
Ist der Protest gegen die “Justizreform” erlahmt? Nein. Aber auch Netanjahu nicht.
Es mochte seit einigen Wochen scheinen, als habe sich “die Lage” in Israel beruhigt. Netanjahu, offenbar erschrocken über die Verhemenz der öffentlichen Reaktion auf die “Justizreform”, als er seinen Verteidigungsminister zu entlassen gedachte, beruhigte sein rechtes/ultrarechtes Umfeld; Koalition und Opposition einigten sich darauf, einen “Kompromiss” beim neutralen Staatspräsidenten Yitzhak Herzog auszuhandeln, und solange diese Verhandlung läuft, die forcierte parlamentarische Aktivität um die “Justizreform” zu vertagen.
Entsprechend nahm sich auch die sich seit Monaten allwöchentlich versammelnde und mit Verve demonstrierende Protestbewegung zurück. Es sind noch immer zehntausende Menschen, die sich jeden Samstagabend auf Israels Straßen lautstark artikulieren, aber eben keine hunderttausende mehr. Der Grund dafür hatte zum einen mit dem “von oben” kommenden Bestreben zu tun, die Öffentlichkeit zu beruhigen, zum anderen aber auch damit, dass die ohnehin höchst heterogene Protestbewegung keine eindeutige Zielvorgabe für ihre Aktivität aufzuweisen vermochte; die “Justizreform” war ja vorerst aufgeschoben, alternative Ziele (und es gibt ja mehr als genug triftige Gründe gegen die faschistische Regierungskoalition Israels zu opponieren) kamen eher diffus daher.
Nun stellt sich aber heraus, dass die Verhandlungen beim Staatspräsidenten nichts gefruchtet haben. Er selbst sagte, dass es zu keinem Zeitpunkt der seit vielen Wochen laufenden Verhandlungen zu einer Einigung zwischen den beteiligten Vertretern der Koalition und der Opposition gekommen sei. Und so wurde diese Woche seitens der Regierung verkündet, dass die “Justizreform” mitnichten ad acta gelegt sei; zwar werde man die wichtigsten der anvisierten “Gesetzesreformen” erst nach der Sommerpause im Herbst durchbringen, aber der Anfang soll schon in den kommenden Tagen gemacht werden.
Netanjahu steht weiter unter Druck seiner Koalitionspartner
Netanjahu, der in der ersten Reaktion auf die ausgebrochene Protestemphase erschrocken, geschwächt und mutlos schien, sich mithin “kompromissbereit” gab, und seinen doktrinären Justizminister Yariv Levin, Motor der “Justizreform”, zügeln zu sollen meinte, scheint nun wie erneut zum Leben erwacht. Die Einzelheiten der parlamentarischen Machenschaften, mit denen die “Justizreform” trotz besagter Vertagung wieder in Gang gesetzt wird, seien hier dem deutschen Leser erspart.
Worauf aber der Augenmerk gerichtet werden muss, ist die Konstellation, in der sich Netanjahu bewegt und sich in ihr als Meister, zugleich aber auch als “Opfer” der politischen Intrige und Manipulation erweist. Zum einen verfolgt Netanjahu nach wie vor das Ziel, seine Herrschaft und Macht um jeden Preis zu erhalten, nicht zuletzt, um mit ihnen den Ausgang seines Prozesses weitmöglichst hinauszuzögern bzw. einem Urteil (eventuell einer Freiheitsstrafe) zu entgehen. Zum anderen sieht sich Netanjahu dem heftigen Druck seiner Koalitionspartner, welche er als seine “natürlichen Verbündeten” apostrophiert hat, ausgesetzt. Diese – ob Itamar Ben-Gvir, Bezalel Smotrich oder die Vertreter der religiös-orthodoxen Parteien – setzen ihm in der Tat ziemlich zu.
Während der Premier (zumindest augenscheinlich) darauf bedacht ist, pragmatisch vorzugehen und Realpolitik zu betreiben, insistieren die Koalitionspartner (die ihn ja politisch am Leben erhalten) darauf, das die in den Koalitionsverhandlungen getroffenen Vereinbarungen Punkt für Punkt eingehalten werden. Es spielt dabei für alle Beteiligten keine Rolle, dass sich sowohl Ben-Gvir (Polizeiminister) als auch Smotrich (Finanzminister) als unfähig erweisen, die ihnen anvertrauten Ministerien zu managen, mithin die besonders unter der gegenwärtigen Regierungskoalition bedrohlich angestiegenen Herausforderungen in ihren Befugnisbereichen zu bewältigen.
Das hängt damit zusammen, dass sie sich in erster Linie um ihre ideologischen Ziele kümmern: Smotrich bemüht sich um die Expansion des Siedlungswerks im Westjordanland; Ben-Gvir erstrebt die Erweiterung seiner Machtvollkommenheit, etwa die Errichtung einer ihm unterstellten Nationalmiliz oder den nach beliebigem eigenen Ermessen praktizierten Einsatz der infamen juristischen Maßnahme der Verwaltungshaft. Der mehrfach vorbestrafte Führer der Schas-Partei Arje Deri, der wegen gesetzlichen Vergehen und fortwährender Korruption seines Ministerialpostens enthoben wurde, will vor allem wieder in sein Amt eingesetzt werden. Und die Führer der orthodoxen Parteien sind nicht bereit, auch nur dem geringsten Abstrich von ihren korrumpierten Forderungen zuzugestehen, obwohl gerade ihre Maßlosigkeit große Teile der israelischen Bevölkerung empört.
Man darf Netanjahu nicht über den Weg trauen
Nimmt man noch die internationale Kritik hinzu, die Netanjahu in den letzten Monaten über sich hat ergehen lassen müssen – bis heute wartet er vergeblich auf eine Besuchseinladung des US-amerikanischen Präsidenten, eine besonders empfindliche Verletzung seines “staatsmännischen” Status’ –, mag man nachgerade Mitleid mit dem zutiefst gestressten Politiker empfinden, wie einige israelische Publizisten meinen, sich artikulieren zu müssen. Der große “Magier” habe seine Anziehungskraft verloren, groß sei der Fall von den strahlenden Höhen seines Renommees in die Niederungen der Erbärmlichkeit. Er selbst, manipulativer Meister der Selbstviktimisierung, der er seit jeher war, setzt alles daran, sich als Opfer dieser Konstellationszwänge darzustellen. Es wäre aber ein Kardinalfehler, ihm das abzunehmen.
Man darf Netanjahu nicht über den Weg trauen. Er ist ein ausgemachter Lügner, der fintenreichste Manipulator der israelischen Politik, der es stets verstanden hat, Erfolge narzisstisch-selbstherrlich zu zelebrieren, Niederlagen in perfide Hetzkampagnen gegen seine Rivalen zu verwandeln, jegliche Opposition rücksichtslos auszuschalten bzw. schäbig auflaufen zu lassen und sich finsterer demagogischer Praktiken zu bedienen, wie sie die politische Kultur Israels seit Manachem Begins Zeiten nicht gekannt hat.
Was aber alles überragt, ist die ruchlose Skrupellosigkeit, mit der er die Staatsinteressen seinen Privatinteressen unterstellt. Es ist wirklich kaum zu glauben, wie er die Erschütterung der israelischen Ökonomie, die Demolierung der Zivilgesellschaft, die Auflösung der letzten Reste dessen, was man “die israelische Demokratie” zu nennen pflegt, ja selbst die Lädierung der militärischen Sicherheit hinnimmt, insofern diese katastrophenträchtigen Zustände seinen subjektiven Anliegen förderlich sind. In der Tat hat man immer mehr das Gefühl, dass ihn die Zukunft des Landes nicht mehr interessiert; nicht wenige Publizisten und Kommentatoren behaupten, von ihm aus möge das Land zugrunde gehen (wenn nicht er mehr “König” sein darf).
Aber man gebe sich auch darin keiner optischen Täuschung hin. Netanjahu erschrak sehr wohl, als er zu Beginn der “Justizreform” von der israelischen Öffentlichkeit angefaucht wurde. Es ist schon bemerkenswert, wie er die Empörung in den Griff bekam, sich vermeintlich zurücknahm, um aber nun, da die Protestbewegung ein wenig an Verve verloren hat (und seine Koalitionspartner ihn zunehmend in Druck setzen), den Fortgang der “Reform” wieder zu postulieren. Er, der die Verhandlungen beim Staatspräsidenten wissentlich unterwandert hat, wusste bald nach ihrem Verfall demagogisch zu deklarieren, die Opposition habe sie untergraben.
Und als in dieser Woche die Wahlen zum Vorsitz der israelischen Rechtsanwaltskammer (ein Ereignis mit erwartbaren Auswirkungen auf die “Justizreform”) zu seinen Ungunsten ausfiel, und der von seinem Lager unterstützte Kandidat eine bittere Niederlage erlitt, hieß es sogleich aus seinen Reihen (gewiss nicht ohne seine Zustimmung), man werde die Rechtsanwaltskammer eben zu schwächen bzw. ganz auszuschalten haben. Nichts ist ausgestanden. Der Prothesengott behauptet sich noch. Es geht weiter – nur eben etwas anders.
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Immerhin ist Israel nun der erste Staat, in dem die Abschaffung des Verfassungsgerichts an Großdemonstrationen gescheitert ist. In Polen und Ungarn war die Operation erfolgreich.
Es ist halt das übliche rechte Gesocks, was sich inzwischen überall im Westen zeigt: strunzdumm und kriminell. Wenn ihre “Justizreform” durchkommt, werden sie als erstes das Wahlrecht für Palästinenser abschaffen. Das wird Israel komplett isolieren, denn das kann man beim besten Willen nicht mehr verteidigen.
Die Israelis müssen sich schon fragen, warum sie denn die Arbeiterpartei so abgestraft haben. Die Chinesen sind jetzt mit einem Friedensvorschlag unterwegs, der eine Zweistaatenlösung vorsieht. Die Arbeiterpartei wäre der ideale Partner, denn sie würde die ungeheuren Vorteile, die diese Lösung hat, erkennen und gutheißen.
Hingegen mit diesen Holzköpfen ist jeder Erfolg ausgeschlossen.
“Immerhin ist Israel nun der erste Staat, in dem die Abschaffung des Verfassungsgerichts an Großdemonstrationen gescheitert ist. ”
Die “Justizreform” ist nicht abgeschafft, sondern nur “voruebergehend ausgesetzt” worden, Praesident Herzog lobte die Aussetzung!
Das heisst aber auch, Netanjahu wird die “Justizreform” nach einiger Zeit wieder ans Tageslicht befoerdern muessen, er muss seine extrem rechtslastigen Minister zufriedenstellen oder er riskiert Neuwahlen.
Artur_C
Das größte Übel des jüdischen Volkes ist der Zionismus, der bekanntlich mit den Nazis kollaborierte!
Der Linkszionismus der Gründerjahre war da nicht besser als der neue, radikalere Rechtszionismus, dem sich jetzt auch ein Teile der jüdischen Orthodoxie angeschlossen haben.
Israel war niemals eine Demokratie im westlichen Sinne, sondern der Staat der komplexen jüdischen Ethnie unter Ausschluss der Palästinenser. Auf die Shoa folgte die Nakba! (die weit weniger grausam war als die Shoa, aber zuviele Menschen tötete)
Folgt man den Völkerrecht, das das zionistische Israel niemals akzeptierte, so sollte die UN-Teilungsresolution umgesetzt werden. Das bringt China jetzt ins Spiel.
Es wird aber wohl auch auf eine Ein-Staaten-Lösung hinauslaufen, vielleicht mit einen kleineren Palästinenserstaat?
Israel ist in einer Sackgasse, wie der Rest der Welt auch, aber im kleinen Israel scheinen sich die Konflikte zuzuspitzen.
Ohne den Zionismus war vor der Staatsgründung ein friedliches Zusammenleben von Arabern, Juden und Christen möglich, das die Zionisten mit Hilfe der Sowjetunion zerstört haben. Israel war zunächst Spielball der UdSSR, dann Spielball der USA.
Hat Israel das weltweite Judentum sicherer gemacht? Israel ist die stärkste Militärmacht in Nahen Osten, eine Atommacht. Hat das Israel sicherer gemacht, Israel Frieden gebracht? Es kann doch kein Zufall sein, daß jüdische Jugendliche lieber in Berlin-Neuköln, den Land der Täter, leben wollen, als in Israel?
Man muß die Grundfragen neu stellen, zurück zu den zutiefst friedlichen Grundwerten des Judentums zurückkehren!
“Das größte Übel des jüdischen Volkes ist der Zionismus, der bekanntlich mit den Nazis kollaborierte!”
Gleich im ersten Satz eine Nazilüge. Das fängt ja gut an.
Dann kommt natürlich die Nakba. Ja was war denn? Israel wurde gegründet, nachdem die UNO das mit Zweidritteln genehmigt hatte. Eine Stunde später hatte das Land sie Kriegserklärung von fünf arabischen Ländern auf dem Tisch. In jedem anderen Weltteil würde man das als unprovozierten Angriffskrieg einstufen. Nicht so natürlich, wenn Israel auf der anderen Seite steht. Die Vertreibung der Palästinenser war dann eine militärische Notwendigkeit, eine Kriegsfolge. Dann haben die Araber verloren und nach einem verlorenen Angriffskrieg muss man manchmal umziehen. War in Deutschland seinerzeit genau so. Aber dass sich die Araber durch ihr Gejammer eine lebenslange, gar vererbliche Flüchtlingsrente ergaunerten, das ist weltweit einmalig. Das gibt es nur, wenn auf der Gegenseite Israel steht.
Och ja, der jüdische Bürger in Berlin weiß ganz genau, dass er auch da Schutz und Hilfe von Israel bekommt. Was ihn natürlich nicht davon abhält, den Zionismus doof zu finden.
Man merkt, du bist kein Jude, sondern ein verunsicherter Deutscher, der gegenüber den jüdischen Volk die Verbrechen seiner Vorfahren sühnen möchte. Das ehrt dich, aber du stößt über das Ziel hinaus und gibt’s dich zionistischer als die Zionisten. Wahrscheinlich bist du ein selbsthassender Antideutscher.
Als Nachfahre des Tätervolkes bitte ich dich, dich nicht in innerjüdische Angelegenheiten, von denen du wenig verstehst, einzumischen.
Zeig einfach Demut und Reue und misch dich nicht in Angelegenheiten ein, von denen du nichts verstehst
Vielen Dank, sei weiter streitbar wie die Juden aber auch tolerant wie die Juden.
Denke einfach mal nach, denn du bist noch sehr jung…
Ergaunert haben sich die Zionisten erstmal bewohntes Land.
Und seitdem beklagen sie “Antisemitismus”.
Nicht jeder Antisemitismus ist also unbegründet.
Da hat ein israelischer Botschafter vor ein paar Tagen eine äusserst unglückliche Aussage gemacht zu Faschisten.
Dann sind lt. Israelischen Medien isr. Unternehmen in Polen und bauen Kriegsmaterial so um, das NATO Munition benutzt werden kann. Wenn sich herausstellen sollte das Israel über Polen in der Ukraine aktiv ist, dann beteiligt man an einen Genozid der ‘2014’ anfing.
Man las auch wie kleinlaut der Netanyahu die Lieferungen vom Westen an die Ukraine kritisierte. Diese würden nun bei den Feinden an ihrer Grenze (die israelische) auftauchen.
Die doppelten gespaltenen Zungen zischen wild um sich herum.