Kopenhagen: Kampf und Krampf um das Fahrrad in der „besten Fahrradstadt der Welt“

Fahrradberge in Kopenhagen. Bild: Guillaume Baviere/CC BY-SA-2.0

U-Bahn- oder Fahrradfahren im Winter? Diese Frage ist zu einem Ärgernis in Kopenhagen geworden.

Die „Metroselskabet“, ein Unternehmen,  welches die U-Bahn in der Hauptstadt betreibt, will mittels einer Kampagne die Fahrradfahrer dazu bewegen, in der kalten Jahreszeit auf das U-Bahn-Fahren umzusteigen. „Warum den Kampf aufnehmen, wenn man die U-Bahn nehmen kann“, so der Slogan. Gezeigt werden die Köpfe von Menschen mit Fahrradhelm, denen es ins Gesicht schneit.

Das städtisch und staatlich finanzierte Organisation reagierte so auf den Rückgang der Fahrgäste-Anzahl in der letzten Zeit. Doch die Zeitung „Berlingske“ und einige Lokalpolitiker halten diese Eigenwerbung, die via Plakaten und Social Media verbreitet wird, für eine „Fehlzündung“. „Die Kopenhagener Stadtverwaltung spuckt idiotische Werbung für Ihr Geld aus“, so richtet sich das Blatt an die dänische Leserschaft. Schließlich wird das U-Bahn-Unternehmen von städtischen und staatlichen Finanzen getragen.

Mit Steuergeldern werde ein Konflikt innehrhalb der Stadtverwaltung finanziert, glaubt „Berlingske“.  Lokalpolitiker Kopenhagens werben mit der „Fahrradstrategie 2025“ auf der anderen Seite dafür, dass mehr Bürger aufs Rad steigen. Für die umweltfreundliche Fortbewegung  wurde über Jahre eine besondere Infrastruktur geschaffen. Zu nennen sind Radstellpätze, Radschnellwege, Radwegverbreiterungen und Radbrücken, manche Trassen leuchten nachts orange.

„Wir haben nicht das Ziel, Radfahrer dazu zu bringen, die U-Bahn zu nehmen – wir müssen die Autofahrer erreichen,“ sagt der linke Kommunalpolitiker Thomas Rode, der die Werbeaktion als „dumm“ tituliert.

Der Ärger begründet sich auch darin, das die Anzahl der Radler in der dänischen Hauptstadt, die international mit ihren Radkonzepten wirbt, rückläufig ist. Dabei sollen bis 2025 wieder 25 Prozent aller Fahrten in Kopenhagen mittels Fahrrad bewältigt werden, derzeit sind es nur 21 Prozent, ein Rückgang im Vergleich zu 2012 um sechs Prozent.

Die Anzahl der Fahrradpendler liegt aktuell bei 35 Prozent und  müsste, ginge es nach den Wunschvorstellungen der Planer in der Stadt,  innerhalb von zwei Jahren auf unrealistische 50 Prozent erhöht werden.

Anscheinend sind einige Bürger von den Staus auf den Radwegen und überlasteten Fahrradparkplätze genervt. Unter den jungen Dänen soll das Fahrrad aus der Mode gekommen zu sein. Die Autolobby weist darauf hin, dass viele berufstätige Dänen mit Kindern zunehmend unter größerem Druck stünden und ihren Alltag besser mit dem PKW bewältigen könnten. Allgemeinen ist in ganz Dänemark die Lust am Fahrradfahren zurückgegangen. Nach Auskunft des Verkehrsministeriums kann dies eine Wohlstandserscheinung sein, auch gebe es in dem scheinbaren Öko-Musterland einen Hang zum Zweitauto.

Von der Weltöffentlichkeit wird dieser Trend jedoch kaum bemerkt, die skandinavische Stadt wird allgemein als Vorbild gefeiert. Kürzlich brachte auch der Sender CNN einen entsprechenden Bericht. Darum nennt sich Kopenhagen in der hauseigenen Marketing-Sprache unbescheiden die „beste Fahrradstadt der Welt“.

