Das Verhältnis zwischen dem zionistischen Israel und der Diaspora müsste historisch überdacht werden. Die Überlegung dazu ist rein theoretisch.
Angesichts des sich in Israel schonungslos vollziehenden Staatsstreichs erheben sich einige Fragen, die über das konkrete Tagesgeschehen hinausgehen. Denn es dürfte klar sein, dass das sichtbar Gewordene nur die Spitze des Eisbergs bildet. Klar dürfte auch sein, dass das Subkutane, dessen Manifestation noch der historischen Entwicklung und Gelegenheit harrt, sich nicht über Nacht, sondern über viele Jahrzehnte gebildet hat.
Um es unzweideutig auszusprechen: Der radikale Rechtsruck, den das Land erfahren hat, mag jene verwundern, die Israel stets für einen liberalen, in den Anfängen gar sozialdemokratischen Staat gehalten haben, der eine florierende Demokratie (“die einzige Demokratie im Nahen Osten”) generiert hat. Jene aber, die schon längst Zweifel daran hegten, und das positive ideologische Selbstbild für eine Chimäre, einen verblendeten Selbstbetrug gehalten haben, bleibt das, was sich aktuell akkumuliert hat, dennoch ein Rätsel.
Dabei geht es nicht nur um die konkreten strukturellen Momente, die hier seit Monaten aufgezeichnet und erörtert worden sind, sondern um eine historiosophische Frage, deren moralischen Untertöne gar nicht verheimlicht werden sollen: Was für ein Judentum ist es, dass den Anspruch erhebt, einen “jüdischen und demokratischen Staat” gebildet zu haben? Ich meine damit nicht nur die politisch-juristische Frage, wer Jude sei, die in Israel nie zur endgültigen Klärung gelangt ist, was de facto eine Verfassung für den zionistischen Staat verhindert hat. Ich meine auch nicht das Oxymoron von “jüdisch und demokratisch” (denn wenn nur jüdisch, dann nicht demokratisch; wenn demokratisch, dann nicht nur jüdisch; beides zusammen geht nicht). Ich meine in diesem Zusammenhang auch nicht die Unterscheidung zwischen dem ultraorthodoxen, orthodoxen, nationalreligiösen, dem traditionsaffinen oder dem säkularen Judentum.
Das sind durchaus bedenkenswerte Kategorien, die gleichwohl solche Unterschiede aufweisen, dass sie politisch letztlich nur über die Kategorie des Bürgers (kollektiv über die des Demos und nicht des Ethnos) überbrückbar sind; einer Kategorie freilich, die von radikalen Religiösen zumeist nur pro forma akzeptiert wird. Ich will mich hier auch nicht wieder auf die Quadratur des Kreises einlassen, die den säkularen Zionismus und den religiösen Messianismus miteinander verschwistert hat. Die Folgen dieser unheilvollen Fusion sieht man in der jüdischen Besiedlung des okkupierten Westjordanlandes und der damit einhergehenden Unterwanderung der Lösung des territorialen Konflikts zwischen den israelischen Juden und den Palästinensern.
Die sich für mich hier erhebende Frage geht über diese strukturellen Einzelmomenten hinaus. Sie lautet: Wie ist es möglich, dass das ursprüngliche, (nach eigenem Verständnis) in der Diaspora lebende Judentum sich in dem von ihm gebildeten Staat einer Entwicklung verschrieb, die ihn zum rassistischen, national-chauvinistischen, der Gewalt frönenden Faschismus geführt hat? Diese Frage geht davon aus, dass sich das diasporische Judentum über Jahrhunderte durch Gewaltlosigkeit, Herrschaftsferne und akkulturierende Anpassung, in seinen bürgerlichen Phasen dann durch Liberalität und Weltoffenheit auszeichnete. Gewiss, dies hatte etwas mit der gesellschaftlichen Ausgegrenztheit der Juden zu tun; man weiß nicht, wie Juden in ihrem diasporischen Dasein geworden wären, wenn sie mehr herrschaftliche Macht und Möglichkeiten zur Gewaltausübung gehabt hätten.
