Geschichtliche Kontingenz

Einen Tag nach der Kristallnacht im November 1938. Hätte man schon wissen können, dass der Holocaust kommt? Bild: public domain

Wann weiß man, daß es Zeit wird, aus einer politischen Entwicklung aktive Konsequenzen zu ziehen? Muss sich dafür das Schlimmste erst wirklicht ereignet haben?

 

Vor vielen Jahren fragte ich einmal ein Bekannte, deren Familie im Jahr 1938 – sie war damals 18 Jahre alt – aus Berlin nach Palästina geflohen war, wie es komme, dass ihre Familie so lange gewartet hat, bis sie Hitlers Deutschland verließ. Sie sagte mir: “Es ist wahr, dass am 30. Januar 1933 eine graue Wolke meine gesamte Jugendzeit überzog. Aber man konnte selbst noch unter jenen Bedingungen weiterleben.“

Gemessen daran, was dann kam, erschien mir das zwar unfassbar, aber ich musste mir eingestehen, dass in meiner Frage ein Moment der Projektion von mir steckte, welches eher mit meiner abstrakten Vorstellungswelt zusammenhing, als mit den realen Lebensbedingungen der damaligen Zeit. Die Heraufkunft der Bedrohung mag sich bereits als erste Manifestation der Gefahr erweisen, aber man weiß es erst im nachhinein, nachdem sich das vorerst noch Bedrohliche als höllisches Grauen verwirklicht hat. Die Erhebung der umfassenden Evidenz zum Kriterium notwendigen Handelns mag sich rückblickend als Mittel der Selbstblendung für die gefahrvoll dräuende Realität erweisen.

Es ist in der Tat ein großes Problem: Wann weiß man, dass eine historische-politische-soziale Zeitenwende ansteht? Bekannt ist der Spruch Adornos: “Man spricht vom drohenden Rückfall in die Barbarei. Aber er droht nicht, sondern Auschwitz war er.” Das war eine A-posteriori-Erkenntnis: Nachdem Auschwitz in die Welt gekommen war, lebte man bereits in einer Welt-nach-Auschwitz, welche die Bedrohung eines Rückfalls in die Barbarei zum Dauerzustand hat werden lassen.

Aber wann konnte man das wissen, ehe Auschwitz in die Welt gekommen war? 1933, mit der nazistischen Machtübernahme? Die war bedrohlich, aber von Auschwitz wusste man noch nichts. 1935, mit den Nürnberger Gesetzen? Zwar legalisierten diese die rassistische Ausgrenzung der Juden, aber Auschwitz war damit realiter noch nicht indiziert? 1938, nach der Reichspogromnacht? Zwar ist man in dieser zum physischen Angriff auf Juden übergegangen, das erste Mal in Deutschland seit den Hep-Hep-Krawallen im 19. Jahrhundert, aber Auschwitz war das noch nicht. Auschwitz wurde  zu dem, was man hätte wissen-raten-ahnen sollen, erst nachdem es sich als Geschichtsgeschehen vollzogen hatte.

Die in Berlin aufgewachsene Bekannte fühlte die ihre Jugendzeit beschattende graue Wolke, aber “man konnte selbst noch unter jenen Bedingungen weiterleben”, wie sie selbst bekannte. Dieses Weiterleben erhob zwar den Anspruch, als mögliche Lebenswirklichkeit zu gelten, aber im nachhinein erwies sich dieser Anspruch auch als wirklichkeitsfremd; denn das, was dann kam, war so entsetzlich, dass man sich fragen muss, was alles noch geschehen musste, damit man gewahrte, dass es aufs Schlimmste, auf Auschwitz zugeht.

Ein Grauen ist, dass es nicht gleich “Auschwitz” sein muss

Geschichtliche Kontingenz generiert vielerlei Facetten menschlichen Seins. Sie kann herhalten, um gewählte Selbstberuhigung (“Es wird schon nicht so schlimm kommen”) zu rationalisieren. Sie kann einen Dauerzustand paranoider Lebenserfahrung etablieren; der in den internationalen Sprachgebrauch eingegangene deutsche Begriff der “Angst” steht dafür. Sie mag eine zukunftsagnostische Lebenseinstellung hervorrufen (“Was weiß man schon? Wer weiß, was die Zukunft bringt?”). Sie darf aber auch als Grundlage der Erwägung von möglichen historischen Entwicklungen und politischen Auswirkungen dienen.

