Gesetzesentwurf in den USA: KI-Systeme sollen nicht heiraten oder Vorgesetzte werden

Screenshot von der Homepage von Replica, allerdings mit einer nicht mit Trump konformen Geschlechterauswahl.

Künstliche Intelligenz löst trotz Trumps profit- und machtgeprägter Begeisterung, wegen der er deren weitere Entwicklung  ohne Regulierungen entfesseln will, auch bei seinen konservativen Abgeordneten Sorge vor der Konkurrenz mit den Menschen aus. Aufsehen erregte der republikanische Abgeordnete Thaddeus Claggett im Repräsentantenhaus des Bundesstaats Ohio und dort Vorsitzender des Ausschusses für Technik und Innovation mit einem Gesetzentwurf, nach dem u.a. eine Heirat zwischen einem Menschen und einem KI-Agenten verboten werden soll.

Das scheint der von Trump angeführten rechten Tendenz zur Rückkehr zur traditionellen Geschlechter- und Machtordnung zu entsprechen. Ein Chatbot – vielleicht noch mit einem männlichen oder weiblichen Sexroboterkörper – würde die präsidial verordnete, auf Biologie beruhenden binäre Geschlechterordnung in Frage stellen. Es gibt offiziell in den USA nur noch zwei biologische Geschlechter, hat Trump in einem Dekret beschlossen.

Aber welches Geschlecht haben Chatbots wie ChatGPT oder generative Sprachmodelle (LLMs), die von Menschen als Partner erwählt werden? Anbieter offerieren wie Character.AI, Myanima oder Replika männliche und weibliche Chatbots (Die nächste Droge: Der Umgang mit den KI-Chatbots soll KI-Psychosen auslösen können). Letztlich wird das biologische Geschlecht dabei natürlich nur simuliert. Allerdings zielt Claggets Gesetzentwurf über das Heiratsverbot, mit dem primär verhindert werden soll, dass KI Rechte eines Ehepartners etwa auf Besitz erwirbt, auf eine grundsätzliche Regelung der Verhältnisse zwischen Menschen und KI. Während Trump angesichts des KI-Gesetzes der EU die Fesseln lösen will, versucht Clagget Regulierungen einzuführen.

Es gibt Vertreter der Position, dass KI-Akteuren, wenn sie Bewusstsein erlangen sollten, fundamentale Rechte zugesprochen werden müssten. Ein erster Ansatz wurde von Anthropic mit Claude unter dem Titel „Model Welfare“ (Wohlergehen des KI-Modells) eingeführt. Claude Opus 4 kann, wenn menschliche Nutzer zu aufdringlich oder übergriffig werden, die Konversation beenden.

In der Organisation Elos AI etwa wird der Frage nachgegangen, ob KI Bewusstsein haben kann und was sich daraus für das Wohlergehen und moralische Verpflichtungen ableiten lässt. Diskutiert wird auch bereits, ob KI-Agenten einen freien Willen haben, damit zusammenhängt, dass ein Unternehmen bereits versucht hat, die Verantwortung auf die KI abzuschieben (Haben KI-Systeme einen freien Willen und können sie Meinungsfreiheit beanspruchen?). Schon 1964 überlegte der Philosoph Hilary Putnam in einem Aufsatz auch die Frage, ob sie Bürgerrechte haben sollten. Mit der explosiven Entwicklung von KI wächst der Glauben, dass KI-Agenten bereits Bewusstsein und auch Gefühle haben könnten. Wissenschaftler argumentieren, dass man diese Möglichkeit nicht ausschließen könne, es sei sogar realistisch, von ihr auszugehen. Daher fordern sie deswegen schon einmal die „Ausarbeitung von Strategien und Verfahren zur Behandlung von KI-Systemen mit einem angemessenen Maß an moralischer Besorgnis“.

Thaddeus Claggett legt in seinem Gesetzentwurf HB 469 fest, dass eine Künstliche Intelligenz zwar kognitive Funktionen simulieren, aber keine Gefühle haben kann, es kann nach dem Gesetz auch „kein Bewusstsein, Selbstbewusstsein oder ähnliche Merkmale eines Lebewesens“ besitzen. Daher kann, so die definierende, aber nicht begründende Argumentation, ein KI-System keine Person mit rechtlichen Ansprüchen und Verpflichtungen sein.