Und doch hat sich bei ihnen, nicht zuletzt geprägt durch die Familienstruktur und die Gemeinschaftserfahrung der Ausgegrenzten und Verfolgten, eine Mentalität der Menschlichkeit herausgebildet, die die Leiderfahrung einerseits zum Anlass einer (nicht nur religiösen) Abkapselung gegenüber der “Außenwelt” nahm, andererseits aber auch zu einer spezifischen Form der Humanität führte – im Jiddischen bildete sich das Diktum vom mentsch-Sein. Gerade diese Menschlichkeit veranlasste Antisemiten, ihre eigenen gesellschaftlich generierten Defizite auf “Juden” zu projizieren, wie bereits Sartre und dann Horkheimer und Adorno hervorgehoben haben. So absurd es klingen mag, lag darin ein Moment des Neides.
Vor diesem Hintergrund stellt sich also die Frage: Wie konnte es dazu kommen, dass die Juden in ihrem eigenen Staat Ideologeme und Praktiken dessen annahmen, was ihrer eigenen historischen Unterdrückung und Leiderfahrung zugrunde lag? Wie konnte es kommen, dass sie sich von der sich von Moses Mendelssohn über Marx, Freud, Einstein, Martin Buber, Walter Benjamin, Herbert Marcuse, Max Horkheimer und Theodor Adorno bis hin zu Hannah Arendt und Gershom Scholem (um nur die wenigen aufzulisten) erstreckende emanzipativ-humanistische Ahnenreihe loslösten, um sich Ideologie und Praxis des Faschismus, Rassismus, der Apartheid, der Gewaltverherrlichung und des Fremdenhasses als Grundlage ihres Staates anzueignen?
Die sich darauf anbietende Antwort mag lauten: So wie geschlagene Kinder sich zu Eltern entwickeln können, die ihre Kinder selbst schlagen (oder aber gerade nicht schlagen), konnten die Juden in dem von ihnen errichteten Staat ihr ehemaliges Opfer-Sein durch das dezidierte Täter-Sein kompensieren. Die Ideologie dazu mochten sie gerade von ihrer repressiven geschichtlichen Erfahrung beziehen.
Es mag aber auch sein, dass die Antwort darauf nicht unbedingt etwas mit historischem Ausgleich zu tun hat, sondern mit einer historischen Entwicklung, die das zionistische Projekt selbst hinterfragt. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts stellte der zionistische Politiker Schemarjahu Levin fest: “Es ist einfacher, (das Volk) Israel aus dem Exil herauszuführen, als das Exil aus (dem Volk) Israel.” Ze’ev Jabotinsky, geistiger Vater des zionistischen Revisionismus, war gleichen Geistes, als er meinte: “Um von unserem Körper und unserer Seele den Staub des Exils abzuwaschen […] werden wir viel Zeit und Wasser brauchen.”
Der religiöse zionistische Schriftsteller Aharon David Gordon warnte davor, dass “es für uns nirgends auf der Welt einen sicheren Zufluchtsort vor dem in uns [wohnenden] Exil gibt”. Und kein anderer als David Ben-Gurion hat oftmals davor gewarnt, dass das (jüdische) Volk noch nicht reif sei für ein staatliches Leben.
Dieser leitmotivisch wiederkehrende Gedanke stellt sich auch jetzt wieder unweigerlich ein: Ein Staat, der gegen sich selbst einen Staatsstreich verübt; ein modernes Land, das bei all seinen Errungenschaften es noch nicht geschafft hat, eine passable Zivilgesellschaft zu etablieren; eine Gesellschaft, die so zerrissen, so ressentimentgeladen, so hasserfüllt, so wenig solidarisch ist, dass sie in ihre Bestandsteile zu zerfallen droht – vielleicht stimmt es? Vielleicht war das historische Projekt ein Flop? Wenn ohnehin ein nicht geringer Teil der Juden in der Welt nicht in Israel lebt, und heute immer mehr jüdische Israelis die Emigration erwägen, das “Exil” vorziehen – vielleicht stimmt es, dass das Exil den Juden trotz Zionismus zur zweiten Natur geronnen ist? Vielleicht wollen sie nicht wirklich aus dem Exil herausgeführt werden?
