Kann die Opioid-Krise aus den USA auch nach Deutschland kommen?

Fentanyl-Pillen. Bild: DEA

In den USA gab es schon über 500.000 Drogentote. Was sind die Ursachen? Und droht die Welle nach Europa überzuschwappen?

 

Seit den 1990ern werden mehr starke Schmerzmittel verschrieben. Die Medizin versprach den Patientinnen und Patienten ein schmerzfreies Leben. Doch die Risiken dieser Praktiken – und der weitreichenden Medikalisierung des psychischen Phänomens Schmerz – wurden lange ignoriert. Mehrere Parteien verdienten daran sehr gut, bis sich der Notstand nicht länger leugnen ließ.

Opioide (Opium-artige) wie Oxycodon oder Fentanyl sind viele Dutzende Male potenter als Heroin, das wiederum sehr viel stärker ist als das natürliche Opium (die Milch bestimmter Mohnsorten). Diese Wirkung wird seit Jahrtausenden in verschiedenen Kulturen verwendet – für medizinische ebenso wie für nicht-medizinische Zwecke. Durch Fortschritte der Pharmakologie wurden aber immer purere und damit immer stärkere Varianten entwickelt.

Da Opioide nicht nur Schmerzen dämpfen und einschläfern, sondern in größeren Mengen auch die Muskulatur lähmen, kann eine Überdosierung tödlich enden: Man schläft dann ein und – erhält man kein Gegenmittel – erstickt im Schlaf. Mit den neuen Medikamenten geht das viel schneller als mit dem halbsynthetischen Heroin oder dem natürlichen Opium.

Vier Wellen

Inzwischen haben viele Dokumentationen und jetzt sogar eine Netflix-Serie die Opioid-Krise in den USA thematisiert. Auch der Tagesschau-Podcast 11km widmete sich dem Thema. Hunderttausende Drogentote und der Kampf um Gerechtigkeit gegen die Pharma-Firmen bieten dafür geeigneten Stoff. Die Todeszahlen steigen trotzdem immer weiter. Wie kann das sein?

Ein Blick auf den zeitlichen Verlauf hilft. Toine Pieters, Professor für Pharmazie an der Universität Utrecht (Niederlande), hat sich ausführlich mit dem Problem beschäftigt. In einer neuen Studie unterscheidet er anhand der Konsumformen und Todeszahlen vier Wellen:

Die erste war ab 1998, durch die verstärkten Medikamentenverschreibungen der Ärztinnen und Ärzte; die zweite begann 2010, als immer mehr Konsumierende auf Heroin umstiegen; die dritte fing 2014 an, als mehr und mehr Menschen synthetische Opioide verwendeten, vor allem Fentanyl; und die vierte und bisher letzte Welle ab 2019 zeichnet sich durch die Vermischung mit anderen Substanzen (z.B. dem tierärztlichen Narkosemittel Xylazin) aus.

Die vier Wellen der Opioid-Krise nach Toine Pieters (Universität Utrecht). Datenquelle: US-Behörden (CDC).

 

Ursächliche Faktoren

So weit die Daten – die man übrigens auch nicht unbedingt für die objektive Wahrheit halten muss. So werden beispielsweise die Leichenbeschauer, die die Todesursachen feststellen, in vielen US-Staaten schlicht gewählt; das ist keine Garantie für fachliche Kompetenz. Beim Zusammenwirken verschiedener Faktoren ist es zudem schwierig, sich auf eine Todesursache festzulegen. Das kennen wir noch aus der Coronapandemie: Wann starben Menschen am, wann mit dem Virus?

Dennoch lässt sich das Drogenproblem in den USA nicht von der Hand weisen. Hier will ich auf einige ursächliche Faktoren hinweisen:

 

  1. Die Sozialstruktur in den USA, dem “Land der unbegrenzten Möglichkeiten”, macht viele Menschen anfällig für Substanzkonsum, um ihre Probleme zu verdrängen. Erinnert sich noch jemand an die Crack-Kokain-Krise der 1970er/1980er? Danach kam Chrystal Meth beziehungsweise Methamphetamin. Und danach die Opioide.

