In Indien herrscht Kapitalismus pur. Selbst soziale Politiker rütteln nicht an Grundpfeilern. Trotzdem gibt es selbst in Indiens Kleinstädten beeindruckende Fortschritte zu sehen – und bemerkenswerte Aktivisten, Richter, Anwälte und Bürger.
Vor 23 Jahren hatte der Strand von Puri am Golf von Bengalen im Bundesstaat Odisha eine Besonderheit: Wer im Meer nicht mit Fäkalien baden wollte, musste am Strand vor einem lauwarmen Abwasserstrom warten, bis Meerwasser und Abwasser eine flache Rinne übrig ließen. Dann tief Luft holen und schnell in 12 Sekunden durchwaten, bevor ein starker Strom den Strandgast von den Beinen reißen konnte: Als Belohnung warteten 10 Kilometer halbwegs sauberer Strand.
Heute, wo Indien die fünftgrößte Volkswirtschaft ist, gilt zwar immer noch die 12-Sekunden-Regel, doch nach 500 Metern verwehrt mir eine kleine, korpulente Dame in Uniform die Belohnung: „This Golden Beach. You buy Ticket.“
Das ist ein Paradebeispiel für das System Narendra Modi: Die weniger „fleißigen“ Leistungsträger Indiens müssen im Urlaub mit dem – ich nenne ihn mal – Coco-Beach vorliebnehmen. Wer mehr leistet, darf an den Golden Beach. Die „superstarken“ Leistungsträger Indiens fliegen im Urlaub ohnehin in die Schweiz.
Im Hotel sind Coco- und Golden-Beach-Besucher dann wieder auf einer Ebene. Egal, ob das Zimmer im riesigen Hotel-Betonklotz 30 Dollar oder im kleinen Betonklotz fünf kostet, ob der Zimmernachbar rülpst oder schnarcht – man bekommt dank der fehlenden Isolation alles bis ins Detail mit. Ein Bekannter von mir leistete sich mal eines der teuren Zimmer in Puri. Als er nach schlafloser Nacht in den Pool wollte, war das Wasser grün und auf einem Schild stand: „Bitte nicht mit dem Kopf unter Wasser!“ Auch die Rudel streunender Hunde nehmen beim nächtlichen Bellen auf den Zimmerpreis keine Rücksicht.
Einige lokale Geschäftsleute konnten sich mit kleinen Betonklötzen schon ein Auto verdienen. Doch die meisten müssen versuchen, mit einem winzigen Laden, einem bescheidenen Restaurant oder dem Verkauf von Tee und Straßen-Fast-Food über die Runden zu kommen. Die Konkurrenz in Indien ist groß, somit die Gewinnspanne klein – da reicht es dann maximal für ein Motorrad.
Das zeigt sich in der ganzen Stadt – von 9 bis 20 Uhr gibt es dort Hupkonzerte. Die lokalen Straßenverkäufer blicken schon so taub aus der Wäsche wie die Touristen aus Kolkata, der Stadt mit dem lautesten Straßenverkehr in Indien. Oben drauf: In den 5 Tagen meines Aufenthalts zeigten die Feinstaubmesswerte Puris zwischen 160 und 300 Mikrogramm an (Partikelgröße 2,5). Der Grenzwert der WHO beträgt 10mg.
Ab März zum Saisonende ist die lokale Bevölkerung wieder unter sich, dann kommt die schwüle Hitze bis 40 Grad. Früher standen zwischen den Wohnhäusern Palmenhaine – laut Studien können Bäume in Städten die Temperaturen im Hochsommer zwischen 8 bis 12 Grad Celsius senkenJetzt reiht sich in Puri eine Betongebäude an das nächste. Eine Studie von Climate Impact Lab sagt für Odisha die größten Temperaturanstiege durch den Klimawandel in ganz Indien voraus
Eigentlich wissen die Menschen Puris was die Natur für Gewalten entwickeln kann. Ich besuche das dreistöckige Hotel von Herrn Saraswati, dessen Dach im April 2019 durch ein Fischer-Boot ersetzt wurde. „Nur zu fünf hatten wir es geschafft, die Tür zu schließen“, erinnert er sich. „Der Sturm dauerte 4 Stunden. Als ich anschließend auf den Hof ging, war alles fortgeweht: Mein Motorrad, die Bambus-Terrasse und das Dach – dafür lag dort oben eines der Fischerboote vom Strand.“
Den Sturm, den Saraswati beschreibt, war der Zyklon Fani, der mit einer Windstärke bis zu 280 km/h über Puri hinwegfegte. Allein im Küstenstreifen des Bundesstaats Odisha kamen dabei 68 Menschen ums Leben, und der materielle Schaden betrug 1,68 Milliarden US-Dollar. Insgesamt tötete Fani 89 Menschen und richtete einen Schaden von 8,1 Milliarden US-Dollar an.
