
Bei der Konferenz des PEN-Berlin hat man erkannt, dass die falsche Frage ist. Doch das Interesse an der Debatte bleib gering. Dabei wären solche Formate vielleicht erfolgreicher im Kampf gegen Rechte.
Nach der Gründung der neuen AfD-Jugendorganisation laufen die Debatten in erwartbaren Formen. Alle, die schon lange vor der Rechtspartei warnen, sehen sich einmal mehr darin bestätigt, dass die AfD eine ganz gefährliche rechte Partei ist. Diejenigen, die für ein Verbot der AFD trommeln, wollen in dem Kongress noch weitere Argumente dafür sehen. Die mobilen Beratungsstellen gegen Rechts rufen nach besserer Finanzierung und zeichnen das Bild von der wachsenden rechten Gefahr schon um die eigene Unentbehrlichkeit herauszustellen. Frappierend ist aber, wie sehr man sich weigert, die eigene Arbeit kritisch zu betrachten und zu bewerten. Denn schließlich muss man ja auch konstatieren, dass die bisherige Beratungsarbeit das Anwachsen der Rechten nicht nur in den Parlamenten, sondern auch in den Schulhöfen nicht gestoppt hat.
Weiter so ohne Fehleranalyse
Das bringt eine Sprecherin des Bundesverbands Mobile Beratung so zum Ausdruck:
„2025 war ein Jahr mit vielen Rückschlägen. Die Normalisierung des Rechtsextremismus hat ein neues Ausmaß erreicht“, sagte Romy Arnold vom Bundesverband Mobile Beratung. Aber – und das sei die gute Nachricht – Engagierte hätten weitergemacht. Gegen Diffamierung, Druck und Verunsicherung helfe Aufklärung, Vernetzung und Austausch – dazu habe die Mobile Beratung beigetragen.“
Aus diesem Statement spricht die Angst, bloß keine Fehleranalyse zu machen und keine Frage aufkommen zu lassen, ob vielleicht das ganze Konzept der Beratungsstellen keine Antwort auf das Erstarken der Rechten ist. Dann müssten die Mitarbeiter ihre Arbeit und vor allem auch ihre Arbeitsplätze in Frage stellen. Die Devise heißt, trotz aller Rückschläge weiterzumachen.
Der Erfolg der Arbeit wird nicht daran gemessen, ob das anvisierte Ziel erreicht wird, das Anwachsen der Rechten in den Parlamenten und Gesellschaft zu verringern. Nein, es ist ein Erfolg, dass die Beratungsstellen weiter ihr Ding machen, auch wenn die Rechten wachsen.
Sprechblasen und Schaufensterzitate gegen Rechts
Wie das dann konkret aussieht, hat ein Journalist in der Taz gut dargestellt. Da gab es vor einigen Wochen in Halle die gutbesuchte rechte Buchmesse Seitenwechsel. Das hat ein linksliberales Bündnis zum Anlass genommen, um auch in der ganzen Stadt Aktivitäten zu entfalten. Das Wir-Team hat dann die Ergebnisse ihrer Arbeit so zum Ausdruck gebracht:
„ In den letzten 7 Wochen haben wir alle gemeinsam in über 400 Veranstaltungen Räume für Begegnung und Austausch geschaffen, die leuchtenden Sprechblasen und Schaufensterzitate strahlen aller Orten und auch überregional weiß man nun von Halle als einem Ort, in dem ein WIR so vieles meistern kann.“ – Aus der Abschlussbilanz von Wir Halle
Schön, dass eine rechte Messe mit dazu beigetragen hat, dass jetzt einige Geschäftsleute ihre Schaufenster mit Zitaten dekorieren und andere Seifenblasen platzen lassen. Aber es ist bei einem solchen Angebot auch als Mensch, der überhaupt nichts für Rechte übrig hat, nicht zu verdenken, wenn er sich doch in der Schlange für die Messe einreiht. Schon aus reiner Neugier. Dass dieses Beispiel von Hallenscher Geschäftigkeit nun bei den Beratungsstellen gegen Rechts als Erfolgsbeispiel herhalten muss, lässt tief blicken. Da werden sehr kleine Brötchen gebacken.