 

  1. Neu war, dass diesmal Ärztinnen und Ärzte stark zum steigenden Konsum beitrugen. Das liegt zum Teil auch an der Anreizstruktur: Was werden die medizinischen Fachleute tun, wenn sie an den Medikamentenverschreibungen kräftig mitverdienen?

 

(De)Regulierung

 

  1. In den 1990ern wurden in den USA Einschränkungen bei der Reklame für Medikamente aufgehoben. Dadurch konnten die Pharma-Firmen Direktwerbung für die Konsumentinnen und Konsumenten schalten (sogenanntes direct to consumer advertising). Die Regulierungsbehörde FDA informiert: “FDA ensures that drug product advertising is truthful, balanced, and accurately communicated.” Dann ist ja alles gut.

 

Diese Werbung ist meiner Meinung nach aber sehr suggestiv: “Sind Sie manchmal ängstlich? Ein Antidepressivum könnte helfen. Fragen Sie Ihren Hausarzt.” “Haben Sie Konzentrationsprobleme? Vielleicht verbirgt sich dahinter ADHS. Dagegen gibt es Medikamente.” Oder eben: “Haben Sie Schmerzen? Das muss nicht sein. Ihr Arzt informiert Sie über die Möglichkeiten.” Das sind nur einfache Beispiele. Gut bezahlte Marketing-Experten haben bessere Ideen.

 

  1. Dazu kamen Fehler bei der Regulierung. So waren die Firmen beispielsweise nicht dazu verpflichtet, Risiken und Nebenwirkungen nach der Zulassung ausführlich und neutral zu untersuchen. Seit den Gerichtsverfahren gegen die Tabakindustrie weiß man zudem, dass solche Studien teure Konsequenzen nach sich ziehen können: Kommt später heraus, dass man negative Daten zurückgehalten hat, kann der Schadensersatz höher ausfallen.

 

War on Drugs

 

  1. Außerdem hat die Drogenpolitik in den USA viel zu lange auf Prohibition gesetzt und versagt. Als man die Schmerzmittel stärker regulierte – Übergang von der ersten zur zweiten Welle – dachte man schlicht nicht an die Abhängigen. Die mussten sich dann eben andere Opioide suchen (z.B. Heroin), deren Verwendung durch fehlende Qualitätskontrollen viel gefährlicher ist.

 

  1. Zudem steht vielen Menschen keine ausreichende medizinische Versorgung zur Verfügung. Prävention mit psychotherapeutischer und sozialer Hilfe, wie sie in vielen europäischen Ländern angeboten wird, gibt es in den USA schlicht nicht oder kaum.

 

  1. Auch durch das Verbot von Druck-Checking ist der Konsum viel riskanter. Gerade die neueren Opioide sind so potent, dass man viel schneller eine Überdosis bekommt. So sind die Menschen den Drogenlaboren ausgeliefert.

 

Abhängigkeit

Zwar wird nur eine Minderheit der Opioid-Konsumenten abhängig, doch sind das bei stark verbreiteter Verwendung der Mittel immer noch sehr viele Menschen. Wenn man sie schlicht ins Gefängnis steckt, erzeugt man unglaubliches Elend. (Für die teils privatisierten Anstalten in den USA ist das freilich ein lukratives Geschäft.) Abhängigkeit ist aber kein rein biologisches, sondern ein psychosoziales Phänomen.

 

  1. Daher kann man auch das dominante biomedizinische Modell in der Psychiatrie als Ursache aufnehmen. Sucht wurde als Krankheit und insbesondere als Gehirnstörung definiert. Heute wissen wir, dass einflussreiche Forscherpersönlichkeiten (z.B. frühere Direktoren der Institute NIMH und NIDA) damit die Finanzierung für ihr Forschungsparadigma sichern wollten.