Obwohl Hotelier Saraswati beschreibt, dass die Bewohner ihre jeweiligen Straßen in Eigenarbeit aufgeräumt haben, kommt sein Chief-Minister Naveen Patnaik auch bei ihm gut weg: „Zwar bekamen ich und andere Hotelbesitzer kein Geld, aber dafür jeder kleine Geschäftsinhaber 200.000 Rupien (etwa 2200 Euro) für einen Neustart.“
Auch von denVereinten Nationen (UN) wurde der 76-jährige Naveen Patnaik für den Umgang mit Fani gelobt – vor allem für die Evakuierungen. Noch 1999 forderte der Zyklon Bob 06 alleine in Odisha knapp 10.000 Opfer. Zu verdanken ist die Rettung von Menschenleben vor allem einem Frühwarnsystem für Zyklone und Tsunamis, dass 2018 an der 480 Kilometer langen Küste von Odisha eingeführt wurde. Doch auf den finanziellen Kosten blieb das eher wirtschaftlich schwache Odisha zum größten Teil sitzen: Mit den 122 Millionen US-Dollar Hilfe der Zentralregierung aus Delhi wurden nicht einmal 10 Prozent der Schäden abgedeckt. Zudem ist mit der fortschreitenden Erderwärmung auch in Odisha eine Zunahme der stärkeren Zyklone zu beobachten: Zwischen 2006 und 2020 wurde der Bundesstaat von 20 Zyklonen heimgesucht.
Die Gesetze des Marktes verlangen Wachstum
Von anderer Seite gibt es erst einmal weiteres Lob für den hiesigen Chief-Minister, der seit dem Jahr 2000 im Amt ist: „In Puri ist das Trinkwasser sauber und umsonst“, sagt die Teeverkäuferin Daibaki und reicht mir dann zum Tschai ein Glas Wasser. Etwas später schaue ich mir zwei der staatlichen Wasserspender mit eigenen Augen an. Im Netz erfahre ich, das Puri die erste Stadt Indiens ist, die an 400 Orten kostenloses und vor allem sauberes Trinkwasser an die Bevölkerung ausgibt.
Doch schon am nächsten Morgen treffe ich Jajanti, einen dieser „linken Meckerheinis“. Wir mieten zwei alte Ein-Gang-Fahrräder. Nach 10 Minuten auf der Chakra Tirtha Road in östlicher Richtung bleiben wir stehen, und Jajanti fragt mich: „Was siehst du?“ „Na, Häuser und Hotels“. „Die Gegend nennt sich Talabania. Im Untergrund befindet sich einer von zwei Grundwasserspeicher Puris.“ Dann erklärt Jajanti, dass eigentlich schon vor 20 Jahren beschlossen wurde, dass hier nicht gebaut werden darf, damit der Monsun den Grundwasserspeicher auffüllen kann.
„Wenn ich mich in Indien umschaue, ist Naveen Patnaik einer der sozialsten Chief Minister. Aber auch er richtet sich nach den Gesetzen des Marktes – und die verlangen Wachstum.“ Dann erinnert Jajanti an die Verhaftung seines Kollegen Narendra Mohanty. Er hatte mit Bauern gegen die Zerstörung ihrer Plantagen protestiert. Dort soll jetzt ein Stahlwerk entstehen.