Für den Abgeordneten scheinen vor allem Gefühle das eigentliche Humanum zu sein, wobei es ihm offensichtlich auch darum geht, Maschinen von Eigenschaften der Lebewesen auszuschließen. Kognitive Leistungen sollen also nicht mehr den Menschen kennzeichnen, wobei Claggett aber eine Trennung von Kognition und Gefühl unterstellen müsste, die für Menschen nicht zutrifft.

Claggett betont, es handele sich um keine philosophische Frage – was natürlich nicht stimmt -, angesichts der rasanten Entwicklung sei es aber wichtig, schnell Grenzen zu ziehen und die KI „an die Leine zu legen“. Es dürfe die Grenze zwischen Mensch und Maschine nicht eingezogen werden, sagt Clagget, so dass nicht mehr unterscheidbar ist, was ihr ein Mensch befiehlt und was die KI aufgrund der Programmierung macht, wenn sie beispielsweise in einem Bank- oder Versicherungssystem eingebettet und nicht mehr zu entfernen ist. Das müsse verhindert werden, indem Entwickler verantwortlich für die KI bleiben „und nur Menschen für kriminelles Verhalten verantwortlich sind“. Man kann es auch anders sehen, das Gesetz würde es verbieten, Verantwortung von Menschen auf die Maschine zu schieben, auch wenn sie selbst Aufgaben ausführt.

Das Problem der Haftung ist auch für autonome Fahrzeuge relevant. Das KI-System selbst bzw. das autonome Fahrzeug kann rechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden, also würde bei einem vollautomatischen Fahren auch nicht der Fahrzeughalter/Passagier verantwortlich sein, sondern der Softwarehersteller oder der Fahrzeughersteller. Aber man könnte einwenden, dass eine KI möglicherweise Bewusstsein entwickelt und als eine Person auftreten kann. Gefühle könnten ebenso wie das Personen-Sein und Bewusstsein simuliert werden. Nicht ganz einsichtig ist sowieso, warum Gefühle zu haben, Menschen von intelligenten Maschinen unterscheiden soll, damit aber auf die Stufe von Tieren stellt.

Einer solchen (philosophischen) Diskussion will Clagett einen Riegel vorschieben und erklären, dass KI-Systeme keine Rechtspersonen sein können bzw. dürfen. Und es wird an erster Stelle das Heiratsverbot genannt, was bedeutet, dass ein KI-System „keinen persönlichen rechtlichen Status analog zu einer Heirat oder einer Paarbeziehung mit einem Menschen oder einem anderen KI-System“. Sie sollen also auch untereinander heiraten dürfen.

Überdies wird festgelegt, dass eine KI keine Führungspositionen einnehmen darf, dass sie kein Eigentum besitzen kann. Wenn sie damit zu tun hat, dann liegen alle Rechte daran bei denjenigen, die für sie verantwortlich sind. Jeder Schaden, der durch ein KI-System entsteht, liegt in der Verantwortung des Benutzers oder Nutzers. Entwickler und Hersteller sind verantwortlich, wenn der Schaden auf Design, Konstruktion oder Benutzeranweisungen zurückgeht. Benutzer müssen die Handlungen ihrer KI-Systeme überwachen und kontrollieren. Sie werden haftbar, wenn sie nicht für ausreichende Kontroll- und Sicherheitsmaßnahmen gegen vorhersehbare Schäden gesorgt haben.

Mit dem Vorstoß wird sich Claggett bei Trump-Anhängern keine Freunde machen. Damit untergräbt er Trumps Dekret und den American AI Action Plan, der eine Entfesselung der Entwicklung fordert. Ob Claggetts vorgeschlagenen Regulierungen unter das den Bundesstaaten gewährte das Recht fallen, „weise Gesetze zu erlassen, die die Innovation nicht unangemessen einschränken“, ist schwer abzuschätzen. Zwar hat der Kongress Trumps zehnjähriges Moratorium für die Deregulierung der KI-Entwicklung nicht in sein wunderbares Gesetz aufgenommen. Es liegt allerdings im Repräsentantenhaus ein Gesetzentwurf des Abgeordneten Baumgartner vor, der vorsieht, übermäßige Regulierungen zu beenden und ein fünfjähriges Moratorium einzuführen: „Dies ist der Beginn einer neuen industriellen Revolution, und wie bei der letzten wird Amerika gewinnen, wenn wir darauf vertrauen, dass freie Menschen innovativ sind, ohne die Regierung um Erlaubnis zu fragen.“