 

Die Rechnung wäre wenigstens dann aufgegangen, wenn man die seit Jahrzehnten versprochenen Medikamente gegen Abhängigkeit entwickelt hätte. Dafür floss immerhin Milliardenförderung. Doch die biologische Psychiatrie steht hier nach wie vor mit relativ leeren Händen da. Stattdessen verschrieben Psychiaterinnen und Psychiater häufig Substanzen mit einem hohen Abhängigkeitsrisiko.

 

Alternativen

Aus dem Gesagten sollte klar geworden sein, um was für ein komplexes Problem es sich handelt. Wenn es eine einfache Lösung gäbe, hätte man die natürlich längst finden können. So viel sollte klar sein: Mit Verboten löst man es nicht, sondern hat man die Lage in den 2010er-Jahren erst richtig verschärft. Also Therapie?

Selbst wenn man sich einen Platz in einer Entzugsanstalt leisten kann, was in den USA sicherlich nicht für alle Menschen gilt, nutzt das im Zweifelsfall wenig: Wenn nämlich die Menschen nach der Behandlung in eine Umgebung zurückkehren, die sich ohne Betäubungsmittel kaum aushalten lässt; oder eben in das Milieu, in dem der Substanzkonsum “normal” ist.

So wird in der Folge des Tagesschau-Podcasts auch das Beispiel einer Frau genannt, die schon als Dreizehnjährige Opioide aus dem Medikamentenschrank der Eltern nahm. Später kam sie dann an einen falschen Freund und landete sogar in der Prostitution, um den Substanzkonsum bezahlen zu können.

Der US-amerikanische Neuropsychopharmakologe und Drogenexperte Carl L. Hart von der Columbia-University in New York weist noch auf den üblichen Rassismus in der Drogenpolitik hin: Selbst wenn Weiße, Latinos und Schwarze mehr oder weniger dieselben Substanzen konsumieren, würden Polizei und Justiz das insbesondere bei ethnischen Minderheiten verfolgen. Dass jetzt viele Weiße Probleme mit den Opioiden haben, ist laut Hart der Grund dafür, dass jetzt man auf die Krise anders reagiert: Nicht mehr mit noch mehr Repression, wie vorher bei Crack-Kokain und Crystal Meth/Methamphetamin, sondern mit Therapie.

Gesellschaft und Nachfrage

Das Grundproblem ist meiner Meinung nach aber nicht so sehr die Verfügbarkeit der Substanzen, sondern die Nachfrage danach. Und die ist auch bei uns in Europa vorhanden. So sind beispielsweise vier der zehn Städte mit dem größten Kokainkonsum in der so kleinen wie wohlhabenden Schweiz zu finden (nämlich Zürich, Genf, St. Gallen und Basel).

Manche konsumieren Stimulanzien, um besser in der Leistungsgesellschaft zu funktionieren; manche brauchen Schlaf- oder Betäubungsmittel zum Abschalten; wer in bestimmten Szenen “in” sein will, nimmt Psychedelika. Letztere haben immerhin ein geringeres Gefahrenpotenzial und machen kaum oder gar nicht abhängig, vor allem dann, wenn man bestimmte Vorsichtsmaßnahmen befolgt.

Leben wir inzwischen in einer Welt, die sich ohne psychoaktive Mittel nicht mehr ertragen lässt? In meinem neuen Buch über psychische Gesundheit und Substanzkonsum  (gratis) habe ich versucht, das Phänomen jenseits der herkömmlichen Unterscheidungen von Genussmitteln, Medikamenten und Drogen zu verstehen.

So viel sollte feststehen: Substanzkonsum ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit. Die Drogenproduzenten im Ausland sind inzwischen so gut organisiert, dass Verbote kaum noch durchsetzbar sind. Das zeigt sich auch daran, dass sogar in Gefängnissen, wo man die Einfuhr von Waren und Gütern besonders leicht kontrollieren könnte, Substanzkonsum verbreitet ist.