Wir radeln knapp 8 km weiter in südliche Richtung. Unterhalb der Beach Road liegt der Golden Beach. Gegenüber reiht sich ein Hotelklotz an den nächsten. „Unter den Hotels liegt der zweite Grundwasserspeicher Puris, auch hier sollte eigentlich kein einziges Gebäude stehen.“ Als ich frage, wie schlimm es aussieht, zuckt Jajanti mit den Schultern: „In den letzten 15 Jahren gab es keine Studie. Manche sagen, Puri habe noch 5 Jahre Wasser, andere schätzen10 Jahre.“ Zwei 900 Jahre alte Brunnen im Jagannath-Tempel lagen zum ersten Mal im Sommer 2006 trocken.
Dass dies nicht an den verschwenderischen 250.000 Einwohnern Puris liegt, ist auch Jajanti klar. Knapp 20 Millionen Touristen im Jahr, die wegen der Strände und des Tempels kommen, müssen ebenfalls versorgt werden. Eine Lösung für das Problem schlagen Experten auch in Puri schon seit 20 Jahren vor: Rainwater Harvesting, also das Auffangen und die Nutzung von Regenwasser, doch so gut wie nichts ist passiert.
Vom Aufbegehren gegen den kapitalistischen Irrsinn in Indien berichten die Medien nichts
90 Kilometer weiter, nördlich in der „Kleinstadt“ Cuttack, ist vieles anders, obwohl hier knapp 750.000 Menschen leben. Es sind mehr Fahrradfahrer als Autos und Motorräder unterwegs, und die Hupe wird von den Verkehrsteilnehmern mit Augenmaß benutzt. Der Mahanadi-Fluss, der die Stadt umgibt, ist verhältnismäßig sauber– das Abwasser wird erst am Stadtende in den Fluss geleitet. Während meinen fünf Tagen in der Stadt betrugen die Feinstaubwerte zwischen 50 Mikrogramm und 130 – der Bauboom kommt hier nur schleppend in Gang und betrifft eher die benachbarte Hauptstadt Bhubaneswar.
In meiner einfachen Lodge nimmt mich der 40-jährige Wirt beiseite und stellt mir seinen besten Freund vor. „Während des Corona-Lockdowns sahen wir beide die Bilder aus dem Punjab, wo 50-jährige Menschen zum ersten Mal in ihrem Leben das Himalayagebirge sahen, dessen Anblick ihnen sonst wegen der Abgase verwehrt geblieben war,“ sagt der 42-jährige Kumar Himanshu.
Da der Wirt und er sich schon lange mit Hobbygärtnerei beschäftigt und dabei einen weiteren Bio-Dünger erfunden hatten, schritten sie zur Tat: „Die Regierung stellte uns einen Hektar Land zur Verfügung. Nach drei Monaten war der erste Dünger fertig, mit dem wir dann Moringa-Bäume pflanzten, deren Früchte gut gegen Bluthochdruck sind. Zwei Arbeiter bezahlten wir aus unserer eigenen Tasche“. Wie Kumar erzählt, war der Erfolg so eindrucksvoll, dass Regierungsmitarbeiter heimlich die ganze Ernte pflückten. Ein MP [Abgeordneter] aus dem Nachbardistrikt wollte uns Land zur Verfügung stellen. Das machte den Behörden in Cuttack Beine, so dass die beiden in Kürze 10 bis 15 Hektar vom Staat zur Pacht bereitgestellt bekommen. „Nein“, schließt Kumar lachend: „Wir sind immer noch zu zweit. Die Masse macht erst mit, wenn sie sieht, dass wir reich geworden sind.“
Am Abend stehe ich mit der Zeitung The Hindu in der Hand auf der Terrasse und schaue auf die Straße. Die Menschen Cuttacks seien konservativ und religiös, aber nicht extrem, bekam ich die letzten Tage oft zu hören. Der Beweis sind junge Frauen und Männer, die an den Straßenständen vorbei flanieren: die Frauen in bunten Kleidern oder auch in Leggins und T-Shirt. Vor 23 Jahren war so ein Anblick selbst in der Hauptstadt Delhi unmöglich. Heute ist er auch in der Provinz normal.
„Na, liest du die ‚Godi-Media‘?“, fragt mich mein 22-jähriger Zimmernachbar Prakesh provozierend. Der Begriff hat mittlerweile selbst einen Wikipedia-Eintrag und bezeichnet das Überlaufen fast der gesamten indischen Medien auf Regierungslinie – auch The Hindu, die ehemals beste Zeitung des Landes. „Bisher wirktest du nicht wie ein Urban-Naxalite“, antworte ich schmunzelnd.