Das Paradoxe an dieser Überlegung liegt darin, dass während bei Schemarjahu Levin, Jabotinsky, Gordon und Ben-Gurion das Exil (bzw. die Diaspora) als negative Kategorie erscheint, welche die Verwirklichung des zionistisch-emanzipativen Versprechens verhindert, nimmt sie sich angesichts dessen, was aus dem Zionismus geworden ist, als ein Moment des radikal “Andern” aus, ein Moment der gewaltfreien jüdischen Menschlichkeit, des alten jüdischen mentsch-Seins.
Das ist wieder wirklich schöne Prosa. Versucht viel anzudeuten, doch sehr kurz gehalten.
Ich komme einfach nicht vom durch und durch materialistischen Denken los. Ich würde das Geschehen in Israel und anderswo mit Star wars vergleichen und den Storm troopers oder Starship troopers. Es ist fast egal wer zum Storm trooper wird, er wird sich an deren Regeln halten. Es sind imperiale Regeln und die Regeln des Krieges. In Israel gibt es Militarisierung über lange Zeit, längeren Wehrdienst, höchstes Kriegsbudget der Welt pro Kopf (wenn das noch stimmt). Die Rekruten gewöhnen sich an autoritäre Strukturen, an Freund-Feind-Bilder. Das Erleben von Gewalt und der Gewaltspirale stumpft ab. Das Denken ist auch geprägt von dem Denken des kalten Krieges, das mit dem Manhattan-Projekt und Rand Corp anfing, beschleunigt wurde, nämlich rational choice theory, oft verharmlosend “Spieltheorie” genannt. Da ist die oberste Maxime, dass man sich misstraut. In einer immer dystopischeren Welt sind Linke nur Opfer und Demokratie ist zu umständlich, frisst zu viel Zeit, um Entscheidungen zu treffen. Diesen Verrohungseffekt sieht man auch in modernen Kriegsspielen. Dazu muss man gar kein Rekrut sein. In Deutschland beobachten wir auch eine massive Militarisierung. Die Frage ist ja, wie man das durchbricht und stoppt bevor es zur Katastrophe kommt? Es ist auch das Hammer-Nagel-Problem. Wenn man nur einen Hammer hat, sieht alles aus wie ein Nagel.
Wie auch in dem Text steht, muss aber so eine Militarisierung nicht immer bedeuten, dass es in Faschismus oder einer gnadenlosen Krieger- oder Gangkultur endet. Das basiert immer noch auf Entscheidungen wie sich eine Armee verhält, wen sie angreift und wen nicht. Leider hängt auch viel vom Gegner ab, ob der gutes Verhalten zulässt. Isreal ist allerdings absolut überlegen. Dass sie trotzdem so hart zuschlagen, ist ein ganz schlechtes Zeichen. Die Eskalation der Gewalt kann man entweder beschleunigen oder bremsen.
Eventuell kippt das Verhältnis Ost-West, bzw. USA + ihre Plantagenländer vs China, Russland und den Rest. Der Westen sieht sich zunehmend unter Druck und reagiert darauf autoritärer, während der Osten sich mehr liberales Denken leisten kann. Ob das stimmt kann ich aber nicht sagen. Dazu müsste ich in China und Russland für eine Zeit lang leben oder in anderen Ländern, die hier als autoritär verschrien sind.
Versuch einer Antwort auf die im Artikel gestellte Frage:
“Wie ist es möglich, dass das ursprüngliche, (nach eigenem Verständnis) in der Diaspora lebende Judentum sich in dem von ihm gebildeten Staat einer Entwicklung verschrieb, die ihn zum rassistischen, national-chauvinistischen, der Gewalt frönenden Faschismus geführt hat?”
Vorweg.