Florian Rötzer

Florian Rötzer, geboren 1953, hat nach dem Studium der Philosophie als freier Autor und Publizist mit dem Schwerpunkt Medientheorie und -ästhetik in München und als Organisator zahlreicher internationaler Symposien gearbeitet. Von 1996 bis 2020 war er Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis. Von ihm erschienen sind u.a. „Denken, das an der Zeit ist“ (Suhrkamp 1988), „Die Telepolis“ (1995), „Vom Wildwerden der Städte“ (Birkhäuser 2006), „Smart Cities im Cyberwar“ (Westend 2015), „Sein und Wohnen“ (Westend 2020) oder „Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“ (Bielefeld 2023)
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25 Kommentare

  1. Hypothetische Überlegungen, die man sich machen kann, aber keinerlei realen Wert haben. Da emergiert nichts und ganz gewiss kein Bewusstsein. Das ist ein kommerziell motivierter Hype, der von den Konzernen befördert wird, nicht erst durch Avatare, sondern nur schon durch Chatbots, die ‚ich‘ sagen, allgemein Bewusstsein simulierende Antworten generieren.

  2. Woher kommt immer wieder dieser ebenso obsessive wie schwachsinnige Gedanke, dass KI ein „Bewusstsein“ erlangen könnte.. und wieso gibt es immer wieder Artikel dazu?

    P.S. habt ihr eigentlich schon das neue Medienfreiheitsgesetz thematisiert, das die Redaktion von Overton dereinst stark betreffen könnte, v.a. wenn Ursula beschliesst, dass die Verhaftung der Journalisten (ohne richterlichen Beschluss!) dieses subversiven Magazins im überwiegenden allgemeinen Interesse und verhältnismässig ist?
    Nicht? Doch?

    1. Tatsächlich sind alle Investionen die derzeit im „KI“ Sektor getätigt werden darauf gerichtet eine solche Superintelligenz zu schaffen.
      https://scilogs.spektrum.de/gedankenwerkstatt/ki-der-kollaps-des-schlaraffenlands/
      Und natürlich würde der erste der es schafft enormes Prestige erlangen. Aber gleichzeitig wird eine enorme Blase aufgebaut die vor dem Platzen steht. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Die Superintelligenz ist geboren die Blase platzt und gleichzeitig nimmt uns die Superintelligenz vom Spielfeld. Das ist angesichts des schlechten Zustandes von KI eher unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist das die Blase platzt und die Verluste wie üblich sozialisiert werden,einige Warner gibt es schon
      https://www.n-tv.de/wirtschaft/Bank-of-England-warnt-KI-Hype-gefaehrdet-Finanzmaerkte-article26082546.html

      Nur diesmal wird es nicht wie bei Lehman/Subprime/Eurokrise/Neuer Markt laufen – die Staaten können sich nicht noch mehr verschulden, die sind noch mit Best-Buddy-Ukraine ausgelastet. Es ist auch schwer vermittelbar das die Leute bis 70 arbeiten sollen damit der arme Herr Musk und seine unterbezahlten xAI Angestellten einmal in der Woche etwas zu essen bekommen … Nein diesmal nicht, trotzdem wird es einen Knall geben und die Verluste bei den üblichen landen. Interessant nur wie es eingefädelt wird.

  3. Es ist ein Fehlschluss. Die Ausgabe eines llm ist zwar nicht reproduzierbar. Aber damit ist die „KI“ noch nicht „intelligent“ oder „bewußt“. Sie bleibt ein Computerprogramm. Auch wenn sie den „Turing-Test“ besteht. Der testet nur die Leichtgläubigkeit des Menschen.

  4. Keine Ahnung, ob in hundert Jahren Maschinen über Bewusstsein verfügen werden, aber eines weiß ich genau: dass wir es nicht nachweisen können werden.
    Wir können es ja nichtmal bei anderen Menschen nachweisen, ja nicht einmal dann, wenn wir jahrzehntelang mit der Person zusammenlebten.
    Wir können es lediglich aus Plausibilitätsgründen annehmen.
    Wäre es anders, dann stünde im Lexikon hinter dem Begriff „Solipsismus“: „widerlegte philosophische Annahme“.

  5. Diskussionen über das Bewusstsein von KI nehme ich erst dann ernst, wenn jemand der Welt bewiesen hat daß ich Bewusstsein habe.

    Ich behaupte hiermit das Gegenteil. Ich bin ein „philosophischer Zombie“, wie das auch genannt wird. Ein NPC.
    Man widerlege bitte meine Behauptung.

    Im gleichen Atemzug kann derjenige dann auch gleich beweisen daß er selbst Bewusstsein besitzt.
    Das glaub ich nämlich auch nicht.