Das muss übrigens nicht schlimm sein: So zeigen Forschungsergebnisse beispielsweise, dass der Konsum von Cannabis unter Gefangenen zu einer entspannteren und damit sichereren Sphäre beitragen kann.

Umdenken

Angesichts der Faktenlage ist mir unerklärlich, warum in bestimmten politischen und sozialen Lagern die Diskussion immer noch so moralisch geführt wird. Für manche ist Drogenkonsum schlicht böse – während sie vielleicht selbst mit Bierkrug in der Hand für Wählerstimmen werben.

Das Gefahrenpotenzial bestimmter psychoaktiver Substanzen ist zwar nicht zu leugnen, wird in den Medien – und sogar in wissenschaftlichen Studien – aber oft übertrieben. Zudem liegt es nicht nur in der Substanz selbst, sondern auch an dem Konsumweg (z.B. essen, schniefen, rauchen oder spritzen) und der psychosozialen Umgebung. Es sollte klar sein, dass das Phänomen nicht verschwinden wird; und dass der “Krieg gegen die Drogen” gescheitert ist und überall Existenzen kostet.

Es ist Zeit für ein Umdenken: Substanzkonsum ist oft instrumentell, also rational; Menschen wollen ihre Lebensziele verwirklichen, glücklich sein oder schlicht ihre Umstände ertragen. Wo ist das Verbrechen? Wenn es um schädlichen Konsum geht, sollte man weniger riskante Alternativen aufzeigen und verfügbar machen; wo kontrollierter Konsum weder in die Abhängigkeit noch zu schaden führt, sollte man ihn tolerieren.

Der Trend scheint aber in eine andere Richtung zu gehen: Forscherinnen und Forscher überbieten sich mit der Warnung vor Risiken. Dadurch kommt jetzt sogar – der ohnehin abnehmende – Alkoholkonsum wieder unter Druck. Das ist weltfremd. Denn was für Mittel sollen die Menschen sonst nehmen, um die entspannenden und euphorischen Effekte zu erzielen? Wären die besser?

Bis wir in einer Gesellschaft mit zumindest annähernd gerechten Chancen für die Teilhabe und mit sozialem Zusammenhalt leben, werden wir uns mit dem Substanzkonsum der Menschen abfinden müssen. Dass die Opioid-Krise zwar von Ärzten befördert wurde, doch erst durch die falsche Regulierung massiv an Gefährlichkeit zunahm, sollte uns auch in Europa eine Warnung sein!

Ähnliche Beiträge:

14 Kommentare

  1. Ich beziehe mich auf die Überschrift vom Artikel.

    JA, da alle Drogen seit dem Ende von WKII aus den Staaten übermittelt wurden.
    Übermittelt heißt in diesem Zusammenhang, das diese über drittstaaten produziert wurden, um den Markt damit zu überschwemmen, legal illegal scheißegal, solange diese Fraktion doppelt und dreifach gewinnt hatte jede Politik das ‘toleriert’.
    Das ganze Phänomen um Drogen ist eine wissenschaftliche Spalterei, der Konsum von Drogen ist nicht das Problem, sondern die quantitativen erzeugten Abhängigkeiten, mit ihren Profiten.
    Oder warum fing die USA an, das Hanf zu legalisieren über ihre Konzerne?

  2. Das Verbot von Drogen ist defakto ein Mafiaförderungsgesetz.
    Nur eine staatliche kontrollierte Abgabe der gefährlicheren Substanzen ist vertretbar.