Neue Gewaltdebatte
Nun gibt es auch noch vor allem junge aktionsorientierte Antifaschisten, die damit nicht zufrieden sind. Das Bündnis Widersetzen gehört dazu. Ihm gelang es, einige Tausend Menschen gegen den Gründungskongress der AfD-Jugend nach Gießen zu mobilisieren. Ihnen gelang es wieder einmal, Blockadebilder zu produzieren, und sofort kam auch wieder über die Debatte über die unterschiedlichen Formen von Gewalt auf.
Freie Radios beklagten massive Einschränkungen ihrer Pressefreiheit durch die Polizei. Demonstranten monieren Polizeigewalt, konservative Politiker und Medien zeichnen wieder das Bild einer massiven linken Gewaltwelle und fordern ein Antifa-Verbot.
Welcher Hass ist legitim?
Beide Seiten werfen den Kontrahenten öfter auch Hass vor. Dass die Rechte im Allgemeinen und die AfD im Speziellen Hass verbreiten, ist ein beliebter Vorwurf bei linksliberalen Bündnissen gegen Rechts. Oft lautet auch deren Parole „Stoppt den Hass“. Und dann laufen nicht weit entfernt Antifaschisten, die die Parole rufen „Ganz Deutschland hasst die AfD“. Die Orte können variieren, meistens werden die Städte genannt, in denen die Demonstrationen gerade stattfinden.
Es ist unklar, ob der seit der letzten Bundestagswahl mandatslose FDP-Politiker Wolfgang Kubicki eine solche Demonstration schon mal beobachtet hat. Zumindest hat er sich seine Gedanken darüber gemacht, dass solche Parolen auch auf Demonstrationen gerufen werden, die sich ausdrücklich gegen den Hass wenden. Er trug sie in seinen Input am Kongress des Schriftstellervereinigung Pen-Berlin vor, der am 29. November in Berlin tagte. Zur angekündigten Saalschlacht über die Frage „Gibt es ein Recht auf Hass?“ ist es doch nicht gekommen. Doch Wolfgang Kubicki und die langjährige Grünen-Politikerin Renate lieferten sich eine Argumentenschlacht, wie man sie heute nur noch selten erlebt. Einfach deshalb, weil sich die unterschiedlichen Milieus eher entfreunden, abgrenzen, distanzieren als miteinander zu diskutieren.
Die Positionen waren klar. Kubicki verteidigte ein Recht auf Hass, das nicht strafbar ist, und grenzte es von Delikten wie Beleidigung, Bedrohung etc. ab. Ihm sprangen Zuhörer bei, die daran erinnerten, wie viele Kunstwerke es gibt, in denen Hass eine wichtige Rolle spielt. Künast hingegen, die vor allem eingeladen war, weil sie einige Beleidigungsklagen gewonnen hatten, erklärte, dass es ihr nicht um die Kriminalisierung von Hass geht. Sie wolle aber die Herabwürdigung von Personen geahndet wissen. Betroffen seien vor allem Frauen und Personen, die in der Öffentlichkeit oft wenig Unterstützung haben. Wenn die herabgewürdigt werden, ziehen sie sich aus der Diskussion zurück. Ihre Meinungsfreiheit sei dann einschränkt, so Künast.