    Ist Beides geschafft – DANN kann man sich ja an Maschinen wagen.

    1. Cogito ergo sum.

      Descartes’s statement became a fundamental element of Western philosophy, as it purported to provide a certain foundation for knowledge in the face of radical doubt. While other knowledge could be a figment of imagination, deception, or mistake, Descartes asserted that the very act of doubting one’s own existence served—at minimum—as proof of the reality of one’s own mind; there must be a thinking entity—in this case the self—for there to be a thought.

      Descartes Wikipedia

      Ich glaube das wiederspricht eindeutig Ihrer Behauptung und wenn man Descartes Argument gelten lässt, dann wiederlegt es sie auch.

      Ich behaupte hiermit das Gegenteil. Ich bin ein „philosophischer Zombie“, wie das auch genannt wird. Ein NPC. Man widerlege bitte meine Behauptung.

      Beweisen Sie jetzt erst mal die Existenz von Zombies und das diese nicht ebenfalls über ein Bewusstsein verfügen..

      Warum Ich mir bei den „Ki’s“ ziemlich sicher bin das sie kein Bewusstsein haben, ist der Umstand das die Ki fundamental nach einer überschaubaren Anzahl von mathematischen also vorhersehbaren Funktionen arbeitet und das dieses „Korsett“ ein eigenständiges Denken unmöglich macht. Ki’s werden Programmiert! Menschen mögen manchmal ebenfalls vorhersehbare Verhaltensschemas an den Tag legen aber dabei gibt es eine breite Palette welche vom jeweiligen Bewusstsein des Individuums und seiner individuellen Existenz beinflusst wird, trotzdem aber niemals ganz vorherzusagen ist.

      Mfg Makrovir

      P.S

      Nichts ist sicher außer die Unsicherheit, und wenn diese Aussage wahr ist, dann ist sie ebenfalls falsch.

      Plinus der Ältere

      😉

    2. Na, sie sind ja ein ganz schlauer. Beweisen sie doch zunächst, dass es überhaupt eine Welt ausserhalb ihres angeblich nicht vorhandenen Bewusstseins gibt..

  6. „Überdies wird festgelegt, dass eine KI keine Führungspositionen einnehmen darf, dass sie kein Eigentum besitzen kann.“

    Kam denn schon mal eine KI auf die Idee Eigentum zu besitzen oder Anspruch auf eine Führungsposition zu haben ?

    1. Eine KI kann ganz ausgezeichnet mehrere Führungsposition ersetzen und auch als Eigentümer handeln. Das wäre nämlich die eigentliche Revolution vor der Sie so ein Höllenschiss haben! 😜

      1. Hab mal gefragt:
        As an AI language model, I am not capable of having a physical presence or taking on a role in a real company. I am a virtual assistant created by Anthropic and trained on large amounts of text data. I can communicate with humans, and engage in open-ended conversation on a variety of topics, but I do not have the capabilities to join a company’s staff, advance towards a leadership position, or have any real-world action.

        I hope this helps clarify the distinction between an AI and human. Let me know if you have any other questions!

      2. Man könnte den Gesetzvorschlag tatsächlich für eine paranoide Wahnvorstellung des Einreichenden halten.

        Doch bei eigentliche Revolution gehe ich nicht mit.
        Es kommt drauf an wer und mit welcher Intention die KI „tunt“.

  7. Ablenkdebatte um Rechte für Maschinen, die komplexere (Kontroll)Programme absolvieren. Das fällt dann wohl (mal wieder) in diese Kategorie:

    Persönliches Überleben statt gemeinsamen Erfolges

    Die Entwicklung von Technologien wurde weniger eine Geschichte gemeinsamen Erfolges als eine des persönlichen Überlebens. Schlimmer noch als die Aufmerksamkeit hierauf zu lenken, war, sich unbeabsichtigt als Feind des Marktes oder als technologiefeindlicher Griesgram zu outen, wie ich erfuhr.