  3. Die Opiate sind Schmerzmittel und werden in den USA als Schmerzmittel verschrieben. In großen Mengen und auch bei Nebensächlichkeiten. Es ist bekannt, dass diese Schmerzmittel eine starke Abhängigkeit erzeugen, die beiden genannten Schmerzmittel werden daher in Deutschland nahezu gar nicht verschrieben. Selbst bei tödlichen Erkrankungen, etwa Krebs im Endstadium, erfolgt die Einnahme unter medizinischer Aufsicht.

    Es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass es in Deutschland eine größere Gruppe von Opiat-Abhängigen geben kann.

    Alte Journalisten-Regel: Wenn in der Überschrift eine Frage steht, ist die Antwort ‘Nein’.

    1. es gab ein Video der Firma Pfizer. Hier wurde behauptet, das es eine Studie gebe, die belegen würde das Opioide zur Schmerztherapie verwendet nicht abhängig machen würden. Daraufhin wurden Opioide auch in Deutschland immer mehr verschrieben. Fentanyl etc. macht definitiv abhängig und es macht mit der Zeit Zombies aus den Leuten

      1. Wenn es klar ist, dass meine irdischen Tage gezählt sind, wäre es mir scheißegal, ob ich mir für die nächsten Wochen/Monate, eine Abhängigkeit einhandeln würde.

  4. Im zweiten Absatz heißt es: “Opioide (Opium-artige) wie Oxycodon oder Fentanyl sind viele Dutzende Male potenter als Heroin,…”
    Das stimmt so nicht. Die analgetische Potenz von Opioiden bezieht sich auf Morphin als Referenz mit einem Wert von 1. Fentanyl hat zwar mit 100 eine vielfach höhere Potenz als Heroin (2,5). Oxycodon liegt mit einem Wert von 2 unter der Potenz von Heroin.
    Das taugt auch nicht, um die Suchtproblematik zu erklären. Meines Wissens nach, hat die potentere Substanz wenig mit der Suchtentwicklung durch legale Schmerzmittel zu tun. Das hängt vor allem an der Verschreibungspraxis und dem Marketing für Oxycodon. So wurden unglaublich viele Menschen durch prescription drugs abhängig. Fentanyl war dann für den illegalen Markt besonders lukrativ, weil es günstig herzustellen und zu schmuggeln ist. So wurde immer mehr Heroin mit Fentanyl verstreckt. Durch die hohe Potenz kam es zu mehr Varianz in der Dosierung des Strassenheroin und dadurch wesentlich mehr Überdosierungen.
    In meinen Augen waren Opioide in Deutschland in den 1990er Jahren noch sehr stigmatisiert und durch btm Rezepte deutlich schlechter verfügbar. In der Pflege von chronisch kranken Menschen habe ich mir damals eine bessere Versorgung gewünscht. Nach kleinen OPs muss man den betroffenen klarmachen, dass Opioide keine Dauerlösung sind. Das wird aber meiner Erfahrung nach auch gemacht. Wenn es zu Suchtentwicklung durch Medikamente kommt, dann gelegentlich Tramal oder Tillidin. In Deutschland halte ich aber Sucht durch Benzodiazepine (Valium ähnliche) als sogenannte “Schlafmittel” für ältere Menschen für wesentlich relevanter und gefährlicher. Fällt halt nicht so auf und ist nicht so spektakulär, dass man darüber viel in der Tagespresse lesen würde.
    Fentanyl wird eher für die Heroinabhängigen in Deutschland gefährlich, weil Heroin und andere illegale Drogen zunehmend damit gestreckt werden. Darum kann ich mich der Forderung zu akzeptierender Drogenpolitik und harm reduction nur anschließen.

  5. Ich weiß nicht von was ein Herr Schleim schreibt. Die Überschrift suggestiert, das eine evtl. eine Situation wie in Deutschland drohen könnte. Denoch wird die Verschreibungspraxis in der BRD gar nicht angesprochen.