Die indische Regierung versucht mit diesem Begriff und der Hilfe der Leitmedien, jede regierungskritische Stimme in die linksterroristische Ecke zu stellen. Prakesh antwortet mit gespielt überheblicher Miene: „Mann, die da unten und ich kennen nur den Kapitalismus, und wir wissen, der geht so schnell nicht fort. Wir wissen aber auch, dass Indien eine junge Bevölkerung hat. Es sind die Alten, die die Trumps und Modis wählen und den Klimawandel leugnen! Modi glaubt, dass Raketen schon vor 2000 Jahren in Indien erfunden wurden, und er hat keine Ahnung, wie er Indiens größten Schatz nutzen kann: die Human Resources. Stattdessen privatisiert er das Bildungssystem und verscherbelt das Land an seinen Honeyboy Gautam Adani – wir Jungen brauchten keinen Hindenburg-Report, um zu verstehen, dass der Typ und Adani Betrüger sind.“
Prakesh hat auf seinen Master in Informatik verzichtet, weil er nicht mehr auf das Geld seiner Eltern angewiesen sein wollte. Für 20.000 Rupien im Monat arbeitet er in der IT-Abteilung einer Kreditkartenfirma. Die unterfordernde Arbeit lässt ihm Zeit, sich auf die Prüfung als IAS-Officer (Indian Administrative Service) im Jahr 2026 vorzubereiten. Auf jährlich 180 Stellen kommen dort etwa 1 Million Bewerber.
Junge Menschen wie Prakesh gibt es mittlerweile viele in Indien: Der Doublecheck von Information ist normal für sie. Statt über Zeitungen und Fernsehen informieren sie sich durch YouTuber wie Dr. Vikas DivyakirtiSir oder den Kanal Think School.
Sie wollen keine Reichtümer verdienen, sie wollen aus dieser brutalen Konkurrenzmühle in einer zerstörten Umwelt ausbrechen. Und das geht nur, wenn sie Indien von Grund auf erneuern.
Dann sagt Prakesh in plötzlich mildem Tonfall: „Linke haben zwar keine Ahnung von Wirtschaft, aber an der Regierung sind sie mir lieber, weil sie wissen, dass Bildung wichtig ist. Zudem schaffen sie es, sich weltweit zu vernetzen, weil sie keine fanatischen Nationalisten sind – und das macht mir Hoffnung: Radikale Hindus, radikale Muslime und eure europäischen Nazis werden niemals eine gemeinsame Basis finden.“
Als ich Prakesh nach dem Obersten Richter S. Muralidhar frage, macht er ein beeindrucktes Gesicht und hebt den Daumen nach oben. Der 61-jährige Muralidhar war bis Ende Februar 2020 Oberster Richter in Delhi, als Hindu-Nationalisten, die der Regierung nahestehen, Ausschreitungen mit Muslimen anzettelten. 53 Menschen kamen ums Leben, davon 36 Muslime. S. Muralidhar war der einzige Staatsdiener, der die Polizei und die Behörden über die Medien wegen ihrer Tatenlosigkeit heftig rügte und polemisch fragte, ob es sie überhaupt gebe. Noch am gleichen Tag wurde S. Muralidhar versetzt.
Als der Oberste Richter im Januar 2020 seinen Posten in Odisha antrat, empfingen ihn auch hier die Anwälte mit Blumen.
Am nächsten Morgen bestellt mich ein befreundeter Anwalt in einer kryptischen Mail vor Sonnenaufgang an einen Teestand in Bahnhofsnähe. Im März 2020 spielte der Anwalt mir ein Regierungsschriftstück zu, dass nachwies, dass nicht die Ausländer Covid in Indien verbreitet haben, wie die Modi-Regierung verbreiten ließ. Sondern es waren die Auslandsinder auf Heimaturlaub gewesen.