Zunnächst einmal ist die Verwendung des Begriffs “Faschismus” hier vollkommen falsch – zumindest dann, wenn man auch nur halbwegs seriöse geschichtswissenschaftliche Maßstäbe anlegt und nicht in politischen Aktivismus verfällt.
Ein ausufernder Faschismusbegriff, der praktisch jedes auch nur in Richtung auf autoritäres Regieren begriffene oder dort schon befindliche Regime so tituliert, ist vollkommen sinnlos und eine Verharmlosung historischer Faschismusformen.
Seriös wären dann Begriffe wie “autoritäres Regime”, “Einparteiendiktatur” bzw. in manchen Fällen auch “Militärdiktatur”. Aber auch diese Begriffe passen nicht zur gegenwärtigen israelische Regierung, da sie ja nach wie vor von Wahlergebnissen abhängig ist.
Nun zur eigentlichen Antwort:
Die innenpolitischen Probleme in Israel sind natürlich untrennbar verbunden mit der permanenten Erfahrung einer existentiellen Bedrohungslage und dem ständigen Kriegszustand. Das bewirkt eine Militarisierung der Kultur, ein Denken in Freund-Feind-Kategorien und eine Neigung zu härteren Maßnahmen. Ich habe das bei meinen Israelaufenthalten auch so erlebt.
Dieser ständige Alarm- und Bedrohungszustand verhindert das, was etwa in ruhigen und “zivilen” Ländern wie Dänemark, der Schweiz oder Portugal nach langen Friedenserfahrungen gelungen ist.
Dass Zuckermann diese Dinge mit keinem Wort berücksichtigt, ist nur durch seine einseitige politische Ausrichtung erklärbar.
Er möchte auf seine Frage eine Antwort provozieren, die ihm politisch passt.
Ihre Methode lautet, haltet den Dieb. Aus der “Bedrohungslage” konstruieren sie einen Grund, israelische Politik in mildem Licht zu sehen. Aber wieso haben in Palästina über Jahrhunderte Juden, Christen, Moslems friedlich zusammengelebt? Was ist geschehen, dass es zu so einer Wandlung kam? Ursache ist der Zionismus, der von Anfang an ein koloniales Projekt war. “… und um keinen Preis anerkennen wollte, dass das Land schon bewohnt war, und in seiner palästinensisch- arabischen Ursprungsbevölkerung von Muslimen und Christen, die sich ohne großen Erfolg dem Verlust ihres Territoriums und der Zerstörung ihrer Gesellschaft immer entgegengestellt hat.” ( Edw. W. Said: Versöhnung zwischen Gleichen;in: Frieden in Nahost; Heidelberg 1997, S. 252)
@ Eberhard Wetzig
Sie irren: Ich “konstruiere” die Wahrheit nicht, ich erkenne sie. Wahrheit kann man erkennen, aber nicht konstruieren wie “Narrative” ! Vor allem ist Wahrheit zumeist sehr komplex.
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Ja, der Zionismus war ein koloniales Projekt und führte vor einem Menschenleben(!) zu Unrecht gegenüber der arabischen Bevölkerung.
Aber was soll die Konsequenz davon sein?
Mir scheint, dass einige Leute – und nicht nur die Hamas – von einer Rückabwicklung dieses Projekts träumen … Es ist aber unmöglich, dieses historische Unrecht, das auch durch eine ganz spezielle historische Ausnahmesituation (-> vorangegangener Holocaust) begünstigt wurde, aufzuheben oder gar rückgängig zu machen, ohne mindestens ebenso viel NEUES UNRECHT zu schaffen. Denn eine Beseitigung des Staates Israel, was den Hardlinern unter den Gegnern ja vorschwebt oder eine Rückgabe aller Grundstücke, würde zu großem neuen Unrecht gegenüber allen heute lebenden Israelis führen.
Nebenbei bemerkt:
Die Vorstellung, eine schuldlosen Welt zu schaffen bzw. und eine rückwirkende Aufrechnung / Begleichung aller möglichen Vergehen von längst verstorbenen Menschen durchführen zu können, ist unsinnig – oder aber ein politisch aggressiver Akt.