    Wenn ich zum Arzt gehe bekam ich bisher bei starken schmerzen, immer zwei oder drei Schmerzmittel zusammen verschrieben, nur das dieser kein Betäubungsmittel Rezept ausstellen mußte. Vielleicht bräuchte ich erst rheumatische Schmerzen oder Krebs im Endstadium, das sich das ändert. Aus meiner Sicht und bei den Ärzten bei denen ich bisher war, droht meiner Meinung keine Situation wie in den USA. Vielleicht ist das nicht repräsentativ, aber wenn ich andere ansehe, wie diese bei jeder Gelegenheit zur Pillendose greifen. Scheine ich eine Ausnahme zu sein.

  6. “… die verstärkten Medikamentenverschreibungen der ‘Ärztinnen und Ärzte’ … als immer mehr ‘Konsumierende’ …”

    Das ist Sprachquark. Das muss man nicht lesen.

  7. Als Krebspatient, der gerade Oxycodon/Naloxon, nach einer schweren Lungen-OP verortnet, nach 11 Wochen mit vorheriger deutlicher Dosisreduktion auf die Minimaldosis, letzte Woche abgesetzt hat, kann ich die Problematik verstehen.

    Der Entzug war schon ziemlich aufreibend. Vor allem da ich es selbstständig getan habe. Ich habe lediglich vorher meinen Hausarzt gefragt wie dass am besten zu machen ist. Ich hatte mit 2-3 Tage gerechnet. Es ist jetzt genau eine Woche her und ich verspüre immer noch leichte Entzugserscheinungen.
    Wobei ich erwähnen muss, dass ich seit Montag in Chemotherapie bin und ich vermute diese die Entzugserscheinungen verstärkt.

    Zu den Entzugserscheinungen: Der erste Tag eigentlich vollkommen ohne. Am 2. Tag fing es dann an: Abgeschlagenheit wie bei einer aufkommenden Grippe und ein starkes Kribbeln im ganzen Körper welches zeitweise gar sehr unangenehm schmerzhaft war. Dagegen hilft aber kein anderes Schmerzmittel. Ab den 4. Tag lies die Abgeschlagenheit nach und das Kribbeln wurde weniger und ich hatte gar wieder Lust auf Sport. Am Tag der Vorbereitung zur Chemo, war alles gut. Keine Entzugserscheinungen mehr. Jedoch nach den beiden Hauptmedikamenten (Cisplatin & Vinorelbin) fing das gleiche Kribbeln wieder an. Es wurde wieder fast genauso stark. Das war vorgestern Abend und glücklicherweise hat sich wieder stark abgemildert. Ich denke, ich bin damit nun durch!

    Ich wollte damit beschreiben, dass ein Absetzen selbst mit den Kombipräparat Oxycodon-Naloxon, wovon das Naloxon die Sucht massiv reduziert und das Trippen des Oxycodon verhindert, es von meinen Gefühl her nicht einfach ist.

    Nun aber zum eigentlichen Anliegen.
    Für mich klingt der Text so, als sollte man wieder weniger diese Schmerzmittel und Psychopharmaka verschrieben werden sollten, damit die Suchtgefahr mit all deren Folgen verhindert werden sollen. Das ist aber ein Irrweg. Das Leiden wird dadurch wieder zunehmen. Viel wichtiger ist es die Schmerzpatienten die von dieser Sucht potienziel betroffen sein könnten, viel mehr zu begleiten um eine optimale Lösung zu finden. Manchmal ist ein Absetzen dieser Medikamente unmöglich, weil die Schmerzen im Laufe der Erkrankung zunehmen werden. Jedoch eine Optimierung der Medikation sollte immer gewährleistet werden.