Doch statt mit solchen Informationen kommt mir der Anwalt beim Tee mit Adorno und buddhistischen Philosophen. Ich höre ihm lächelnd zu und genieße es, diese Arbeitsbiene, die scheinbar nie schläft, so menschlich zu sehen. Nach 10 Minuten klärt er mich auf. „Ich bin nur auf der Durchreise. Ich nehme an einem mehrtägigen Treffen von Anwälten aus allen politischen Richtungen teil. Jedem ist klar, dass das indische Rechtssystem vor der Zerstörung durch die Hindu-Nationalisten steht und wir etwas unternehmen müssen.“
Nach weiteren 10 Minuten, in denen er nun über Justitia philosophiert, stupse ich ihn schmunzelnd an. Die etwa 10 anderen Teeliebhaber stehen mittlerweile grinsend eng um uns herum. Auch wenn sie wohl wenig verstehen, da es in Odisha schon mit Hindi schwer ist, scheinen sie offensichtlich Vergnügen daran zu finden, dass zwei andere Menschen Freude aneinander haben.
Zugegeben, in Indien sieht es schlimm aus. Das gilt für die Umweltzerstörungen und das Gift, das die Hindu-Nationalisten um die Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS) und Modis Regierung in der Gesellschaft versprühen. Aber es ist nicht alles schlecht in Indien, und in vielen Gesellschaftsschichten regt sich lebendiger Widerstand.
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Die Linken müssen weltweit auf der Hut sein. Unter dem Label “Klimaschutz” wird Demokratieabbau betrieben. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler hat es 2010 beschrieben: https://internationalepolitik.de/de/lahme-dame-demokratie
Und der deutsche Bertelsmannkonzern versucht weltweit Bildungssysteme zu privatisieren und auf Online-Bildung umzustellen und so Einfluss auf die Köpfe der Menschen zu nehmen.
https://www.bertelsmann.de/news-und-media/nachrichten/bertelsmann-beteiligt-sich-an-indischem-bildungsanbieter-eruditus.jsp
In Deutschland war Bertelsmann treibende Kraft hinter Hartz IV und den neoliberalen Hochschulreformen Anfang/Mitte der 2000er Jahre, die Einführung von allgemeinen Studiengebühren wurde allerdings dank Protesten verhindert. Auch der deutsche Rechtspopulismus hat Bertelsmann einiges zu verdanken, so initiierte der Bertelsmann-Verlag das Buch “Deutschland schafft sich ab” von Thilo Sarrazin, dass dank begleitender Medienkampagne wesentlich zum Erfolg der AfD-Gründung beitrug.
Dennoch schafft es Bertelsmann immer wieder, sich ein “linkes” Image zu geben, z. B. durch Studien, in denen sie Kinderarmut bejammern – zu der sie vorher allerdings selbst mit beigetragen haben. Deshalb – Trau schau wem, auch in Indien.
https://www.telepolis.de/features/Kinderarmut-auf-Rekordniveau-Bertelsmaenner-vergiessen-Krokodilstraenen-7472064.html
Danke für den Kommentar!
Die Bertelsmann Aktivitäten, vor allem die der Stiftung, vergisst man der Tage schnell.
Überlagert von den übergroßen geschaffenen gesellschaftlichen Baustellen durch Corona, der Ukraine, der allgemeinen geistigen Militarisierung uA können sie ihre neoliberale Privatisierung- und Entdemokratisierungsagenda in deren Windschatten still und heimlich vorantreiben.
Das Land treibt Raubbau an der Natur. Ökologische Mindeststandards gibt es wenige und die, die es gibt, werden durch die ausufernde Korruption unterlaufen. Die Folge davon ist, dass Luft, Wasser und Böden immer mehr mit toxischen Chemikalien, wie z.b. den Abfallprodukten der Medikamentenproduktion, kontaminiert werden.
Die Regierung betreibt eine kompromisslos neoliberale Politik, wo die Interessen der weniger betuchten Bevölkerung permanent missachtet werden. Auf diese Weise wird zwar auch Wirtschtswachstum generiert, aber auf Kosten der Zukunft und alles andere als nachhaltig. Solange aber das Wachstum anhält und die Mittelschicht davon profitiert, wird sie wiedergewählt.
Dazu kommt, dass die Regierung nach wie vor ihr hindu-nationalistisches (man könnte auch sagen, prä-faschistisches) Programm verfolgt, was sich in Moslem-feindlichen Maßnahmen zeigt. Sie macht halt das, was sie im Augenblick für durchsetzbar hält. Immer ein paar Meter vorwärts auf diesem Weg.