Es gibt keinen anderen Weg zum Frieden als die Anerkennung des Faktischen! Und weil Teile der arabischen Seite sowie der Iran eben das absolut nicht tun wollen, gibt es im Nahen Osten keinen Frieden.
Also Land für Frieden ist ja von mehr als 40% der Israelis abgelehnt worden. Wo sind da der Iran und die arabische Seite als Bremser? Muss man bei diesem Abstimmungsergebnis nicht eher meinen, 40% der Israelis sind Nutznießer der Apartheit? Und die Rückgabe vor Entschädigung hatten wir ja in Deutschland. Und da war es erstaunlicherweise kein Unrecht.
Israel muß die Rechte des palästinensischen Volkes anerkennen, vor allen die Unterdrückung in den besetzten Gebieten beenden. Dazu muß Israel endlich die UN-Teilungsresolution vom 29. November 1947 akzeptieren, an die sich die Zionisten nie gehalten haben.
Die israelische Dauerbedrohung ist ein Narrativ um die israelische Gesellschaft im dauerhaften Alarmzustand zu halten. Das Ergebnis sehen sie.
Israel ist eine Atommacht und braucht ein paar Spielzeugraketen der Hamas nicht zu fürchten. Nebenbei bemerkt ist die radikale Hamas ein Ergebnis des israelischen Geheimdienstes um die PLO zu schwächen. Diese ist aber gemäß der UNO die legitime Vertretung des palästinensischen Volkes. Das hat übrigens auch Deutschland akzeptiert.
In Deutschland selbst ist wohl der antiarabischen Rassismus mittlerweile gefährlicher als der Antisemitismus. In Berlin-Neuköln, ausgerechnet dort, leben aus Israel ins Land der Täter ausgewanderte junge Juden friedlich mit ihrer arabischen Umwelt zusammen.
Warum sind diese jungen Leute aus Israel ausgerechnet ins „Land der Täter“ ausgewandert?
Was sexuelle Übergriffe in Deutschland anbelangt, sind das überwiegend Deutsche selbst und weniger Migranten, woher auch immer diese kommen. Im rechten und leider auch im linken deutschen ideologischen Lager ist leider wieder eine typisch deutsche Ausländerfeindlichkeit salonfähig geworden. Besonders gern haßt der typische Deutsche die Russen, Juden offen anzufeinden, trauen sich viele Deutsche nicht mehr und tun dies jetzt als „Ersatz“ gegenüber Muslimen….und Russen, was auch wieder salonfähig geworden ist…
Die Idee, alles würde besser, wenn Juden einen eigenen Staat hätten, ist widerlegt. Warum? Weil der entstandene Staat die Muttermale seiner Zeit trägt. Selbst eine geistige Ausgeburt des Nationalismus des 19. Jh., musste der Zionismus genau diesen Nationalismus kopieren. Und wie Prof. Abonsius im Tanz der Vampire – aufgebrochen, die Vampire zu vernichten – verbreitet dieser stattdessen das Vampirunwesen auf der Welt. Dem speziellen Rassismus des Antisemitismus wird der spezielle Rassisimus des “AntiPalästinismus” zur Seite gestellt. Die Zionisten hatten sich von ihren Peinigern befreit – nicht von deren peinigenden Methoden. Welche die Zionisten nach wie vor als sinnhaft sehen. Die Ermordung Rabins ist nur die Spitze dieses Eisberges. Ein eigener Staat, aber dasselbe System des Imperialismus, muss gesetzmäßig zu denselben Verwerfungen führen, vor denen die Zionisten geflohen sind. Und nun das Judesein auch noch von einer biologischen Abstammung herzuleiten, ist ein Griff ins finstere Mittelalter, was bisher nur die deutschen Nationalsozialisten fertigbrachten. Die Zionisten sind vom Holocaust doppelt geschädigt worden – einmal dadurch, dass sie Opfer desselben wurden und ein andermal dadurch, dass sie aus ihm nichts gelernt haben. Es trifft schon zu, was ein Professor der Jüdischen Universität gemeint hat, er habe den Eindruck, dass sich aus einem großen Rohr von Europa nach Israel in seinem Land der kulturelle Bodensatz Europas wiederfindet.
