„Frauen sterben gelassener als Männer“ – Also ab mit ihnen an die Front!

Titel eines epd-Artikels der Zeitung

Wie weibliche Soldaten für die Bundeswehr und den geplanten Krieg gewonnen werden sollen.

Eine der seltsamsten Überschriften eines Zeitungsartikels des abgelaufenen Jahres konnte man Ende November lesen: „Frauen sterben gelassener als Männer“ stand da zum Beispiel in den Ausgaben des Stuttgarter Zeitungskartells, wahrscheinlich aber auch in anderen Blättern, denn der Text kam vom Evangelischen Pressedienst epd.

Diese Zeiten des Umbruchs, der Verwerfungen und ständigen Veränderungen, des Durcheinanders und der Willkürisierung bringen täglich aufs Neue Nachrichten hervor, die irgendwie nur noch irrsinnig genannt werden können. Doch sie folgen einer Logik. Kühl und analytisch betrachtet kommt dieses verbale Chaos daher, dass Taten und Worte, Pläne und Begründungen auseinanderfallen. Die politisch-mediale Nomenklatur kann ihre wahren Ziele und Absichten mit ihrer Sprache nur bedingt verklären, weil sie auf die Skepsis der Öffentlichkeit Rücksicht nehmen muss. Noch. Wer den Krieg gegen Russland organisiert, kann nicht sagen: „Wir bereiten den Angriff auf Moskau vor“, sondern muss schwurbeln: „Putin hat den Krieg gegen den Westen bereits begonnen“. Oder: „Sind wir kriegstüchtig?“ Und so weiter.

Die Aussage „Frauen sterben gelassener als Männer“ muss man einen Augenblick auf sich wirken lassen. Erste Reaktion: Handelt es sich nur um eine der Unsinnigkeiten des Systemfeminismus‘, der immerfort Frauen und Männer gegeneinander ausspielen muss? Selbst noch im Tod.

Der Inhalt des fraglichen Artikels ist zwar ein klein bisschen anders als besagte Überschrift, denn es geht im Text nicht darum, dass Frauen gelassener sterben, sondern dass Frauen anders mit dem Tod umgehen als Männer, gelassener. Und zwar weil Frauen es gewohnt seien, Abschied zu nehmen; weil sie sich auf ihren Tod vorbereiteten; weil sie genau hinschauen wollten, während Männer den Tod eher wegschieben würden; weil Frauen sich getrauten, ins Bestattungshaus zu kommen und gedanklich durchspielten, wie sie sterben und beerdigt werden wollten. Deshalb könnten sie auch besser loslassen und seien beim Sterben gelöster. Stichwortgeber ist das Buch der Bestatterin Hanna Roth mit dem Titel: „Sterben Frauen anders? Erfahrungen zwischen Empathie, Stärke und Schmerz“. Was die Autorin noch in Frageform kleidet, bejaht der Artikel dann ungeniert. „Erst im Tod sind alle gleich“, heißt es im Text dann noch, womit die angebliche Ungleichheit beim Sterben unterstrichen wird.

Zweite Reaktion: Man könnte die Frage gerade andersherum betrachten. Stirbt nicht derjenige gelassener, der nicht groß an seinen Tod denkt und alles Mögliche plant? Also die Männer. Doch auch mit dieser Perspektive würde man das gleiche schlechte Spiel betreiben, das da heißt: Frauen versus Männer. Was für eine Konstruktion. Beim Sterben keinerlei Unterschiede unter den Frauen wie unter den Männern. Aber ein prinzipieller und permanenter Unterschied zwischen jeder Frau und jedem Mann, als gäbe es ausnahmslos einen weiblichen und einen männlichen Tod und das Sterben der einen sei das bessere.

Warum dieses Spiel nicht bei anderen Differenzen? Bei Jungen und Alten, Zugewanderten und Einheimischen oder Religiösen und Gottlosen etwa? Sterben Alte gelassener als Junge? Alte Männer etwa gelassener als junge Frauen? Oder umgekehrt: Junge gelassener als Alte? Dann also junge Männer gelassener als alte Frauen? Sterben Christen gelassener als Atheisten? Und christliche Männer dann wiederum gelassener als atheistische Frauen. Wie gelassen stirbt man in Gaza bei Männern, Frauen und Kindern? Und so weiter.

Warum sieht man hier die Absurdität, aber nicht in der sogenannten Geschlechterperspektive?

Weil vernebelt werden soll, dass es wohlhabende Frauen gibt, die gesünder leben und später sterben als etwa sozial schwache und malochende Frauen. Und dass es Männer gibt, wie derzeit in der Ukraine, die jung an der Front sterben, während andere Männer sich vom Sterben freikaufen oder freidelegieren können. Dass das Sterben also weniger eine Geschlechterfrage als eine soziale Frage ist.

„Frauen sterben gelassener als Männer“ – dabei stimmt schon der Befund nicht, wie jeder weiß. Ich war mindestens einmal beim Sterben einer Frau dabei. Auch sterbende Frauen führen einen Todeskampf, können mal gelöst sein und mal verzweifelt. Eigentlich muss man das nicht betonen. Zu sagen, sie sterben gelassener, ist ein Missbrauch dieses höchst individuellen dramatischen Moments für eine politische Agenda. Außerdem haben auch Männer, die sich doch anscheinend nicht oder ungenügend fürs Sterben interessieren, viel Erfahrung mit Sterbenden und Toten. Etwa bei der Feuerwehr oder im Rettungsdienst. Und im Krieg.

Vielleicht kommen wir damit der Sache nun näher. Die Spaltung zwischen Männern und Frauen braucht man, wenn man die Gesellschaft politisch darauf vorbereiten möchte, dass bald über Maßen gestorben werden soll, weil man Krieg führen will. Dabei gibt es dann tatsächlich einen Unterschied zwischen Männern und Frauen, denn bei diesem inszenierten Krieg, den die Regierenden und Besitzenden für dieses Land bereit halten, werden zunächst (junge) Männer sterben – wieder einmal und nicht die Frauen. Die kommen womöglich später dran. Den Frauen wird vermittelt, sie sollen das kommende Sterben ihrer Männer und Söhne und Brüder ertragen, und sie könnten das auch, schließlich seien sie doch so cool gelassen und gewohnt, Abschied zu nehmen.

„Gewohnt, Abschied zu nehmen“ – das ist eine Aussage zum Sterben von Frauen versus Männern, die doppelt verdächtig ist. Genauso wie der Rat, den „Tod ins Leben zu holen“, so die Autorin des genannten Buches. Dieses „Memento mori“, den Tod bedenken, könne einem eine andere Leichtigkeit und Lebensfreude geben. Man werde sich bewusst, dass das Leben nicht unendlich ist und der Tod dazugehöre. Sätze wie Bausteine einer anderen Erzählung.

Den „Tod ins Leben holen“ –  das können die Frauen aber nicht nur Zuhause in der Reihenhaussiedlung haben, sondern gerne auch weit weg an der Front. Dort kann man gelassene Tote auf Abruf, sprich: Soldaten sowie gebrauchen. Frauen mit ihren mannigfachen Todeserfahrungen bringen Ruhe ins Krepieren in den Schützengräben.

Da die Frauen allerdings bisher noch nicht überzeugt zu sein scheinen vom Kriegshandwerk, muss ein bisschen propagandistisch nachgeholfen werden. Derzeit sind lediglich etwa sieben Prozent der Bundeswehrsoldaten weiblich. So kann man den Hochruf „Frauen sterben gelassener als Männer“ zugleich verstehen als einen Aufruf an die Frauen, doch zusammen mit ihren Männern in den Krieg zu ziehen.

Man braucht die Frauen aber noch aus einem anderen Grund für die Männer, denn mit deren Kriegsertüchtigungswillen scheint es auch nicht sehr weit her zu sein. Es melden sich einfach nicht genügend Freiwillige. Übrigens auch unter jenen Politikern nicht, die ohne Ende fürs Soldatsein werben und verbieten lassen wollen, dass ukrainische Männer ihr Land verlassen, weil sie nicht an der Front sterben wollen. Und für ihre Frauen und Kinder auch nicht sollen. Und jetzt auch noch Proteste von Schülern, die gegen die Wehrpflicht demonstrieren und laut und direkt sagen, sie wollten noch eine Weile leben und nicht an der Front aufhören müssen zu leben.

Mit Frauen in der Armee soll Druck auf Männer gemacht werden, doch wieder zur Bundeswehr zu gehen.

Die Sendung Kulturzeit des öffentlich-rechtlichen Senders 3sat hat einmal einen TV-Beitrag unter die Überschrift gestellt: „Wehrpflicht-Debatte: Frauen an die Front?“ Die Moderatorin eröffnete den Beitrag mit folgenden Worten: „Falls die Wehrpflicht in Deutschland wieder zurückkommt, wird es dann viel Protest geben? Und wird sie auch für Frauen gelten oder ist am Kasernentor dann doch Schluss mit der Gleichberechtigung?“ Der Frauenbewegten schien nicht aufgefallen zu sein, dass sie ein Recht mit einer Pflicht verwechselte. Übersetzt sagte sie nämlich: „Haben Frauen auch das Recht, einer Wehrpflicht unterworfen zu werden?“ Ein neues politisches Paradigma hat das Denken der Kulturzeit-Redaktion offensichtlich inzwischen vollständig im Griff: ‚Wir brauchen Soldaten! Dazu zählen auch Frauen!‘

Das ist das Paradigma dieser Zeit: Gemeinsam in den Krieg. Aber natürlich nur die armen Frauen mit den armen Männern, die Namenlosen. Die reichen und einflussreichen Männer und Frauen mit den Namen Kiesewetter, Röttgen, Strack-Zimmermann oder Baerbock dürfen zuhause bleiben. Dort braucht man sie, um dann besorgte Heimatfront zu spielen und den Krieg am Brennen zu halten. Auch im Tod sind nicht alle gleich.

Thomas Moser

Thomas Moser ist freier Journalist und Autor, der unter anderem für das Online-Magazin Overton und ARD-Anstalten arbeitet. Er tritt für eine Erneuerung und Demokratisierung der Öffentlich-Rechtlichen Medien ein. Der Politologe beschäftigte sich mit dem NSU-Komplex und veröffentlichte hierzu mehrere Bücher (u.a. „Ende der Aufklärung. Die offene Wunde NSU“). Er berichtete über die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zum Anschlag vom Berliner Breitscheidplatz und schrieb dazu das Buch „Der Amri-Komplex“.

Bild von Angela Margarethe Lehner.
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5 Kommentare

  1. Eine Statistik lässt keinen Rückschluss auf den Einzelfall zu. Andersrum wird eine Statistik nicht durch Einzelfälle widerlegt. In keinem Fall ist es Schuld einer Statistik, wie sie verwendet wird.

    Dass „Frauen“ gelassener sterben als „Männer“, mag so sein oder auch nicht, sagt aber nichts darüber aus, ob ein konkreter Mensch entspannt stirbt, ist keine Rechtfertigung für Kriegsdienst und schon gar nicht für Krieg oder Menschenverachtung.

    Wer das den Autoren einer Statistik oder gar denen, die darüber berichten, einfach mal pauschal unterstellt, weil er einen vermeintlichen Gegensatz als Aufhänger für seine eigene Meinung braucht, handelt unredlich. Ebenso, wer ein Thema nur aufgreift, um es auf sein eigenes Anliegen umzubiegen.

  2. „Frauen sterben gelassener als Männer“ – diese Überschrift ist nicht nur schief, sie ist gefährlich. Sie verharmlost das Sterben und verschiebt den Blick weg vom eigentlichen Skandal: dass in Kriegen überhaupt gestorben wird. Ob Männer oder Frauen angeblich gelassener mit dem Tod umgehen, ist dabei völlig irrelevant. Krieg bleibt Krieg. Krieg ist eine Verschwendung von Menschenleben, Ressourcen und Zukunft.

    Wer ernsthaft glaubt, das Sterben von Menschen lasse sich durch psychologische oder geschlechtsspezifische Zuschreibungen irgendwie sinnvoll einordnen oder aufwerten, betreibt eine moralische Vernebelung. Der Tod ist nicht gelassen, nicht heroisch, nicht sinnstiftend. Er ist endgültig. Wer tot ist, ist tot – heute, morgen und in tausend Jahren. Er kann nichts mehr bewirken, nichts mehr verändern und nichts mehr beitragen zu einer besseren Welt.

    Besonders zynisch ist es, wenn solche Erzählungen in eine Zeit fallen, in der wieder offen über Kriegstüchtigkeit, Wehrpflicht und Frauen an die Front diskutiert wird. Hier wird Sprache benutzt, um das Unfassbare akzeptabel zu machen. Menschen sollen darauf vorbereitet werden, dass sie oder ihre Kinder geopfert werden. Als wäre das normal. Als wäre das notwendig.

    Jedes Kind wird geboren, durch Krankheiten getragen, durch Jahre der Fürsorge und Bildung begleitet. Und dann soll dieses Leben am Ende an der Front enden, als Pflicht, als Ehre, als Verteidigung? Das ist kein Mut, kein Fortschritt und keine Gleichberechtigung. Das ist schlicht Schwachsinn.

    Wenn jemand Krieg führen will, soll er ihn selbst führen, persönlich, ohne andere vorzuschicken. Krieg wird immer von denen entschieden, die nicht sterben, und von denen ausgetragen, die keine Wahl haben. Solange wir leben, können wir etwas verändern. Wer stirbt, kann nichts mehr tun. Deshalb ist es niemals sinnvoll, für einen Krieg zu sterben, egal ob als Mann oder als Frau.

  3. Arbeiter stürzte in industriellen Fleischwolf
    BILD spach zuerst mit der Fleischwurst

    …war mein erster Gedanke. Lange nicht gehört.
    BILD ist ja anscheinend heute in den meisten Redaktionen vertreten oder stilbildend.

    Eine profane Perspektive hat Herr Moser bei seinen Betrachtung weggelassen: Wenn der Text vom »Evangelischen Pressedienst epd.« kam, ist es naheliegend, dass es eine Art Werbung für die Kirche war, der die Mitglieder & Mitgliederinnen weiterhin eklatant davonlaufen bzw. wegsterben.

    Im Abendland ist es gemeinhin ein Reflex bzw. die Konditionierung, sich beim Thema Tod einer Religion zuzuwenden, da sich außer den Profis (Ärtzte, Pflege, Polizei, Bestatter etc.) niemand auf alltäglicher Basis damit auseinandersetzen mag oder soll, es konsumierte sich sonst nicht so schamlos, schlecht für die Wirtschaft bla bla.

    Ein guter Artikel von Herrn Moser, der das ganze Tableau der Perversionen unserer politischen und medialen Eliten, Führung, Hirnis teils ironisch und immer mit richtigem Biss dechiffriert.

    So, ich kaufe jetzt eine weiße Fahne und denke an den Tod der anderen, die leider erst einmal die falschen sein werden…

  4. Wenn jemand Zeit hatte, sich auf seinen Tod vorzubereiten, im hohen Alter oder bei Krebserkrankungen, dann sind die allermeisten mit einer gewissen Gelassenheit gestorben. Das konnte ich im Hospiz oft beobachten, aber gerne gestorben ist niemand!
    Wenn der Tod jemanden plötzlich ereilt, ist von Gelassenheit nichts zu spüren, ganz im Gegenteil, Furcht und Angst waren mit den Händen zu greifen!
    So würde es auf dem Schlachtfeld aussehen, mit Gelassenheit ist da nicht zu rechnen, ganz im Gegenteil! Unterschiede zwischen Frauen und Männern sind in solchen Fällen nicht vorhanden, das ist totaler Blödsinn!
    „Dulce et decorum est pro patria mori“ ist und war immer schon verlogener Schwachsinn, genauso wie der „In stolzer Trauer“-Unsinn.
    Ich habe mal nen Bergmann auf der Intensivstation reinkommen sehen mit aufgerissenem Bauch, noch jung, voller Panik und Todesangst, der fast unmittelbar danach mit vollem Bewusstsein gestorben ist, auch ein 21jähriger mit gerissenem Aortenaneurysma, wo ich live und in Farbe daneben stand.
    Nee,nee, das ist kein Spaß und das ganze theoretische Erörtern ist akademisch!
    Sich vorzustellen, junge Menschen aufs Schlachtfeld zu schicken, wo sie Tod, Verstümmelung, Angst und Elend erwarten, hat nichts heroisches an sich!
    Politiker, Wirtschaftsführer und Offiziere, die bereit sind Menschen in den Tod zu schicken, dies sogar bewusst herbei führen, sind für mich Verbrecher!
    Nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt solche Handlungsweisen!
    Kriegsverhinderung muss daher der Primat jeder Politik sein!
    Alles andere ist instituionelles Verbrechertum. Ein jeder, der sich aktiv an Kriegsvorbereitungen beteiligt, auch und gerade Journalisten, ist für mich kriminell.
    Erich Maria Remarque lässt in seinem Roman „Der Weg zurück“ einen Protagonisten vor Gericht, an Staatsanwalt, Richter und Honoratioren gerichtet, ausrufen:
    „Ihr habt den Krieg nur bis zum Bahnhof gesehen“
    So ist das wohl, die Kriegsgeneration ist nicht mehr da, das Kroppzeug, das uns jetzt regiert, sieht den Krieg auch nur bis zum Bahnhof!
    Es gibt kein politisches Prinzip, das es wert ist, Menschen in den Tod zu schicken!
    Sterben ist kein Spaß, das kann ich jedem versichern!

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