Das volle, oben zitierte Diktum von Adorno lautet:  “Man spricht vom drohenden Rückfall in die Barbarei. Aber er droht nicht, sondern Auschwitz war er; Barbarei besteht fort, solange die Bedingungen, die jenen Rückfall zeitigten, wesentlich fortdauern. Das ist das ganze Grauen. Der gesellschaftliche Druck lastet weiter, trotz aller Unsichtbarkeit der Not heute. Er treibt die Menschen zu dem Unsäglichen, das in Auschwitz nach weltgeschichtlichem Maß kulminierte.”

Das In-die-Welt-gekommen-sein von Auschwitz darf also insofern als Evidenz dienen, als die Möglichkeit dessen, was die Bedingungen für den Rückfall in die Barbarei gezeitigt haben, nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Was die Berliner Bekannte 1933 noch nicht wissen konnte, musste sie nach 1945 in kauf nehmen. Die Bedingungen für ein neues Auschwitz in Deutschland waren nach 1945 zwar nicht mehr gegeben, aber für die Ereignung anderer weltgeschichtlicher Katastrophen mitnichten aus der Welt geschaffen.

Das ist das ganze Grauen. Ein Grauen ist zudem, dass es nicht gleich “Auschwitz” sein muss. Mindere Katastrophen harren bereits in der Latenz. Ihre reale Möglichkeit ist schlechterdings nicht mehr auszuschließen. Was muss noch alles geschehen, damit man sie wahr- bzw. ernstnimmt? Muss man wirklich erst den realen Ausgang abwarten, ehe man begreift, dass das für “normal” Erachtete sich von Grund auf verformt hat, dass es gar in sein horrendes Gegenteil umgeschlagen ist bzw. das Horrende, das immer schon in ihm angelegt war, sich nunmehr verwirklicht hat?

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27 Kommentare

  1. Ganz Einfache Antwort,
    das Durch die Verdrängung der Realität, die immer gleiche Hoffnung entsteht, daß es bestimmt in der Zukunft wieder Besser wird!

    Zur Zeit ist es das Ende der gesamten Menschheit durch einen begrenzten Nuklearen Krieg.

    1. Dazu noch der Nachtrag,

      Hepp hepp hurra! “Das deutsche Volk” hat einmal einer gesagt, besitzt zwei Leidenschaften: >> !das Denunziantentum und den Antisemitismus!

      1. Wer ist das deutsche Volk? Sind Denunziantentum und Antisemitismus Alleinstellungsmerkmale der Deutschen”? Handelt es sich dabei um Leidenschaften? “Ich weiß auch nicht, wo der Bahnhof ist, aber es ist schön, dass wir darüber gesprochen haben.”
        Hiroshima und Nagasaki belegen, dass es NICHT das Ende der Menschheit sein muss. Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima… auch. Ich vermute, dass unter den Menschen die Spielernaturen in der Mehrzahl sind.
        Weil das so ist, nehmen Pädagogen an, dass das mit dem “Klaps” nicht so wirkt, wie manche meinen.

        1. Hi Christa,
          Leidenschaft kommt vom Leiden nicht vom Müssen, ansonsten großes Danke für dein gutes Beispiel von allgmeiner Hybris!

          Hojotoho! Hojotoho! Heiaha! Beste aller Walküren ich danke dir.

          1. @ Jack the Prepper
            Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir uns gegenseitig nicht verstehen. Der Tod von Millionen ist für manche gerechtfertigt, wenn der “Richtige” gewinnt. Zu denen gehöre ich nicht, sicher aber so manche Herrschenden. Der Tod vieler ist die Grundlage ihrer Herrschaft. Sei es durch Ausbeutung und ihre Folgen oder durch Gewaltausübung im Sinne der Privilegierten. Das ist nicht erst so seit ???. Es scheint sich um eine menschliche Konstante zu handeln. Wem ist mit einer idealtypischen Konstruktion des “Menschlichen” gedient?

    2. @ Jock the Prepper
      Du sagst: “Zur Zeit ist es das Ende der gesamten Menschheit durch einen begrenzten Nuklearen Krieg. ”
      Wie weit man diesbezüglich nicht zu weit gehen darf, haben die Yankees deshalb 1945 über Japan schon mal mit zwei Bomben getestet – obwohl sie 3 Bomben für diesen Feldversuch zur Verfügung hatten .

      Dummer Weise glauben sie, dass man das über Russland oder auch China heute durch aus mal riskieren könnte.
      Es gibt da nur eine klitzekleine “kontingente” Veränderung – der Gegner hat heute auch solche Bomben.
      Das macht die Sache nun wirklich kompliziert, weil der Gegner sich ja erfolgreich wehren könnte.

  2. Der russische Außenminister Lawrow hebt hervor, Deutschland entwickle sich eine alarmierende Form von Überlegenheitsgefühl, eine spezielle Form von Rassismus bei der Kultivierung der Russophobie.
    https://tass.com/society/1547073
    Zitat:
    “That quite a distinctive form of superiority, quite a distinctive form of racism, if you will, is emerging in Germany, if you look at how Russophobia is being cultivated, is of course a cause for alarm,” he said.
    Lavrov stated that the trend of rising Russophobia is evident in practically all of Europe, “with very rare exceptions, but Germany has a special responsibility.”

    Was in Deutschland nach 1945 unter anderem fehlte, war jegliche tiefere, gerade auch emotionale Aufarbeitung der NS-Zeit.
    Man hatte keine Zeit für Reue und Trauer, sondern war zunächst mit dem nackten Überleben und alsbald mit dem Wirtschaftswunder beschäftigt.
    Die seelische Leere wurde mit Konsumismus überdeckt.
    Dadurch blieb einiges der NS-Ideologie in einigen deutschen Köpfen hängen, z. B. die Vorstellung „gute gegen minderwertige Gene“, „die Juden waren doch auch selbst schuld“, „Russen sind keine Menschen, sondern vergewaltigende Bestien“ + „deutsche Wehrmachtssoldaten können schon wegen ihres Ehrgefühls keine Frauen vergewaltigt haben“, „in der Reiter-SS waren doch nur Pferde-liebenden junge Männer“…… (habe ich alles als Kind in meiner Herkunftsfamilie „gelernt“ und tatsächlich jahrelang geglaubt, Russen wären irgendwie „anders“, hätten keine menschlichen Gefühle usw.)

    Umso beunruhigender finde ich es, wie offen die Dehumanisierung der Russen inzwischen wieder staatlicherseits (!) betrieben wird.
    Insbesondere in der Ukraine, wo Kindern die Vorstellung beigebracht wird, sie müssten lernen, möglichst viele „Orks“ zu töten und seien als Ukrainer dazu ausersehen, gegen sie „die europäische Zivilisation zu verteidigen“ (wörtlich von Goebbels übernommen) – aber auch hierzulande.
    Auch hierzulande wird Jugendlichen wieder beigebracht, sich als „Ausersehene“ zur Verteidigung bzw. Durchsetzung von „Werten“ zu fühlen.

    1. Es sind Faschisten und Rassisten weil sie es so wollen, nicht weil irgendwelche Bildungs-, und Aufarbeitungslúcken zu bemängeln wären.

      Zeitenwende, Herrenmensch – Deutschland ist wieder wer !

    2. “Insbesondere in der Ukraine, wo Kindern die Vorstellung beigebracht wird, sie müssten lernen, möglichst viele „Orks“ zu töten und seien als Ukrainer dazu ausersehen, gegen sie „die europäische Zivilisation zu verteidigen“ .

      Da darf man sich nicht wundern, wenn ukrainische Kinder in deutschen Schulen im Unterricht Menschen mit Waffen malen, die Russen töten – so wie sie es zuhause gelernt haben.

      PS In diesem mir bekannten Fall in einer Klasse, in der auch Kinder von Deutschrussen lernen.

      PPS Es ist mir bisher leider nicht gelungen, Unterrichtsmaterial aus der Ukraine im Original zu bekommen. Das Hamburger Konsulat hatte ja gefordert, die ukrainischen Kinder hier nach diesen Materialien zu unterrichten. Es wäre sicherlich interessant, das eine oder andere daraus hier mal zu veröffentlichen – insbesondere aus dem Geschichtsunterricht.

      1. @venice12
        Zu „Da darf man sich nicht wundern, wenn ukrainische Kinder in deutschen Schulen im Unterricht Menschen mit Waffen malen, die Russen töten – so wie sie es zuhause gelernt haben. PS In diesem mir bekannten Fall in einer Klasse, in der auch Kinder von Deutschrussen lernen.“:
        Wie ist darauf reagiert worden – seitens Lehrpersonal, Klassenkameraden, deren Eltern und evtl. Elternpflegschaft?

      2. Solche Kinder landen später eh auf der F-Skala, weil die entscheidene Sozialisationsinstanz die Eltern für die Ausbildung zu einer autoritären Persönlichkeit sind.
        Wenn Lehrer von irgendwas nen Plan hätten, würden nicht überall händeringend Schulsozialarbeiter gesucht.
        Unterrichtsmaterial gibts vom Wilhelm Heitmeyer.

      3. Zu „PPS Es ist mir bisher leider nicht gelungen, Unterrichtsmaterial aus der Ukraine im Original zu bekommen. Das Hamburger Konsulat hatte ja gefordert, die ukrainischen Kinder hier nach diesen Materialien zu unterrichten. Es wäre sicherlich interessant, das eine oder andere daraus hier mal zu veröffentlichen – insbesondere aus dem Geschichtsunterricht.“

        Im Original sind z. B. die OUN-ABC-Fibeln für ukrainische I-Dötzchen samt Videos über deren Urheber und ihre freudige Anwendung an ukrainischen Schulen im Internet sowie einiges über PLAST in Ukraine, CAN, USA und gerade auch D.
        Dazu hatte ich hier jede Menge Details mit Links gepostet und wiederholt um Mithilfe gebeten – vorhersehbarerweise vergeblich, denn sachliche Zusammenarbeit statt gegeneinander Lamentieren ist im Overton-Forum ja nicht angesagt.
        Tja, …..
        Glücklicherweise habe ich auch heute bei der „Free Assange“-Aktion im echten Leben wieder in jeder Hinsicht (informativ, intellektuell und menschlich) viel bessere Erfahrungen gemacht als hier im Overton-Forum.
        Und als „Globalsüdistin“ glaube ich: A cobra vai fumar.

        1. @Sabine Schulz

          älteres Thema: die Briefe zu Mützenich waren an ihn oder in Form von Leserbriefen an Zeitungen über ihn?

          (obwohl ich tausendmal radikaler bin als er. Aber vielleicht schreib ich ihm ja ggf. weil Sie so was anmerkten)

          -Hamburg: Die ukrain. Generalkonsulin dort forderte doch im Frühling, dass ukrain. Schüler in dt. Klassen integriert werden ohne nicht-europäische Flüchtlinge, weil das ihr kulturelles Selbstverständnis beeinträchtigen würde.

          Sie entblödete sich auch nicht, die Kultusministerkonferenz zurechtzuweisen über die mangelhaften dt. Curricula, die die außergewöhnlichen Fähigkeiten der ukr. Schüler nicht berücksichtigen würden und ihr Fortkommen behinderten. Daher bitte Unterricht in der BRD nach ukran. Lehrplan.

          Coole Tussi.

          Ist natürlich medial untergegangen.

          Obs so etwas wie eine Sammlung zum ukrain. Rassismus in BRD gibt? oder ohne BRD.

          / der Russenhass schwebt über der dt./westeurop. Gesellschaft seit 1917.
          Den Schock der Rev. hat man hier nie überwunden.

          Bemerkenswert dabei: Es wird heute fast nichts über das RU der Zarenzeit geschrieben.

          Nichts über die mittelalterlichen Zustände. Über den Despotismus. Über die Leibeigenschaft.
          Es wird einfach so getan als habe RU 1917 angefangen zu existieren.

          Und das umfassende Maß an Dehumanisierung ordnet “den Russen an und für sich” ja jetzt in dieselbe schmeichelhafte Kategorie ein wie wir sie idR nur von Arabern kannten.
          (Bis in die 60er Schwarze, aber das geht ja nun leider so nicht mehr. Also muss Ersatz her.)

          Araber waren stets tierisch, verrückt, brutal, dumm, verschlagen. Also alles bloß nicht besonnen, nicht rational, nicht menschlich (“humane”)
          nicht das was Menschen von Tieren unterscheidet.

          Dasselbe gilt nun endgültig auch für Russen.

          (Ich warte darauf wie sie die De-Humanisierung “des Chinesen an und für sich” vorbereiten werden. Ich nehme an, Volk das Diktatur im Blut hat, da werden dann plötzlich ganz viele vermeintliche Chinaexperten auftauchen.)

          (Bloss wird es aus sprachlichen Gründen sehr viel schwieriger für uns.)

          -zu ihrem Projekt mit den Kindern und Ukraine fiel mir irgendwie das ein (obgleich Sie es wohl eh kennen):

          das Transkript zum Treffen der Mütter bei Putin:
          Halte ich für problematisch weil offensichtlich mit PR-Funktion verknüpft und deshalb veröffentlicht. (Weniger wäre mehr sprich ehrlicher gewesen, für mich.)

          Aber dennoch von histor. Wert für unsereinen:

          http://en.kremlin.ru/events/president/news/69935

          1. @xyz
            Zu „die Briefe zu Mützenich waren an ihn oder in Form von Leserbriefen an Zeitungen über ihn?“:
            Soweit ich verstanden habe hält er Leserbriefe, die Zeitungen eben in der Rubrik „Leserbriefe“ veröffentlichen, für wirkungsvoll (müssen vermutlich entsprechend vorsichtig, ohne Reizworte, formuliert werden).
            Ansonsten hat eine Frau erzählt, dass sie an Mützenich selbst geschrieben und von ihm sofort persönliche Antwort bekommen hatte.

            Zu „Es wird einfach so getan als habe RU 1917 angefangen zu existieren.“:
            Genau darüber habe ich mich gestern während der Assange-Aktion mit einem Altkommunisten unterhalten, sodass wir beide keine Zeit zum Posieren für (aus meiner Sicht entbehrliche) Fotos auf Stühlen hatten (die Aktion war leider sehr “überschaubar”).

            Zu „Ich warte darauf wie sie die De-Humanisierung „des Chinesen an und für sich“ vorbereiten werden.“:
            Da brauchen Sie nicht zu warten, das läuft schon seit Ewigkeiten (Auswirkungen können meine Tochter und ich übrigens aus Erfahrungen im In- und Ausland bestätigen.)
            Historisches Bildmaterial dazu findet sich in John Pilgers Film „The Coming War on China“.
            Pilger geht auch in seinen Interviews darauf ein, z. B. mit Strategic Culture Foundation, China Morning Star,…

            Zu „Halte ich für problematisch weil offensichtlich mit PR-Funktion verknüpft“:
            Meine Güte, wann ist denn das, was ein Regierungsoberhaupt öffentlich von sich gibt, ohne „PR-Funktion“?
            Nochmals: Es ist der Job von Politikern, PR zu machen, je nach Zielgruppe inhaltlich vollkommen unterschiedliche (s. Borrell). Alles, was Politiker öffentlich von sich geben, muss als Propaganda (wertneutraler Begriff) angesehen werden, eben als gute oder schlechte, habe ich in grauer Vorzeit im Deutschgrundkurs gelernt.
            Nachdem wir uns hier darüber ja leider zerstritten hatten, konnte ich einem Journalisten der Deutschen Welle mit meiner diesbezüglichen Argumentation gegen die Laufrichtung spielen. Er will wiederkommen, um das Thema Propaganda ausführlicher zu diskutieren, und das wird bestimmt wieder lustig.
            Hier im Forum finde ich es nur noch traurig.

        2. Was soll das werden, ein Aufregerchen über Russophobie in ukrainischen Schulbüchern ?
          Du möchtest gern Leute vor den Karren spannen, um eine dünne Hypothese zu stützen, die im Grunde nur sehr aufwändig und wissenschaftlich zu belegen ist ?

          Die Einstellung der Eltern, deren Erlebnisse und die Biografie der Kinder selbst sind bezüglich der Ausbildung einer gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit erheblicher.
          Das das ukrainische Kultusministerium Nazigruppen im Land finanziell und organisatorisch unterstützt, wissen wir schon.
          Das über Propaganda Einfluss auf Kinder genommen werden könnte, liegt nahe.
          Na und ? Offiziell sitzen gar keine Nazis in der ukrainischen Regierung. Was ist dein Thema ?

            1. hey….
              du kannst die eingerichteten gewaltverhältnisse nich “hinwegschwärmen”…
              es gibt nunmal “staat”, “kapital”, “gewaltmonopol” usw usf…..
              ich hab letztes jahr bald jeden tag aufm weg zur arbeit bella ciao gesungen, bin aber noch nich “birdy” (film googlen 😉 ) …
              (die “rechte” bewaffnet sich seit längerem (auch s “schlicht konservative”) und linke treiben kampfsport 🙄 ….naja…eh zu spät )

  3. Allein die Unterstützung einer von rechtsnationalistischen und faschistischen Kräften unterwanderte und servil gelenkte Ukraine zeigt, wess Geistes Kind bei den Verantwortlichen herrscht. Das “Unternehmen Barbarossa“ muss für diese Leute zu Ende geführt werden. Tiefenpsychologisch ist das das Rächen der damals kaputt und zerschunden zurückgekehrten (Ur-)großväter. Baerbock hat es ja offen zugegeben.

  4. Laut dem Psychologen Viktor E. Frankl realisierten selbst die Ankömmlinge in Auschwitz nicht, was ihnen drohte. Zur Selbstberuhigung (“Es wird schon nicht so schlimm kommen”) führt er den “Begnadigungswahn” an, bei dem zum Tode Verurteilte sich kurz vor der Hinrichtung einbilden, im letzten Moment noch begnadigt zu werden.
    In seinem Buch “…trotzdem ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager” beschreibt er seine eigene Ankunft als Häftling in Auschwitz. Das ist sicher ein Dokument, das helfen kann, eine realistischere Sichtweise auf mögliche Zukünfte zu entwickeln.
    https://www.kreisquadratur.at/wordpress/wp-content/uploads/2015/01/Trotzdem-Ja-zum-Leben-sagen.pdf

    Den Titel seines Buches hat Frankl dem Buchenwald-Lied entnommen. Es wurde vom österreichischen Librettisten Fritz Löhner-Beda getextet, der 1938 nach Buchenwald deportiert wurde.

    Der Buchenwald-Überlebende Ivan Ivanji zu den Todesumständen von Löhner-Beda im Dezember 1942:

    “Fritz Löhner-Beda wurde 1942 nach Auschwitz transportiert. Über seinen Tod gibt es eine eidesstattliche Erklärung von einem Mithäftling, Raymond van den Straten. Fünf Direktoren der I.G.-Farben haben das Lager inspiziert. Einer der Direktoren wies auf Dr. Löhner-Beda und sagte zu seinem SS-Begleiter: ›Diese Judensau könnte auch rascher arbeiten.‹ Darauf bemerkte ein anderer I.G.-Direktor: ›Wenn die nicht mehr arbeiten können, sollen sie in der Gaskammer verrecken.‹
    Nachdem die Inspektion vorbei war, wurde Löhner-Beda aus dem Arbeitskommando geholt, so geschlagen und mit den Füßen getreten, dass er als Sterbender zu seinem Lagerfreund zurückkam und sein Leben in der I.G.-Fabrik in Auschwitz beendete. Löhner-Bedas Frau Helene, der er den Text des Liedes „Dein ist mein ganzes Herz” in Lehárs Operette „Das Land des Lächelns” gewidmet hatte, das Hitler so gern hörte, wurde mit ihren Töchtern Eva und Liselotte im Vernichtungslager Maly Trostinetz in Weißrussland umgebracht …”

    Eine weitere eindrückliche Schilderung Ivanjis:

    “In Altaussee habe ich den in Wien geborenen SS-Obersturmbannführer Wilhelm Höttl kennen gelernt, der Adjutant Kaltenbrunners war, der während des Krieges in Belgrad und Budapest Dienst schob. Höttl ist der Mann, dem Eichmann über den Ausmaß der Judenvernichtung erzählt hat. Er wusste anfangs nicht, was ich genau bin, klagte, dass ihm sein Kriegskamerad Eichmann die Waggons abgenommen habe, die er für Nachschub an die Ostfront brauchte, um 1944 ungarische Juden nach Auschwitz zu transportieren und fragte mich pathetisch:

    „Was war nun wichtiger, der Kampf gegen den Kommunismus oder die Verlegung der Juden?”
    Ich sagte, ich sei sowohl Kommunist, als auch Jude, und sei in einem dieser Waggons gewesen, die ihm sein Kriegskamerad Eichmann abspenstig gemacht hatte.”
    https://www.derstandard.at/story/1315005531268/ein-vortrag-von-ivan-ivanji-wien-und-seine-juden

    Ebensfalls sehr lesenswert: Der Text von Ivanjis Mithäftling H. G. Adler:

    Selbstverwaltung und Widerstand in den Konzentrationslagern der SS.
    In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte. Juli 1960
    https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1960_3.pdf

    Anfang des Jahres, zum 80. Jahrestag der Wannsee-Konferenz produzierten ZDF und die Constantin Television GmbH einen Film und Dokumentation, in der auch Zeitzeugen zu Wort kommen, verbunden mit der Warnung, dass sich Vergleichbares oder gar Schlimmeres wieder ereignen könnte:
    https://www.zdf.de/filme/die-wannseekonferenz/die-wannseekonferenz-104.html
    https://www.zdf.de/dokumentation/dokumentation-sonstige/die-wannseekonferenz—die-dokumentation-vom-24-januar-2022-100.html
    https://www.zdf.de/dokumentation/dokumentation-sonstige/ganz-normale-maenner-der-vergessene-holocaust-104.html

  5. Wer sich seit Anfang 2020 bei manchen Entwicklungen und Verhalten an ’33 erinnert sah – und sich erdreistete, das auch noch öffentlich kund zu tun, wird seitdem als “Holocaust-Relativierer” diffamiert und teilweise sogar strafrechtlich verfolgt.

    Man kann also ganz locker logisch ableiten, dass solange hierzulande noch nicht wieder KZ betrieben werden, jeder Zustand per ordre de mufti als in Bester Ordnung zu betrachten ist. Bei jedem, der das zu laut anders sieht, schickt Nancy die Schergen von Genosse Haltungszwang morgens um 5:00 vorbei, mal die Bude umzukrempeln und den Betreffenden wegen unterstelltem Gedankenverbrechens lange in den Knast zu stecken – siehe “Reichsbürger-Putschisten” oder auch die Causa Ballweg.

    Die dazu erforderliche Gesinnungsjustiz ist ja längst etabliert, die Exekutive gefällt sich offenbar auch als Erfüllungsgehilfe von Verfassungsbruch in Serie und die Haltungspresse unterscheidet sich im geschlosssenen Fanatismus kaum von der ’33, sei nun “der Russe” der identifizierte äussere Feind, oder “Rechte, Querdenker, Schwurbler, *Leugner”, etc,pp der innere Feind.

    So geht Faschismus. Und den haben wir längst wieder. Nancy tut nicht mal mehr so, als wäre “Rechtsstaat” mehr als nur eine Floskel und möchte bei der Gelegenheit auch die Unschuldvermutung als Grundpfeiler desselben endlich einebnen. Stört nur, kann weg.

    Die Frage im Artikel kann also jeder für sich selbst mal in seiner Wahrnehmung dessen überprüfen, als in welchem Zustand er/sie “das beste Deutschland aller Zeiten” betrachtet.

  6. “Vom lat. contingentia: „das, was passiert“, „Zufall“. Im Gegensatz zum Notwendigen meint die Kontingenz die Möglichkeit, dass etwas eintritt oder eben nicht eintritt, oder dass es ganz grundsätzlich anders sein könnte, als es ist.” (aus Philosophie Magazin – philomag.de )

    Bei allem Respekt, Herr Zuckermann – der Begriff der” geschichtlichen Kontingenz” passt mEn nicht.
    “Grundsätzlich anders” kommen konnte es gerade eben nicht (schon gar nicht zufällig), da die physische Vernichtung der Juden, die “Ausrottung” des ausgemachten Übels, bei den Nazis (wenn auch Anfangs ggfs. verklausuliert) notwendig und daher Programm war.

    1. @ chefkoch01
      Zufällig hat nichts mit absichtslos zu tun. Ob eine Absicht ihr Ziel erreicht ist immer fraglich. Ganz besonders in der Geschichte, der persönlichen und der menschlicher Gruppen. “https://www.phraseo.de/phrase/erstens-kommt-es-anders-und-zweitens-als-man-denkt/ . Theodor Lessing z. B. hatte geglaubt in Marienbad sicherer zu sein als im `Reich´. Zu Unrecht, wie seine Ermordung am 30. August 1933 belegt. Er wurde eines der ersten Todesopfer nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler durch alle Ordnungsliebenden vom Zentrum bis zu DNVP und NSDAP. Dass Adolf Hitler die Macht ergriffen habe, ist eine propagandistische Lüge. Sie wurde ihm übertragen. Von den Vorfahren derer, die ich für Nazis halte, obwohl sie gerne ihre eigene Geschichte kappen. (CDU, CSU, FDP…). Angeblich wollten sie ja beschwichtigen, die Ordnung und Sicherheit liebenden Menschen der Weimarer Republik.

      1. @Christa
        „Ob eine Absicht ihr Ziel erreicht ist immer fraglich“

        Du merktest richtig an, dass man Hitler die Macht übertrug. Und das in gesellschaftlicher Breite.
        Jenen Hitler, der schon 1925 in „mein Kampf“ seine Absicht – die Ausrottung der Juden – propagierte.
        Man wusste, wen man 1933 mit 43,9 Prozent mit der Lösung aller Probleme betraute.
        Ich sehe nicht, woraus sich die Dinge ‚grundsätzlich anders‘ hätten entwickeln sollen.

        Aber wahrscheinlich missverstehen wir uns gerade nur….

        1. @ chefkoch01: Du unterschlägst, dass bei den Reichstagswahlen im März 33 schon ein ansehnlicher Teil der Sozialdemokraten und Kommunisten daran gehindert wurde Wahlkampf zu machen. Die letzten Wahlen, die man als “freie” bezeichnen könnte, waren die am 6. November 1932. Bei diesen mussten die Nazis bereits Verluste hinnehmen, nämlich 4,3 %. Das könnte den Ausschlag dafür gegeben haben, dass man (ALLE mit Ausnahme von SPD und Kommunisten) umgehend Hitler zum Reichskanzler ernannte – der “Ordnung” halber. Bei der Märzwahl 33 waren die Kommunisten de facto bereits ausgeschaltet. Welche Anzahl von Menschen das real waren habe ich auf die Schnelle nicht gefunden.
          Ich halte dafür, bei Wahlen Köpfe zu zählen und keine Anteile. Das ist nämlich aussagekräftiger. Die identitätspolitische Leitfigur der LINKEN und Verfechterin des Grundeinkommens Katja Kipping hat in ihrem Wahlkreis Dresden I zwischen 2009 und 2021 stetig Wähler verloren, und zwar insgesamt 14.039 bei den Erststimmen und 32.649 Zweitstimmen. Wie man als Partei eine derartig “überzeugende” Figur über mehrere Wahlperioden als Vorsitzende bestätigen kann, ist mir ein Rätsel.
          Ob “Mein Kampf” bereits von einer Ausrottung der jüdischen Bevölkerung spricht, weiß ich nicht. Ich habe das Buch nicht gelesen, weil es ja bis vor ein paar Jahren außer für Historiker mit nachweislichem Forschungsinteresse in Deutschland nicht zugänglich war. Jedenfalls haben Nazis und Zionisten mindestens bis zu den Rassegesetzen über eine geordnete Ausreise nach Palästina verhandelt. Die planmäßige Vernichtung wurde erst in die Wege geleitet, als sich ab 1941 die Niederlage der faschistischen Truppen abzeichnete. Es ist belegt, dass bei den von den Nazis als “Endlösung” bezeichneten Tötungen die “freiheitlichen” Gegner der Sowjetunion begeistert mitmachten, zunächst unmittelbar bei Pogromen, vor Eintreffen der faschistischen Wehrmacht und SS und später als willfährige Helfer im Wachdienst der KZs im Osten. Ich bin überzeugt, dass ohne die Ausschaltung der kritischen Kräfte in Deutschland die Massenvernichtung nicht möglich gewesen wäre.
          Das erste KZ in Dachau wurde unmittelbar nach dem Reichtagsbrand von politischen Gefangenen errichtet, die von dort in aller Regel als gebrochene Menschen zurückkamen. Hauptsächlich Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschafter. Ich hatte in meiner Jugend öfter Gelegenheit mit Kollegen und Genossen zu sprechen, die der dortigen Zwangsarbeit ausgesetzt waren.
          Bei belegbaren historischen Ereignissen gibt es keine Missverständnisse. Hitler hat keine Macht egriffen, sondern sie wurde ihm am 30. Januar übertragen – von den Leuten, die sich heute als Hüter westlicher Freiheit aufspielen. Im Unterschied zu damals inkl. der Sozialdemokraten.
          Für besonders apart halte ich die gegenwärtige Tendenz, genau die politische Sektion der Ukrainer zu Freiheitskämpfern zu erklären, deren Aktivisten von SS-Statthaltern als eifrige Pogromisten zu Deutschen ehrenhalber gemacht wurden. Ein paar von ihnen, ihren Kindern und Enkeln konnte ich kennenlernen, als ich in den 90er Jahren in Integrationskursen für Aussiedler arbeitete. In aller Regel behielten sie nämlich in ihren Lerngruppen gegenüber den jüdischen Kontingent-Flüchtlingen aus dem zerfallenden Russland ihre “Sitten” im Umgang mit rassisch unpassenden Menschen bei. Das konnte ich in den Pausen beobachten. Geduldet habe ich es nicht, sondern den Ausschluss aus dem Kurs angedroht.

  7. Hr. Zuckermann wird wahrscheinlich nie begreifen das Auschwitz weniger mit Barbarei als mit Zivilisation zu tun hatte.

    Logistik, Produktion, Entsorgung, Verarbeitung, Sekretariat, Security, Ärzte und Psychologen mit Forscherdrang.
    Sowie die Betonung auf den Geist der Arbeit über den Eingang.
    Übrigens nannten die SS::innen
    diejenigen die vor Hunger im Sitzen fielen Moslems.

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