Diese Entwicklung war aus mehreren Gründen teilweise vorauszusehen. Da ist die Physik mit “Druck erzeugt Gegendruck”. Da ist das arrogante, teilweise verbrecherische Verhalten der 1.Generation der eingewanderten Juden und das nicht minder schlimme Verhalten der arabischen Liga.
In den 1980ern fuhr ich fast regelmäßig mit dem D-Zug aus Paris nach Frankfurt.
Gedächnisprotokoll:
Ich ereichte mein Abteil mit Mühe und Not (Müde .) Im Abteil saß mit diagonal gegenüber ein älterer, kleinerer Mann mit Baskenmütze. Kurze Zeit später fragte der Herr im guten Deutsch, ob ich ihm Bescheid geben könnte, wenn wir in Oppenheim vorbeifahren. Es entwickelte sich gutes ein Gespräch, als ich ihm erzählte, dass mein alter Herr in der Judengasse aufgewachsen war und als Antifaschist von der SA verprügelt wurde. Im übrigen hatte mein alter Herr damals noch einen ehemaligen Kinderfreund in Israel, Leo Brunner, Major und Begleiter des israelischen Präsidenten beim Besuch in Worms. Allerdings erzählte ich ihm auch, dass mein alter Herr über den Chauvinismus, der ihm beim kurzen Wiedersehen entgenschlug, entsetzt war.
Der mir mittlerweile direkt gegenüber sitzende Gesprächspartner ( ich setzte mich um) erklärte mit unter anderem den stufigen Aufbau der israelischen Gesellschaft, das fast schon rassistische Vorgehen der Zionisten gegen die Arabischen Nachbarn und die Verachtung der Zionisten gegenüber den andersdenkenden Israelis. Der seit der Gründung (Ben Gurion gab nie einem Araber die Hand) ungezügelte Nationalismus schaukelte sich hoch zu einem Chauvinismus. Das ist eigentlich bei dem mittlerweile stufigen Gesellschaftsystem, bei die arabischen Juden am Ende der gesellschaftlichen Leiter herumturnen, kurz über den israelischen Arabern, ein israelische Phänomen.
Das Gespräch schlief anschließend ein, weil ich bei diesem Thema nicht weiter mitreden konnte und auch nicht wollte.
By the way, sein Fazit:
Isael ist leider ein faschistoider Staat geworden.
Eine typisch deutsche Diskussion hier!
Deutsche, die die Verbrechen ihrer Vorfahren bedauern, oder schlimmer, an ihnen beteiligt waren, nehmen hier überwiegend einseitig Partei für Israel. Dabei vergessen sie das Problem des Zionismus, der einen radikalen weltlichen Nationalismus darstellt. Mit keinen Wort berücksichtigen die hier anwesenden Deutschen, daß es in der Natur des Zionismus selbst lag, das jüdische Staatsgebiet ethnisch zu säubern und die palästinensischen Einwohner zu vertreiben, bzw. ihnen in den besetzten Gebieten ihre Rechte zu verweigern. Deutsche kennen nicht den Unterschied zwischen den Zionismus und den traditionellen jüdischen Werten. Traditionell denkende Juden sehen in der Diaspora eine jüdische Existenzform. Der Zionismus aber will die Diaspora auflösen. ….soweit nur ganz kurz…
Zuviele Deutsche leugnen aus Scham über die deutsche Schuld, die Schuld der Nakba, der Vertreibung von mindestens 600.00 Palästinensern.
Frieden kann es in Palästina nur geben, wenn die Rechte beider Völker, der Israelis und der Palästinenser berücksichtigt werden. Dazu ist die israelische Rückkehr zur UNO-Teilungsresolution vom November 1947 erforderlich. China, das in diesen Konflikt neutral ist, sieht die UN-Resolution vom 29. November 1947 als Grundlage für eine Lösung dieses komplizierten Problems.
