Jugendliche in Russland und der Ukraine entwickeln eine gemeinsame Subkultur

Russische Jugendliche, die sich PMC Redan angeschlossen haben

 

Die Jugendlichen nennen sich provokativ PMC Redan, in der Ukraine sieht man russische Propagandisten am Werk, in Russland feindliche Staaten.

 

In Russland und in der Ukraine ist eine neue Jugendbewegung entstanden, die von beiden Staaten nicht nur misstrauisch beobachtet, sondern auch verfolgt wird. Die PMC Redan-Bewegung ist dadurch gekennzeichnet, dass Jugendliche plötzlich in Flash Mobs auf öffentlichen Plätzen auftauchen und Schlägereien anzetteln. Offenbar reagieren die Jugendlichen damit auf den in beiden Ländern durch den Krieg inszenierten Patriotismus, indem sie anarchische Gewalt ausüben und gleichzeitig den Krieg ins Lächerliche ziehen und die Kriegsordnung subversiv unterlaufen. Offenbar breitet sich die Bewegung viral aus. Die Behörden reagieren auf die transnationale Bewegung ähnlich und propagieren, dass sie vom Ausland, in der Ukraine natürlich von Russland, gesteuert werden.

Sie nennen sich auch in Anspielung auf die Wagner-Söldnerarmee PMC, also private military company, darin könnte auch ein Bezug auf die vielen Freiwilligenverbände in der Ukraine sein, die zwar formal dem Innen- oder Verteidigungsministerium unterstellt sind, aber auch private Milizen bleiben. Die Verwendung des Kürzels PMC ist ironisch gemeint, obgleich auch damit kokettiert wird, eine schlagkräftige Gruppe zu sein.

Redan ist eine Gruppe aus dem Manga Hunter × Hunter, von dem es auch eine Anime-Serie, Kinofilme und Computerspiele gibt. Hier gibt es als Gegner eine gefürchtete „Phantom-Truppe“ (Gen’ei Ryodan), deren 13 Mitglieder das Tattoo einer zwölfbeinigen Spinne tragen. Sie kommen aus Meteor City, einer heruntergekommenen Stadt, die von  Ausgestoßenen bewohnt wird, und haben u.a. ein Massaker an Mitgliedern des Kurta-Clans oder der Mafia verübt.

Wer in dieser Fantasiewelt nicht drin ist, versteht von der Saga nichts. Jedenfalls nehmen sich Jugendliche diese Truppe zum Vorbild, vermutlich auch deswegen, weil sie Ausgestoßene sind, die sich gegen die etablierten Mächte auflehnen. Daher bezeichnen sich die Jugendlichen auch als Freaks. Lenta.ru führt den Namen auf den bekannten russischen DotA-Rapper Shadowraze, der alles um das Computerspiel Dota 2 behandelt und von dem die Zeile „We are spiders, we are a generation, Redan is with me“ stammt. In Russland sind japanische Mangas und Animes zudem nicht gerne gesehen, Animes wie “Death Note,” “Tokyo Ghoul” und “Inuyashiki” wurden verboten, weil Jugendliche sich wie die Helden kleiden und gewalttätige Szenen nachspielen. Das ist auch bei den PMC Redan-Fans so.

Sie treten gerne mit längeren Haaren, in karierten Hosen und schwarzen T-Shirts mit dem Spinnensymbol und meist der Zahl 4 auf und scheinen besonders Supermärkte, die Kultstätten der Konsumkultur, aufzumischen. Mitunter treffen sie auf gegnerische Jugendliche, so dass es zu Massenschlägereien kommt. Sie scheinen eine Gegenbewegung eher Mittelsstandsjugendlicher zu den Hooligans zu sein, möglicherweise spielen sie eher Gewalt, was aber auch in wirkliche Gewalt umschlägt. Es wurde behauptet, dass die Bewegung sich gegen „Fußballfans, Personen mit nicht-slawischem Aussehen und Nationalisten“ richte, was Anhänger ab bestreiten. Jedenfalls scheint es so zu sein, dass gegnerische Jugendgruppen gegen die langhaarigen Spinnen antreten. Es ist auch eine Art Bandenkrieg.  Anhänger der Bewegung werden von anderen Gruppen gejagt, geschlagen und gedemütigt, u.a. werden ihnen die lange Haare mit einem Messer oder einem Rasierapparat abgeschnitten.