    Die Hauptproblematik in den USA ist so:
    Die Schmerzmittel und oder Psychopharmaka werden schnell verschrieben. Diese lindern den Schmerz und auch die psychischen Probleme auch oftmals recht gut. Nur wie man da wieder herauskommt, nachdem der eigentlich Grund des Schmerzes oder der Angst wieder beseitigt worden ist, interessiert keine Sau. Außerdem wird dort das Oxycodon als Monopräparat verschrieben. Ist schön billig! Aber es trippt auch unheimlich und macht ziemlich schnell stark süchtig. Ich hatte das zuerst im Krankenhaus auch ohne Naloxon bekommen. Glücklicherweise habe ich nach einem Gespräch mit dem Stationsarzt habe ich dann das Kombipräparat erhalten. Der meinte es wäre ein Fehler vom Pflegepersonal gewesen. Er hätte das so schon verschrieben gehabt.

    1. Danke für Ihren Erfahrubgsbericht. Eine Anmerkung dazu: meines Wissens nach, hat Naloxon einen anderen Effekt, als der den sie beschreiben. Es dockt sehr stark an die Opioidrezeptoren an und blockiert diese. Heroinabhängige sind dadurch sofort entzügig, wenn sie Naloxon bekommen. Kombi Präparate sind in der Regel so dosiert, dass das Naloxon bei therapeutischen Dosierungen bei der Leberpassage verstoffwechselt wird (also bevor sie in den Blutkreislauf und das Gehirn kommen). Die Kombipräparate sollen weniger attraktiv für Abhängige sein und gelten somit nicht als BTM. So ist das jedenfalls bei Tillidin.
      Würde also das Naloxon bei Ihnen im Blutkreislauf ankommen, würde die schmerzlindernde Wirkung des Oxicodon unterbrochen.

  8. Die Hauptsache hat der Autor vergessen: in den USA haben sie keine Krankenversicherung. Der Gedanke war, dass die Leute halt Schmerzmittel nehmen und dann weiter arbeiten sollen. Das ist der Grund, warum das bisher noch nicht herüber geschwappt ist. Wir haben eine Krankenversicherung.

    Der Autor meint, es müsste da doch Schadenersatz gezahlt werden, wie einst bei der Tabakindustrie. Au ganz falsch. Die Pharma kann schlicht und ergreifend machen, was sie will. Sie kann Tote am Fließband produzieren, ohne dass ihr das Geringste passiert. Sie sorgt in den Medien für 70 Prozent der Werbeeinnahmen, wie Robert Kennedy feststellte. Wer gegen Pharma vorzugehen sich traut, hat somit die ganze Presse gegen sich. Kennedy könnte da immer noch punkten, indem er das genau so sagt. Aber leider hat er sich an anderer Stelle selbst abgeschossen.

    Die Tabakindustrie ist der Pharma Feind und deswegen wurde sie verurteilt. Grob gesprochen, versucht die Pharma eine Totalprohibition der alten Genussmittel Tabak und Alkohol durchzudrücken. Wissend, dass die Leute dann auf Pharmaprodukte umsteigen. Was ja großartig funktioniert.

    Warum nimmt der Mensch diese Mittel? Was Herr Schleim vergessen hat, ist dass er sich davon Inspiration erwartet. Was aber sehen wir da in dieser Pharma-Gesellschaft? Irgendwie das Personal des Mittelalters. Trump-Fans, aber keine Intellektuellen, das politische Leben ist völlig zum Erliegen gekommen, es gibt keine Komponisten und keine Literaten mehr. Alles das, was Amerika einst ausmachte, ist weg.

    Ihr seid auf dem Holzweg!

  9. Moin
    “Leben wir inzwischen in einer Welt, die sich ohne psychoaktive Mittel nicht mehr ertragen lässt?”
    Öhm – Ja.
    Auf diese Gesellschaft bezogen zumindest.
    Was es so unerträglich macht ist das fehlen von Freiheit.
    Singen schon die Scherben: “Ich bin nicht frei und ich kann nur wählen welche Diebe mich bestehlen, welche Mörder mir befehlen.” (https://www.youtube.com/watch?v=_UlTvJ2POXM – auf Songtexte.com aus lizensrechtlichen Gründen nicht angezeigt, sonst hätte es den Link gegeben, Linke halt, so)
    In unserer Gesellschaft ist das Leben so sehr reguliert und damit die Entscheidungs-Freiheit so stark eingeengt, das selbst der Kleingarten keinen Spaß mehr ergibt, wenn der Begriff ‘Unkraut’ von der Mehrheitsmeinung abweicht.
    Jetzt gibt es auch noch eine Gedankenpolizei. Es schaut seltsam aus.