Wenig bescheiden sind auch die Ausgaben für das klimafreundliche Transportmittel. In den letzten zehn Jahren wurden umgerechnet 112 Millionen Euro in die Fahrrad-Infrastruktur der Stadt mit ihren 644.000 Einwohnern investiert.

Dazu gehört auch, dass die Straßenreinigung bei Schneefall zuerst die Fahrradwege freizumachen hat und sich erst danach um die Verkehrswege für Autos kümmern darf. Eine Investition, welche die städtische „Metroselskapet“ mit ihrer Kampagne nun konterkariert. Dort hält man sich mittlerweile bedeckt und will auch nicht verraten, wie viel Geld der umstrittene Werbeauftritt gekostet hat.

Ein guter Aufhänger für wirtschaftsliberale Politiker, über das Fehlwirtschaften der Beamten zu wettern.

Doch welche Aussage hat der Rückgang der Fahrradbegeisterten in einem größeren Kontext? Zeigt der Trendsetter Kopenhagen ein Limit des Fahrradverkehrs in großen Städten auf? Nicht jede Metropole ist schließlich so finanzstark und kann den Zweiradkult derart fördern.

In einigen wohlhabenden Ländern wird derzeitig auf unterschiedliche Weise investiert, um das Auto durch das Fahrrad (teilweise) zu verdrängen. So hat etwa das Verkehrsministerium in Deutschland im vergangenen Jahr sieben Professuren für Radverkehr gestiftet.

Vielleicht finden diese eine Formel, wie die Begeisterung der Stadtbewohner fürs Radeln gesteigert werden kann, oder realistischer –  wo wohl die Grenzen des Verkehrsmittel Fahrrads liegen. Auch eine mögliche Konkurrenz des Zweirads zu den Öffentlichen Verkehrsmitteln, wie sie die ungeschickte Kampagne in der dänischen Hauptstadt offenbart, wäre ein interessanter Forschungsbereich.

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7 Kommentare

  1. Naja, die Leute werden älter und haben ev. seit letzten Jahr das eine oder andere gesundheitliche Problem.
    Da macht fahrradfahren nicht mehr so viel Spaß.
    Das ist etwas was ich am Konzept der autofreien Stadt bemängle (so wie es promotet wird), es kommen keine Alten, Behinderten, kein Lieferverkehr, Baufahrzeuge, Rettungsdienste und keine Müllabfuhr vor.
    Die kläglichen Umsetzungsversuche die ich selbst in Berlin und Frankfurt schon besichtigen konnte sehen zusätzlich noch optisch Scheisse aus.
    Ohne Teleporter Marke Enterprise geht das nicht.
    Eine Reduktion des Individualverkehrs ist schon wünschenswert.
    Es muss aber realistisch und finanzierbar sein.

    1. Danke für den realistischen Einwand. Als junger Mann bin ich in einer westdeutschen Großstadt täglich 20 km mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren. Heute lebe ich auf dem Land mit den typischen mehr als mageren ÖPNV-Bedingungen. Ohne PKW ist da nichts.

    2. Was meinst du mit den Versuchen , die du in Berlin in Augenschein genommen hast?

      Ich kenne auch keine, wirklich gar keine Konzeption, die eine autofreie Stadt ohne Krankenwagen und Lieberverkehr phantasiert. Es geht um den MIV, den motorisierten Individualverkehr.