Im  Einkaufszentrum Aviapark in Moskau kam es am 19. und 20. Februar zu ersten solchen Schlägereien, anscheinend ausgelöst durch das Aufeinandertreffen mit Hooligans. Hunderte von Jugendlichen seien als Mob aufgetreten, die Polizei nahm Dutzende fest, die meisten seien 15 Jahre alt gewesen. Dann ging es im Einkaufszentrum Marcos Mall weiter. In Moskau sollen 350 Jugendliche festgenommen worden sein.

In St. Petersburg wurden am 26. Februar im Einkaufszentrum Gallery glich 220 Jugendliche wegen „Hooliganismus“ festgenommen, nachdem das Gebäude von der Polizei abgeriegelt worden war. Nach der Anklage von einigen „äußerten sie unflätige Obszönitäten, schrien, verhielten sich aggressiv, fuchtelten mit den Armen, provozierten eine Schlägerei, reagierten nicht auf Kommentare, brachten damit ihre Respektlosigkeit gegenüber der Gesellschaft zum Ausdruck und verletzten die öffentliche Ordnung“. Auch in Kursk, Nowosibirks oder Kazan sollen PMC -Redan-Gruppen aufgetreten sein. Die Bewegung ist nicht organisiert, offenbar ist die Idee solcher abenteuerlicher, aber auch aggressiver  Flashmobs,  die die Ordnung stören und den Einsatz von Polizei provozieren, für die Jugendlichen ansteckend. Die Erwartung von Gewalt könnte den Kitzel erhöhen, gefunden wurden bei Teilnehmern Messer und Schlagringe.

Auch Abgeordnete finden das Phänomen inzwischen beunruhigend. Der Vorsitzende des Staatsduma-Ausschusses für Sicherheit und Korruptionsbekämpfung, Vasily Piskarev, vermutet, weil die eigene Gesellschaft mit einem solchen Aufbegehren noch dazu in Kriegszeiten natürlich nichts zu tun haben soll, hinter dem Phänomen den Einfluss „feindlicher Staaten“, um die russische Jugend zu „destabilisieren“. Er fordert die Sicherheitsbehörden auf, das schnell zu ermitteln. Das subkulturelle Auftreten könne nur ein Mittel sein, die Jugendlichen in ein kriminelles Umfeld zu ziehen und sie zu Unruhen und Schlägereien zu verlocken.

PMC Redan-Jugendliche in Charkiw. Bild Polizei von Charki

„Der Feind benutzt unsere Kinder, um seine blutrünstigen Ziele zu erreichen“

Aber die Bewegung tauchte auch schnell in Weißrussland und vor allem auch in der Ukraine auf. In Kiew kam es in der Nähe des Einkaufszentrums Gulliver zu einem Tumult. Auch hier schritt die Polizei ein. Andere Vorfälle gab es in Charkiw, Iwano-Frankiwsk oder Odessa. Das Netz verbindet die Jugend der im Krieg befindlichen Staaten und ermöglicht, ein schnelles Verbreiten des Aufbegehrens.  Für den Polizeichef der Region Charkiw, Volodymyr Timoschenko, ist das nur eine der „kriminellen Aktivitäten Russlands gegen Kinder“. Irgendwelche Russen hätten einen Flashmob gestartet, um Kämpfe zwischen Teenagern auszulösen. Die Polizei habe alle Jugendlichen festgenommen, die an dem Kampf teilnehmen wollten. Vermutlich werden mit dem massiven Einschritten der Polizei für die Jugendlichen die Flashmobs noch interessanter.