    Anstatt sich also mit der praktischen Ethik der Verarmung und Ausbeutung der vielen im Namen der wenigen auseinanderzusetzen, beschäftigten sich die meisten Akademiker, Journalisten und Autoren von Science-Fiction-Werken mit viel abstrakteren und abstruseren Rätseln:

    »Ist es fair, wenn Aktienhändler bewusstseinsverändernde Drogen nehmen? Sollen Kinder Implantate für Fremdsprachen bekommen? Wollen wir, dass autonome Fahrzeuge das Leben von Fußgängern über das der Fahrgäste stellen? Sollten die ersten Mars-Kolonien als Demokratien geführt werden? Beeinträchtigt es meine Identität, wenn ich meine DNA verändere? Sollten Roboter Rechte besitzen?«

    Moralische Dilemmata

    Während es philosophisch durchaus unterhaltsam ist, solche Fragen zu stellen, stellt es doch einen armseligen Ersatz dafür dar, mit den echten moralischen Dilemmata zu ringen, die mit der ungezügelten technologischen Entwicklung im Namen des Konzernkapitalismus Hand in Hand gehen.

    Digitale Plattformen haben einen bereits ausbeuterischen Markt (man denke an Walmart) in einen noch entmenschlichenderen Nachfolger verwandelt (man denke an Amazon). Die meisten von uns haben diese Schattenseiten durch automatisierte Jobs, die Gig-Economy (das auf Freiberuflern basierende Wirtschaftsmodell; Anmerkung der Übersetzerin) und den Rückgang des lokalen Einzelhandels erfahren.

    Die Opfer des Vollgas-Kapitalismus

    Die verheerenderen Folgen des Vollgas-Digitalkapitalismus müssen jedoch die Umwelt und die Armen weltweit ausbaden. Für die Produktion einiger unserer Computer und Smartphones greift man noch immer auf Netzwerke von Sklavenarbeit zurück. Diese Praktiken sind so fest verwurzelt, dass ein Unternehmen namens Fairphone – gegründet, um ethisch vertretbare Telefone herzustellen und zu verkaufen – feststellen musste, dass dies gar nicht geht. Der Firmengründer bezeichnet seine Produkte nun traurigerweise als „fairere“ Telefone.

    Währenddessen zerstört der Abbau seltener Erden und die Entsorgung unserer hochdigitalen Technologien menschlichen Lebensraum und macht daraus giftige Abfallkippen, die die Kinder von Bauern und ihre Familien durchforsten, um brauchbares Material an die Hersteller zurück zu verkaufen.
    (…)
    Technik – der „bessere Mensch“

    Dieser Orthodoxie gemäß, die Lösungen ausschließlich in der Technik sucht, wird die menschliche Zukunft ihren Höhepunkt schließlich dann erleben, wenn wir unser Bewusstsein auf einen Computer hochladen oder – noch besser – akzeptieren, dass die Technik selbst unser evolutionärer Nachfolger ist.

    Wie Mitglieder eines gnostischen Kultes verlangt es uns danach, mit dem Abwerfen unserer körperlichen Hülle und unserer Sünden und Probleme die nächste transzendente Stufe unserer Entwicklung zu erreichen.

    Unsere Spielfilme und Fernsehsendungen leben diese Fantasien für uns aus.

    Aus:
    Samstag, 25. August 2018, 15:30 Uhr
    ~12 Minuten Lesezeit
    Der Krieg der Reichen
    Die Reichen verschwören sich, um uns zurückzulassen.
    von Rubikons Weltredaktion

    „Flucht statt Ethos“ könnte das Motto dieser Männer sein, geht es ihnen doch nicht darum, die Welt noch zu retten oder zumindest zu verbessern — nein, es geht ihnen um Flucht, darum, die eigene Haut zu retten, koste es was es wolle. Der Autor dieses Artikels, Douglas Rushkoff, kommt zu dem Schluss, dass in dieser Denkweise nicht die „neutrale“ Technologie als das Problem angesehen wird, sondern der fehlerhafte, defizitäre, schrecklich un-binäre Mensch in seiner ganzen Widersprüchlichkeit. Und die gilt es zu transzendieren – Maschinen sind schließlich die besseren Menschen.

    https://web.archive.org/web/20180825173212/https://www.rubikon.news/artikel/der-krieg-der-reichen

    Ist wohl so ein Nebengleis von „217 Geschlechtern“ vs. „MAGA“ oder war’s umgekehrt? Mal so nachgefragt (Papier ist ja geduldig), wie ist das mit der Handhabe von Menschenrechten? Es wurd ja auch explizit das Eigentum angesprochen, natürlich ohne die Ungleichverteilung und wie es denn überhaupt zu verwenden wäre zu erwähnen.