  2. Wie geschickt oder ungeschickt die Aktion war, sei dahingestellt. Richtig schlimm finde ich es nicht, für die Nutzung der U Bahn zu werben. Und wenn tatsächlich Animositäten innerhalb der Verwaltung eine Rolle spielen sollten, finde ich das auch nicht so spannend.
    Sehr viel interessanter finde ich den Hinweis des Autoren , dass nicht viele Städte so reich sind, um sich so eine Fahrradinfrastruktur wie in Kopenhagen leisten zu können. Dazu hat sich mal ein Mensch aus der Kopenhagener Verwaltung geäußert, der als “Handlungsreisender” in Sachen Fahrradideen in Europa unterwegs war. Er listete die etlichen Millionen auf, die die Stadt in mehreren Jahren für den Radverkehr ausgegeben hatte und erklärte, dass dies so ziemlich die gleiche Summe war, die die Verlängerung des Zubringers zum Kopenhagener Flughafen um ein paar Kilometer gekostet habe. Sein Fazit : wie reich muss eine Gemeinde sein, dass sie es sich leisten kann das Geld NICHT in den Radverkehr zu investieren.
    In Berlin , meiner Heimatstadt, der Welthauptstadt großer Ankündigungen und leerer Versprechungen, geben sie jetzt hunderte Millionen für diese fixe Idee des innerstädtischen Autobahnringes, jedenfalls eines Teils davon, aus. Es werden die teuersten Autobahnkilometer in der Geschichte der BRD. Während man überall auf der Welt nach Konzepten sucht , die Städte von der Last des Verkehrs zu befreien, legen wir uns ne Autobahn in die Innenstadt. Und wenn wir nun wieder schwärzer regiert werden, wird von den wenigen zaghaften, viel zu zögerlich umgesetzten Ansätzen , wenig Bestand haben.
    Was wünschte ich, mir Kopenhagener Sorgen machen zu können. Wirklich.

  3. Also ich war im Jahr 2018 mit dem Fahrrad in Dänemark (Route Berlin-Rostock-Fähre-Gedser-Kopenhagen) und muss ehrlich sagen, dass mich das schon begeistert hat, schon unterwegs und Kopenhagen erst recht. Wobei ich noch dazu sagen muss, dass ich nicht nur das Wegedsystem toll fand, auch das Verhalten der Radfahrer hat mich beeindruckt: Zeichen geben nicht nur beim Abbiegen sondern auch bei Anhalten. Und dann gab es da oft noch so einen Zusatz bei Verkehrsschildern, wo drauf stand (etwa: cyclisten untagged), dass Radfahrer von einem bestimmten Verbot ausgenommen sind.
    Bei dem Titelbild bin ich irritiert. Ist das in Dänemark ähnlich wie in manchen deutschen Städten (z.B. Berlin), dass die Leute ihre Räder einfach irgendwo stehen lassen und irgendwann kommt das O-Amt macht ein Schild dran und nach einer bestimmten Frist wird die Mühle abgeholt?

  4. “Dabei sollen bis 2025 wieder 25 Prozent aller Fahrten in Kopenhagen mittels Fahrrad bewältigt werden, derzeit sind es nur 21 Prozent, ein Rückgang im Vergleich zu 2012 um sechs Prozent.”

    Wenn selbst die vergleichsweise sehr gute Fahrradinfrastruktur Kopenhagens überlastet ist, ist dass doch kein Wunder.
    Und wenn ich so sehe hier in der Stadt (knapp unter 60000 Einwohner) im südwestlichen Nds. kommen wir jetzt zur Zeit auf vielleicht 0,05% aller Fahrten (Im Sommer vielleicht maximal 0,5%). Die Fahrradinfrastruktur ist hier eine einzige Katastrophe und nichts für die allermeisten! Schon gar nicht für diejenigen die eigentlich vom Auto umsteigen wollen bzw. müssen.
    So begegne ich in aller Regel im Winter bei einer 5km Radfahrt, die ich täglich 4mal bei Wind und Wetter fahren muss, allerhöchstens 1 oder 2 Radfahrer und das auch nur im Wohngebiet oder Bahnhofnähe!

  5. Wenn immer mehr Menschen in Europa leben ist es klar das immer mehr Menschen bewegt werden müssen. Das kostet Fläche. Und die Milliarden für Fahrradinfrastruktur sind der verzweifelte Versuch Menschen zu besänftigen. Es ist aber keine Lösung. Die Jugend trampelt und nach 30 Jahren Arbeit und Kinder sieht die Welt doch anders aus. Es gibt auch viele Betriebe die Radfahren verbieten. Wegeunfälle wegen Schnee und Eis sind teuer. Und nach einer Nachtschicht macht Radfahren keinen Spaß. Duschen Pflicht. Dann Radeln und zu Hause nochmal duschen. Und zwei Waschmaschinenladungen pro Woche mehr. Und vom Finanzamt gibt’s nix.

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