Die Polizei sperrte zahlreiche Telegramm-Kanäle von PMC Redan, in Kiew wurden 700 Jugendliche zur Polizei einbestellt. Man hat offensichtlich Angst. In zweiTagen hätten 30 Treffen der diffusen Bewegung in der Ukraine stattgefunden. Der Leiter der Abteilung für Jugendprävention der Nationalen Polizei, Vasily Bohdan, sieht auch „russische Propagandisten“ dahinter. Die Polizei in Kiew spricht von einer „gefährlichen Jugendbewegung“ und schreibt: „Die künstliche Ausbreitung einer solchen Bewegung ist ein Versuch russischer Propagandisten, eine weitere Informations- und psychologische Operation durchzuführen und Teenager in illegale Aktivitäten zu verwickeln.“ Kinder würden „zur Destabilisierung der inneren Situation im Staat“ eingesetzt. Zusammen mit der Cyberpolizei sollen die Organisatoren, Moderatoren der Gruppen im Internet und Geldgeber verfolgt werden. Gestern wurden zwei Moderatoren in Kiew festgenommen, ein 15jähriges Mädchen und ein 14jähriger Junge.

Wolodymyr Tymoschko, der Polizeichef von Charkiw, ruft die Eltern auf: „Seien Sie wachsam gegenüber Ihren Kindern, kommunizieren Sie ständig mit ihnen und helfen Sie ihnen zu verstehen, was passiert, was gut und was böse ist. Der Krieg findet nicht nur auf dem Schlachtfeld statt. Der Feind will unser Land zerstören und benutzt unsere Kinder, um seine blutrünstigen Ziele zu erreichen. Nur gemeinsam können wir ihn aufhalten.“

Für die Kriegsgesellschaften Russland und Ukraine, vielleicht auch Weißrussland, ist es beunruhigend, wenn sich unter den Jugendlichen eine über die Grenzen und Fronten hinweg reichende Bewegung entwickelt, die sich quer zur patriotischen Kriegsstimmung stellt, aber gleichzeitig in ihrer Aggressivität an ihr teilhat. Und was die nationale Einheit stört, kann nur von außen kommen. Da wird offiziell eine Verschwörungstheorie gestrickt, um Druck auszuüben, die Gefährlichkeit hochzuspielen, massiv dagegen vorzugehen und von eigenen Problemen abzulenken. Vermutlich wird die Bewegung auch deshalb als besonders gefährlich wahrgenommen, weil sie sich länderübergreifend ausbreitet und vielleicht einen Ansatz in der kommenden Generation bieten könnte, die staatlich geschürte tiefe Feindschaft zwischen Russen und Ukrainern zu überwinden.

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12 Kommentare

      1. Also hier im Westen rennen die Teens und Twens mit Smartphone durch die Gegend und suchen Pokemons. Oder senden sich DickPics und Nippelfotos.

        Hier ist die Verblödung der jungen Generation viel zu weit fortgeschritten, die sind in der großen Mehrheit nur noch dumme Konsumenten.

        Deswegen wehren sie sich auch nicht gegen die Zerstörung ihrer Zukunft.

  1. Das Unverständnis für Jugend ist zeitlos.
    Das Quälen von Kindern und Jugendlichen während der „Corona-Zeit“ war gesellschaftlich nicht nur akzeptiert, sondern erfolgte absichtlich.
    Und Jugendliche können sehr wohl den Nerv von ideologisch verblödeten Erwachsenen treffen.
    Auch wenn sie selbst nicht genau wissen, warum.

    Gründerinnende, Initiatoristende oder Inspirartorinade dieser Bewegung scheint die bekanntermaßen blutrünstige UrGhula von Darlehen zu sein.

    1. Ich bin mir gerade selber bewusst geworden, dass grammatische und realitätsnahe Wissensaussetzer nicht nur in den Fingern beim Tippen, sondern schon im Kopf existieren!

      Aber Hochachtung: Man lernt hier sogar neue Politikrepräsentanten kennen, „UrGhula von Darlehen“.

  2. Die Öffentlichenrechtlinge glauben an daß Necronomicon und erzählen was von explodierenden Unterwasserpflanzen.

    Wenn jetzt Slawische Jugendliche behaupten das sie PMC = Private Military Contractors sind, glaube ich das auch! Und wenn hier Phantasie gefragt ist kann vielleicht eine kleine Horrorshow in der Metro 2033 weiterhelfen!