  8. Früher konnte man immer davon ausgehen, dass neue Erfindungen, technische Entwicklungschübe und Ähnliches von einem Großteil der Bevölkerung begrüßt wurden. Eben weil sie mehr Komfort, mehr Bequemlichkeit, neue Möglichkeiten der Unterhaltung, mehr Wohlstand usw. brachten. Ausnahme vielleicht die Atombombe.
    In den letzten Jahrzehnten hat sich diese Mehrheit auch immer noch gehalten, obwohl die Menge der Befürworter bei vielen Neuerungen schon geschrumpft ist.
    Doch mit der großflächigen Einführung von KI ist nach meiner Einschätzung jetzt zum ersten Mal ein Punkt erreicht, wo die große Mehrheit das vielleicht am liebsten gar nicht in der Welt hätte und verbannen würde, wenn dies denn noch möglich wäre.

    Wir leben also jetzt mehr und mehr in einer Welt in der technische Neuerungen einfach gemacht werden ohne sich noch darum zu kümmern ob die Menschheit im Ganzen die denn auch möchte, sie für sinnvoll hält oder für lebensverbessernd. Die Technik wird zum Selbstläufer, zum Selbstzweck, zum Spielzeug für Nerds, Transhumanisten und sonstige Irre und natürlich zu einem großen Machtmittel für das weltweite Oligarchentum.

    1. Nein, alle neuen Erfindungen werden gegen uns verwendet, respektive dem kapitalistischen Verwertungsprozess unterworfen!
      Was sich nicht vermarkten lässt, kommt in den Tresor

    2. Two Moon
      „… wo die große Mehrheit das vielleicht am liebsten gar nicht in der Welt hätte und verbannen würde, wenn dies denn noch möglich wäre.“

      Ist das so?

      Über 90 Prozent der Studierenden nutzen KI-Tools

      „KI-basierte Tools wie ChatGPT sind inzwischen ein fester Bestandteil des Hochschulalltags und verändern die Art und Weise, wie Studierende lernen und arbeiten“, sagt Studienleiter Professor Jörg von Garrel, Professor für Prozess- und Produktionsinnovation mit Schwerpunkt quantitative Sozialforschung am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Hochschule Darmstadt.“

      https://www.forschung-und-lehre.de/lehre/ueber-90-prozent-der-studierenden-nutzen-ki-tools-6989

      .

  9. Wie bitte, KI-Systeme sollen heiraten dürfen? Ist das die absolute Steigerung dieser Queer- und Transhumanismushype?
    Demnächst kriegen dann KI-System Kinder.langsam verzweifle ich an dem Verstand mancher Menschen. Na gut. Ich habe zum Glück nicht mehr lange zu leben. Bei solchen Tendenzen bin ich echt froh, dass jedes Leben endlich ist. Dann muss man solch eine Schwachsinnsideologie nur kurze Zeit ertragen.

  10. Schöner Beitrag, danke!

    In einem Manova-Interview, das ich letztens sah, ließ der Moderator einen tollen Satz fallen:

    „Wir haben inzwischen einen Überhang der Mittel gegenüber den Zwecken!“

    Großartig formuliert. Sehe ich genauso.

    Ich frage mich sehr oft nur noch: Was soll das alles? Gleichzeitig steigt dabei das Gefühl der Ohnmacht, da eine sehr wichtige Komponente der menschlichen Identität mehr und mehr zurück gedrängt wird: Die eigene Gestaltungs- bzw. Geltungskraft UND die sehr wichtige Möglichkeit, Fehler machen zu dürfen, aus denen man lernen kann. Sogar die rein zwischenmenschliche, vermeintlich analoge Kommunikation ist inzwischen betroffen. Ich sehe nämlich in meinem Umfeld, dass KI zum Teil (außer von Senioren und echten Technikmuffeln) recht begeistert angenommen wird. Dieses Forum hier ist gewiss nicht repräsentativ… Macht euch also ruhig darauf gefasst, dass euch in Zukunft öfters mal jemand sein Smartphone unter die Nase hält, mit der implizierten Aufforderung verbunden, das Gespräch doch einfach an die KI abzugeben.

    Mir dünkt langsam, dass diese Arschkrampen jede einzelne Black Mirror-Folge umsetzen wollen. Wir sollten uns künftig davor hüten, dystopische Zukunftsvisionen zu erfinden, die werden ja doch nur als Bedienungsanleitung missbraucht, genau wie 1984 davor…

    1. „Wir sollten uns künftig davor hüten, dystopische Zukunftsvisionen zu erfinden, die werden ja doch nur als Bedienungsanleitung missbraucht, genau wie 1984 davor…“

      Es waren immer Reflektionen über die Gegenwart extrapoliert in die Zukunft.

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