn überhaupt. Tja, wat nu? Man sollte wohl alle Nachrichten immer nur mit einer Schüppe Salz befragen, besonders in Kriegszeiten. Oft kommt es ja auch vor das eine Nachricht so offenbar übertrieben oder stark gelogen erscheint dass nur Gehirnamputierte eine Märchenerzählung für bare Münze nehmen könnten. Gehirn einschalten hilft immer, betreutes Denken gar nicht. Nur so meine Gedanken:))
Ja, auch Edward Bernays‘ Geist unterliegt dem Gesetz der Fortentwicklung…
Ja, die übliche ÖRR-Manipulation, das läuft seit Jahren so. Sei es bei der Migrationskrise, beim Ukrainekrieg, bei 9/11, bei Gaza, bei Corona, beim Klimawandel usw. die eine Seite wird emotionalisiert, die andere im besten Fall neutral erwähnt, öfter aber komplett ignoriert oder sogar verleumdet und verteufelt und mit kaum verholener Schadenfreude jeder Rückschlag kommentiert. Widerliche, unreife und überbezahlte Charaktäre und wir müssen sie finanzieren, obwohl sie täglich den Rundfunkstaatsvertrag brechen und genau das machen, was sie eigentlich verhindern sollten. Widerstand nicht möglich, die „unsere Demokratie“-Parteien nicken alles ab und der ÖRR revanchiert sich… ein zutiefst korrupter und undemokratischer politmedialer Komplex.
Und DIE, die nichtmal ihren Beruf ordentlich beherrschen, fühlen sich berufen uns zu belehren und zu manipulieren und halten uns alle für dumm (leider haben sie immer noch viel zu oft Erfolg damit).
Ich sehne den Tag herbei, an dem der ÖRR endlich abgeschalten wird…
Kaum Jemand, beherrscht heutzutage seinen Beruf noch in angemessener Weise.
Leute, Finger weg von dem Scheiß. Das macht ernsthaft krank.
Das ist journalistischer Kindergarten. Das „Volk“ ist dumm und bedarf der journalistischen Führung. Und bitte mit soviel Wiederholung und Einlullung, dass eigenständiges Denken überhaupt nicht mehr in Frage kommt.