Deutsche können aufgrund ihrer historischen Schuld nicht neutral sein und sollten sich aus diesen Konflikt heraushalten!
Bella, du stellst erstens unmögliche Forderungen und einige deiner Aussagen zweitens sind schlicht falsch.
Zum letzten Punkt zuerst: du müsstest am Beispiel des “Erfinders” des Zionismus – nämlich Theodor Herzl – aufzeigen können, dass z.B. ethnische Säuberungen unmittelbar aus seinen Texten ableitbar wären.
Das sind sie aber nicht.
Der Revisionismus setzte nach Herzl ein und gegen ihn.
Zurück zum ersten Punkt: Glaubst du ernsthaft, Israel würde (zumal mit der Unterstützung der USA seit 1967) auf den ideologischen und politischen Druck auf die BRD (der ökonomische und politische “big player” in der EU) zugunsten seiner Politik verzichten?
Deine Forderung: “Deutsche können aufgrund ihrer historischen Schuld nicht neutral sein und sollten sich aus diesen Konflikt heraushalten!” ist das genaue Gegenteil von dem, was offizielle Politik Israels war und ist.
Ableitung aus Hertzl:”Die arme Bevölkerung trachten wir unbemerkt über die Grenze zu schaffen, indem wir ihnen in den Durchzugsländern Arbeit verschaffen, aber in unserem Land jederlei Arbeit verweigern.”
aus:Hertz, Theodor, Briefe und Tagebücher, Zweiter Band, Hrg. Alex Bein et al. Berlin Fft./M, Wien 1983, S.117
Man beachte den Euphemismus. In Ländern, wo man nichts zu bestimmen hat, Fremde in Arbeit zu bringen.
Ich habe hier ein paar Vorschläge zu machen. Es wäre nett, wenn sie unvoreingenommen gelesen werden.
Eingangs greife ich Georg auf: “Ich komme einfach nicht vom durch und durch materialistischen Denken los.”
Ich auch nicht.
Shir Hever hat 2010 “The Political Economy of Israel’s Occupation” geschrieben und darin anschaulich klar gemacht, die Besatzung war Anfangs ein profitables Geschäft, die Kosten überwiegen (laut ihm) jedoch seitdem den Nutzen.
Dabei hat er m.E. mehrere Dinge ausgespart: 1. Die Bedeutung des MIK in Israel, damit einhergehend eine permanente Überproduktion von Offizieren (sowie Sicherheitspersonal) und ein Exportmodell, das militärische Konflikte exportiert. 2. Dass die “Siedler” ein ideologisch aufgeladener Export von (orthodoxem/und ultraorthodoxen) Menschenmaterial sind, die man als Wählerbasis einerseits gewinnen, andererseits (damit) loswerden will. 3. Die Zentralisierung politischer Macht durch die ökonomische Macht weniger Familien in Israel.
Von den (in Israel) angekündigten Untersuchungen von Punkt 3 ist hier keine Rede.
Ich würde mir wünschen, Zuckermann würde sich mit Hever in Verbindung setzen und wir hätten hier einen verständigen Austausch.
Als Ergänzung ein Bericht über Black Rock in Israel
https://en.globes.co.il/en/article-blackrock-set-for-israel-expansion-1001234111
Der Autor schreibt :
“Wie konnte es kommen, dass sie sich von der ….. emanzipativ-humanistische(n) Ahnenreihe loslösten, um sich Ideologie und Praxis des Faschismus, Rassismus, der Apartheid, der Gewaltverherrlichung und des Fremdenhasses als Grundlage ihres Staates anzueignen?”
Ich kann als Nicht-Jude nur immer wieder dieselbe Vermutung aüßern : Das Trauma des Holocaust’s ? Die angesichts des grassierenden, weltweiten Antisemtitismus verständliche Angst, dass sich die Shoa jederzeit wiederholen könnte, und die damit verbunde Sorge, den Staat Israel – als sichere Fluchtburg für alle Fälle – zu verlieren ?