Eigentlich sollte am Ende des Streitgesprächs darüber abgestimmt werden, welche Position das Publikum am meisten überzeugt. Doch kurzfristig verzichtete die Moderation darauf. Ein Grund lag wohl auch daran, dass sowohl vom Podium als auch vom Publikum die Fragestellung moniert wurde. Denn Menschen, die sich für ein Recht auf Hass aussprechen, können sich auch dafür einsetzen, dass Marginalisierte besser vor Beleidigungen geschützt werden. Ein Grund für die Absage des Meinungsbildes kann auch daran gelegen haben, dass die Debatte wie der Pen-Kongress insgesamt erstaunlich schlecht besucht war, obwohl dort unter dem Obertitel „Wer räumt das jetzt weg?“ viele Fragen diskutiert wurden, die in der Gesellschaft unter Cancel-Kultur und Grenzen des Sagbaren verhandelt wurden.
Vor zwei Jahren, als der Pen-Berlin noch relativ neu war, war das Medien- und Publikumsinteresse größer. Der schlechte Besuch ist auch ein Zeichen dafür, dass solche Debatten heute kaum noch in der realen Welt geführt werden. Im Internet wird selten miteinander, sondern meistens übereinander geredet oder neue angebliche Skandale aufgespürt. „Manche gieren geradezu nach Cancelfällen“, bringt es der Literaturprofessor Peter Martus in der Wochenzeitung Freitag auf den Punkt. Da haben es Formate wie der Pen-Kongress schwer, wo man sich tatsächlich noch über Begriffe wie Hass streitet und dabei Argumente austauscht und die Zuhörer sogar zum Nachdenken bringt. Vielleicht wären das aber die besseren Instrumente, um die Rechten in Parlamenten und Gesellschaft aufzuhalten. Da die bisherigen Mittel wenig Erfolge brachten, wäre es ja einen Versuch wert.
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Ich habe in meiner Jugend in Hassfurt in den Hassbergen ein paar Semester Hassrede studiert …
Ich finde die Journalistin Amira Hass vortrefflich.
„Es gibt nur eine Sache, die größer ist als die Liebe zur Freiheit: Der Haß auf die Personen, die sie dir wegnehmen.“
Ché Guevara
Um es kurz zu machen: Ja.
Es sind die illiberal-totalitären Gesellschaften, in denen Leuten vorgeschrieben wird, wen sie mögen müssen (Regierungsmitglieder zum Beispiel) und wen sie verachten dürfen.
In freiheitlichen Gesellschaften dagegen darf ich selbst entscheiden, wen ich mag, bzw. wen ich verachte (sogar Regierungsmitglieder).
Die Gedanken sind frei.
Die Gefühle auch.
Sollten daraus Worte oder Taten folgen, die die Grenzen des Legalen überschreiten, dann sind diese es, die geahndet werden dürfen.
Und was allein schon den Begriff „Hass“ angeht. Ne Nummer kleiner geht’s wohl nicht mehr, heutzutage. Ich bin mir sicher, dass „Verachtung“ den Sachverhalt in vielen Fällen deutlich besser trifft.
Warum nimmt man so einfach den Begriff „Hass“ auf und an?
Damit springt man auf einen Zug auf, daneben und wird überrollt,
Es ist zu erleben, dass zumeist Verachtung aus den meisten als Hass eingestuften Kommentaren spricht. Aber in den seltesten Fällen ist Hass gegeben, wenn Verachtung gezeigt wird.
Wir täten gut daran, nicht auf die Hassdiskussion anzuspringen, den dargebotenen Knochen nicht zu nehmen.
vielleicht Clockwork Orange nochmal anschauen ?
Ob ich ein Recht auf Hass habe oder nicht, spielt überhaupt keine Geige!
Wer will mir das Recht dazu absprechen?
Hass ist wie die Liebe Bestandteil des menschlichen Gefühlsspektrums!
Was soll der ganze Quatsch?
Wenn jemand gehasst wird, weil er eine andere Hautfarbe hat, tja,….gibt so Menschen, aber wer will ihm das Recht dazu absprechen? Ist unappetitlich, ja, aber wer will das verbieten! Man kann dafür sorgen, das so einer die Schnauze hält, klar, aber wird er dann weniger hassen?
Die ganze Diskussion ist Bullshit!