    1. Das behaupten die eigentlich gar nicht. Sie selbst sagen das sei keine Anspielung auf Private Military Contractors und habe keine bestimmte Bedeutung, es sei nur Spaß und hört sich einfach irgendwie cool an.

  3. Die bürgerliche Gesellschaft in ihrer Spätphase zeigt weltweit ähnliche Erscheinungen. In Kriegszeiten – und mehr noch nach Kriegen – sowieso. Dass die Zeit nach WKII in Deutschland eine des sich Besinnens, des solidarischen gemeinschaftlichen Anpackens, des großen gesellschaftlichen Projektes Wiederaufbau gewesen sei, gehört zu den frommen Lügen. Kriminalität, Übervorteilung, Gewalt, Betrug, gnadenlose Ausplünderung der Schwächeren waren alltäglich und repressiver Durchgriff das deutschen Staates, also dessen, was da noch übrig war und der Staaten, die entstanden, noch begrenzt.

    Das wird sicher in den beiden Ländern, die von den Amerikanern in den Krieg getrieben wurden, nicht bessser werden. Auch wenn im Krieg selbst die Hools werden mit heftigen Reaktion rechnen müssen. Die in Deutschland üblichen sechs Wochen Internetverbot auf Bewährung für jugendliche Gewalttäter sind da nicht so tradiert.

    Krieg macht Bestien, auch aus solchen , die nicht wie die ukrainischen ASSOWNazis schon vorher welche waren. Das tägliche Erleben der Nichtigkeit menschlichen Lebens, die eigene Existens auf der Kante, das hat Folgen und das wird, wenn es ein danach nach diesem Krieg geben wird, was längst nicht sicher ist , die Randale hunderter jugendlicher Krimineller als Kindergeburtstag erscheinen lassen.
    Es gehört zur linken Tradition, jedenfalls soweit ich es übersehe, irgendwas emanzipatorisches in jeglicher jugendlicher Revolte erkennen zu wollen. War da jemals was dran? Irgendwo und irgendwann in der Weltgeschichte?

  4. Hippy Zeiten, Flower Power, Studentenbewegung,Punks&Yuppies, internationale Hooligans Klatscher und wer weiß wieviel andere Postmoderne Spalter sich über Dekaden angesammelt haben.
    Auch wenn alles über das ‚Netz‘ schnell verfügbar ist, kostet das Geld und vor allem einen Zugang oder sind Stromaggregate so modern?

  5. Ich erkenne da nichts von „gemeinsamer Subkultur“. Und ich finde es überaus bedenklich und letztendlich verantwortungslos, dies auch nur anzudeuten. Falls hier zwei „Teams“ aufeinanderstoßen, was ist dann? Was passiert dann? Ist dann das Wortfetzen „Kultur“ noch irgendwo anwendbar?

    Ich möchte daran appellieren, nicht ähnlich gewaltsame Vorkommnisse auch nur näherungsweise so dermaßen unprofessionell zu vermengen, als ob es da irgend etwas gemeinsames geben würde.

    Ich habe über 10 Jahre in auseinandersetzungsstarker Jugendarbeit verbracht und muss gestehen, manche Dinge sind alles andere als beeinflussbar oder auch nur ansatzweise vorhersehbar. Und die Gewalt dabei kann selbst einen Beobachter echt umhauen. Von daher möchte ich stark bezweifeln, dass es hier vom gesellschaftlichen Anlass abgesehen auch nur geringste Gemeinsamkeiten geben würde.

    Die Überschrift des Artikels macht mich ob ihrer Unbedarftheit echt fassungslos.

  6. Welcher Staat weltweit, hat jemals seine
    Jugendlichen verstanden und hat ihnen
    dann die entsprechenden Freiräume
    zugestanden ? So lange, die nicht mit
    Genderblödsternchen und Fuck:Stottersprache
    andere belästigen seien sie mir willkommen, als
    Nicht-TV Verblödete, die ihren Weg einfach noch nicht
    so richtig gefunden haben.

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