Die Fragezeichen verführten mich, den Faden aufzunehmen. Ich glaube, es gibt kein Volk mit irgendeiner Ahnenreihe. Die Vorbilder aus der Zeit der Aufkärung und danach – Marx wird etwas abseits dargestellt auf dem Bild – sind untauglich, den Charakter eines Volkes abzuleiten. Der Autor weiß das auch, aber er argumentiert nicht im politisch luftleeren Raum. Was wir im Staat Israel erleben, ist auch nicht das Ergebnis des Holocaust. Dazu fing dieses Unglück des Staatseinwollens viel zu früh an. Ein Staatseinwollen um jeden Preis, auch um den Preis von Vertreibung und Vernichtung anderer. Dieser Makel schwebt nun wie ein Damoklesschwert über diesem Land. Und so versucht dieses Land, die selbstgewählte Blindheit gegenüber seinen eigenen Verbrechen dem Rest der Welt ebenfalls zu verordnen.
Soviel ich weiß waren die großen Einwanderungswellen von Juden nach Israel direkte Folgen von Gewaltwellen gegen Juden, und nicht die Folge von religiöser Schwärmerei :
– die Masseneinwanderung nach den Pogromen in Galizien Anfang des 20 Jahrhunderts
– die Masseneinwanderung nach dem Holocaust
– die Masseneinwanderung eines Teils der ca. 800.000 aus muslimischen Ländern vertrieben Juden.
– die Masseneinwanderung von polnischen Juden in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts.
Das waren Menschen die vor Gewalt geflohen sind, und keine religiösen Fanatiker !
Sie schreiben :
” Dazu fing dieses Unglück des Staatseinwollens viel zu früh an. ”
Hierzu möchte ich Shlomo Sand zum Thema “Zionismus und Vererbung” zitieren :
“das soll nicht heißen, dass es keine Verherrlichung des ‘jüdischen Genius’ gab und keine Lobreden auf die außergewöhnlichen Eigenschaften der Juden ….. Doch solange sie aus dem Mund einer schwachen und verfolgten Minderheit kamen, klangen sie eher lächerlich als bedrohlich, vielleicht mitleiderregend, aber nicht gefährlich”
Friedrich Engels schrieb 1874 in Bezug auf das damalige russisch-polnische Verhältnis (und Wladimir Iljitsch hat’s gerne zitiert):
“Ein Volk, das andere unterdrückt, kann sich nicht selbst emanzipieren. Die Macht, deren es zur Unterdrückung der andern bedarf, wendet sich schließlich immer gegen es selbst. Solange russische Soldaten in Polen stehen, kann das russische Volk sich weder politisch noch sozial befreien. Bei dem jetzigen Stand der russischen Entwicklung aber ist es unzweifelhaft, daß an dem Tage, wo Rußland Polen verliert, in Rußland selbst die Bewegung mächtig genug wird, die bestehende Ordnung der Dinge zu stürzen. Unabhängigkeit Polens und Revolution in Rußland bedingen sich gegenseitig.”
(F. Engels Flüchtlingsliteratur, 1874/75)
Die Parallele bedarf eigentlich kaum einer Erläuterung. Die mehr als 56 Jahre andauernde kontinuierliche Praxis der Repression gegen den nicht-jüdischen Teil der Bevölkerung, die ein erheblicher Teil der jüdischen Bevölkerung während des Wehrdienstes handfest einübt, ist wirksamer als alle humanistischen Ahnenreihen sowie die historische Erfahrung der unterdrückten Vorfahren.
P.S.
Engels (materialistischem) Diktum folgend hat Lenin übrigens den Staatsaufbau des postrevolutionären Russlands konzipiert, was heutige russische Nationalisten, die wie Putin dem Gründervater vorwerfen, die von ihm ins Werk gesetzte Föderalisierung des Staates habe wie eine Zeitzünderbombe gewirkt, natürlich nicht verstehen können.