Nach meiner Ansicht steuert das Land auf eine Katastrophe zu. Sozial, politisch und ökologisch.
Ich denke auch das Indien auf eine Katastrophe zusteuert. Auf eine ökologische. Ich bereise das Land seit den späten 80 igern und die Zerstörung wird immer schlimmer. Die Reichen kassieren ab und den Armen bleibt eine dystopische, kaputte Umwelt. Aber auch in Deutschlan herrscht ein zerstörerischer Bauboom. Überall Gewerbeparks, Logistikzentren, Einkaufszentren , Umgehungsstrassen etc. Furchtbar. Heutzutage ist alles bedroht. Der Arbeitsplatz, die Umwelt….Was für eine Welt hat dieser Kapitalismus nur geschaffen? Wir leben im Kali Yuga sagen die Inder.
Das ist das Zeitalter der Verwirrung, Niedertracht und Gier. Und was einem sonst noch so alles an negativem einfällt. Der Maya Kalender spricht von ähnlichem.
Es ist schon erstaunlich, wie die Sicht auf Indien ist. Dabei hat doch alles nichts mit Indien zu tun. Gilbert Kolonko beschreibt es doch. Alles, was von Indien erzählt wird, ist schon genau so von China oder Vietnam erzählt worden. Es ist der Kapitalismus, der so wütend, dass nicht nur in den Ländern, sondern genauso in den Ländern, die dort arbeiten lassen.
Da ist es wohlfeil allen Nationalismus hervorzukramen um mit dem Finger auf wie hier Indien zu zeigen. Die drei Finger, die auf den Kritiker zeigen, sagen doch, dass die Arbeit doch nur nach Indien vergeben wurde, weil sie keine Kosten für den Umweltschutz haben und die Ausbeutung der ArbeiterInnen, das auch Kinder sein können, hingenommen wird. (siehe Fukushima, wo das kontaminierte Wasser, einfach abgelassen wird.)
Auch hier gibt es wohlfeile Argumente, bei so viel wie bei den Auftraggebern gearbeitet werden muss, sollte doch ab und an Shoppen drin sein. Das Produkt kann dann ja sowieso in die Blaue Tonne, es geht um den Akt des Kaufens der befriedigt. (Erich Fromm, “Haben oder Sein”)
Dass allerdings in allen Bereichen die Politiker freigesprochen werden, ist schon bedenklich. Wer macht den die Gesetze, doch nicht Bertelsmann?
Da ist die Politik eher der Lobbyismus für das Wirtschaftssystem. Das gilt es zu überwinden, das nicht nur national. Im Grunde sollte in Deutschland schon mal Prophylaktische gegen das Rentenalter herabsetzen, mit den Franzosen solidarisiert werden.
—-„In der Agrikultur wie in der Manufaktur erscheint die kapitalistische Umwandlung des
Produktionsprozesses zugleich als Martyrologie der Produzenten, das Arbeitsmittel als
Unterjochungsmittel, Exploitationsmittel und Verarmungsmittel des Arbeiters, die gesellschaftliche
Kombination der Arbeitsprozesse als organisierte Unterdrückung seiner individuellen Lebendigkeit,
Freiheit und Selbständigkeit. Die Zerstreuung der Landarbeiter über größre Flächen bricht zugleich
ihre Widerstandskraft, während Konzentration die der städtischen Arbeiter steigert. Wie in der
städtischen Industrie wird in der modernen Agrikultur die gesteigerte Produktivkraft und größre
Flüssigmachung der Arbeit erkauft durch Verwüstung und Versiechung der Arbeitskraft selbst. Und
jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein fortschritt in der Kunst, den
Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung
seiner Fruchtbarkeit für eine gegebne Zeitfrist zugleich ein Fortschritt im Ruin der dauernden
Quellen dieser Fruchtbarkeit. Je mehr ein Land (…) von der großen Industrie als dem Hintergrund
seiner Entwicklung ausgeht, desto rascher dieser Zerstörungsprozeß. Die kapitalistische Produktionentwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses,
indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.“ (Karl
Marx)