    Noch etwas zu meiner Begeisterung für ‘Handygames’.
    Man kann die unterschiedlichsten Menschen kennen lernen. Manchmal wird der Kontakt enger, so das man sich über WA und Ähnliches schreibt. Einige Menschen mag ich nicht missen.
    Nach Aussage eines Deutschen, Konsument, sind “Oxys” seit etwa 15Jahren gut im Markt. Das vertickt auch kein Straßendealer.

    Grüße

  10. Ein Aspekt wird wird im Artikel leider nur im Nebensatz angerissen.
    Wer Schmerzen hat ist nicht Leistungsfähig. Wer ein Problem mit chronischen Schmerzen hat kennt das.
    Mit der gesellschaftlichen Akzeptanz dafür das die Betroffenen weniger leisten können oder Zeitweise gar nicht arbeitsfähig sind erschöpft sich recht schnell. Das gilt um so mehr wenn keine sichtbare Ursache erkennbar ist.
    Je schlechter die Sozialsysteme sind um so größer der Druck auf die Betroffenen irgendwie zu funktionieren.
    In den USA ist der Anteil der Menschen die krank zur Arbeit gehen besonders hoch.
    Auch bei uns ist die Tendenz steigend.
    So wird aus einem kurzfristigen Notbehelf schnell eine Daueranwendung und Abhängigkeit.
    Das ist bei uns nur geringfügig und nicht für alle besser. Gerade in Branchen in denen eh schon prekäre Beschäftigung vorliegt ist de Druck auf die Beschäftigten sehr groß trotz Schmerzen zu arbeiten.
    Uns stehen zwar selten Opiate zur Verfügung, aber die NSAR Nutzung ist schon sehr hoch.

  11. Kann die Opioid-Krise aus den USA auch nach Deutschland kommen?

    Herr Schleim, wachen Sie auf.
    Setzen Sie sich am Wochenende nachts nach 1 Uhr in eine S- oder U-Bahn im Berliner Stadtzentrum und schauen Sie sich die Herumliegenden und Herumtorkelnden an, suchen Sie auch mal Partyhotspots auf. und schauen Sie den Menschen dort einfach in die Augen.
    Für jemanden, der beobachten und Symptome erkennen kann, dürfte das reichen. Er kennt dann die Antwort auf Ihre Frage: sie ist schon da. Noch nicht so viele Todesopfer, noch nicht ganz so viele neue Substanzen, aber die kommen noch.

    Wie kann man es verhindern? Prävention: den Kids schon in der Schule beibringen, wie Drogen funktionieren, warum das so gefährlich IST (statt zu propagieren, daß es gefährlich sein KANN), ihnen zu zeigen, wie man sich wehrt.
    Und vor allem, indem man ihnen erklärt, worum es eigentlich bei den Drogen geht: nicht darum, jemandem Wohlbefinden, Linderung von Symptomen, höhere Leistungsfähigkeit zu verschaffen (das erreicht man besser durch gute Lebensumstände, Medikamente, Dopingmittel usw.).
    Sondern daß es zu allererst um Geld geht. Um Profite. Und daß die Drogenabhängigen DAFÜR verheizt werden. Wer das kapiert hat, ist schon immunisiert genug.
    Allerdings würde das ein Bildungssystem erfordern, das widerstandsfähige (resiliente) Konsumenten erzieht und bildet, nicht willenlose verdummte dressiert. Und dafür muss man noch viel dickere Bretter bohren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert