Schwere Vorwürfe gegen Indiens Premierminister, die Regierung kann sich trotz wirtschaftlicher Probleme und Korruption auch wegen der Medien noch halten.
Mangelhafte Bildung für die Masse der Bevölkerung in Indien. Kaum Arbeit für die jungen Menschen, von denen jährlich 10 Millionen neu auf den indischen Arbeitsmarkt strömen – 44 Prozent der Inder sind zwischen 18 und 25 Jahre alt. Verseuchte Luft, Wasser und Nahrung. Die Politik reagiert darauf seit Jahrzehnten vorwiegend mit riesigen Infrastruktur-Projekten und Indiens Richter segnen sie ab, obwohl die Wissenschaft voraussagt, dass dies wie im Falle der Bergstadt Joshimath zum Zusammenbruch führt.
Der aktuelle Hoffnungsschlager der indischen Politik, der führenden Wirtschaftsvertreter und der oberen Mittelklasse ist die Digitalisierung und alles wird gut. Doch auch das wird sich in Indien als Trugschluss erweisen, weil „Nichts“ da ist, auf dem man aufbauen kann – der wütende „einfache Mann“ wird keine Revolution entfachen, denn er hat nun die Hindutva-Bewegung, mit der er seine Wut gegen Minderheiten richten kann.
Was klingt, als sei es eine Zusammenfassung meiner Indien-Artikel und Reportagen der letzten Jahre, sind die Ansichten von Ashoka Mody, Professor für Internationale Wirtschaftspolitik und ehemaliger Mitarbeiter der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF). In einem Interview mit der Zeit gibt er einen Einblick in sein Buch: India is broken.
Darin macht er auch die Hoffnung des Westens zunichte, dass Indien mittelfristig China als Wachstumsmotor ablösen könnte: China hat im Gegensatz zu Indien auf gute staatliche Bildung für die Masse gesetzt, ist nur eines seiner Argumente. Zudem rückt Ashoka Mody gleich das Argument gerade, Indien sei mit einem Wirtschaftswachstum von 9 Prozent auf einem sehr guten Weg: „Indiens Bruttoinlandsprodukt sank nach der ersten Covid-Welle, erholte sich und brach nach der zweiten Welle wieder ein. Das zitierte Wachstum kam nach diesem Einbruch. Das BIP wächst nicht, es erholt sich. Über die vergangenen drei Jahre gerechnet wuchs die Wirtschaft im Schnitt 3,5 Prozent pro Jahr – etwa so wie vor Covid“, sagte Ashoka Mody im Zeit-Interview. Und auch wenn es in einer schnelllebigen Medienwelt bei vielen in Vergessenheit geraten ist: Schon vor Covid präsentierte die aktuelle Regierung von Premierminister Modi das geringste Wirtschaftswachstum seit 11 Jahren.
Dass Ashoka Modi sich nicht durch kurzfristige Erfolgszahlen irritieren lässt, ist nicht der einzige Unterschied zwischen ihm und vielen seiner westlichen Kollegen: Ashoka Modi vergisst nicht den Blick aus der Blase der oberen Mittelschicht, hinunter ins Leben der Masse der Menschen Indiens. Wie ich in den letzten Monaten sehen konnte, ist dieses Leben für sie noch schwerer geworden, als es vor Corona schon war. Die Lebenserhaltungskosten haben sich auch für die Mittelklasse seit 2020 zum Teil verdoppelt. Die Inflation für Nahrungsmittel liegt seit einem Jahr im Schnitt bei 6 bis 8 Prozent im Monat. Natürlich sind auch in Indien während der Corona-Pandemie die Reichen noch reicher geworden: Die oberen 10 Prozent besitzen laut Oxfam jetzt 72 Prozent des Reichtums in Indien. 70 Prozent der Bevölkerung teilen sich 10 Prozent. Ein Blick auf den World Inequality Report verrät, was Narendra Modi und Donald Trump gemeinsam haben: Beide kamen sie an die Macht, als die finanzielle Ungleichheit in ihren Ländern ein Allzeithoch erreicht hatte.
Der ehemalige Gouverneur von Kaschmir Malik äußert schwere Vorwürfe gegen Modi
Auch wenn es laut der meisten Medien nicht so aussieht, wird die Luft für Narendra Modi dünner. Sogar erste Parteikollegen nehmen mittlerweile kein Blatt mehr vor den Mund.
In einem Interview mit dem Onlinemagazin The Wire erhob der ehemalige Gouverneur von Kaschmir, Satya Pal Malik, schwere Vorwürfe gegenüber Premierminister Modi. Malik sagte, dass der Terroranschlag im Februar 2019 in Pulwama verhindert hätte werden können, bei dem 40 indische Paramilitärs getötet wurden.
Laut Malik, hatte die Führung der Central Reserve Police Force (CRPF) beim Innenministerium angefragt, 2800 ihrer Kräfte mit dem Flugzeug zu transportieren, doch dies wurde trotz etlicher Anschlagswarnungen abgelehnt. So musste ein großer Konvoi aus 78 Fahrzeugen die Straße benutzen. Laut Malik gab es 8 bis 10 Zufahrtsstraßen, die alle unbewacht waren. Dazu muss der Selbstmordattentäter mehr als eine Woche mit knapp 300 Kilogramm Sprengstoff unbehelligt durch Kaschmir gefahren sein. In einem Gespräch mit Narendra Modi sprach Malik die gemachten Fehler an, doch der Premierminister soll ihm gesagt haben, dass er dies verschweigen soll. Malik gab zu, Modis Rat gefolgt zu sein, im Wissen, dass die indische Regierung den Anschlag Pakistan in die Schuhe schieben und dann niemand mehr Fragen stellen werde.
So kam es auch. Narendra Modi gab den Befehl zu einem Angriff mit 12 Mirage-2000 Kampfjets auf angebliche Terrorcamps auf pakistanischem Gebiet. Obwohl dabei ein indischer Kampfjet abgeschossen wurde, verhalf das „beherzte“ Vorgehen Narendra Modis die anschließenden Parlamentswahlen zu gewinnen. Dabei war es dem damaligen Premierminister Pakistans, Imran Khan, zu verdanken, dass die Kampfhandlungen der beiden Atommächte nicht völlig eskalierten: Als Zeichen des guten Willens übergab Pakistan einen gefangen genommen Piloten an Indien – ohne jegliche Bedingungen.
Um es jedoch nochmal deutlich zu sagen: Malik hat Pakistan nicht freigesprochen in Sachen Terrorismus. Auch er geht davon aus, dass die Beschaffung der 300 Kilogramm Sprengstoff für den Attentäter nur mit Hilfe aus Pakistan möglich war. Malik sagte, dass der Anschlag zu verhindern gewesen wäre.
Zudem warf Satya Pal Malik seinem Premierminister vor, schlecht informiert zu sein. In der Angelegenheit Kaschmir sogar zu 100 Prozent. „Immer wenn ich ihn (Modi) traf, hatte ich eine schlecht informierte Person vor mir“, sagte Malik den Kollegen von The Wire. Kaschmir ist seit der Unabhängigkeit 1947 von Indien und Pakistan der Zankapfel zwischen beiden Ländern. Im Sommer 2019 strich die Modi-Regierung dem von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs den Autonomiestatus und teilte den Bundesstaat auf. Dort leben mehrheitlich Muslime, die nun nicht einmal mehr ein eigenes Parlament wählen dürfen. Auch Amnesty International kommt zu dem Schluss, dass sich das Leben der Muslime Kaschmirs seitdem verschlechtert hat.
Narendra Modi gehe, so Malik, wissentlich nicht gegen Korruption innerhalb seiner Regierung vorzugehen. Das Besondere an den gesammelten Vorwürfen gegen Premierminister Modi: Malik gehört der Regierungspartei Bharatiya Janata Party (BJP) an. Dazu nahm Malik im Interview mit The Wire seinen Premierminister in einigen Punkten in Schutz: Als Malik in seiner Funktion als Gouverneur von Kaschmir die Einführung der Reliance-Krankversicherung ablehnte, hätte Modi das in einem persönlichen Gespräch mit Malik akzeptiert. Es seien andere gewesen, die ihn im Fall Reliance unter Druck gesetzt hätten. So hätten laut Malik umgerechnet zweimal 18 Millionen US-Dollar bereitgestanden, um ihn zu bestechen, damit er die Krankenversicherung von Health Care Reliance in Kaschmir durchwinke. Health Care Reliance gehört zum Reliance-Konzern von Anil Ambani, dem gute Verbindungen zur Modi-Regierung nachgesagt werden.
Die Glaubwürdigkeit von Malik wird durch seine Zeit als Gouverneur im Bundesstaat Goa aufgewertet. Während der Covid-Pandemie warf er der dortigen BJP geführten Regierung Versagen und Korruption vor, worauf die Zentralregierung Malik in den abgelegenen Bundesstaat Meghalaya versetzte. Maliks Fall erinnert an den Richter S. Muralidha: Der 61-jährige Muralidhar war bis Ende Februar 2020 Oberster Richter in Delhi, als Hindu-Nationalisten, die der Regierung nahestehen, Ausschreitungen mit Muslimen anzettelten. 53 Menschen kamen ums Leben, davon 36 Muslime.
Muralidhar war der einzige Staatsdiener, der die Polizei und die Behörden über die Medien wegen ihrer Tatenlosigkeit heftig rügte und polemisch fragte, ob es sie überhaupt gebe. Noch am gleichen Tag wurde S. Muralidhar versetzt. Dass er an seinem neuen Arbeitsort im Bundesstaat Odisha von den Anwälten mit Blumen empfangen wurde, überrascht so wenig wie Maliks Abschied in Goa: Es wurden sogar Demonstrationen organisiert, um gegen Maliks Versetzung zu protestieren.
Die Menschen in Indien erkennen die wenigen Charakterstarken und nicht Korrupten.
Medien stützen die Regierung
Einer der Gründe, warum die Modi-Regierung trotz ihrer gesammelten Fehlleistungen noch fest im Sattel sitzt, sind die Medien. Und das hat nur bedingt mit Narendra Modi zu tun. „Indiens Medien waren schon immer staatstragend“, sagt Ani und der steht nicht im Verdacht die Agenda irgendeiner politischen Partei nachzuplappern. Dafür steht Ani als Beispiel für die Verzweiflung politischer Menschen in Indien, für die es keine wählbare politische Alternative gibt. Auch nicht mehr die „kommunistische“ Regierung Keralas, seitdem diese mit Gewalt und Verleumdung gegen Fischer in ihrem Bundesstaat vorgeht, damit der Milliardär Gautam Adani einen weiteren Hafen bauen kann.
Adani, ein enger Freund von Narendra Modi, verlor Ende Januar die Hälfte seines Vermögens, nachdem das US-amerikanische Institut Hindenburg eine Studie veröffentlicht hatte, in der sie ihm Betrug vorwarf. „Egal – in Indien darf Adani weiter schalten und walten wie er möchte. So taugt Kerala mittlerweile eher als Beispiel, dass es nebensächlich ist, wer an der Spitze sitzt, denn am Ende unterwirft sich jede Regierung den Spielregeln des Marktes und der bevorzugt die Konzerne und tritt den ‚kleinen Mann‘ in den Allerwertesten“, sagt Anil. Er war schon hautnah dabei gewesen, als die westbengalische Regierung der Communist Party of India (Marxist) mehrmals Bauern von ihrem Land vertrieb, damit Industrielle dort Fabriken bauen konnten.
„Im Jahr 2007 organisierten wir den Widerstand in Nandigram gegen die Entscheidung der Regierung, eine Sonderwirtschaftszone von 40 km² auf dem Land von Bauern für die indonesische Salim-Gruppe zu errichten. Aber die Medien nahmen uns nicht zur Kenntnis. Auch die einflussreichste Zeitung in West-Bengalen „The Telegraph“ blieb der Regierungslinie treu. Keine Überraschung. Schon damals kamen 80 Prozent der überlebenswichtigen Anzeigen in Zeitungen von der Regierung.“
So baten Ani und seine Mitstreiter eine Dame um Hilfe, die damals in der politischen Opposition stand, Mamata Banerjee von der Partei Trinamool Congress (TMC). Sie setzte sich an die Spitze der Protestbewegung, die so erfolgreich wurde, dass Mamata im Jahr 2011 zur Chief-Ministerin von West-Bengalen gewählt wurde. Das Amt hat sie bis heute inne. Nicht weil sie so beliebt ist, sondern weil die meisten West-Bengalen Narendra Modi und seine BJP noch mehr fürchten. „Natürlich, sobald Mamata an der Macht war, hatte sie nicht nur uns vergessen. Auch unter ihrer Regierung wurden dann Bauern von ihrem Land verjagt und erschossen. Dazu gab es unter ihr mehrere riesige Korruptionsskandale“, sagt Ani ohne Gram, in einem kleinen Buchladen in Kolkata, in dem er für umgerechnet 100 Euro Monatsgehalt arbeitet. Ani ist nicht sein richtiger Name: „Sondern mein Kampfname bei den Naxaliten. Aber was soll man machen, wenn die Bevölkerung den bewaffneten Kampf nicht mehr unterstützt? So habe ich meine ‚Waffe‘ an den Nagel gehängt.“
Unglücklich wirkt der vierzigjährige Ani trotzdem nicht. Er hat eine NGO (Nichtregierungsorganisation) gegründet, die sich um die Rechte von Tagelöhnern kümmert, und damit sind wir wieder beim Thema: „Es wäre einfach Spenden aufzutreiben, doch die größeren Geldgeber in Westbengal sind ebenfalls regierungsnah. So dürfte ich nichts gegen Mamata Banerjee oder ihre TMC sagen und müsste sogar noch Wahlkampf für sie machen“, sagt Ani lachend, als hätte er das irrwitzige Angebot bekommen, für 1000 Dollar aus dem 10ten Stock zu springen. Dann verweist er auf das jährliche Kolkata People’s Filmfestival. Auch der Autor war zuerst positiv überrascht über die vielen gesellschaftskritischen Filme. Ein knappes Drittel kritisierte sogar die Modi-Regierung: „Richtig“, sagt Anil: „Aber nicht ein Film kritisierte die Regierung von Mamata Banerjee und deswegen bekamen die Veranstalter des Filmfestivals auch großzügige, finanzielle Hilfe, obwohl sie eigentlich aus der linken Ecke kommen.“
Genauso sieht es auch mit der aktuellen Berichterstattung der Zeitung The Telegraph aus: Auf den ersten Blick freut sich der „kritische“ Leser, weil die Zeitung eine der wenigen ist, die offen die Modi-Regierung kritisiert. Doch die Regierung von Mamata wird verschont. Genauso lässt sich nicht einmal erahnen, dass die gleiche Zeitung vor 12 Jahren das Sprachrohr der kommunistischen CPI-M gewesen war.
Und so läuft es in ganz Indien: Die einzelnen Regierungen der Bundesstaaten sind die wichtigsten Anzeigengeber für Print- und Online-Medien. Dazu kommt, dass alleine die Zentralregierung der BJP pro Jahr etwa 140 Millionen US-Dollar in Medien-Anzeigen investiert.
Bei den privaten Medien (vor allen den Fernsehsendern) ist das Prinzip ähnlich: Früher waren sie in den Händen von Jute-Baronen wie den Jains, Birlas und Goenkas, die gute Kontakte zur damaligen Kongress-Regierung hatten. Heute sind sie abgelöst durch Konzerninhaber wie die Ambanis und Adanis, die enge Verbindungen zur Modi-Regierung pflegen.
Wenn der Zustand von Politik und den Medien eines Landes seit Jahrzehnten so desolat ist, ist es eigentlich logisch, dass der Gesamtzustand eines Landes nicht viel besser sein kann. Stattdessen wird Indien auch in Deutschland als wirtschaftliche Alternative zu China angepriesen. Dabei bräuchte das Land zuallererst enorme Unterstützung, um eine vernünftige Wasserinfrastruktur aufzubauen und eine Energiewirtschaft, die nicht durch Luftverschmutzung die eigene Bevölkerung vergiftet. Aber nein: Wirtschaftswachstum allein soll alles richten, was es in Indien nachweislich nicht tut.
Hoffnung macht, dass immer mehr Inder und Inderinnen Kritik an ihrer Regierung offen aussprechen und dank des Internets geht das nicht mehr unter. Die riesigen Fortschritte, die das Land in Sachen Frauenrechte und der Aufweichung des Kastensystems gemacht hat, sind von der Zivilbevölkerung angestoßen worden. Die schweigt auch nicht, wenn es um Umweltzerstörungen geht. Beinahe totgeschwiegen haben dagegen auch die indischen Medien das Alternativmodell Kerala, bis es keines mehr war? Doch: Es braucht nicht das höchste Wirtschaftswachstum für gute Bildung und eine gute Gesundheitsversorgung für die Masse der Bevölkerung, das wurde in Kerala bewiesen.
Hoffnung!, welch eine Utopie, aber der mediale Hype der Zeitenwende wird mit solch einem Artikel ist richtige reale Dasein gestellt!
Die Welt ist angeblich im Umbruch, aber es existiert keine wirkliche Vorstellung davon, wie man den Blödel weiterhin mit Nihilismus versorgt.
Ich wünsche den Darstellern weiterhin Erfolg, für etwas was nicht existiert, habt ‘Spaß’ an dieser Komödie…
Meine Empfehlung wäre, sich als deutscher Journalist, nicht permanent und penetrant an anderen Kulturen abzuarbeiten. Das betrifft zum Beispiel Indien, aber auch China, Südafrika, Brasilien. Was für eine selbstgefällige Arroganz, was für eine Hybris. Alle oben genannten Länder sind in der Lage und fähig ihre eigenen Probleme zu lösen. Dabei gibt es Schwierigkeiten, keine Frage. Angesichts des jämmerlichen Auftrittes des Westens, der US Amerikaner, der NATO, der EU und ihrer hegemonialen Ansprüche sollte man kleine Brötchen backen. Was bildet sich der Westen, und seine Journalisten ein, diese Länder zu belehren? Es ist absurd. Es ist einseitig. Und es wird niemanden dort interessieren. Der Westen benimmt sich dort einfach schlecht. Das sollte man zur Kenntnis nehmen. Wieviel Dreck hat der Westen am Stecken? In all diesen Ländern?
Naja. Ein bisschen Interesse für die Welt sorgt auch dafür, das politisch/mediale Leben in der EU und in Deutschland etwas besser einschätzen zu können.
Wenn der Autor auf die Unterschiede zu der gelungenen Entwicklung in China hinweist, fällt auf, dass er nicht auf den Erfolg des Autoritären hinweist, sondern auf das unverdächtige liberale Bildungskonstrukt.
Dass der Autor laviert, merkt man auch drastisch, wo er einerseits nachkartelt, dass der große Terroranschlag verhinderbar gewesen wäre, der indischen Regierung die Schuld gibt, dann aber doch noch hinterher schiebt, dass die große Menge an Sprengstoff wohl von Pakistan zur Verfügung gestellt wurde.
Und dann wird noch rumgemäkelt, dass die indischen Medien nicht die reine Lehre leben, sondern dem überall üblichen Kapitalismus-Opportunismus frönen.
Gerade in Demokratien wird das nicht vorhandene Kräftegleichgewichten zwischen Kapital und Bevölkerung von Karrieristen immer wieder genutzt, den Wählern Versprechungen gemacht, um dann dem Kapital zu Diensten zu sein.
Im Vielvölkerstaat Indien kommen dann noch die Einmischungen von außen dazu. Bei jedem einzelnen der Artikel des Autors habe ich das deutliche Gefühl, dass er Indien sehr zugeneigt ist, aber ein paar unangenehme Gegebenheiten schlicht nicht akzeptieren mag und dann Umgehungsdiskussionen anfängt.
Ich finde gut, dass man die argumentativen Schwächen bemerkt. Das macht klar, dass der Autor sie selbst in sein Bewusstsein lässt, und sie als Teil seiner journalistischen Aufklärungsarbeit zur Verfügung stellt, auch wenn seine eigene Argumentation etwas brüchiger wird.
Kapitalismus hat fertig. Ständiger Wachstum und Konkurrenz killen den Planeten.
Wir werden von den begüterten 1-10 Prozent getötet. Es wird auf die ganz harte Tour gelernt werden….
…brutalstes globales Massensterben. Menschen, Tiere, Vegetation.
China hatte mit den Kommunisten eine Landreform, danach einen Übergang zu geregeltem Staatskapitalismus.
https://taz.de/Chinas-Weg-zur-Marktwirtschaft/!5928932/
Indien hatte nichts dergleichen, immer noch die alte Kastenordnung (bzw deren Splitter).
Der Unterschied: In China kommt der Wohlstand auch bei den Armen an. In Indien sterben die.
Die “offiziellen” Zahlen sind eh alle gefälscht.
Ich habe eigentlich keine Freude an Parteidiktaturen unter dem Banner von Marx. Ich habe mit sowas gelebt und es war nicht emanzipatorisch. Aber man kommst nicht daran vorbei, dass die chinesischen Bonzen es schafften 800 Millionen Menschen aus absoluter Armut zu befreien. Das ist ein Wert an sich und für diese Menschen ist es ihr Leben.
Vielleicht ist eine solche Modernisierungs – Diktatur wie die chinesische, tatsächlich die einzige Möglichkeit die Reste menschlicher Zivilisation zu erhalten.
Für Parteidiktaturen brauchts keinen Marx, das schaffen die auch ohne, also hängs nicht Marx an.
Guck Dich um in diesem unseren schönen Land.
China hat ne 4ooo Jahre Geschichte. Beamter konnte jeder werden der die Prüfungen schafft.
Indien hat Siedlerimperialismus und Purusha. Staatliche Gewalt war Kshatria, niedere Kasten pfui bäh.
“Die Medien stützen die Regierung …” Der Westen ist eben keinerlei Vorbild für die Länder des globalen Südens. Und da sich Modi weder von den EU- noch von den Nato-Hanseln bevormunden lassen will ist es klar, dass er zum Feindbild verkam. Wie hier ein Vorschreiber richtig sagt: deutsche Journalisten müssen sich nicht an Indien oder sonstwem abarbeiten, dazu haben sie im eigenen Stall zu sehr versagt. Dass Indien vielleicht das am schwersten zu regierende Land der Welt ist, sei nur nebenbei festgestellt.
Immer wieder schön, bestens über die Korruption in Lummerland informiert zu werden, aber kein Bild, kein Ton über die Zustände im besten Deutschland aller Zeiten.
Cum-Ex Scholz, Masken-Spahn oder Family-Habeck, schon mal gehört?
Warum eigentlich sind alle Brücken hierzulande marode?
Könnte es sein, dass die aktuellen Strompreiserhöhungen Mitnahme-Effekte der Strompreisbremse sind?
Fragen über Fragen, die einem das bequeme, auskömmliche Leben als hiesiger Journalist viel zu schnell versauen würden. Dann doch lieber mal wieder moralische Überlegenheit simulieren, besonders gerne gegenüber Asien und Afrika.
Sorry, das ist nun wirklich ungerecht und inakzeptabel. Du kannst doch einem Autoren, der seit Jahren in dieser Gegend unterwegs ist und von da berichtet nicht vorwerfen, dass er nichts über die deutschen Zustände schreibt. Wozu sollte das gut sein? Und die Simulation moralischer Überlegenheit ist ein haltloser Vorwurf. Er berichtet über dortige Zustände, die man nicht gut finden mag. Wie sollte er den anders über Umweltzerstörung, Justizwillkür, Bauernlegen, Ausbeutung und Gewalt berichten? Sie verschweigen oder schönreden? Willst du ihm vorwerfen, dass er sich auf die Seite der Opfer, der Geschädigten, der sich zur Wehr setzenden stellt, die Konflikte aus ihrer Sicht schildert?
Einverstanden
„Die Medien stützen die Regierung …“
Tatsächlich, in Indien? 🙂
Ganz ehrlich, wie bescheuert und verblendet muss man sein um das, als deutscher Journalist, zu schreiben?
Aus einem Wertewesten kommend in dem die Medien inzwischen das Hauptproblem sind?
Die korrupte Lückenpresse von NYT bis SPON?
In den Medien des Westens in denen laut Studie 85 % der Welt schlicht nicht vorkommen?
In denen von WP über NYT, über ZON und SPON nur noch das verkündet wird was verkündet werden soll?
Indien ist ein Kontinent mit 1,4 Milliarden Menschen.
Die sprechen über 800 Sprachen, die sozialen Unterschiede sind enorm.
Liebe Schreiber aus dem Westen, kümmert euch um die Probleme der westlichen Welt.
Ihr werdet die Probleme Indiens nie verstehen.
Ich denke sie werden sie selber lösen.
Das denke ich auch.
Scheint wohl in vielen Deutschen immer noch das Gen des
“Am Deutschen Wesen sollst du genesen” vorhanden zu sein.
Wenn jeder vor seiner eigenen Türe kehrt ist die Welt sauber.
Tja, ich weiss ja nicht, aus welchem Land Sie kommen, offenbar nicht “aus dem Westen.”.
Aber dem overton-magazin in einen Topf zu werfen mit der NYT oder dem Spiegel, zeugt auch nicht von grosser Sachkenntnis.
Mal im Ernst: Es ist nicht verwerflich und nicht westlich-arrogant, ein paar Probleme Indiens in Politik und Gesellschaft anzusprechen. Dass in Indien alles von oben bis unten “geschmiert” läuft, ist kein Geheimnis.
Ebenso nicht, dass die derzeitige Regierung ein hindu-nationalistisches Programm gegen Minderheiten verfolgt und bereit ist, sämtliche Überlegungen zur Umwelt dem Wirtschaftswachstum unterzuordnen.
Die relevante Frage ist, warum die Bevölkerung Indiens das in schon seit Jahrzehnten bereit ist, mitzutragen.
“Ihr werdet die Probleme Indiens nie verstehen.” Bedingte Zustimmung. Insofern man die Komplexität dieser Probleme nicht verstehen wird. “Ich denke sie werden sie selber lösen.” Ja.
Danke – und extra nochmal ein Dankeschön für die Bilder, welche den Text sehr gut illustrieren.
Im Hintergrund vom Fischstand der Herr mit seiner schwarzen Weste passt ja gut zum Artikel.
Schade nur, das Zustände, welche sich positiv für die Mehrheit der Bevölkerung entwickeln, etwas wenig Raum fanden.
“Man schilt den Boten für die Botschaft”
Es ist mir wirklich ein Anliegen an dieser Stelle noch einmal Stellung zu Vorwürfen gegen den Autoren zu beziehen, obwohl ich das in einer Antwort auf einen Kommentar schon getan habe. Der Kern der Vorwürfe, die einige von uns dem Autoren machten, ist, er agiere mit deutscher / westlicher Überheblichkeit und sollte doch der “vor der eigenen Haustür kehren”.
Ist es nicht sinnlos von einem Autoren, der seit Jahren in Indiens, Pakistan und Nepal unterwegs ist zu verlangen, er solle nicht über Zustände schreiben, die er kennt, sondern über Deutschland oder garnicht?
Wer tatsächlich glaubt, er agiere mit der Anmaßung , “am deutschen Wesen….” sollte schon versuchen, das am Text zu belegen, als es einfach nur zu verkünden.
Ich lese seine Berichte seit Jahren und es findet sich nichts, aber auch gar nichts in ihnen, was einen solchen Vorwurf rechtfertigt. Es finden sich Beschreibungen von Umweltzerstörung, Ausbeutung, Ungerechtigkeit, Justiz- und Behördenwillkür. Er schreibt über den Hindunationalismus, den zu akzeptieren niemandem mit minimalem Anstand möglich sein sollte. Er schreibt über politische Gewalt und deren Opfer und positioniert sich auf deren Seite. Das alles nicht zu tun, es zu vertuschen und schönzureden, können wir den Medien überlassenen, die mehrheitlich offensichtlich genauso verhurt sind wie die, die uns hierzulande berieseln wollen.
Ich habe in meinem Umfeld drei Freunde, die zu verschiedenen Zeiten und Umständen länger beruflich in Indien waren und sind. Ihre Erzählungen passen zu denen des Autoren. Nun ist der Subkontinent riesig und niemand wird ihn in seiner Komplexität vollständig erfassen. Wer über mehr und andere Kenntnisse verfügt, kann es vortragen, sollte widersprechen. Geht ja hier.
@1211, ihre Aussage ist zutreffend!
„Im Jahr 2007 organisierten wir den Widerstand in Nandigram gegen die Entscheidung der Regierung, eine Sonderwirtschaftszone von 40 km² auf dem Land von Bauern für die indonesische Salim-Gruppe zu errichten. Aber die Medien nahmen uns nicht zur Kenntnis. Auch die einflussreichste Zeitung in West-Bengalen „The Telegraph“ blieb der Regierungslinie treu. Keine Überraschung. Schon damals kamen 80 Prozent der überlebenswichtigen Anzeigen in Zeitungen von der Regierung.“
Landgrabbing wird steuerlich noch unterstützt, auf Kosten der lokalen Bevölkerung. Die genannte Gruppe ist einer der reichsten in Südostasien. Ein Familienkonglomerat…
MfG